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Karriere am Institut für Zeitgeschichte - Frauen in Führungspositionen – Universität Innsbruck
Bild von Ingrid Böhler und Eva Pfanzelter

Karriere am Institut für Zeitgeschichte - Frauen in Führungspositionen

Die „Feminisierung durch die Hintertür“. Im Interview mit Senior Scientist Mag. Dr. Ingrid Böhler und assoz. Prof. Mag. Dr. Eva Pfanzelter (MA)

Text: Carmen Griesser und Valentina Obkircher

Das Institut für Zeitgeschichte der Universität Innsbruck spiegelt die historische Entwicklung der österreichischen Universitäten wider, die traditionell Männerbetriebe darstellten. Heute nehmen Frauen an Universitäten – und auch konkret am Institut für Zeitgeschichte – zentrale Rollen sowohl im Bereich der Wissenschaft als auch Verwaltung ein. Doch wie kam es zu dieser Entwicklung und was bedeutet sie für den heutigen Arbeitsalltag von Frauen an Universitäten? In vorliegendem Blogbeitrag wird sich dieser Frage durch ein Interview mit den zwei am Institut für Zeitgeschichte tätigen Frauen Ingrid Böhler und Eva Pfanzelter angenähert und erläutert, wie die „Feminisierung durch die Hintertür“ (Ingrid Böhler) am Institut vonstatten ging.

Langjährige Männerdominanz und die Etablierung von Frauen am Institut für Zeitgeschichte

„Ich war, glaube ich, die erste Frau am Institut […] und das war ein kleines Institut, da gab es eine Sekretärin und sonst war das schon ein Männerbetrieb mit allem, was man sich klischeehalber da noch dazu vorstellen kann. […] Es haben sich dann natürlich die Rahmenbedingungen schrittweise geändert und das passiert eben auch, wie soll ich sagen, nicht auf einem revolutionären, sondern evolutionären Weg.“

So erinnert sich Ingrid Böhler ‒ die seit April 2018 als Leiterin des Instituts für Zeitgeschichte tätig ist ‒ an eine männerdominierte Kollegenschaft in ihren Anfangszeiten am Institut, an dem sie seit 1992 beschäftigt ist. Auch heute seien noch bestimmte Muster erkennbar, was die Verteilung der Aufgabenbereiche am Institut angeht. „Administrieren, organisieren und vor allem kommunizieren“ – das seien Aufgaben, „die sich vielleicht Frauen eher antun“, erklärt Ingrid Böhler, die auch nach der Institutsleitungsübernahme zu ihrem regionalgeschichtlichen Schwerpunkt forscht und publiziert.

Eva Pfanzelter ist, diesem Muster entgegengesetzt, seit vielen Jahren vor allem in der Forschung tätig und initiierte daneben unter anderem Lehrprojekte wie die von Frauen ins Leben gerufene Zeitschrift historia scribere. Dieses verdeutliche wieder das Muster, dass Frauen in der Lehre und in Projekten, mit denen man als Wissenschaftler:in weniger „groß reüssieren“ könne, häufig an vorderster Front stehen. Darüber hinaus ist Pfanzelter jedoch mit zahlreichen Forschungsprojekten beschäftigt, die insbesondere die „Option“ in Südtirol und Migration allgemein als Schwerpunkt haben oder wie das kürzlich mit dem European Heritage Award/Europa Nostra Award 2024 ausgezeichnete Horizon Europe-Projekt NewsEye eine transnationale Perspektive aufweisen.

Dass die beiden Frauen heute in den genannten Positionen tätig sind, habe mit diversen Faktoren zu tun. „Ich habe, als ich das Angebot bekommen habe, hier zu arbeiten, nicht nein gesagt. Und der Rest hat sich dann irgendwie ergeben, mit Glück, aber schon auch mit Einsatz“, erklärt Ingrid Böhler. Nach einem Aufenthalt im Ausland stellte sich für Eva Pfanzelter spontan die Frage, ob sie Interesse daran hätte, am Institut für Zeitgeschichte zu arbeiten. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Situation von Frauen in der Wissenschaft noch in einer vergleichsweise prekären Phase. Pfanzelter berichtet hierzu von ihrer jahrelangen Teilzeit- bzw. Projektanstellung, bis es ihr durch die Einführung sogenannter Qualifizierungsvereinbarungen gelang, sich gegenüber anderen Bewerber:innen durchzusetzen und schließlich zu habilitieren. Insgesamt hätten jedoch vor allem gesetzliche Rahmenbedingungen, wie Frauenförderpläne oder Quotenregelungen und die damit einhergehenden Veränderungen in den Stellenausschreibungen der Universitäten, dazu geführt, dass seit den 00er-Jahren beim Frauenanteil die Kurve an Universitäten deutlich nach oben ging, wie Ingrid Böhler anmerkt:

„[O]hne diese Rahmenbedingungen, die eben von der Gesetzgebung und vom Ministerium vorgegeben worden sind, wären die Dinge heute noch nicht dort, wo sie nun sind. Also freiwillig ist da wenig passiert, […].“

Unter Einbezug aller aktiven Mitarbeiter:innen, also auch der – übrigens ausschließlich männlichen – externen Habilitierten sowie Gastprofessoren, Sekretärinnen und studentischen Mitarbeiter:innen machen am Institut für Zeitgeschichte Anfang 2024 Männer klar mehr als die Hälfte der Belegschaft aus. Neben der Tatsache, dass die Verrechtlichung der Frauenförderung erst in den 1990ern einsetzte, sehen Ingrid Böhler und Eva Pfanzelter die gesellschaftliche Sozialisation als relevanten Aspekt an, um zu erklären, warum beim wissenschaftlichen Personal an den Universitäten auf den höheren Ebenen der Frauenanteil noch immer geringer ist als auf den unteren. Das sei als „ein Spiegel der Gesellschaft“ zu sehen. So erklärt Ingrid Böhler:

„[…] vielleicht hat es aber auch nach wie vor damit zu tun, dass wir Frauen durch Sozialisation, Erziehung, was auch immer uns zu dem macht, was wir sind, dass wir uns weniger schnell berufen fühlen, in eine Führungsposition zu streben, dass wir uns weniger zutrauen, als es Männer tun, ja, uns genauer befragen.“

Interviewbild_Ingrid Böhler_Eva Pfanzelter
© Carmen Griesser/Valentina Obkircher, Interviewsituation

Status Quo und Ausblick

Eva Pfanzelter als Leiterin von Forschungsprojekten, Ingrid Böhler als erste Leiterin des Instituts für Zeitgeschichte und nicht zuletzt Veronika Sexl als erste Rektorin der Universität Innsbruck – zweifelsohne Beispiele für das Erstarken von Frauen in akademischen Leitungspositionen in den letzten Jahren.

„[…] zweckoptimistisch kann man sagen, es gibt, was das Thema Frauen an den Universitäten angeht, viel Erfolgreiches zu berichten. […] Aber wir leben natürlich auch in einer Welt, in der Rechtspopulismus enorm zunimmt. Und […] dort wo Intoleranz und Rechtspopulismus zunehmen, da geht es dann immer auch gegen die Frauen.“

Wie Ingrid Böhler hier kritisch anmerkt, geschehen Verbesserungen bei der Geschlechtergleichstellung nicht von alleine, sie sind auch nicht irreversibel und dieser Umstand erfordert eine entsprechende Haltung. Nämlich „Sensibilität und Solidarität unter Frauen und auch bei bestimmten […] gesellschaftlichen Dynamiken, die die Uni einfach widerspiegelt, wo es um weibliche Belange geht oder um Geschlechterbelange“. Auch Eva Pfanzelter bestätigt dies:

„Ich denke schon, dass uns das begleiten wird, auch weiterhin [...]. Also ich sehe das noch nicht als Selbstverständlichkeit, obwohl die Geisteswissenschaften ja wirklich eh noch gut dastehen, wenn wir von der Genderverteilung reden und wir am Institut auch. Aber ich sehe es schon so, dass man das auch hier ganz aktiv weiterbetreiben muss."

Als Wunsch für Frauen und die Entwicklung der Geschlechtergleichstellung im universitären Betrieb führt Eva Pfanzelter anschließend folgendes an:

„Ich würde mir wünschen, dass wir über das nicht mehr nachdenken müssen, welches Geschlecht ein Mensch hat, sondern dass wir uns wirklich darauf konzentrieren könnten, interessante Forschung ans Institut zu holen  […], dass man nicht mehr diese aktive Frauenförderung betreiben muss.“

Vom reinen Männerbetrieb zur „Feminisierung durch die Hintertür“ – das Interview mit Ingrid Böhler und Eva Pfanzelter hat gezeigt, dass die als Erfolgsgeschichte zu bezeichnende Relevanz von Frauen am Institut für Zeitgeschichte seit seiner Gründung im Jahr 1984 kein Selbstläufer war, es nach wie vor nicht ist und es auch weiterhin nicht sein wird. Diese „evolutionären“ Prozesse bedürfen weiterhin gesetzlicher und gesellschaftlicher Entwicklungen sowie eines „Bewusstseins für Solidarität“, sodass im Universitätsbetrieb künftig Kompetenz vor Geschlecht betrachtet werden kann.

Das Interview hat unsere Perspektive auf Geschlechterverhältnisse in der Wissenschaft beeinflusst. Wir sehen es als Inspiration und Impuls dafür, die Präsenz von Professorinnen und Forscherinnen im universitären Wissenschaftsbetrieb, auch wenn sie uns bisher so erschienen ist, als keineswegs selbstverständlich anzusehen und dementsprechend weiterhin dafür zu kämpfen, dass Qualifikationen, Fleiß und Verdienst vor das Geschlecht gestellt wird.

 

 

Interviewbild_Ingrid Böhler, Eva Pfanzelter und Interviewerinnen
© Carmen Griesser/Valentina Obkircher, Interviewbild mit Ingrid Böhler und Eva Pfanzelter


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