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Niewiadomski Jozef: Gaudete! Ansprache des Dekans bei der Promotions- und Sponsionsfeier am 16. Dezember 2006
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Gaudete! Ansprache des Dekans bei der Promotions- und Sponsionsfeier am 16. Dezember 2006

Autor:Niewiadomski Jozef
Veröffentlichung:
Kategoriefak
Abstrakt:
Publiziert in:# Originalbeitrag für den Leseraum
Datum:2006-12-19

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Der Zufall will es, dass der Ausklang dieses akademischen Aktes und der Introitus - der Einzugsgesang - zur morgigen Eucharistiefeier ein und dieselbe Aufforderung an die Frau und auch an den Mann bringen. „Gaudeamus igitur“ wird bald hier erklingen, „Gaudete“, so schallt es schon jetzt in den katholischen Kirchen Ozeaniens und Australiens, und in ein paar Stunden wird es auch bei uns in der Sonntagsvorabendmesse heißen: „Gaudete!“ - Freut Euch! Sind Vergewisserungen dieser Art: „Lasst uns fröhlich sein...!” und die Aufforderungen: „Freut Euch doch!”, sind sie heutzutage noch nötig? Angesichts der allgegenwärtigen adventlichen Freudenorgie? Kaufrausch, zufriedene Kundengesichter, Glühweinseligkeit - all das beherrscht ja den Alltag. Der Zufall will es, dass die Universität und die Kirche sich an diesem Wochenende bei der Ermunterung zur Freude treffen... und die Theologische Fakultät, die ja in beiden Welten zu hause ist, gleichsam doppelt von dieser Aufforderung getroffen ist. Hat sie das nötig? Ist es so freudenarm, das Freudenhaus der Theologischen Fakultät, wie die Kirchenfresser es immer wieder behaupten?

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Magnifizenz, liebe Verwandte, Bekannte, Freunde und Feindinnen unserer Kandidaten und auch Sie, liebe Absolventen, die sie so schön hier vor uns in der Schusslinie aufgereiht stramm stehen. Für Sie scheint doch eines klar zu sein. Sie brauchen keine Ermunterung zur Freude. Denn: Gaudi wohnt schon in ihrem Herzen. Das trifft sicher zu auf Herrn DDr. Kofler, dessen Herz beim Gedanken vor Freude springt, dass er nun gelassen das vierte Promotionsstudium beginnen kann. Die Aufforderung zur Freude braucht aber auch sein 51 Jahre jüngerer Kollege Stefan nicht, dem die Vorreiterrolle bei dieser akademischen Feier zukommt, als erster theologischer Bakkalaureus der Fakultät sich hier feiern zu lassen und so dem Stift Wilten ein besseres Mittagessen zu bescheren. Und auch der ukrainische Mitbruder Andrij wird die Aufforderung nicht mehr brauchen, ist er doch vor kurzem in Lviv geweiht worden, morgen kann er seine Nachprimiz in Innsbruck feiern. Ja, die Ukrainer kommen aus dem Feiern nicht heraus. Die Gesichter der Absolventen strahlen und auch die Gesichter der Angehörigen. Es ist ja die Stunde der fruitio..., die Stunde des Genusses des erfolgreich abgeschlossenen Studiums. Brauchen wir da noch die zusätzliche Aufforderung „Gaudete“?

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Vielleicht braucht aber die Fakultät selber diese Aufforderung: Gaude! Angesichts all der Reformen und Rankings. Meine Damen und Herren, angesichts einer Feier, bei der drei - je auf ihre Art und Weise - brillante Dissertationen den Grund für die Graduierung darstellen, ist auch für die Fakultät die Aufforderung „Gaude“ obsolet. Gerade im Kontext der Evaluationskriterien zum Nachweis der erfolgreichen Arbeit dieser Organisationseinheit. Diese Dissertationen stellen den notwendigen und auch den hinreichenden Grund zur Freude dar. Ihr Niveau, aber auch ihre Themenstellung und ihre Eigenart weisen auf eine Fakultät hin, die im Supermarkt der Bildungs- und Forschungsangebote ihresgleichen sucht. Sie gleicht einem Spezialitätengeschäft, dazu noch einem, das für die Kenner der Materie - die Connaisseurs - und für die Genießer anziehend wirkt. Fastfood findet man dort kaum! Ist sie deswegen nicht überrannt von den eiligen Käuferinnen und Käufer? Ausgefallenes, auf den ersten Blick Überflüssiges und Nicht-Notwendiges wird dort aufgetischt. Tiefer betrachtet sind es Angebote, die dem Leben die lebensnotwendige Qualität verleihen. Ja, für unser aller Leben sind diese anspruchsvollen Qualitätsprodukte und Raritäten „lebensnotwendig“.

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Aus der ganzen Welt könnten die Connaisseurs hierher pilgern, jene wenige Gelehrten, die sich für die mittelalterlichen Neumenhandschriften interessieren und mit der gregorianischen Semiologie vertraut sind. Meine Damen und Herren, sollten Sie jetzt schon abschalten, weil sie die Begriffe nicht verstehen, trösten sie sich. Der Autor der Dissertation hält selber fest: “Schon die Benennung des Themas meiner Arbeit dürfte bis hinein in fachtheologische Kreise weitgehend auf nackte Ratlosigkeit stoßen”. Herr Olaf Lumma ging jahrelang theologischen Implikationen des gregorianischen Gesangs nach. Anhand ausgewählter Choralstücke - es sind dies jeweils die sog. Communio-Antiphonen - wirft er eine fundamentale theologische Frage auf: Gibt es einen theologischen Erkenntnisgewinn in liturgischer Musik? Macht es einen Unterschied für das Verständnis dessen, was göttliches Wort sei, ob der Text gelesen oder gesungen wird? Was bedeutet es, dass sich die Heilige Schrift in einem sinnlichen Glaubensvollzug erschließt? Analoge Fragen müssten sich - Koll. Lumma wird jetzt staunen - jene jugendlichen Konsumenten der Musikvideoproduktionen stellen, die sich Texte durch ihren sinnlichen Vollzug verinnerlichen. Koll. Lumma sucht die Frage allerdings anhand gregorianischer Musikcodices zu beantworten, die bis ins 10. Jahrhundert zurückgehen. Minutiös werden von ihm die Antiphonen (das sind kurze Musikstücke mit einem oder zwei Sätzen) Wort für Wort analysiert, die Neumen werden unter die Lupe genommen (das sind die subtilen Ausführungshinweise für den Textvortrag). „Neumen konservieren die Lautgestalt“, hält ein Gutachter fest. „Gregorianik als erklingende Theologie”, diese Dissertation stellt aufgrund ihres Untersuchungsgegenstandes und der interdisziplinären Konnotationen (Kirchenmusik, Liturgiewissenschaft, Fundamentaltheologie, Exegese) eine Rarität sondergleichen dar („Qui manducat carnem meam et bibit sanguinem meam. Theologische Implikationen der Gregorianischen Communio-Antiphonen de evangelio im Messproprium des Temporale”, betreut von Koll. Reinhard Meßner; der zweite Gutachter Koll. Franz Karl Praßl von der Universität für Musik und Darstellende Kunst in Graz). Koll. Lumma ist bestens unterwegs, um sich die heute so begehrte Alleinstellungsmerkmalposition anzueignen (wenn es der Fakultät gelingt, die Leitung der Festwochen der Alten Musik davon zu überzeugen, dass man jedes Jahr mit der Zeitgrenze um 100 Jahre zurückgehen könnte, dann wäre Herr Lumma in 7-8 Jahren der neue René Jacobs).

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Der zweite Dissertant, der seine Freude am mittelalterlichen Glaubensschatz hat, wandte sich Thomas von Aquin zu. Das sei doch keine Rarität und schon gar nicht ein Spezialangebot, werden die älteren Theologengenerationen einwenden. Für uns war das doch die ausgedünnte Alltagssuppe. Fettarm und lebensfern. Kein Wunder, dass man sich von ihr abgewendet hat zugunsten von kräftigen Eintagsfliegen. Eben! Nicht zuletzt aufgrund einer vermoderten Serviertechnik neuscholastischer Prägung wird das scholastische Erbe heute vergessen und auch dessen Qualität. Schultheologische Rationalität vom Feinsten serviert Christoph Amor bei seinem soteriologischen Durchblick durch das „Opus thomisticum”, liefert schon mit seiner Dissertation eine grundlegende Einführung und Darstellung der Theologie des Aquinaten für die Zeit postmoderner Vielfalt, sucht diese auch im gegenwärtigen religionstheologischen Dialog zu bewähren und in der Begegnung von Religionen. Nicht eine geschichtsideologische Restauration der Vergangenheit für ein Museum, das den fundamentalistischen Besucher in seiner nostalgischen Stimmung besänftigen soll, steht hier zur Diskussion. Analog zu Lummas Bemühungen, seinen Erkenntnisgewinn aus der erklingenden Theologie der Gregorianik für die gegenwärtige Liturgiepraxis fruchtbar zu machen, dem durchaus aktuellen Anliegen der Neuentdeckung der „Sakralität” des Heiligen Wortes und einer liturgischen Ästhetik gerecht zu werden, will auch Herr Amor seine Untersuchung als Einübung in die schultheologische Praxis der Theologiegenerierung verstehen. Mit diesem Programm schwimmt er keineswegs im Strom der Moden. Die Wellensurfer der politisch korrekten Theologien werden zwar seine methodische Fertigkeit schätzen, das Programm erachten sie für überflüssig, weil sie über den Wert der Wellenbrecher nicht informiert sind. Mit der Verpflichtung zum Wahrheitsdiskurs, der Unterstreichung des Wertes der Rationalität in der Theologie, einer Rationalität, die nicht jenseits des Glaubensvollzugs generiert wird, ist diese Dissertation („Propter nostram salutem”. Eine Hinführung zum Heilsverständnis bei Thomas von Aquin, betreut von Koll. Roman Siebenrock, zweiter Gutachter der heutige Promotor Koll. Edmund Runggaldier) so etwas wie ein Wellenbrecher. Auf den ersten Blick überflüssig und doch lebensnotwendig.

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Auf ihre jungen Doktoren blickend, freut sich die Fakultät über den lebensnotwendigen Luxus. Sie tut dies umso mehr, als sie wiederholt die Erfahrung macht, dass ihr Studienangebot und auch ihre Studienkultur Generationen integrieren kann - dem Vorurteil also widerspricht, dass das akademische Studium nur zur Vorbereitung des Berufs dient, deswegen auch möglichst kurz und möglichst effizient sein soll. Jahrzehntelanger Lehrer und Direktor an verschiedenen Schulen Südtirols, Langzeitbürgermeister der Marktgemeinde Schlanders, erhält sich seine Jugendlichkeit im Aussehen, v.a. aber im Denken, weil er sich jahrelang in Archiven vergraben hat (Diözesanarchiv Brixen, Pfarrarchiv Schlanders, Zentralarchiv des Deutschen Ordens in Wien) und an einer Dissertation über die Geschichte des Dekanats Schlanders arbeitete („Archivalien zur Geschichte des Dekanates Schlanders: Dekane-Einsetzung, Dekanatsvisitationen und kirchlicher Alltag”, betreut von Koll. Bernhard Kriegbaum, zweiter Gutachter Koll. Josef Gelmi aus Brixen). Beide Gutachter bescheinigen dem mehrfachen Doktor ein exzellentes Niveau und echte Forschungserträge. In der Dissertation des Altbürgermeisters blätternd (und auch in der Diplomarbeit von Dr. Lechner), fragte sich der Dekan, ob die Fakultät in ihren Entwicklungsplan nicht den Terminus „Jungbrunnen” aufnehmen soll. Der promovierende und auch der spondierende Seniorenstudent stehen paradigmatisch für den Wert der Theologischen Fakultät da: Ist es bei den jungen Doktoren das Thema, so ist es bei den Senioren das Lebensalter und das Interesse für Theologie. Wie gesagt: Ausgefallenes, auf den ersten Blick Überflüssiges - weil nicht Notwendiges - scheint im Angebot der Fakultät auf. Tiefer betrachtet sind es die Angebote, die dem Leben die lebensnotwendige Qualität verleihen. Unser aller Leben.

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Der Blick auf die Doktoranden scheint also die Botschaft zu unterstreichen: Die Fakultät braucht eine Extra-Ermunterung „Gaude!” eigentlich nicht. Im universitären Reigen steht sie sehr gut da. Ihre Früchte allein sind ein Grund zur Freude. Das bestätigen noch einmal jene Absolventen, die im Konzert der Stars der Doktoranden das Vorkonzert bestreiten (und oft sind die Vorkonzerte spannender als das eigentliche Konzert) ... unsere Diplomanden. Andrij Rak etwa, der von Koll. Stephan Leher begleitet sich dem Klassiker der Ostkirche, dem griechischen Kirchenvater Dorotheos aus Gaza widmet und anhand des griechischen Urtextes seine Unterweisung zum Gewissen analysiert („Das Gewissen in der 3. Unterweisung des heiligen Dorotheos von Gaza. Das Gewissen als Grundlage des christlichen Lebens”). Es sei wie ein Rad, dessen Achse Gott und dessen Speichen die Menschen auf ihrem Weg zu Gott sind). Dr. med. Bernhard Lechner, der sich im Zweitstudium der Theologie widmete und seine Diplomarbeit („Der Bischof als Spender der Geheimnisse Gottes und Herz Jesu. Materialiensammlung”, betreut von Koll. Lothar Lies) zum Thema des Bischofsamtes vorlegt. Sein jüngerer Kollege, der Bakkalaureus Stefan Georg Thaler verfasste seine Bakkalareatsarbeiten im Kontext der Fragen der Seelsorge: Pfarre ohne Priester und Lehrer und seine Funktion in der Glaubensvermittlung. Nur Alex Töchterle scheint ein Thema gewählt zu haben, das die Massen interessiert. „Der Ball ist bunt - Religiöse Spuren im Fußball” (betreut von Koll. Matthias Scharer und Christoph Drexler). Weil er sich als Jugendlicher mehr für Fußball als für die Kirche interessierte, geht er nun dem „religiösen Phänomen” Fußball nach, untersucht seine religiöse Ersatzfunktion in der heutigen Massenkultur und liefert einen Beweis, dass Theologie auch mit den Moden der Zeit mitschwimmen kann - als Wellenbrecherin!

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Meine Damen und Herren, die leitende Frage dieser Reflexion über die Erfolge unserer Kandidaten lautete: Braucht die Fakultät, brauchen wir angesichts dieser Erfolgsstory noch die Aufforderung „Gaudete!”? Als Teil der Universität können wir ja problemlos einstimmen in den Gesang „Gaudeamus igitur!”. Wir sollen uns freuen, weil nach all den Erfolgen und auch all den Beschwernissen des akademischen Alltags, wir irgendwann zum „humus” gelangen, zu jenem Boden, aus dem wir genommen sind. Es ist gut, dass wir uns dessen immer wieder erinnern. Den Siegern im alten Rom wurde zugeflüstert: „Auch du bist ein Mensch; auch du wirst sterben.” Die Universität, die auf dem Erfolgstrip zu sein scheint (Herr Vizerektor hat dies ja auch gesagt), muss sich immer wieder vergewissern: „Nos habebit humus!” Bleiben wir auf dem Boden der Geschöpflichkeit!

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Die Theologen haben aber ein Doppelbein. Durch die Kirche werden sie heute ermuntert: „Gaudete! Bald kommt der Herr!” Der Grund zur Freude ist nicht die Gelassenheit angesichts unserer Begrenztheit und Vergänglichkeit, eine Gelassenheit, die uns allen abgeht. Der Grund zur Freude ist ein anderer. Es ist die Ankunft des Herrn, eine Ankunft, die uns alle vollenden wird: die dreifachen Doktoren, die Rektoren, die Bakkalaurei und auch jene ohne Titel. Wir werden vollendet durch die Gnade Gottes. Im sicheren Vertrauen auf diese Vollendung können wir uns erst die Gelassenheit leisten. Theodor Haecker hat einmal gesagt: Der Humor und die echte Freude seien erst mit dem Christentum in die Welt gekommen und der Unterscheidung zwischen dem Vorletzten und dem Letzten. Weil das Letzte - die Ankunft des Herrn und die Vollendung durch die Gnade - uns allen geschenkt wird, können wir uns über das Vorletzte ohne Neid gelassen freuen. Und auch ohne die melancholische Resignation: „Nos habebit humus”. Liebe Absolventen, ich gratuliere Ihnen zu Ihrem Abschluss. Bleiben Sie stolze Absolventen unserer Fakultät und freuen Sie sich: Bald kommt der Herr!

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