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Niewiadomski Jozef: Mitgestorben und Mitauferweckt.
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Mitgestorben und Mitauferweckt.

Autor:Niewiadomski Jozef
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:Predigt zur Feier der Osternacht und Taufe von Herrn Hüseyin Cicek in der Jesuitenkirche am 23. März 2008.
Publiziert in:Originalbeitrag für den Leseraum
Datum:2008-03-27

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Haben Sie es gehört? Haben Sie die Osterfreude vernommen: das Lachen Gottes und das Lachen seiner Engeln. Das befreite Lachen von Millionen und Abermillionen von längst Verstorbenen ... und das stille Lächeln der gerade Sterbenden. Das innere Lächeln des Herzens. Das Lächeln jener Sterbenden weltweit, die nicht nur brutalst erschlagen werden, das Lächeln jener Sterbenden, deren Leiber nicht bloß am Kriegsschauplatz zerfetzt werden, das Lächeln jener Sterbenden in den Intensivstationen, die nicht bloß ersticken und auch das Lächeln jener Sterbenden, die nicht bloß sanft entschlafen im Bett: umringt von den sie pflegenden Angehörigen ... Haben Sie jenes stille Lächeln von Sterbenden gehört, die eben in ihrem Tod in die geöffneten Arme Christi fallen, damit er sie mit aufnimmt, sie auffängt und sie beheimatet im ewigen Beziehungsgeschehen von Vater, Sohn und Geist? Gott ist ja die Liebe, jene einzigartige Liebe, die allein stärker ist als der Tod! Hat der Osterlob der Kirche, haben die Blechbläser, das Schlagwerk und die „königliche" Orgel, haben die fetzigen Lieder, hat all das, was wir in dieser Osternacht bereits erlebt haben, uns jenes Lachen hörbar gemacht, mit dem der Gottes Sohn dem Grab entstiegen ist und durch das er die scheinbar unwiderlegbare Logik des sardonischen Lachens aus den Angeln gehoben hat? Für einen Skandal also gesorgt hat und einen Tabubruch! Und warum dies?

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Die Urbewohner Sardiniens - und nicht nur diese - haben in den uralten Zeiten die alten und gebrechlichen Menschen mit Schlagstöcken am Strand erschlagen. Ein Ritual, ausgeführt unter krampfhaften Lachen aller Beteiligten. Dieser archaische Generationenvertrag - so skandalös er uns heute auch erscheinen mag - schöpfte seine Kraft aus dem Geheimnis des Todes, war den Beteiligten also keineswegs ein Skandal. Fressen und Gefressenwerden, Geborenwerden und Sterben: so ist ja halt der Lauf der Zeit. Was bleibt es dem Menschen anders übrig, als sich zu fügen und das Sterben rational zu verwalten. Kosten-Nutzen-Rechnung aufstellen: das Sterbemanagement als der Inbegriff des Sterbens in Würde! So paradox es klingen mag: für die archaische Kultur war der Ritus des sardonischen Lachens ein rationaler Vorgang des Sterbemanagements.

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Liebe Schwestern und Brüder, weil der Tod unausweichlich, ja allmächtig zu sein schien, weil der Tod die absolute - also unüberschreitbare - Tabugrenze darstellte, konnte der Tod von den Menschen höchstens gemanagt, oder verdrängt werden. Oder aber verspottet. Doch all der Spott, all die rationalen Bewältigungsversuche und auch all die Verdrängungen: all das änderte nichts an der scheinbaren Allmacht des Todes: Das menschliche Leben blieb ja ein Sein zum Tode! Nicht einmal das Judentum, das wie keine andere menschliche Religion und Kultur  aus dem Geheimnis der Transzendenz und aus der Faszination des lebendigen Gottes lebte, nicht einmal das Judentum vermochte an dieser tragischen Weichenstellung der Vormacht des Todes etwas zu ändern. „Können die Toten Dich loben ... in der Schattenwelt?" fragten verzweifelt die Beter und sie verstummten, oder sie halfen sich weiter, indem sie auf die Zeiten hingewiesen haben: Es gäbe eine Zeit zum Gebären und eine Zeit zum Sterben, eine Zeit zum Töten, eine zum Weinen und eine zum Lachen. Was ist aber mit Gott? Lacht er mit? Weint er mit? Kann er mitleiden? Kann er mit sterben? An diesem Punkt kommt selbst das Judentum an eine Tabugrenze. An ein Denkverbot und an ein Glaubensverbot: Der Tod hier auf Erden, der Gott droben im Himmel!

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Liebe Schwestern und Brüder! Was macht die Osternacht so einzigartig? Ist es die Kontinuität? Die Kontinuität der Erfahrungen von Menschen, die gelitten haben und befreit worden sind: wie die Juden aus der Knechtschaft Ägyptens? Mit all den befreiten, geknechteten Menschen dieser Erde gehen ja wir - die Christen - unseren Weg weiter. Daran haben uns nicht zuletzt die Befreiungstheologen mit Recht erinnert! Oder ist es die Kontinuität der Hoffnungen, dass es einmal besser sein wird? So, wie die Propheten es erhofft haben? Jain! Bei all den Analogien und Kontinuitäten - so wichtig sie auch sein mögen - dürfen wir den entscheidenden Sprung nicht verdecken. Die Grenzüberschreitung und den Tabubruch! Den Tabubruch, der heute Nacht geschieht und der auch das befreite Lachen Gottes und das Lachen seiner Engeln zur Folge hat, vom Lachen der Verstorbenen schon zu schweigen. In Jesus Christus berührt uns nämlich nicht nur das befreiende Handeln Gottes, in ihm werden nicht nur die großen Hoffnungen lebendig: Hoffnung auf Frieden, gerechtigkeit und ein menschenwürdiges Leben. In Jesus Christus steigt Gott - und das ist die Grenzüberschreitung und der Tabubruch -  in die Abgründe des menschlichen Todes hinab. Den menschlichen Kulturen ist es eine Torheit, etwas, was der „rational" denkende Zeitgenosse in den Bereich der Psychiatrie verbannen würde! In Jesus Christus steigt Gott in die Dunkelheit des Todes und er steigt so tief hinab, wie kein Mensch in seinem Sterben jemals fallen kann. Und warum tut er das?

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Um all jene, die fallen aufzufangen, all jene, die brutalst erschlagen werden, all jene, derer Leiber an Kriegsschauplätzen zerfetzt werden, all jene, die in den Intensivstationen ersticken und auch all jene, die gepflegt und getragen werden: von ihren Angehörigen, und die friedlich in ihrem Bett sterben. Um all jene aufzufangen und sie durch den Tod hindurch zu beheimaten im Beziehungsgeschehen Gottes. Gott ist ja die Liebe!

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Was macht also diese Nacht so einzigartig? Die Kontinuität ist es! Und der Tabubruch, ein Tabubruch, der seinerseits eine neue Kontinuität schaft und eine neue Kultur! Christus, der die Grenze überschritten hat, Christus, der Tabubrecher, derjenige, der gestorben ist und auferweckt wurde, nimmt uns ja mit. Mit ihm dürfen auch wir die Grenze schon jetzt: mitten in der Nacht, an diesem ersten Tag der Woche, wo es noch dunkel ist, wir dürfen die Grenze überschreiten und das Tabu des Todes brechen. Was soll das heißen? Anstatt den Tod zu verdrängen - wie dies unsere popular culture tut, die dem Menschen vorgaukelt, er könnte bis zum letzten Atemzug ein pubertierender Kraftprotz bleiben -, anstatt den Tod zu rationalisieren und ihn bloß zu verwalten - wie dies der gesellschaftspolitische Trend es tut, der uns in eine eindeutige Richtung zwingt, den Tod so zu gestalten, dass er möglichst wenig kostet und sich recht komfortabel einstellt -, anstatt sich dem Tod zu fügen - wie dies der religionslose Zeitgenosse macht, der resigniert wartet und wartet, ohne einen Hoffnungsschimmer, bis es aus ist -, lassen wir uns - wir, die Christen - in das Geschehen des Todes mit hineinnehmen. Und dies bewusst! Wer ist da wahnsinniger? Die popular culture unserer Zeit, oder wir, die Christen?

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Anstatt nach Selbstbestimmung im Sterben zu schreien, sterben wir mit. Mit Christus! Nicht als Selbstmordattentäter. Nein! Wohl aber in der Taufe! Was soll das heißen? Durch das sakramentale Geschehen wir unsere biologische Existenz und unser bürgerliches Dasein mit all den Chancen und Sackgassen, mit Aufstieg und Fall, durch das sakramentale Geschehen wird unser Leben mit dem Leben Christi verbunden und mit seinem Tod. Er, der sich mit Dir und mit mir verbunden hat, und mit Dir - lieber Hüseyin - bald im Sakrament der Taufe verbinden wird, so verbinden, dass Du niemals aus dieser Beziehung herausfallen kannst, ganz gleich, was Du tust oder auch unterlässt, er nimmt Dich gar in deinem Tod mit sich mit, auf dass Du mit ihm leben kannst und mit ihm auferstehen kannst. Durch den Tod hindurch! Er nimmt Dich auch mit in die Gemeinschaft jener Menschen, deren Leben nicht vom Geheimnis des Todes strukturiert bleiben: Das sind Christen! Christen, die den Tod und die Beziehungen, die der Tod schafft, den „sardonischen" Generationenvertrag, nicht durch krampfhaftes Lachen auflockern und nicht durch Zynismus und Ironie bewältigen. Nein. Er nimmt Dich mit in die Gemeinschaft jener, die in der Osternacht, und nicht nur da, angesichts des Todes befreit lachen können, oder zumindestens lächeln. Zusammen mit Gott und seinen Engeln, zusammen mit den Verstorbenen und jenen Sterbenden, die im Tod nicht ins Nichts, sondern in die geöffneten Arme Christi fallen.

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Liebe Schwestern und Brüder. Unser Taufbewerber Hüseyin kam als Kind nach Österreich. Als kurdischer Alavite hat er ein bewegtes Leben hinter sich. Unter religiös-weltanschaulicher Hinsicht sympathisierte er länger mit der kommunistischen Weltanschauung. Als Student der Politikwissenschaften „verlor" er sich vor drei Jahren zu mir zu einem wissenschaftlichen Seminar (dem sog. „Girard-Lesekreis"), hörte auch Dogmatikvorlesung mit. Momentan arbeitet er an einer politikwissenschaftlichen Dissertation über die Frage des Martyriums im Islam, im Judentum und im Christentum. Seine Paten Johann und Micha kommen aus seinem Freundeskreis. Hüseyin sagte mir bei der Taufvorbereitung, das er gerade durch die Theorie von René Girard einen intellektuellen Zugang zur christlichen Rationalität gefunden hat und dass die Erkenntnisse, die er an der Theologischen Fakultät gewonnen hat, für seine Entscheidung zur Konversion und zur Taufe ausschlaggebend waren. Unter anderem war es eine Gesichte und eine Übung, die ich mit den Studierenden bei der Dogmatikvorlesung gemacht habe. Es ist die Übung der „geballten Faust". Kann man eine geballte Faust von einem Menschen, der partout diese Faust nicht öffnen will, öffnen? Die Faust stellt mit das Sinnbild eines homo incurvatus in seipsum dar. Alle Versuche, die Faust mit Gewalt zu öffnen, scheitern. Man kann höchstens die Finger brechen, verletzen, aber nicht öffnen. Auch der Weg des Streichelns und Zuredens scheitert. Die einzige Möglichkeit besteht darin, die eigene Hand unter die geballte Faust zu legen und diese in der eigenen Hand halten. Ohne irgendetwas zu tun. Nach ungefähr zwanzig Minuten öffnet sich die Faust selbst dann, wenn der Betroffene sich mit aller Kraft bemüht seine Faust geschlossen zu halten. Weil die Nerven erschlaffen und weil der Zustand der geballten Faust kein „natürlicher" Zustand ist. Dieses Bild bringe ich zusammen mit dem Geheimnis des Todes Christi. In seinem Tod fällt er tiefer als der Mensch in seinem Leben zu fallen vermag. Er ist immer noch eine Stufe tiefer. Und er hält mich, gerade dann, wenn ich in meinem Leben zum homo incurvatus in seipsum geworden bin. Er hält mich und trägt mich, auf das ich mich für das Beziehungsgeschehen Gottes öffnen kann. Deswegen möchte sich Hüseyin taufen und er will sich auf den Namen: Emanuel - Gott mit uns - taufen lassen. Da kann sich der Himmel nur freuen und auch wir alle!

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