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Guggenberger Wilhelm: Der soziale Auftrag von Wissenschaft und Forschung
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Der soziale Auftrag von Wissenschaft und Forschung

Autor:Guggenberger Wilhelm
Veröffentlichung:
Kategorieartikel
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2019-12-12

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Zum 30. Jahrestag der Ermordung von Ignacio Ellacuria und Segundo Montes – beides Alumni unserer Fakultät – und sechs weiterer Menschen an der Universidad Centroamericana in San Salvador, fand an der Universität Innsbruck ein kleines Symposion zum Thema „Universität mitten im Leben. Inspirationen aus El Salvador“ statt. Aus diesem Anlass habe ich einige Gedanken zum sozialen Auftrag von Wissenschaft und Forschung heute formuliert.  Die beiden Befreiungstheologen wurden aufgrund ihres sozialen und politischen Engagements erschossen. Sie haben dieses Engagement als Jesuiten, Theologen bzw. Philosophen und Universitätsprofessoren gelebt. Ob sie unter anderen persönlichen Lebensbedingungen in ähnlicher Weise gehandelt hätten, wissen wir nicht, aber wir dürfen davon ausgehen, dass ihr Ordenshintergrund, ihre akademische Ausbildung und ihre Profession wesentliche Impulsgeber für die Wahrnehmung einer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung waren, die sie letztlich zu Märtyrern werden ließ.

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Die sozio-strukturellen Bedingungen, unter denen Ellacuria und Montes wirkten, unterscheiden sich jedenfalls deutlich von der gegenwärtigen Situation in Österreich, in Europa. Sprechen wir heute in unserem Kontext über den sozialen Auftrag von Wissenschaft und Forschung, besteht die Gefahr, dass wir in einem romantischen Mimetismus so tun, als könnten wir das Beispiel dieser Befreiungsdenker oder von Institutionen wie der UCA in El Salvador einfach imitieren, wohl wissend, dass wir hier und heute nicht in die Verlegenheit geraten werden, das wirklich tun zu müssen. Eine solche Form des Erinnerns erlaubte es uns zu imaginieren, wir wüssten genau, was zu tun ist, worin die Aufgabe von Wissenschaft und Universität in der Gesellschaft besteht – weil wir im Hypothetischen bleiben. Konfrontieren wir uns hingegen mit den Herausforderungen, vor die unsere konkrete Realität uns stellt, schwindet diese Gewissheit rasch. Märtyrern gerecht zu werden, heißt nicht von einer Wiederholung ihrer konkreten Aktionen zu träumen, sondern ihre Optionen und Maximen zu erkennen und diese auf die je eigene Situation hin zu transformieren. Das möchte ich versuchen, wenn ich über das soziale Engagement von Wissenschaft in Innsbruck 2019 reflektiere.

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Ich möchte mit der Formulierung einer vielleicht etwas gewagten Parallele beginnen: der Parallele zwischen der christlichen Berufung zur Gottes- und Nächstenliebe auf der einen Seite und der Berufung der Wissenschaft zu Forschung und Gesellschaftstransformation auf der anderen.

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Der Anspruch, der sich an uns aus der biblischen Botschaft ergibt, wird im Evangelium auf die griffige Formel gebracht: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und deiner ganzen Seele, mit deiner ganzen Kraft und deinem ganzen Denken, und deinen Nächsten wie dich selbst.“ (Lk 10,27) Beide Gebote werden von Jesus ausdrücklich als gleichwertig bezeichnet. (Mt 22,39)

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Folgen wir einer mathematischen Logik, muss uns dieses Schriftwort in ein Dilemma stürzen. Denn wer mit ungeteiltem Denken, Kraft, Seele und Herz Gott liebt hat offensichtlich keine Denkkapazität, Kraft, Seele und Herz mehr übrig, um sich selbst und den Nächsten zu lieben. Die beiden Gebote können also nicht gleichwertig sein, können nicht einmal in abgestufter Wertigkeit nebeneinander bestehen, es sei denn, die Liebe ist eben doch keine ungeteilte.

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Diese Spannung lässt sich nur dann auflösen, wenn Gottes- und Nächstenliebe nicht zwei additiv nebeneinanderstehende, voneinander unabhängige, ja miteinander in Konkurrenz stehende Größen sind. Wenn meine Liebe zu Gott die Aufmerksamkeit für die Menschen reduziert und umgekehrt, dann kann ich am Doppelgebot der Liebe nur scheitern und zwar umso mehr, je mehr ich es zu verwirklichen versuche.

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Wenn man allerdings Gott gar nicht lieben kann an den Menschen vorbei – und wir sollten ergänzen: auch nicht an seiner Schöpfung vorbei – dann lösen sich die Widersprüche der mathematischen Logik sofort in Nichts auf. Jesus stellt dies in seiner Rede vom Endgericht im Kapitel 25 des Matthäusevangeliums klar. Die Zuwendung zu ihm und die Zuwendung zu den Menschen, besonders zu den Marginalisierten und Schwachen sind deckungsgleich. Indem er, der Weg, Wahrheit und Leben ist, identisch ist mit allen, die Zuwendung brauchen, wird der Mensch auch zum Weg der Kirche (vgl. Johannes Paul II., Centesimus annus, Kapitel VI). Sakralität und Humanität können dann ebenso wenig auseinanderklaffen wie Liturgie und Diakonie, wie dogmatische Wahrheiten und pastorale Tatsachen.

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Was hat all das mit der gesellschaftlichen Verantwortung von Wissenschaft zu tun?

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Ich erlaube mir auf jene vielleicht etwas veraltet erscheinende Vorstellung zurückzugreifen, nach der Natur- und Humanwissenschaften nach Erkenntnis suchen, indem sie das Buch der Natur (auch der menschlichen Natur) exegetisieren. Für uns gläubige Menschen ist das Buch der Natur das Buch der Schöpfung und die Erkenntnisse der Natur- und Humanwissenschaften sind damit auch Erkenntnisse göttlicher Wahrheit. Diese Wahrheit, diese Wirklichkeit zu erforschen mit aller Kraft und aller Leidenschaft, ja mit ganzem Herzen und nach ihrer Erkenntnis zu suchen, macht gute Wissenschaft aus. Man könnte auch hier nun wieder fragen: Wenn wir mit aller Kraft nach Erkenntnis suchen, woher sollen wir dann noch Kraft, Zeit und Ressourcen für ein gesellschaftliches Engagement nehmen?

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Ebenso wenig, wie es eine Gottesliebe an der Liebe zu den Menschen und ihrer Welt vorbei geben kann, kann es eine Suche nach der Wahrheit (der wissenschaftlichen Wahrheit) geben, ohne die Frage danach, wem die Erkenntnis dieser Wahrheit wozu dient (ciencia para que y para quien). Ich will keineswegs bestreiten, dass es eine Freude am Wissen und Erkennen gibt, die nicht sofort verzweckt werden darf. Eine Wissenschaft, die nur um ihrer selbst willen betrieben wird, ist aber ebenso sinnlos wie eine Gottesliebe, die blind bleibt für die Welt und die Menschen in ihr. Was heute gern als third mission der Universität bezeichnet wird – ihre Wirksamkeit in die Gesellschaft hinein, ist also eigentlich ihre erste Aufgabe. Das derzeit gültige österreichische Universitätsgesetz formuliert in seinem ersten Satz: „Die Universitäten sind berufen, der wissenschaftlichen Forschung und Lehre, der Entwicklung und der Erschließung der Künste, sowie der Lehre der Menschen zu dienen und hierdurch auch verantwortlich zur Lösung der Probleme des Menschen sowie zur gedeihlichen Entwicklung der Gesellschaft und der natürlichen Umwelt beizutragen.“

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Der letzte Teil dieses Satzes über die gedeihliche Entwicklung ist keine additive Hinzufügung. Die Verantwortung für eine gedeihliche Entwicklung von Gesellschaft und Umwelt kommt nicht einfach als weitere Aufgabe hinzu, sie ist der Zweck, dem all die anderen Aufgaben - Lehre, Forschung Erschließung des ästhetisch-kreativen Bereichs - als Mittel dienen.

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Ich muss freilich zugeben, dass sich darüber, wie eine gedeihliche Entwicklung von Gesellschaft und Umwelt aussieht, trefflich streiten lässt. Die Auseinandersetzung darüber ist wesentlicher Teil des akademischen Diskurses, sollte aber nicht dazu führen, für offenkundig drängende Probleme blind zu werden.

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Die Herausforderungen, vor denen wir heute als Menschheit stehen, haben auf politischer Ebene immerhin zu so etwas wie einem vagen globalen Grundkonsens darüber geführt, was gedeihliche Entwicklung von Gesellschaft und Umwelt bedeutet. Ich spreche von den nachhaltigen Entwicklungszielen der Vereinten Nationen. Die 17 Sustainable Development Goals (SDGs), die vor vier Jahren als Agende 2030 verabschiedet wurden, formulieren die Zielrichtung einer gedeihlichen Entwicklung in den unterschiedlichsten Lebensbereichen - die Katholische Soziallehre würde sagen, es geht um eine Entwicklung des ganzen Menschen und aller Menschen unter Rücksicht auf unser gemeinsames Haus. Eingebettet sind diese Ziele in eine geradezu utopische Vision, in der das Prinzip „leave no one behind“ eine zentrale Rolle spielt. M.E. kommen die Vereinten Nationen hier dem sozialethischen Prinzip der Option für die Armen sehr nahe. Freilich stehen die 17 Ziele teilweise in deutlicher Spannung zueinander. Sind globale Armutsbekämpfung und Schutz der Ökosphäre etwa problemlos miteinander vereinbar? Zumindest potentiell tun sich hier Widersprüche auf. Umso wichtiger ist es aber, dass diese Ziele im Katalog der SDGs nebeneinander stehen, weil die zu bewältigende Herausforderung eben gerade darin besteht, beiden möglichst gerecht zu werden. Ein Sowohl-als-auch streben wir an, weil es unserer ethischen Wahrnehmung offenbar widerspricht, solche Ziele in einem Trade-off-Verhältnis zu denken, das heißt: Wir wollen uns nicht damit abfinden, dass das, was an Fortschritt in der Armutsbekämpfung erreicht wird, mit zunehmender Umweltzerstörung bezahlt werden muss und umgekehrt.

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Die Agenda 2030 ist ein politischer Text, der eine normative Vision formuliert, ein ethisches Ideal. Dieses kann freilich auch – wie Markus Vogt einmal festgestellt hat - als massive Überforderung wahrgenommen werden. Die Vertreter aller Nationen dieser Erde haben sich darauf geeinigt, in welche Richtung wir als Menschheit vorankommen wollen. Aber ist das realisierbar? Nicht nur, aber auch unter dieser Rücksicht gleicht die Agenda der Enzyklika Laudato si’. Friede, gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung werden dort als unentflechtbare Einheit dargestellt, es gibt nicht mehrere, sondern nur eine ökosoziale Krise, sagt Papst Franziskus. Gerade wissenschaftlich denkenden Menschen ist so etwas nicht geheuer. Geschult am Wissenschaftsideal René Descartes’ sind wir geneigt, Probleme so lange zu zerlegen, bis wir eine klar umrissene, bearbeitbare und beantwortbare Fragestellung vor uns haben.

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Die Wirklichkeit ist aber weder ein Uhrwerk noch ein Computerprogramm, das sich fein säuberlich in seine Einzelteile zerlegen, bearbeiten und dann rekombinieren ließe. Eingreifendes Handeln sowohl in unsere ökologische wie in unsere soziale Umwelt gleicht immer einer Operation am offenen Herzen.

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Hier ist nun das gefragt, was man eine transformative Wissenschaft nennt – Jesuiten-General Arturo Sosa sprach 2018 bei einem Treffen der Jesuitenuniversitäten in Loyola von der Universität als Projekt der sozialen Transformation.[1] Tansformativ ist demnach eine Wissenschaft, die Gestaltungsprozesse begleitet, indem sie hilft zu klären, ob politische und ethische Ziele realisierbar sind, wie sie realisierbar sein können, wo es Spannungen und Konflikte zwischen unterschiedlichen Zielen gibt und wie diese bearbeitet werden können.

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Man mag einwenden, das sei zu bescheiden formuliert. Wissenschaft, insbesondere Philosophie und Theologie, müssten doch auch ein inhaltlich verbindliches Ziel eines Gestaltungsprozesses formulieren. Gerade als Ethiker meine ich, dass sie das nicht kann und nicht darf. Normative Ziele lassen sich nicht berechnen und ihrer Richtigkeit nicht verifizieren, sie unterliegen im Letzten einer Entscheidung, einer Option. Auch Ethik kann versuchen zu klären, Widersprüche zu meiden, Konsequenzen aufzuzeigen und Realisierungen zu begleiten. Sie kann Vorschläge machen und dafür Argumente beibringen. Das Gute inhaltlich für alle festlegen kann sie nicht.

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Entscheidend für eine transformative Wissenschaft ist aber, dass sie sich in Dienst nehmen lässt durch die Herausforderungen der Zeit und dementsprechende Prioritäten setzt. Eine ethische Vorzugsregel lautet, dass der Lösung dringlicherer Probleme der Vorzug zu geben ist und dass fundamentalere Bedürfnisse vor anderen befriedigt werden müssen. Wir werden als Wissenschaftlerinnen dieser Regel oft nicht gerecht, weil wissenschaftliche Praxis und universitäre Forschung dazu tendieren, selbstreferentiell zu werden. Akademischer Erfolg besteht zu einem Gutteil darin, dass wir uns als WissenschaftlerInnen wechselseitig unserer Exzellenz versichern. Ein Qualitätskriterium für Forschung ist etwa deren Impactfaktor. Gemessen wird, wie oft Publiziertes zitiert wird. Natürlich will jede und jeder mit dem, was sie/er erarbeitet hat wahrgenommen werden; nur besagt Zitationshäufigkeit nichts darüber, ob ein Beitrag zur Lösung dringlicher Probleme geleistet wurde oder für wessen fundamentale Bedürfnisse der meistzitierte Artikel von Bedeutung ist.

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Die Selbstreferentialität der Wissenschaft und die Tatsache, dass Universitäten immer mehr funktionieren wie Wirtschaftsunternehmen, sind Faktoren, die dazu beitragen, dass wir gern dem Mainstream entlang denken und unserer Arbeit an Markttauglichkeit orientieren. Damit aber geht die transformative Kraft von Wissenschaft zusehends verloren, ihr Potential, das Übliche kritisch in Frage zu stellen. Die Konstitution Veritatis gaudium von Papst Franziskus spricht davon, dass Theologie immer dann ihrer Sendung gemäß arbeitet, wenn sie mutig an die Grenzen geht. Ich denke, das gilt für Wissenschaft im Allgemeinen. Die Grenze kann dabei freilich nicht jene, des maximalen Risikos sein, das man oft genug andere einzugehen nötigt, sondern die Grenze der Denkgewohnheiten, die Grenze dessen, was als alternativlos behauptet wird. Die Innovationskraft von Forschung muss im Übrigen keineswegs identisch mit Transformationskraft sein, denn man kann große Fortschritte durchaus auf ausgetretenen Pfaden machen und dabei die Frage ausblenden, ob denn die Richtung noch stimmt.

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Was gilt es zu beachten, damit wir uns als Forscherinnen und Forscher den Herausforderungen unserer Zeit stellen und an den wirklich relevanten Fragen arbeiten? Es braucht zunächst natürlich die bewusste Entscheidung dafür, eine gesellschaftstransformative Kraft sein zu wollen. Es braucht dann aber auch eine Reihe von Einzelschritten. Ohne jeglichen Anspruch auf Vollständigkeit möchte ich auf drei solcher Schritte hinweisen.

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Interdisziplinarität: Interdisziplinarität ist eine oft beschworene Qualität von Wissenschaft. Sie darf sich aber nicht darauf beschränken, Detailprobleme durch disziplinäre Arbeitsteilung effizienter zu lösen. Die Hauptaufgabe der Interdisziplinarität besteht darin, das Bild der Wirklichkeit überhaupt erst in all seiner komplexen Lebendigkeit in den Blick zu bekommen. Gelingt das nicht, werden wir an den globalen Herausforderungen scheitern, vor denen wir stehen. Papst Franziskus hat mit Blick auf die ökologischen Probleme gemeint, wir dürften keine Form der Weisheit unberücksichtigt lassen, wenn wir noch Lösungen finden wollen. Dies erfordert auch die Ausweitung unseres Wissenschaftsverständnisses, das heute oft auf den naturwissenschaftlich-technischen Bereich reduziert ist. Die Kunst der Lebensgestaltung im individuellen wie im gemeinschaftlichen Bereich gerät dabei oft in Vergessenheit. Damit bin ich schon bei meinem zweiten Punkt

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Transdisziplinarität: Gerade, wenn es um Transformationsprozesse geht, ist nicht nur das Aufspüren möglicher Wege wichtig, sondern auch die Motivation, sie tatsächlich zu beschreiten. Dafür sind Modelle und Vorbilder oft entscheidender als Sachwissen. Die Integration gelingender Praxis in die Wissenschaft kommt sicher oft zu kurz. Wir sollten nicht nur forschende und lehrende Universitäten sein, sondern auch lernende. Natürlich ist es die Aufgabe von Wissenschaft, über ihren Gegenstand zu reflektieren. Das verleitet uns aber mitunter dazu, alles zu unserem Objekt zu machen. Man kann Armutsforschung betreiben oder Jugendstudien erstellen und dabei die falschen Fragen stellen, weil die Anliegen der Armen oder Jugendlichen quer zu dem liegen, was ich mit meiner akademischen Brille zu sehen in der Lage bin. Transdisziplinär ist eine Wissenschaft die im Gespräch mit der Gesellschaft ist und sich in ihrer Arbeit von deren Problemstellungen leiten lässt. 

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Selbsttransformation: Die Universität, die scientific community, ist selbst ein Sozialkörper, ja auch ein Wirtschaftsbetrieb. Als solcher ist die Universität einerseits eine Experimentierfeld für Transformation, andererseits könnte sie selbst der beste Beleg für deren Möglichkeit werden. Wenn wir an den Universitäten nicht in der Lage sind tragfähige Interaktions- und  Kommunikationsstrukturen zu etablieren, partizipative Entscheidungsfindung zu praktizieren und eine nachhaltigere Arbeitsweise zu realisieren, welchen Wert können unsere Erkenntnisse dann für die Gesellschaft haben?

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Ich schließe mit einem weiteren Verweis auf von Arturo Sosa SJ, indem ich einen Gedanken zitiere, der betont, dass es Wissenschaft nicht nur um Wissen gehen darf, soll sie lebensrelevant bleiben, sondern dass es ihr immer auch um Weisheit gehen muss:

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 „Weisheit ist nicht die Anhäufung von Wissen, das im Gehirn einer Person untergebracht ist, oder in Büchern, virtuellen Datenspeichern, Bibliotheken oder Megaservern. Weisheit ist eine Eigenschaft, die an Personen wahrgenommen wird, deren Grad an menschlicher, affektiver und intellektueller Reife bewirkt, dass uns eine Begegnung mit ihnen ermöglicht, über das Gewöhnliche in unserer Umgebung und in uns selbst hinauszuschauen.“ [2]

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Anmerkungen

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[1] Vgl. Artuto Sosa SJ, The university as a source of a reconciled life, 2. http://iaju.deusto.es/wp-content/uploads/2018/07/The-university-as-a-source-of-a-reconciled-life.-Arturo-Sosa.pdf

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[2] Ebd. 5.

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