Engineering Nationality
2021 - 2024
Das Projekt wird finanziert durch eine bi-nationale Forschungsförderung der ANR (Agence Nationale pour la Recherche, Frankreich) und des FWF (Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung, Österreich)
Projektleitung:
Christiane Weber (Innsbruck University),
Alexandre Kostka (Université de Strasbourg)
Post-Doc Wissenschaftler:
Tobias Möllmer (Innsbruck University),
Anne-Doris Meyer (Université de Strasbourg)
Projektpartner:
Sabine Bengel (Fondation de l’Œuvre Notre-Dame),
Marc C. Schurr (Université de Strasbourg)
Das interdisziplinäre Kooperationsprojekt untersucht am Beispiel der Rettung eines der herausragenden Bauwerke der Gotik – des Straßburger Münsters in den Jahren 1907 bis 1926 – ein wichtiges, aber bisher vernachlässigtes Kapitel der Bautechnik-, Denkmal- und Kulturgeschichte. Der ab 1905 zum Münsterbaumeister ernannte Johann Knauth (1864-1924) stellte 1903 fest, dass der Nordturm einsturzgefährdet war, und leitete nach umfassenden Studien Rettungsmaßnahmen an, die erst 1926 von seiner Nachfolgern Charles-Auguste Pierre (1875-1962) und Clément Dauchy (1865-1927) völlig abgeschlossen waren. Sein tragisches Leben (er wurde nach dem Ersten Weltkrieg ein Opfer der Rivalitäten Frankreichs und Deutschlands und starb kurz nach seiner Ausweisung) darf nicht darüber hinweg täuschen, dass die Straßburger Münsterbauhütte auch ein Ort des technischen und kulturellen Austausches war – und dies bis heute geblieben ist. Diese Fragestellungen stehen im engen Zusammenhang mit der kulturhistorischen Bedeutung der Dombauhütten; ein Thema, das durch die laufende Kandidatur von 18 europäischen Bauhütten zur Einschreibung des „Bauhüttenwesens“ als immaterielles Kulturerbe der UNESCO von großer Aktualität ist.
Lange Zeit war das Sanierungsprojekt von deutscher wie von französischer Seite als technische Errungenschaft der jeweiligen Nation reklamiert worden. Erst im Jahr 2015 installierte die Stadt Straßburg eine Gedenktafel gegenüber des Münsters für den Urheber der Rettungskampagne, Johann Knauth, und setzte damit dem ideologischen Disput ein Ende. Unsere Arbeitshypothese geht davon aus, dass die technisch hoch innovative Sanierung des Turmfundaments nicht als ausschließlich „deutsch“ oder „französisch“ beschrieben werden kann, sondern ein Zusammenspiel deutscher und französischer Fachkompetenz war. Insofern ist der "Fall Knauth" auch eine Einladung, auch die kulturgeschichtliche Stellung anderer Vermittler im Raum des damaligen Reichslandes Elsass-Lothringen, wie die des Metzer Dombaumeisters Paul Tornow, oder der Straßburger Professoren und Museumsleiter neu zu überdenken. Die wissenschaftliche Analyse der überlieferten Quellen vor allem des detaillierten "Baustellentagebuchs" wird offenlegen, dass die ingenieur- und denkmaltechnische Leistung über die nationale Rhetorik hinaus aus einer Kumulation technischen Wissens auf dem Gebiet des Eisenbetons und der Restaurierungswissenschaften bestand, die in dieser Form wohl nur in einem „Laboratorium Europas“, Straßburg, möglich war.
Mehr Informationen zum Projekt in französischer Sprache hier.