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Sandler Willibald: Kreuz-Wege. Die Passion als Drama aus der Sicht gegenwärtiger Theologie
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Kreuz-Wege. Die Passion als Drama aus der Sicht gegenwärtiger Theologie

Autor:Sandler Willibald
Veröffentlichung:
Kategorieartikel
Abstrakt:
Publiziert in:Ausführlichere Fassung des gleichnamigen Beitrags in: V. Gallé / K. Wolf / R. Rothenbusch (Hg.), Das Wormser Passionsspiel. Versuch, die großen Bilder zu lesen. Worms: Worms-Verlag 2013, 263-287.
Datum:2014-04-19

Inhalt

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1. „Durch das Kreuz hast du die Welt erlöst“ – Geschichte einer Verstörung

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„Wir beten dich an, Herr Jesus Christus und preisen dich, denn durch dein heiliges Kreuz hast du die Welt erlöst“. Dieser Kehrvers der Kreuzwegandacht findet sich schon im Testament des Heiligen Franziskus.1 Das Heils- und Erlösungswirken Jesu ist hier ganz auf die Passion und den Tod Jesu konzentriert. Eine solche Kreuzzentrierung reicht bis in die Anfänge des Christentums zurück. Sie gilt für die Evangelien – vor allem jenes von Markus – so sehr, dass sie als „Passionsgeschichten mit ausführlicher Einleitung“ bezeichnet wurden.2 Paulus konzentrierte das Erlösungswerk Christi ganz auf Kreuz und Auferstehung, während er das Verkündigungswirken Jesu kaum ausdrücklich als heilswirkend bedachte. Ähnliches gilt für die Liturgie in den eucharistischen Hochgebeten. Auch die Glaubensbekenntnisse springen von Jesu Geburt direkt zu Kreuz und Auferstehung. Und Christen schlagen Kreuzzeichen und hängen Kruzifixe auf.

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1.1 Die traditionelle Satisfaktionslehre und ihre Krise

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In der mittelalterlichen Erlösungstheologie des Anselm von Canterbury erreichte die Konzentration auf das Kreuz einen Höhepunkt. Die Titelfrage seines bekanntesten Werks „Warum ist Gott Mensch geworden“ beantwortete er bündig mit dem Satz: „Denn dazu war er Mensch, daß er stürbe“3. Gemäß Anselms Satisfaktionslehre war allein der Tod des sündenlosen Gottessohnes notwendig und auch ausreichend, um als Gabe der Genugtuung alle Sünde der Welt aufzuwiegen. Trotz massiver Kritiken – von Anfang an und vor allem seit der Aufklärung4 – setzte sich Anselms Theorie mit Modifikationen bis beinahe in die Gegenwart als dominierendes Erlösungsmodell für die Theologie und Verkündigung durch. Gründe dafür waren die logische Schlüssigkeit und Popularisierbarkeit, sowie die Fähigkeit, biblische Aussagen von Sühne, Opfer und Loskauf auf einsichtige Weise und mit existenzieller Relevanz zu rezipieren. Nicht nur das scharfsinnige Werk Anselms, auch seine volkstümlichen Vereinfachungen machten die Heilsnotwendigkeit des Kreuzes auf drastische Weise einsichtig: Die Sünde – formal verstanden als Gehorsamsverweigerung gegenüber Gott – liefert den Menschen der Höllenstrafe aus. Von sich her hat der Sünder keine Möglichkeit, durch irgendeine Kompensationsleistung (Genugtuung) seine Schuld wiedergutzumachen. Denn nichts, was der Mensch an Gutem geben oder tun könnte, reicht aus, um die Verletzung göttlicher Ordnung und Ehre aufzuwiegen.5 In dieser Situation ist Jesus Christus der einzige, der als Sündloser etwas geben kann, was er nicht ohnehin Gott schuldet, dessen Tod als wahrer Gott unendlichen sühnenden Wert hat und der als wahrer Mensch legitimiert ist, für Menschen stellvertretend einzutreten.

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Diese zwingende Logik hat allerdings einen Haken: Wer hat diese offenbar erbarmungslosen Regeln aufgestellt,6 wonach bereits eine einzige Sünde das ewige Höllenfeuer nach sich zieht und es das Blut eines Unschuldigen braucht, um das der ganzen Menschheit drohende ewige Unheil aufzuwiegen? Konnte Anselm mit seinem Ordo-Denken – vor dem plausibilisierenden Hintergrund des mittelalterlichen Feudalrechts – diese Zusammenhänge noch sachlogisch einsichtig machen, so blieb für spätere Zeiten nur mehr die Rückführung auf Gottes unerforschlichen Ratschluss. Damit stand nun Gott unter dem dringenden Verdacht, ein angesichts der Ehrverletzung, die ihm die Sünde bedeutet, unendlich beleidigter Tyrann zu sein, der nur durch das von ihm geforderte Blut seines Sohnes zur Vergebung bewegt werden kann. Die zwingende Einsichtigkeit des Opfertodes Christi erschien um den Preis eines furchtbaren Gottesbildes erkauft. Dies führte spätestens im 20. Jahrhundert dazu, dass die Satisfaktionslehre im Namen eines menschenfreundlichen Gottes für die Theologie und vor allem für die Verkündigung unmöglich wurde:7 im protestantischen Raum durch die liberale Theologie um die Jahrhundertwende, im Katholischen – durch ein restriktives Lehramt verzögert – ab der Zeit um das Zweite Vatikanum. Innerhalb von nur einer Generation kam es in Glaube und Verkündigung zu einem gewaltigen Umbruch:8 Frohbotschaft vom liebenden Vater-Gott statt Drohbotschaft vom strafenden Richter-Gott; Zuversicht für Gottes allumfassenden Heilswillen statt Höllenangst; und ein beinah vollständiges Verschwinden der Satisfaktionslehre zur Erklärung der Heilsbedeutung des Kreuzes, ausgenommen im katholisch-traditionalistischen und protestantisch-evangelikalen Umfeld.9

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Seit einigen Jahrzehnten wird die Satisfaktionslehre des Anselm von Canterbury von der theologischen Forschung differenzierter gesehen. Dass Gottes Ehre beleidigt und durch eine menschliche Leistung wiederhergestellt werden müsse, trifft nicht auf Anselm selbst, sondern auf „vulgäre Interpretationen“ seiner Satisfaktionslehre zu. Anselm wäre vielmehr als ein Vordenker für ein modernes Freiheitsverständnis zu sehen, das für heutige Erlösungstheologie unverzichtbar ist. Allerdings sind diese neueren, anspruchsvolleren Lesarten der Anselmschen Satisfaktionslehre zu kompliziert, als dass sie für die Verkündigung angewandt werden können. So hat sich durch die neuere Forschungslage nichts an dem Faktum geändert, dass die Satisfaktionslehre – gleich welchen Typs – faktisch tot für die heutige Verkündigung ist.
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1.2 „Wozu ist Jesus gestorben?“ Heutige Antworten und ihre Aporien

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Wie macht die christliche Verkündigung nach der Verabschiedung der Satisfaktionslehre verständlich, dass Jesus Christus uns erlöst hat? – Vor allem durch eine Weitung der Perspektive. Bereits das Verkündigungswirken Jesu in Wort und Tat wird als bedeutsam für eine Erlösung begriffen, die sich nicht erst jenseitig auswirkt, sondern bereits in dieser Welt als Befreiung von Leid und Schuldverstrickung erfahrbar wird. Mit Recht kann sich diese Perspektivweitung auf die Evangelien berufen, denn die frohe Botschaft vom anbrechenden Gottesreich wurde von Jesus durch zeichenhafte Taten der Heilung, der Befreiung und der sozialen Integration von Menschen erfahrbar gemacht. Allerdings führte nach dem Zeugnis der Evangelien dieses Verkündigungswirken Jesu schnell zu Widerstand und schließlich zu seiner Kreuzigung. Auch dieser Zusammenhang ist für die politische und Befreiungstheologie leicht plausibel zu machen: Wer sich selbstlos für Entrechtete einsetzt, stellt sich damit den Mächtigen in den Weg. Das Martyrium zahlloser MenschenrechtsaktivistInnen ist eine ebenso plausible wie bedrückende Antwort auf die Frage: „Warum ist Jesus am Kreuz gestorben?“

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Beantwortet wird damit die Warumfrage allerdings nur im Sinn: „Wie konnte – oder musste – es zur Kreuzigung Jesu kommen?“ Das soteriologische Bekenntnis geht aber weiter. Die Aussage „Durch dein heiliges Kreuz hast du die Welt erlöst“ spricht dem Tod Jesu einen Sinn, ein Ziel, eine erlösende Funktion zu. Hier geht es um die Frage: „Wozu ist Jesus am Kreuz gestorben?“ Fällt eine Antwort darauf aus, dann ist ein Kruzifix nicht mehr Zeichen der Heilshoffnung, sondern das deprimierende Indiz dafür, dass das Gute in dieser Welt keinen Platz hat: Das wäre dann so entmutigend, wie wenn man Fotos von Gaskammern an die Wand hängen würde.

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       Die in Theologie und Verkündigung heute verbreitetste Antwort auf die Wozu-Frage der Erlösung lautet: Der Kreuzestod Jesu ist ein Zeichen für Gottes grenzenlose Solidarität, – gemäß dem johanneischen Jesuswort: „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt“ (Joh 15,13) – und schon gar für seine Feinde (vgl. Röm 5,10).10 Zahllose Beispiele von Helden der Humanität, die unter Einsatz ihres Lebens Menschen retteten, untermauern diese Antwort auf anschauliche Weise. Dennoch steht sie logisch auf wackeligen Beinen: Wozu ein Feuerwehrmann in ein brennendes Haus läuft und sein Leben riskiert, leuchtet unmittelbar ein, denn dadurch werden ganz real Menschenleben gerettet. Wegen dieses einsichtigen Nutzens kann die Rettungstat ein Zeichen für eine große, selbstlose Liebe sein. Was aber wäre, wenn sich offensichtlich kein zu rettender Mensch in dem brennenden Haus befindet oder wenn eine Rettung definitiv unmöglich ist? Wenn dann jemand trotzdem in ein brennendes Haus läuft, ist das keine heroische Tat mehr, sondern eine mutwillige Gefährdung des eigenen Lebens und solcherart gänzlich, Liebe zu beweisen.11 Angewandt auf den Kreuzestod Jesu: Hatte Petrus nicht alle Vernunft auf seiner Seite, als er versuchte, Jesus zurückzuhalten, der ankündigte, „er müsse nach Jerusalem gehen und ... getötet werden“ (Mt 16,21)? Wozu denn? Dass Jesus nach Jerusalem geht, um dort zu sterben, kann erst dann ein Zeichen für seine – und damit Gottes – übergroße Liebe sein, wenn bereits einsichtig ist, wie er dadurch Menschen retten kann. Genau das steht aber nach der Verabschiedung der Satisfaktionslehre für die Verkündigung noch zu erklären an: Wozu ist Jesus am Kreuz gestorben? Fehlt hierauf eine Antwort, dann ist auch der Liebesbeweis des gewählten Kreuzestodes keine Antwort mehr, sondern droht zur Wahnsinnstat eines indirekten Selbstmordes zu pervertieren.12

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Eine zweite Antwort, die heute häufig auf die Wozu-Frage des Kreuzes gegeben wird: Kreuz und Auferstehung sind Symbole der Hoffnung dafür, dass es auch aus den schlimmsten Situationen von Leid, Schuld und Bösem eine Rettung gibt. Abgestützt durch eine solche „Auferstehungshoffnung“ kann man in „kritischer Erinnerung“ den Blick in die Abgründe menschlicher Inhumanität wagen und ist nicht mehr versucht, die Schattenseiten unserer Zivilisation – mit unzähligen Opfern der Geschichte – zu verdrängen.13 – Zweifellos sind das bedeutsame Werte mit hoher gesellschaftspolitischer Aktualität, und sie zielen auch auf die Mitte der biblischen Botschaft.14 Aber auch diese Hoffnung hat nur einen Grund, wenn die erlösende Bedeutung von Kreuz und Auferstehung bereits anderweitig geklärt ist.15 Die Auferstehung des Gekreuzigten als nacktes Symbol der allgemeinmenschlichen Zuversicht „Wenn du meinst es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her“ wäre zu dürftig; auch dann, wenn man sie mit würdigeren Etiketten wie „Postulat“ oder „kontrafaktische Grundannahme“ versieht.

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1.3 Eine fatale Alternative: Erlösung durch Jesu Gottesreichverkündigung oder durch das Kreuz?

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Die neutestamentlichen Kreuzestheologien entstanden in einem kulturellen Umfeld, welche das Sterben Christi für uns – d.h. nicht nur wegen, sondern auch anstelle und zugunsten von uns16 – auf verschiedene Weisen plausibel machen konnten. Alttestamentlich gab es kultische und (im vierten Gottesknechtlied) nichtkultische Sühnevorstellungen, sowie das Motiv von einem befreienden Loskauf. Und der griechische Kulturkreis kannte die Vorstellung eines „noble death“,17 eines stellvertretenden Gangs eines Einzelnen in den Tod, der – von den Göttern gewürdigt – eine rettende Wirkung für Gemeinschaften haben konnte, auch dann, wenn der Sinnzusammenhang eines Lebenseinsatzes nicht ersichtlich war. Unter dem Eindruck der oben beschriebenen Aporien wurden solche Vorstellungen von Exegeten um die Mitte des 20. Jahrhunderts (zumal von Rudolf Bultmann) als mythologisch und heute nicht mehr nachvollziehbar disqualifiziert.18 Ein solches systematisch-theologisches Urteil legte es für Exegeten (wieder vor allem Bultmann) nahe, biblische Deutungsmodelle zum Tod Jesu – z.B. als Sühnopfer – als spätere Rationalisierungen abzuwerten, die der Absicht von Jesu Gottesreichpredigt widersprachen und deshalb nicht auf Jesus selbst zurückgehen konnten; sie mussten also Konstrukte von Gemeindetheologie sein. Die staurologischen, auf das Kreuz zentrierten, Erlösungsvorstellungen wären logisch unvereinbar mit der eschatologischen Erlösungslehre Jesu vom nahe gekommenen Gottesreich, weil letztere ein göttliches Heilsangebot ohne vorausgehende Bedingung besagte, während erstere den Kreuzestod Jesu als Bedingung für unsere Erlösung forderten.19 Das Gleichnis vom verlorenen Sohn scheint diese Kritik zu bestätigen. Der barmherzige Vater vergibt ohne Vorbedingungen. Niemand muss dafür leiden. Und hat nicht auch Jesus Sünden vergeben, ohne dass dafür eine Sühneleistung von irgendjemandem erforderlich gewesen wäre?20

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Exegese und systematische Theologie stützten sich hier in ihrer Kritik gegenseitig. Systematisch wurde die Vorstellung von Jesu Kreuzestod als Sühneopfer für unsere Sünden – gleichzeitig mit Anselms Satisfaktionslehre – als mythologische Idee einer Beeinflussbarkeit Gottes durch den Menschen zurückgewiesen. Eine bestimmte Exegese sortierte diese derart kritisierten Vorstellungskomplexe als sekundäre Rationalisierungen – und damit als zweitrangig – aus.21 Auf diesen exegetischen Befund konnten sich wieder Systematiker berufen, um ihre Zurückweisung von Sühnetheologie biblisch zu untermauern. Das Resultat war fatal: Gottesreichbotschaft und Kreuz, Jesu Lehre und urkirchliche Gemeindetheologie drohten auseinandergerissen zu werden. Und gerade dadurch wurde ein biblisch fundiertes Verständnis der Heilsdeutung von Jesu Tod verdunkelt. Denn die Evangelien binden Jesu öffentliches Wirken und seine Passion narrativ zu einem untrennbaren Sinnganzen zusammen.

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2. Die Passion im christlichen Heilsdrama: Wiedergewinnung der biblischen Perspektive

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Die beschriebene Kritik, die in der katholischen Exegese der siebziger Jahre einflussreich war, blieb exegetisch nicht unwidersprochen.22 Inzwischen hat die bibelwissenschaftlich verantwortete Zuversicht wieder zugenommen, dass Jesus seinen Tod vorausgesehen und – unter Rückgriff auf die Gottesknechttexte – auch selber gedeutet hat.23 Dem entspricht eine Tendenz in der gegenwärtigen dogmatischen Theologie, Jesu Wirken in Gottesreichbotschaft, Kreuz und Auferstehung als eine Einheit zu sehen und Erlösung von diesem Gesamtzusammenhang zu verstehen. Dabei stellt sich an verschiedene Entwürfe allerdings die Frage, ob die genannten Problematiken damit beantwortet oder nur zugedeckt werden.

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2.1 Die integrative Sicht der Evangelien

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Die Evangelien beschreiben Jesu Gottesreichbotschaft und seinen Kreuzestod in einem untrennbaren Zusammenhang, und zwar nicht nur einer tragischen Geschichte, die erhellt, warum Jesus am Kreuz sterben musste24, sondern eines Heilsdramas, das begreifbar macht, wozu Jesus am Kreuz gestorben ist. Die biblischen Texte erheben den Anspruch, dass Jesu Kreuzestod seine vollmächtige Verkündigung des Gottesreichs nicht nur beendet, sondern vollendet hat. Deutlich wird der innere Zusammenhang zwischen Jesu öffentlichem Wirken und Kreuz zum Beispiel durch das Drängen des verkündigenden Jesus nach Jerusalem:

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„Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen. Wie froh wäre ich, es würde schon brennen! 50 Ich muss mit einer Taufe getauft werden, und ich bin sehr bedrückt, solange sie noch nicht vollzogen ist.“ (Lk 12,49-50)
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Vers 49 bezieht sich auf Gottes Heil, das sich zuerst durch Jesu Verkündigungswirken über die Erde ausbreiten soll;25 Vers 50 spielt mit der Taufe, mit der Jesus getauft werden muss, auf dessen Passion und Tod an. Beides – Verkündigung und Tod – ist voneinander untrennbar. Was durch die „Erhöhung“ Jesu in Kreuz und Auferstehung über Jesu Verkündigung hinaus erst freigesetzt werden kann, ist das Feuer (vgl. Vers 49!)26 des Heiligen Geistes. Das Johannesevangelium macht diesen Zusammenhang ausdrücklich:

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„Am letzten Tage des Festes aber, dem großen, stand Jesus da und rief mit den Worten:
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Wenn jemand Durst hat, komme er zu mir, und es trinke, 38 wer an mich glaubt;
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wie die Schrift gesagt hat:
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Ströme lebendigen Wassers werden aus seinem Inneren hervorfließen.
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39 Das aber sagte er von dem Geist, den die empfangen sollten,
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die zum Glauben an ihn gekommen sind;
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denn noch gab es keinen Geist, weil Jesus noch nicht verherrlicht war.“ (Joh 7,37-39)27
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Hier wird die Frage, wozu Jesus am Kreuz gestorben ist, mit der Ausgießung des Heiligen Geistes beantwortet. Ohne seine Verherrlichung – die bei Johannes ebenso wie das Wort Erhöhung für Kreuz und Auferstehung steht – wäre nach dem vierten Evangelisten die Ausgießung des Heiligen Geistes nicht möglich. Durch seinen Kreuzestod vollendet Jesus seine Sendung und gibt den Geist auf:

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„Als Jesus von dem Essig genommen hatte, sprach er: Es ist vollbracht (tetélesthai)! Und er neigte das Haupt und gab den Geist auf (parédoken to pneuma)“ (Joh 19,30).
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Paradidónai bedeutet aufgeben, übergeben, überliefern oder auch ausliefern. Damit ist nicht nur gesagt, dass Jesus sich hingibt (aktiv, nicht bloß passiv hingeopfert)28; es klingt auch an, dass er den Heiligen Geist übergab, also für andere freisetzte.29

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Paradidónai ist ein neutestamentliches Schlüsselwort, das verschiedene Akteure im Kreuzesgeschehen benennt: Jesus wird von Judas an den Hohen Rat (Mk 14,10.12.18) und vom Hohen Rat an Pilatus ausgeliefert; er liefert sich selbst aus (Röm 8,32); und er wird vom Vater ausgeliefert (Joh 19,30; Gal 2,20; Eph 5,3). Wie diese drei Akteurzuschreibungen miteinander zusammenhängen, verdeutlicht – mit einem anderen Terminus30 – das folgende johanneische Jesuswort:

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„Darum liebt mich der Vater, weil ich mein Leben einsetze (títhemi), damit ich es wieder nehme. 18Keiner reißt es von mir, vielmehr setze (títhemi) ich es von mir aus ein.
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Ich habe die Vollmacht, es einzusetzen (títhemi), und ich habe die Vollmacht, es wieder zu nehmen. Diesen Auftrag erhielt ich von meinem Vater.“ (Joh 10,17-18)31
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„Keiner reißt es von mir“: Dass die Kreuzigung Jesu ihm von seinen Verfolgern angetan wurde, wird damit nicht in Abrede gestellt. Aber Jesus setzt sich dieser Verfolgung bewusst aus: er geht aus freien Stücken nach Jerusalem. Und er entscheidet sich dazu nicht willkürlich, sondern indem er dem Auftrag seines himmlischen Vater folgt.32 Gerade in seinem Gehorsam gegenüber dem Willen des Vaters ist er frei, weil er sich in Freiheit dazu bestimmt hat, zu tun, was der Vater ihm vorgibt: Es ist Jesus, der sein Leben von sich aus einsetzt („vielmehr setze ich es von mir aus ein“), und zugleich der Vater, der ihn hingibt, denn: „Diesen Auftrag erhielt ich von meinem Vater“.

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2.2 Theo-Dramatik bei Hans Urs von Balthasar: Freisetzung von sündiger Freiheit zwischen Himmel und Hölle

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Dramatische Theologie versucht, dem komplexen biblischen Befund von Gottesreichbotschaft und Kreuz, von Jesu Tun und Leiden, sowie von den verschiedenen Akteuren im Kreuzesdrama – Vater und Sohn (verbunden durch den Heiligen Geist), sowie Sünder – gerecht zu werden.

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In seiner umfangreichen Theodramatik33 spricht Hans Urs von Balthasar von einer grenzenlosen Sendung – nämlich die ganze Welt zu erlösen –, die Jesus in einem begrenzten Leben zu leisten hatte. Das war nur möglich durch einen Vorlauf auf seinen Tod hin: In den drei Tagen von Kreuzigung bis zur Auferstehung, wo er nichts Aktives mehr tun kann, wird seine Sendung über jene Grenzen, die menschlichem Tun in seiner Endlichkeit notwendig gesetzt sind, hinausgeführt. Erst als am Kreuz Erhöhter hat der vom Heiligen Geist Geführte die Vollmacht, den Heiligen Geist den Menschen zu übergeben und ihnen so eine erlöste Existenz „in Christus“ zu ermöglichen.34

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Balthasars Theologie der Erlösung ist damit ganz auf den Kreuzestod zentriert: sozusagen ein Passionsdrama mit langer Einleitung. Menschwerdung, Passion, Kreuzigung und „Abstieg in das Reich des Todes“ (in der für Balthasar zentralen Karsamstagstheologie)35 sind die Stationen eines fortlaufenden Abstiegs, einer Kenose, die es dem Gottessohn ermöglicht, die „Sünde der Welt“ (Joh 1,29) zu „unterwandern“, indem er dem Todsünder, der sich von Gottes Herrlichkeit abgewandt hat, in der Gestalt des am tiefsten Erniedrigten neu begegnet:

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„Wer die vollkommene Verlassenheit für sich wählen und damit seine Absolutheit Gott gegenüber beweisen wollte, träfe vor sich auf die Gestalt eines, der absoluter verlassen ist als er selbst. Man kann sich deshalb überlegen, ob es Gott nicht freisteht, dem von ihm abgewendeten Sünder in der Ohnmachtsgestalt des gekreuzigten, von Gott verlassenen Bruders zu begegnen, und zwar so, daß es dem Abgewendeten klar wird: dieser (wie ich) von Gott Verlassene ist es um meinetwillen.“36
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Ein Heilsdrama mit maximaler Fallhöhe und menschheitlichen, ja kosmischen Ausmaßen findet so in den drei Tagen von Kreuzigung, Höllenabstieg und Auferstehung seine Mitte, auf die alle Linien zusammenlaufen und in der sich alles entscheidet: Der Allerhöchste wird zum am tiefsten Erniedrigten, der Himmlische steigt hinab in die Hölle, um die vertracktesten Knoten sündiger Freiheit zu lösen, – von Menschen, die jeden Kairos einer gottgewirkten Befreiung nur dazu genutzt hatten, um ihr Nein gegen Gott und Leben mit den Mitteln der ihnen neu geschenkten Freiheit zu zementieren. Es ist die Stärke von Balthasars Theodramatik, dass er ein kosmisch-menschheitliches Drama von mythologischen Ausmaßen zugleich als Freiheitsgeschehen durchbuchstabiert.37 Der Sieg über die Mächte und Gewalten muss gerade deshalb bis in die Abgründe der Hölle durchgefochten werden, weil es darum geht, die Welt und die Menschen nicht durch ein gewaltsames Zerbrechen von böse gewordener menschlicher Freiheit zu retten, sondern sie durch ihre höchst riskante Freisetzung hindurch zu erlösen.

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Sündige Freiheit ist Freiheit zur Unfreiheit: „Wer die Sünde tut, ist Sklave der Sünde“ (Joh 8,34). Verloren geht durch die Sünde die Freiheit zum Guten, Heilvollen, Lebensförderlichen. Gottes Heilsinitiativen – exemplarisch durch die vollmächtige Gottesreichverkündigung Jesu – setzen die Freiheit zu einem Ja zu Gott und dem Leben wieder frei. Diese durch Gottes Heilshandeln wiedergewonnene Freiheit kann aber stets auch missbraucht werden: Gott und Leben leuchten neu als Gegenstand von Freiheit auf – zum Beispiel in der Begegnung mit einem schutzlos liebenden Menschen – und das eröffnet die abgründige Möglichkeit, dem tiefer sich anbietenden Guten ein selbstherrliches, durch destruktive Taten zementiertes Nein entgegenzuschleudern.

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So setzt ein göttliches Erlösungshandeln, das die Freiheit der Menschen respektiert, die Möglichkeit zu einer dramatischen Eskalation des Bösen erst frei.38 Wenn zur Erlösung einer in Schuld und Bösem verstrickten Welt Gott wirklich handelt (Theo-Drama), und wenn angesichts der Präsenz des allmächtigen Gottes die menschliche Freiheit nicht schwindet, sondern gerade freigesetzt wird, dann wird Heilsgeschichte zu einem Theo-Drama. Dramatische Theologie entwirft damit einen theologischen Rahmen, der gerade im Blick auf Gott, Himmel und Erlösung all das real erfahrbare Hässliche und Böse dieser Welt nicht verdrängt, sondern scharf in den Blick bringt. Dem entspricht die biblische Heilsgeschichte, in der nicht nur der Himmel, sondern auch die Hölle erst im neutestamentlichen Wirken Jesu zum konkreten Thema wird.

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2.3 Ein Heilsdrama in fünf Akten: Raymund Schwager und die Innsbrucker dramatische Theologie

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Hans Urs von Balthasars dramatische Soteriologie bietet einen Entwurf, der nicht leicht zu überbieten ist. Allerdings ist sie trotz zweieinhalbtausend Seiten Theodramatik in vielem Entwurf geblieben, hauptsächlich Arbeit am Rahmenbau des Dramas (das Zueinander der Akteure), an methodisch-theologischen Problemen und theologiegeschichtlichen Zuordnungen.39 Inhaltlich konzentriert sie sich auf das oben skizzierte Grundmuster einer dramatischen Eskalation zwischen Gottes freisetzendem Handeln und sich vertieft sündig bestimmender freigesetzter Freiheit der Menschen. Durch Balthasars theologische Konzentration auf das Kreuz – und verbunden damit seine bibeltheologische Konzentration auf das vierte Evangelium – verbleibt das Theodrama in vielem abstrakt. Was bedeutet „Nein zu Gott“ konkret? Wie spielt es sich ab, dass Christus dieses Nein „unterwandert“? Wie geht es näherhin zu, dass Gott den Menschen befreiend anspricht und dadurch nicht nur Freiheit zum Guten, sondern eine dramatische Zuspitzung des Bösen ermöglicht? Um diese Fragen zu beantworten, müssen die Konstellationen und Dynamiken eines innerweltlichen zwischenmenschlichen Handelns genauer angeschaut und im Licht der biblischen Botschaft reflektiert werden. Im Kontext der Evangelien ist dafür das Handeln der Menschen im Gegenüber zu Jesus wichtig: der Adressaten seiner Gottesreichverkündigung und seiner Gerichtsreden; vor allem jener, die von den Evangelien mit dem Schlüsselwort „paradidonai“ als Auslieferer Jesu bezeichnet werden, und jener, auf die sich der Gekreuzigte mit dem Ausruf bezieht: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ (Lk 23,34). Diese Aspekte bleiben bei Balthasar unentfaltet; auch deshalb, weil er das Gesetz der Handlung weitestgehend vom ausliefernden Vater und dem ihm zustimmenden Sohn dominieren lässt.40 Die dramatische Christologie Raymund Schwagers ist konkreter.

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Schwagers Strukturierung des jesuanischen Heilsdramas in fünf Akte – Gottesreichbotschaft, Gericht, Kreuz, Auferstehung und Geistausgießung41 –gibt der Verkündigung Jesu von der anbrechenden Gottesherrschaft einen zentralen Stellenwert. Unter sich wandelnden Bedingungen hält sich diese über alle fünf Akte durch. Dabei erhält das Handeln der Menschen als einzelnen und im Kollektiv eine besondere Aufmerksamkeit. Jesus verkündete das Gottesreich als eine Wirklichkeit, die sich zwar unaufhaltsam ausbreitet, wobei aber die Wege und Umwege, auf denen es sich verwirklicht, von den Entscheidungen der Menschen abhängen. Indem sie die Botschaft Jesu zurückwiesen, entstand eine neue Situation, die sich in einem geänderten Verhalten Jesu widerspiegelte. Von daher löst sich der scheinbare Widerspruch zwischen Gottesreichbotschaft und Gerichtsworten auf. Ebenso ist das Kreuz nicht als Gegensatz oder Abbruch der Gottesreichbotschaft zu verstehen, sondern als deren Verwirklichung unter den Bedingungen einer Verstockung ihrer Adressaten, die auch durch Jesu warnende Gerichtsworte nicht aufgebrochen werden konnte. Wo angesichts der Verhärtung der Herzen die Worte Jesu nicht mehr durchdringen,42 wird der Gekreuzigte selbst zum vordergründig gerichteten, in Wahrheit aber richtenden Wort, welches die Konsequenzen der Verstockung – Täuschung und Gewalt, Lüge und Mord (vgl. Joh 8,44) – sichtbar macht. Zwar bleibt die Einsicht in das Aufgewiesene zunächst blockiert, da die Verfolger Jesu, die gemäß seinem Ausruf „nicht wissen, was sie tun“ (Lk 23,34), überzeugt sind, gerecht zu handeln und Gott einen Dienst zu erweisen.43 Aber durch Gottes Auferweckungshandeln (4. Akt) wird der Verurteilte gerechtfertigt und bekommt der zum Schweigen Gebrachte eine Stimme. Die Ausgießung des Heiligen Geistes (5. Akt) macht die verwirrten und verstörten Jünger zu Zeugen, die die verdrängte Wahrheit des Kreuzes freimütig verkündigen.44

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In dieser dramatischen Perspektive sieht Schwager die Akteure der Passion differenziert. Als direkte Handelnde sind es Jesu Verfolger, die ihn zur Kreuzigung ausliefern („paradidónai“ in einer ersten Bedeutung45). Als Menschen, die „nicht wissen, was sie tun“ erweisen sich die Täter aber zugleich als Opfer von kollektiven Dynamiken, an deren Grund die Evangelien den Satan ausmachen46. In diesen zerstörerischen Sog wird Jesus nicht einfach passiv hineingerissen, sondern er geht bewusst hinein, um diese Dynamiken – die Macht des Satans über die Menschen – von innen her aufzubrechen. Er sucht nicht seinen Tod; dieser wird ihm von einem Kollektiv aufgezwungen. Dennoch bleibt Jesus aktiv. Er bestimmt sich dazu, sich von seinen Verfolgern bestimmen zu lassen, indem er dieses Verfolgungsgeschehen seinerseits bestimmt: Er transformiert es zu einer Selbsthingabe an den himmlischen Vater für die ihn richtenden Menschen („paradidonai 2“). Damit weiß Jesus, dass er den Willen und Plan seines Vaters erfüllt, der ihn dieser tödlichen Dynamik ausliefert („paradidonai 3“), allerdings nicht mit dem Ziel seines Leidens und Todes, sondern einer Erlösung, die unter Respektierung der Freiheit der Verstockten nicht anders verwirklichbar ist, als um den Preis des Todes seines Sohnes. Diese subtile Unterscheidung von verschiedenen Akteuren und Handlungsabsichten ergibt, dass Leid und Tod Jesu nur durch seine Verfolger, nicht aber durch Jesus und seinen Vater gewollt sind. Insofern ist die Identifikation Jesu mit den Sündern eine begrenzte: Sie erfolgt mit ihnen nur insoweit, als sie (als Täter verblendete) Opfer sind, nicht insofern sie Täter sind.47

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Wie deutlich wurde, ist für Raymund Schwager – und in seinem Gefolge für die Innsbrucker dramatische Theologie – die Problematik eines kollektiv beeinflussten und verblendeten Handelns zentral. Die theoretische Grundlage dazu liefert die mimetische Theorie René Girards.

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2.4 Die mimetische Theorie René Girards ...

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Der französische Kulturwissenschaftler René Girard entwickelte aus literarischen Analysen eine mimetische Theorie, wonach Menschen zutiefst begehrende Wesen sind, deren Begehren weder naturhaft noch willentlich festgelegt ist, sondern unwillkürlich durch die Begehrensbewegungen von Mitmenschen beeinflusst wird.48 Wo dieses Begehren auf Aneignung und Besitz von Gegenständen oder auch Menschen zielt, treibt die Mimesis – wie Girard die unwillkürliche Nachahmung des Begehrens bezeichnet – Menschen in Rivalität gegeneinander. Auf gesellschaftlicher Ebene kann das Wechselspiel der Mimesis zum Anschwellen eines allgemeinen Unfriedens (jeder gegen jeden) führen, zumal in vorstaatlichen Gesellschaften, in denen es noch keine funktionierenden Gewaltregulative wie Gerichts- und Polizeisysteme gab. Einer solcherart von Rivalität und Gewalt infizierten vorstaatlichen Gesellschaft droht die Selbstauslöschung durch eskalierende Blutrache oder der Verlust der Überlebensfähigkeit durch eine massiv beeinträchtigte Kooperationsfähigkeit. Die neuzeitliche Vorstellung eines Gesellschaftsvertrags, der für solche Krisensituationen die rohe Gewalt durch Einrichtung zentraler Autoritäten kanalisiert (Locke, Hobbes), entspringt offenbar einer Überschätzung rationaler Einigungsmöglichkeiten, zumal in Situationen, in denen die Kommunikationsmöglichkeiten ohnehin aufs Äußerste beeinträchtigt sind. Überzeugender ist hier der von Girard so genannte Sündenbockmechanismus, der sich aus einem spontanen Umschlag mimetischer Rivalität von „jedem gegen jeden“ zu einem „alle gegen einen“ ergibt. Infolge einer um sich greifenden mimetischen Ansteckung eines aggressiven Begehrens gegen ein Mitglied der Gesellschaft entlädt sich schließlich die angestaute Aggressivität gegen das eine Opfer. Die in blinder Raserei vollzogene einmütige Ausstoßung oder Tötung des „Sündenbocks“ stellt Einigkeit und Frieden wieder her,49 – die vorstaatliche Gesellschaft ist aus ihrer Krise befreit und gerettet. Dieser Effekt kann zu einer rückblickenden Verklärung des Ausgestoßenen führen, der nun kaum mehr als Unheilstifter sondern vorrangig als Segensbringer erinnert wird. Auch der in einen Lynchmord mündende Konflikt wird mythologisch verklärt zum Besuch eines himmlischen Gastes, der unter seltsamen Umständen die besuchte Gesellschaft wieder verlassen hat (die exzessiv-gewalttätigen Umstände werden hier verdrängt) und lebenswichtige Güter als Gaben für die Gesellschaft zurückgelassen hat. Ausgehend von dieser Theorie erklärt Girard zahlreiche Fakten, die von Ethnologen in verschiedensten Traditionen und Mythen vorgefunden werden, ohne dass sie einen nachvollziehbaren Sinn dafür gefunden hätten. Auch die Entstehung von Riten und von hierarchischen Ordnungen in vorstaatlichen Gesellschaften erklärte Girard durch den Sündenbockmechanismus, der auf diese Weise für die werdende Gesellschaft als „Gründungsmord“ wirkt.50 Girard baute seine Theorie zu einem umfassenden Deutungsmodell von Gesellschaft, Kultur und Religion aus, in deren Fundamente eine vielfach variierte und verschleierte mimetische Gewalt eingeschrieben ist.

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Eine theologische Rezeption der im Ansatz kultur- und religionskritischen mimetischen Theorie wird dadurch erleichtert, dass Girard sie selber zu einer affirmativen Theorie der biblischen Texte weiterentwickelt hat. Ebenso wie die Mythen beschreibt die Bibel Ausstoßungsvorgänge, aber anders als jene verdrängt sie die darin involvierte Gewalt nicht, sondern deckt sie auf. Während etwa die mythische Erzählung von Romulus und Remus zur Gründung Roms die Tötung von Remus aus der Perspektive der Verfolger – als berechtigte Sühnung eines Vergehens – erzählt, gibt das Alte Testament eine analoge Geschichte von Kain (dem späteren Städtebauer: Gen 4,17) und Abel aus der Perspektive des unschuldigen Opfers wieder. Bis hin zur Kreuzigung Jesu gilt damit für die Bibel, dass sie Sündenbockgeschichten auf untypische Weise erzählt, weil Sündenböcke darin als Sündenböcke aufscheinen, womit sie nicht mehr effektiv als Sündenböcke fungieren können. Während Mythen dazu neigen, Gewalt zu verschleiern, wird sie in biblischen Texten aufgedeckt und auf diese Weise unwirksam gemacht. Die Bibel ist so voller Gewalt, weil Gewalt – anders als in beschönigenden Mythen – nicht verdrängt oder legitimiert wird, aber auch deshalb, weil durch diese Aufdeckung die befriedende Wirkung von Sündenbockmechanismen neutralisiert und dadurch der Rückfall in verschärfte Gewalt riskiert wird, – es sei denn, die Menschen folgen dem von Gott in Seinem Bund vorgegebenen schmalen Weg aus der Gewalt.51

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Girard ermöglicht eine faszinierende Neuinterpretation nicht nur des Kreuzestodes Jesu, sondern auch seiner dominierenden Deutungsmodelle. Auf einer ersten Ebene erweist sich das Abladen – und von daher das stellvertretende Tagen – von Schuld als höchst effektiv. Das Wort des Hohepriesters Kajaphas, „dass es besser ... ist, wenn ein einziger Mensch für das Volk stirbt, als wenn das ganze Volk zugrunde geht“ (Joh 11,49) bekräftigt eine seit jeher bewährte politische Logik des Sündenbocks. Allerdings wird genau dieser Mechanismus durch Jesu Auferstehung und das Zeugnis der geisterfüllten Jünger bloßgestellt und auf diese Weise dauerhaft entkräftet.52 Am Kreuz offenbart Jesus, „was seit der Schöpfung verborgen war“ (Mt 13,35)53, die tausendfach verdrängte mimetische Gewalt, welche die Kultur und Gesellschaft in ihren Grundfesten zusammenhält.

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Die Problematik dieses Modells: Bestehen Erlösung und Offenbarung tatsächlich nur in einer Aufdeckung negativer Zusammenhänge? Und wenn dem so wäre: Wird dann eine Menschheit, die ihr Überleben nur durch (immer subtilere Formen von) Ausgrenzungsgewalt sicherstellen kann, durch die neutralisierende Freilegung dieser Prozesse nicht in die Selbstzerstörung getrieben?54 Diese grundsätzliche Anfrage lässt sich religions- und sozialpolitisch konkretisieren: Unterstützen Girard und seine theologischen Adepten nicht eine – gegenwärtig durchaus modische – absolute Opferkritik sowie einen Pazifismus, der nicht nur unrealistisch, sondern in vielen Fällen politisch unverantwortlich ist?55

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2.5 ... und ihre Rezeption in der Innsbrucker dramatischen Theologie

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Raymund Schwager hat diese Theorie in eine Theologie der Erbsünde integriert. Danach erscheint eine Mimesis/Nachahmung, die sich nicht nur auf Verhalten, sondern auch auf Begehrensdynamiken bezieht, zwar immer noch als Wesensmerkmal der menschlichen Natur, nicht aber die rivalisierend-gewalttätige Ausformung der Mimesis: Der Mensch ist zwar von Natur aus mimetisch, aber dies nicht zwangsläufig auf konfliktive Weise. Es gibt auch eine nicht rivalisierende, in diesem Sinn „positive Mimesis“ oder „Mimesis der Liebe“56, die sich allerdings strukturell von der rivalisierenden Mimesis unterscheidet: Sie ist nicht wie diese in der Weise zwingender Mechanismen beschreibbar.

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Die von Girard beschriebenen Dynamiken mimetischer Gewalt mit ihren Verschiebungen und Substituierungen erscheinen in dieser theologischen Integration zwar ebenso als alle menschliche und gesellschaftliche Wirklichkeit durchdringend, aber als ein auf unvordenkliche geschichtliche Ereigniszusammenhänge („Sündenfall“) zurückführbares Phänomen, das – weil nicht in die menschliche Natur eingeschrieben – wenigstens grundsätzlich auch überwindbar ist.57 Damit wird erst der Weg für ein christliches Erlösungsverständnis gebahnt, das sowohl eine umfassende – auch in heutigen Lebensbedingungen allenthalben aufweisbare – Erlösungsbedürftigkeit als auch eine Erlösbarkeit des Menschen voraussetzt.58

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Durch diese Integration in einen weiteren schöpfungs- und offenbarungstheologischen Horizont gewinnt Girards mimetische Theorie eine offenere Form:

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1. Für archaische Gesellschaften kann ein Wirken von authentischer Offenbarung und Gotteserfahrung in verschiedensten Formen angenommen werden, zum Beispiel in staunenerregenden Naturerfahrungen und dankbarem Feiern von glückender Gemeinschaft. Die Mechanismen mimetischer Rivalität sind demgegenüber später; aber sie können sich in Gesellschaften, die durch keine Ordnungssysteme geschützt sind, wie ein Krebsgeschwür ausbreiten, den Zugang zu authentischen religiösen Erfahrungen blockieren bzw. pervertieren und ein Überleben der Gesellschaft bedrohen. Für solche Krisen bietet Girards Gründungsmord ein mögliches Rettungsszenario, dessen wirkliches Vorkommen durch ethnologische Indizien plausibel wird. Falls das Auftreten von solchen mimetischen Krisen in vorstaatlichen Gesellschaften wahrscheinlich ist und andere Rettungsmöglichkeiten nicht gefunden werden können, dann könnte daraus Girards Anspruch, dass alle menschlichen Gesellschaften von archaischen Sündenbockmechanismen geprägt sind, abgeleitet werden. Auch das würde dann nicht bedeuten, dass alle Gesellschaften den Sündenbockmechanismus faktisch gefunden haben, wohl aber, dass nur Gesellschaften, die diesen Mechanismus fanden, überlebten.

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2. Für die Theologie der Erlösung ergibt sich dann, dass diese vor Christus – explizit im Alten Testament – durch göttliche Heilsinitiativen von Offenbarung, Bund, Gesetz und Heilsmittlern vorbereitet wurde, wobei die Neigungen zur mimetischen Rivalität die Möglichkeiten für die Menschen, diese Heilsangebote zu übernehmen, immer wieder vereitelten. Mit dieser Problematik war dann auch Jesus mit seiner Gottesreichbotschaft konfrontiert. Die mimetische Theorie macht nachvollziehbar, warum das Heilsangebot Gottes nicht umfassend angenommen werden konnte und deshalb die Verwerfung des Heilsmittlers Jesus heilsgeschichtlich notwendig war (vgl. Lk 24,26). Girards Theorie der Aufdeckung der verborgenen mimetischen Gewalt erklärt, wie das Kreuz jene „satanischen“59 Blockaden aufbrechen konnte, die einem Ankommen und Annehmen von Gottes Offenbarung als Liebe prinzipiell im Weg standen.

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3. Wozu ist Jesus also gestorben?

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3.1 Zwei Grundformen der Identitätssicherung

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Die Stärke der mimetischen Theorie Girards für eine Theologie der Erlösung liegt vor allem in einem überzeugenden und zeitgemäßen Aufweis menschlicher Heilsbedürftigkeit, – mit einem scharfen Blick auf zwischenmenschliche und kollektive Unheilsmechanismen. In einer Welt, in der Gottesglaube und ein entsprechendes Selbstverständnis weithin blockiert sind, sind Einzelmenschen und soziale Verbände darauf angewiesen, Anerkennung und Identität durch grenzende Beziehungen zu anderen sicherzustellen, gemäß dem Prinzip: „Wir haben Recht und Würde zu sein, weil wir dieser privilegierten Gruppe zugehören, und weil wir nicht so sind wie diese anderen dort“. Identität als Zugehörigkeit ist symbolisch vermittelt durch Sprach-, Dress-, Besitz- und Verhaltenscodes: Was du bist, entscheidet sich daran, was du hast, kannst, wo du dazugehörst und wohin du eingeladen wirst. Solche Codes fungieren als Identitätsmarker, die Zugehörigkeiten nicht nur regulieren, sondern diese auch repräsentieren. Zur Zeit Jesu waren das Halten des Sabbatgebots, die Essensgemeinschaft der gläubigen Juden, oder auch das römische Bürgerrecht60 positive Marker;61 die Zugehörigkeit zu bestimmten Berufsgruppen (z.B. Zöllner) oder sichtbare Erkrankungen (z.B. Aussatz) waren hingegen negative Marker.

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Positive Identitätsmarker gelten als hochwertige Begehrensziele und unterliegen als solche den Gesetzmäßigkeiten mimetischer Ökonomie in Konkurrenz und Rivalität, weithin losgelöst von „objektiven“ Werten, für die sie stehen. Vielmehr wird der Wert von Gemeinschaften am „Marktwert“ der sie anzeigenden Codes bemessen.62 Auch negative Identitätsmarker können für das Identitätsbewusstsein von Einzelpersonen und Gemeinschaften unverzichtbar sein, weil sie Außengrenzen markieren und so kontrastierend Identitäten sicherstellen, – nach dem Motto: „Wir sind, wer wir sind, weil wir nicht so sind wie diese oder jene anderen“63.

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Lesen wir die Evangelien mit einem Sinn für diese Problematik, dann fällt auf, dass Jesus immer wieder Codes, die Gruppenzugehörigkeit und Ausschluss regeln, kritisierte und provokativ überschritt. Wenn er Zöllner, Sünder und Kranke (die auch oft gesellschaftlich stigmatisiert und als von Gott gestrafte Sünder angesehen wurden) oder auch Kinder, die im gesellschaftlichen Status nachgeordnet waren, in die Mitte holte64 und Etablierte für ihr Protzen mit Statussymbolen tadelte,65 dann trieb er damit Menschen und Gemeinschaften, die ihre Identität grenzorientiert sicherstellten, in eine Identitätskrise, im wörtlichen Sinn des empörten Ausrufs: „Wer sind wir denn, dass diese da auch noch zu uns gehören sollen?“

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Im Licht von Jesu Kritik und Provokation fällt weiters auf, wie stark das jüdische Religions- und Gesellschaftssystem im Umfeld Jesu durch Zugehörigkeits- und Ausschlusscodes geregelt war.66 Diese Kritik ist keinesfalls als eine Abrechnung mit „den Juden“ zu verstehen – etwa in einer antijüdischen Selbstprofilierung der sich etablierenden christlichen Sekte, wie vor allem dem Johannesevangelium öfters vorgeworfen wird.67 Dennoch erweist sich die Kritik Jesu gegen „die Juden“68 als ausgesprochen hart, – gerade wenn man die Evangelien mimetisch sensibilisiert liest. Die Eigenart dieser Kritik kann nur richtig eingeschätzt werden, wenn man die alttestamentlich bezeugte Berufung des Judentums als Gottesvolk berücksichtigt. Gott hat Israel als sein auserwähltes Volk geschaffen, nicht aufgrund seiner Verdienste, sondern aus Liebe.

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„Jetzt aber – so spricht der Herr, der dich geschaffen hat, Jakob, und der dich geformt hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich ausgelöst, ich habe dich beim Namen gerufen, du gehörst mir.“ (Jes 43,1)
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Allein in dieser göttlichen Zusage gründet die Identität des Volkes und aller Menschen im Volk. Und in ihr gründet alle Befreiung von identitätssichernden Fixierungen auf die anderen. Die politische Befreiung im Exodus sowie das Werden zu einer Nation, beginnend mit der Landnahme, sind nur die konkreten Auswirkungen einer radikalen, allein von Gott her empfangenen Neubestimmung von Identität, die Israel durch Bundes- und Gesetzestreue lebendig zu halten hat. Israels Identität steht und fällt damit, dass es von Gott geheiligt ist, das heißt: herausgenommen aus den Verstrickungen der Völker und Gott als sein besonderes Eigentum zugeordnet. Israel ist berufen zu einer ausschließlich positiv-bezogenen Identität, die sich nicht den Zugehörigkeiten und Abgrenzungen gegenüber anderen verdankt. Immer wieder aber lassen sich die Israeliten von Codes der Macht und Selbstherrlichkeit anderer Völker blenden – sodass sie auch Könige, Streitpferde und Kriegswagen haben wollen wie die anderen69 – und verstricken sich so zu ihrem eigenen Unheil in mimetische Rivalitäten. Dieses Abrutschen eines ungeteilt Gott-orientierten Blicks hin zum begehrlichen oder ängstlichen identitätssichernden Seitenblick auf das, was die anderen haben, wird von den Propheten als Götzendienst gebrandmarkt.70

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3.2 Das Anliegen von Jesu Verkündigung und Kritik: Erneuerung des jüdischen Volkes von dessen Wurzeln her

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Schaut man von dieser alttestamentlichen Identitätsbestimmung der Juden her auf das Verkündigungswirken Jesu, so fällt auf, dass es ihm genau darum geht. Selber lebt er aus einer kompromisslosen Orientierung auf Gott und Seinen Willen, und zwar nicht primär als leistungsorientiertes Rechtsverhältnis, sondern in der dankbar-empfangenden Weise einer intimen Liebesbeziehung von seinem Abba-Vater her. Diese ungeteilte Blickrichtung, die das alttestamentliche Gebot einer alles durchlichtenden Gottesliebe nicht überbietet, sondern radikal in die Mitte rückt, lässt Jesus auf seine Mitmenschen ausstrahlen: in seiner Lehre (vor allem dem Vaterunser) ebenso wie in einer Lebenspraxis, die das zweite Grundgebot der Nächstenliebe nicht nur aus dem ersten Grundgebot ableitet, sondern aus der Erfahrung des guten Gottes erwachen lässt: „Ihr sollt also vollkommen sein, wie es auch euer himmlischer Vater ist“ (Mt 5,48). Die Adressaten der Bergpredigt sollen das, weil sie es können, – aus der Erfahrung des (in seiner Güte und gerechtigkeit) vollkommenen Vaters, vermittelt durch die Begegnung mit dem lehrenden und heilend-befreienden Jesus.

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Von dieser positiven Mitte her ergibt sich Jesu provokative Kritik an grenzenden, „seitenblickorientierten“ Identitätssicherungen – johanneisch – von „den Juden“. Nicht weil sie bei den Juden mehr vorkommen würden als bei den Heiden, sondern weil die Juden in Treue zu ihrer besonderen (heiligend aussondernden) Berufung sich von allen grenzenden Identifizierungen – wie von Götzen – loszusagen haben. Wenn Jesus seinen Jüngern sagt, dass es „bei euch nicht so sein soll“ (Mk 10,43), dann will er damit gerade nicht eine christliche Sekte aus dem Judentum aussondern, indem er quer durch eine unterschiedslose Gemeinsamkeit – alle sind ja Juden! – eine Grenze zieht, sondern er will die Juden von der Mitte ihrer ursprünglichen Verheißung her erneuern. Nicht um eine neue Tora zu bringen, ist er gekommen, sondern um den Juden die Erfüllung der Tora von ihrer Herzmitte her zu ermöglichen.71 Diese Erneuerung des jüdischen Volks will Jesus dadurch verwirklichen, dass er einige Juden exemplarisch auswählt (und zwar gerade nicht solche, die ohnehin vorne stehen) – z.B. die zwölf Apostel für die zwölf Stämme Israel – damit diese wie ein Sauerteig den ganzen „jüdischen Teig“ durchsäuern (Lk 13,21).72

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Dazu müssen sie aber erst selber Sauerteig (oder Salz das salzt, oder Feuer das entzündet) werden: indem sie sich von Jesus ganz auf den liebenden göttlichen Vater ausrichten lassen und damit vollkommen frei werden von dem mimetischen Schielen nach den ‚Segnungen‘ grenzender Identitätssicherungen. Nur in dieser reinen Ausrichtung, die einer Abgrenzung nach außen und der Rangordnung nach innen nichts verdankt, kann die Gemeinschaft des Gottesreichs aus der ursprünglichen Mitte des Judentums neu gegründet werden. So wird das jüdische Volk seiner ursprünglichen Berufung gerecht, die nicht privilegierend, sondern universal ist: Durch Gott ausgesondert aus allen Völkern – für alle Völker: „Durch dich sollen alle Geschlechter der Erde Segen erlangen“ (Gen 12,3). Auf diese Weise würde sich erfüllen, was vom Judentum zur Zeit Jesu brennend ersehnt und von Jesus als bereits ankommend angesagt wurde: Die Königsherrschaft Gottes als eine nicht nur innerliche, sondern zugleich universal gesellschaftlich-politische und kosmische Wirklichkeit: „Die Zeit ist erfüllt und das Reich Gottes ist nahegekommen. Kehrt um und glaubt an das Evangelium“ (Mk 1,15).

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3.3 Verkündigung, Kritik und Kreuz: Die Krise kommt von innen

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Vor diesem Hintergrund können nun die Krisen von Jesu Verkündigungswirken neu eingeschätzt werden. Sicher ist es gravierend, wenn Jesus von jüdischen Gruppen (etwa seiner Heimatgemeinde) und Autoritäten zurückgewiesen wird. Aber noch problematischer muss es erscheinen, wenn sein engster Jüngerkreis nicht in der Lage ist, sich in Glaubenskraft ganz am göttlichen Vater zu orientieren,73 sondern immer wieder in allzumenschliche Rivalitäten abrutscht.74 Sensiblisiert für die mimetische Problematiken, entdeckt man hier ein Dilemma, dem der vorösterliche Jesus nicht zu entkommen vermag. Weil die Etablierten durch zwischenmenschliche Zusicherungen von Ehre verdorben sind, wendet er sich vor allem den Armen und Schwachen zu. In dem Maße, als diese durch die Gemeinschaft mit Jesus zu einer heilen Existenz heranwachsen, beginnen sie sich nun – wiederum durch die Gemeinschaft mit Jesus – als auserwählt gegenüber den anderen zu fühlen. In einer mimetisch verseuchten Welt wird ein Mittler Gottes zwangsläufig zum Hindernis, indem er selber als Mitte grenzorientierter Identitätsbestimmungen missverstanden und missbraucht wird.75

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Dies erweist sich nun als der tiefste Grund, warum Jesus die Jünger verlassen muss: um – über Auferstehung und Geistsendung – in einer subtileren Präsenz wiederzukommen, die nicht mehr so leicht mimetisch vereinnahmt werden kann; zuerst als Auferstandener mit einem Verklärungsleib, der nicht festgehalten werden kann (Joh 20,17), dann durch den Heiligen Geist, der „weht wo er will“ (Joh 3,8) und nur an seinen Wirkungen wahrgenommen werden kann.

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Diese Hypothese wird erhärtet durch die Ereigniszusammenhänge, in denen die drei Leidensankündigungen Jesu bei allen drei Synoptikern stehen: Petrus will Jesus vor dem Leidensweg nach Jerusalem zurückhalten, „weil er ihn nicht hergeben will“76, ist es doch Jesus, der seine „Karriere“ als Fels der Kirche garantiert. Während Jesus den Jüngern erklären will, dass er sterben und auferstehen wird, verlieren sie sich in Rangordnungsstreitigkeiten.77 Und sie regen sich bei Jesus darüber auf, dass auch andere im Namen Jesu Wunder tun, obwohl sie ihnen (!) nicht nachfolgen.78

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All das Gesagte macht deutlich, dass Jesus nicht an einer ausgrenzenden Kritik der anderen interessiert ist – etwa gar zur kontrastierenden Hervorhebung der eigenen Gruppe im Sinne einer mimetischen Ausschlusslogik – sondern an einer reinigenden Kritik der Eigenen. Oder, nachdem sich das Wirken des Juden Jesu von Anfang bis zu seinem Ende ganz auf die Juden konzentiert:79 Jesus betreibt keine ausgrenzende Kritik der Juden als der Anderen, sondern eine auf Reinigung und Erneuerung zielende Kritik an den Juden als dem eigenen Volk. Gerade bei den am schärfsten zugespitzten Urteilen Jesu über „die Juden“ im Johannesevangelium ist das zu berücksichtigen. Aussagen wie „Ihr habt den Teufel zum Vater, und ihr wollt das tun, wonach es euren Vater verlangt“ (Joh 8,44)80 sind an die „Juden, die an ihn glaubten“ (Joh 8,31) gerichtet.81 Bis zuletzt sind es die, die ihn verwerfen, für die er sich einsetzt: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ (Lk 23,34).

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3.4 Der Sinn des Kreuzes: Erneuerung von Mensch und Gemeinschaft von innen her

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Wozu ist Jesus also gestorben? Sein Tod ist die Konsequenz einer Eskalation, in der Jesus die destruktiven Dynamiken von mimetischer Rivalität und grenzorientierter Identitätssicherung bei den Juden als Adressaten seiner Verkündigung freilegte. Dieses Freilegen, Aufdecken oder Bloßstellen der treibenden Dynamiken ließ den Adressaten im Fall einer verweigerten Umkehr nur die Alternative, die aufgewiesene Wahrheit zu verdrängen, indem man den Künder dieser Wahrheit zum Schweigen brachte. Gerade dadurch aber machten sie sichtbar, was sie in Abrede gestellt hatten (Joh 7,20): dass sie in der Dynamik ihres Handelns vom Teufel geleitet waren (das ist gemeint mit: „den Teufel zum Vater hatten“), der „ein Mörder von Anfang an“ und „der Vater der Lüge“ ist (Joh 8,44). Durch seine Auslieferung („paradidonai“!) binden die, die Jesus loswerden wollten, ihn durch ein Schuldverhältnis an sich; Jesus wird zum Teil ihrer (Schuld-)Geschichte. Dieses Schuldverhältnis wird von Jesus her – vor allem in seinen Abendmahlsworten – im Ansatz transformiert, indem er die ihm aufgezwungene Gewalt zu einer Tat der liebenden Selbsthingabe an den himmlischen Vater für seine Verfolger macht.82 „Für seine Verfolger“ bedeutet dabei, dass Jesus durch das vergebende Bestehen seines Todes seinen Verfolgern eine Möglichkeit zur Versöhnung und Erlösung eröffnet. Diese Möglichkeit kann allerdings erst in einem freien Einverständnis der Verfolger realisiert werden. Sie bleibt ohne Wirkung, solange diese überzeugt sind, mit der Auslieferung eines Gotteslästerers – der Mensch war und sich zu Gott machen wollte (Joh 10,33) – Gott einen Dienst erwiesen zu haben.83 Jesu Versöhnungstat, die er durch die liebende Transformation der ihm angetanen Gewalt zunächst stellvertretend vollzogen hat, wird für seine Gegner konkret, nachdem der Auferstandene den Heiligen Geist freigesetzt hat. Vermittelt durch die vom Heiligen Geist erfüllten Jünger werden die Verfolger Jesu mit der ungekannten Wahrheit des Geschehens konfrontiert: 1. dass sie den Sohn Gottes ausgeliefert haben, 2. dass dieser ihre Gewalttat in eine Tat der liebenden Selbsthingabe an den göttlichen Vater transformierte – für sie, d.h. zu ihren Gunsten –, sodass die Heilsverheißung wieder auflebt und sie 3. nun die Möglichkeit haben, diese Sinntransformation für ihre eigene Schuldgeschichte zu übernehmen, indem sie ihr Leben künftig von der Lebensperspektive des für sie Gestorbenen und Auferstandenen bestimmen lassen. Alle drei Punkte finden sich in der Pfingstpredigt des vom Heiligen Geist erfüllten Petrus:

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„[1.] Israeliten, hört diese Worte: Jesus, den Nazoräer, den Gott vor euch beglaubigt hat durch machtvolle Taten, Wunder und Zeichen, die er durch ihn in eurer Mitte getan hat, wie ihr selbst wisst – ihn, der nach Gottes beschlossenem Willen und Vorauswissen hingegeben wurde, habt ihr durch die Hand von Gesetzlosen ans Kreuz geschlagen und umgebracht. 24 Gott aber hat ihn von den Wehen des Todes befreit und auferweckt; denn es war unmöglich, dass er vom Tod festgehalten wurde. […]
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37Als sie das hörten, traf es sie mitten ins Herz, und sie sagten zu Petrus und den übrigen Aposteln: Was sollen wir tun, Brüder?
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[3.] Petrus antwortete ihnen: Kehrt um, und jeder von euch lasse sich auf den Namen Jesu Christi taufen zur Vergebung seiner Sünden; dann werdet ihr die Gabe des Heiligen Geistes empfangen.
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39 [2.] Denn euch und euren Kindern gilt die Verheißung und all denen in der Ferne, die der Herr, unser Gott, herbeirufen wird.“ (Apg 2,22-24.37-39)
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Der Fortgang der Apostelgeschichte weist nun auf, wie Christus durch das subtile Wirken des Heiligen Geistes das Gottesvolk nun tatsächlich zu sammeln vermag: in der Kirche als einer ungeteilt auf Gott hin orientierten Gemeinschaftsform, die den Mechanismen einer grenzenden Identitätssicherung nichts verdankt.84 Deutlich wird aber auch in der Apostelgeschichte und der urkirchlichen Briefliteratur, dass diese vom Heiligen Geist geleitete Gemeinschaftsform stets durch Rückfälle in Formen einer grenzenden Identitätssicherung bedroht ist. Die in der Apostelgeschichte beschriebene Verstoßung der frühen Christen durch die jüdischen Autoritäten war weniger eine äußere Bedrohung85 als vielmehr eine innere: dass die Christen nun selber ihre Identität im Gegensatz zu den Juden bestimmten.

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Der skizzierte Argumentationsgang hat den Heilssinn des Kreuzestodes Jesu exemplarisch für die Gegner Jesu aufgewiesen – und zwar auch für diese nur bezüglich ihrer Sünde einer Verwerfung Jesu:86 Ihre Tat brachte sie in ein Schuldverhältnis zu Jesus, der dieses Schuldverhältnis zunächst für sich zu einer liebenden Selbsthingabe an den Vater für diese Schuldigen transformierte. Was das für diese bedeuten konnte, wurde erst deutlich durch das beschriebene dreifache Wirken des Heiligen Geistes. Würde man Erlösung als Transformation von Sünde allein von diesem Ansatz her erschließen wollen, müsste man zeigen, dass letztlich alle Menschen sich gegen den Sohn Gottes zusammengerottet haben.

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Das ist aber nicht notwendig, weil es zwei Grundformen mimetischer Rivalität gibt: einerseits nach außen durch eine einmütige Ausgrenzung jener, die den eigenen Identitätskriterien nicht entsprechen (so wie es von den jüdischen Repräsentanten gegenüber Jesus geschah), anderseits nach innen in einem Rivalisieren gerade mit jenen, die die eigenen identitätssichernden Überzeugungen teilen. Letzteres war bei den um die besten Positionen rivalisierenden Jüngern der Fall. Wer sich in diese Dynamiken verstrickt, kann gar nicht anders, als Jesus zu verraten, sobald die eigene Position (das soziale Überleben)87 bedroht ist, – wie bei Petrus geschehen. Auch diese zweite Grundform mimetisch-erbsündiger Verstrickung wird von Jesus am Kreuz „hinweggetragen“88, indem er sich davon treffen lässt, sie vergebend transformiert und die in diese Dynamik Verstrickten vermittels des freigesetzten Heiligen Geistes mit seiner Erlösungstat erreicht: durch die drei Schritte von Schuldeinsicht, Erkenntnis der durch Jesus gewirkten Transformation dieser Schuld und (3.) einer Übernahme dieser Transformation für die eigene Identität durch eine radikale Selbstauslieferung an Jesus.89

85
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So hat Jesus durch Tod, Auferstehung und Geistausgießung die Last der „mimetischen Wurzelsünde“ in ihren beiden Grundrichtungen von Verfeindung nach außen (gegen die anderen) und nach innen (gegen die Gleichen)90 exemplarisch überwunden. Für diese Überwindung war das Kreuz notwendig, als jene exponierte Position, in der Jesus – zwischen Himmel und Erde hängend – im Weggehen war: weit genug weg, um nicht mehr die verstockende Rivalität der Menschen zu provozieren und – durch den Schuldzusammenhang – doch so nahe, dass sie sich seiner Botschaft nicht entziehen konnten. Erlösung erfolgt wesentlich durch die Offenbarung von Gottes Liebe,91 aber diese Liebe kann mimetisch verstrickte Menschen von keinem anderen Ort her erreichen als vom Kreuz.92

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Exemplarisch gezeigt wurde somit das Hinwegtragen der Sünde durch den Gekreuzigten an jenen Sündern und Sünden, die ihn in Passion und Kreuz direkt getroffen haben. Zu zeigen bleibt noch, dass Jesus am Kreuz alle Sünden von allen Menschen getragen hat. Raymund Schwager argumentiert dazu, dass Jesus sich mit allen Menschen identifiziert hat: „Was ihr einem meiner geringsten Brüder und Schwestern getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40). Wie aber soll eine solche universale Identifizierung effektiv möglich sein?93

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An diesem Punkt zeigt sich nochmals, dass das Erlösungswirken nur in einer Einheit all ihrer Aspekte von Inkarnation, Gottesreichbotschaft, Gericht, Kreuz, Auferstehung und Geistsendung – ja noch weiter: von Trinität, Schöpfung und Erlösung94 – begriffen werden kann. Am Anfang des göttlichen Heilswirkens steht nicht (wie in einer reduktionistischen Girardrezeption) die Entlarvung der mimetischen Gewalt, sondern Gottes mit der Schöpfung einsetzende immer neue Selbstoffenbarung in Liebe, die darin gipfelt, dass der Vater seinen Sohn sendet, welcher der Mittler aller Schöpfung ist: „In ihm wurde alles erschaffen ... in ihm hat hat alles Bestand“ (Kol 1,16-17). Aufgrund dieser Schöpfungsmittlerschaft – und der (dadurch ermöglichten) Verbindung Jesu mit jedem Menschen in der Inkarnation95 – trifft jede sündige Tat, die etwas Geschaffenes (Mitmenschen, Welt oder eigene Person) schädigt, zugleich den göttlichen Sohn. So wie sich dem menschgewordenen Gottessohn die Tiefen seiner göttlichen Identität im Verlauf seines Lebens und nach dem Maß seiner Sendung96 öffnen, so auch die Abgründe des Weltleids, die ihn als göttlichen Sohn und Schöpfungsmittler treffen. Leid und Verzweiflung am Ölberg und dann am Kreuz haben ihren tiefsten Grund nicht im körperlichen Schmerz – der bei manchen modernen Foltermethoden noch größer sein kann – sondern in Jesu Hineingetauchtwerden in die Fülle aller Weltschuld und allen Weltleids: „Seht das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt“ (Joh 1,29).

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4. „Passion spielen“: Chancen und Gefahren einer Inszenierung des Passionsdramas

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Passionsspiele vergegenwärtigen die erlösende Botschaft des Evangeliums in neue Zeiten und kulturelle Kontexte. Die dramatische Aufführung hat den Vorteil, dass sie in hohem Maß mimetisch ist und auf diese Weise Menschen tiefer erreichen kann als durch das Lesen oder Vortragen von Texten. Die ausgrenzenden und zerstörerischen Dynamiken, die Jesus bei seinen Gegnern bloßgestellt und freigesetzt hat, sodass diese ihn – blind getrieben von diesen Dynamiken – ans Kreuz schlugen, diese Dynamiken, die die Bibel dem Satan als dem Herrn dieser Welt zuschreibt97 und deren Spuren allgegenwärtig sind, werden auf der Bühne zum Leben erweckt. Mimetisch ansteckend neigen sie dazu, auf das Publikum überzuspringen und es – mit der für sie typischen Form von ausgrenzender Identifikation und Gemeinschaftsbildung – in ihren Bann zu schlagen: Identifizierung mit den „Guten“ (Jesus und seinen Jüngern) als Identifizierung gegen deren Feinde: die jüdischen Autoritäten, die römischen Besatzer und vor allem Judas als den Verräter aus den eigenen Reihen. Autor, Regisseur und Akteure können dieses Spiel, dessen Grundzüge durch die biblischen Passionstexte festgelegt sind, mit eigenen Akzentsetzungen lenken, wobei sie angesichts der sich spielerisch-ernst entfaltenden Dynamiken allzu leicht von Treibenden zu Getriebenen werden. Es geht um die Wirkkraft, die das Spiel entfalten soll. Aber unterschiedliche Kräfte sind im Spiel.

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Die Kraft, die vom Jesus der Evangelien ausstrahlt – in der Vollmacht seines Lehrens und Handelns – ist naturgemäß nicht zwingend: Sie überfährt die Freiheit der Menschen nicht, sondern setzt sie frei, – auch die Freiheit, nein zu sagen, Jesus zu verfolgen und ihn ans Kreuz zu schlagen. Diese frei-lassende Sanftheit ist Jesu Kraft eigen, weil Jesus nicht souverän über sie verfügt, sondern sie sich – unverfügbar – vom himmlischen Vater durch den Heiligen Geist zusagen lässt. Sie hat ihren Kairos, ihre Stunde. Wo die Passion beginnt, tritt diese Kraft Jesu in den Hintergrund, nicht weil sie verloren geht, sondern weil sie überdeckt wird von der nun dominierenden Gewalt der Gegner Jesu.98

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In alldem liegen Schwierigkeiten für Passionsspiele: Ihre thematische Fokussierung (und nicht selten: Begrenzung) macht es schwer, die gewaltlose Macht Jesu, die sich gerade in den Anfängen seiner Verkündigung zeigt, sichtbar zu machen. Und selbst dort: Die für Jesus spezifische Kraft, sein besonderes Charisma, ist nicht machbar, nicht verfügbar und kann deshalb nur schwer auf die Bühne gebracht werden. Gewiss zeigt sich Jesu Autorität und Souveränität auch im Streitgespräch mit seinen Gegnern. Aber wie kann die rechte Balance von Solidarität und Kritik, die nur der Heilige Geist bewirken kann,99 szenisch eingefangen werden, sodass die Überlegenheit Jesu über seine Gegner sich nicht gerade jenen gewaltsamen Kräften verdankt, die Jesus ja aufdecken und überwinden will? Wenn hier Kräfte vermischt werden – und das kann auf allen Ebenen geschehen: vom Autor über Regisseur und Spieler bis hin zur Rezeption durch die Zuschauer – dann geschieht der Sieg Jesu auf Kosten der Gegner, die stigmatisiert und kompromittiert werden. Oder es kommt zu gar keinem Sieg,weil das Böse kraftvoller agiert und heller strahlt. In neueren Inszenierungen – die es ja nicht nur in Passionsspielen gibt, sondern etwa auch in Muscials, ich denke an LLoyd Webbers „Jesus Christ, Superstar“ – ist Judas gegenüber Jesus oft der bessere Part, der ihm leicht die Show stiehlt, und so wird das Stück zum doppelten Spiel. Am Ende siegt zwar das Gute, irgendwie. Es dominiert die Kreuzigungsszene, und eine jahrtausendelange Christentumsgeschichte hat das Kreuz beinah unzerstörbar auch zu einem Symbol der Siegs und der Hoffnung gemacht. Judas hingegen ist gemäß der Dramaturgie von der Bildfläche verschwunden. Und doch entspringen die stärksten Momente der Eindringlichkeit destruktiven Handelns, – welches dann nur mehr mit einer gewissen Heuchelei als besiegt deklariert werden kann.

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Die Passion ist also gerade jene Phase im Wirken Jesu, in der sich seine Macht verbirgt. Sie kehrt wieder im Auferstandenen und in der Kraft des Zeugnisses der Jünger, deren Geisterfülltheit sich durch ein – aus bloß eigener Kraft nicht machbares – Maximum von Kritik und Solidarität erweist.100 Aber Auferstehung und Geistausgießung liegen ebenso außerhalb des Themas von Passionsspielen wie Jesu Verkündigungswirken.

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Geschichtlich gehen Passionsspiele auf Zeiten zurück, in denen – wie eingangs beschrieben – das kirchliche Erlösungsverständnis einseitig auf das Kreuz zentriert war. Es stellt sich die Frage, ob diese Blickverengung durch inszenatorische Kunstgriffe wie Rück- und Vorblenden aufgebrochen werden kann.

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Durch eine doppelte Vorgabe – Evangelientext und vorgegebener Spieltext – blenden aktualisierte historische Passionsspiele eine weitere Erzählebene ein, nämlich die geschichtliche Rezeption des Evangeliums zu späteren Zeiten. Die antisemitischen Tendenzen mittelalterlicher Passionsspiele bieten für gegenwärtige Aktualisierungen Chance und Gefahr zugleich. Die Chance besteht in einer aufdeckenden Darstellung von infamen Ausgrenzungsmechanismen, die die Botschaft des Evangeliums in ihrem Herzzentrum ins Gegenteil pervertieren, die aber auch durch den Gekreuzigten gerichtet werden. Eine entsprechend akzentuierte Darstellung der Passion – mit ihrer Bloßstellung ausgrenzender Identitätsbildungen – kann die antijüdische Rezeption als pervertiertes Evangelium entlarven und wird so zur willkommenen Möglichkeit, die Aktualität von Verkündigung und Passion Jesu zu konkretisieren. Die Gefahr liegt in der hohen Komplexität einer solchen auf mehreren Wirklichkeitsebenen (Evangeliumzeit – geschichtliche Vergangenheit – gegenwärtige Spielsituation) spielenden Inszenierung. Die Kritik kann dann so subtil werden, dass man sie leicht übersieht. Was als kritische Entlarvung von antisemitischen Tendenzen gemeint ist, kann dann schnell als antijüdische Propaganda missverstanden werden: von Kritikern wie auch von Befürwortern des Stücks. Dies ist aber eine Gefahr, keine zwangsläufige Konsequenz. Die Chance liegt in einer gesellschaftskritischen Aktualisierung der Passion, die ihrem theologischen Gehalt – wie im vorigen Kapitel beschrieben – gut entspricht, zumal, wenn man sie mit mimetisch sensibilisierten Augen liest. Ob diese Chance wahrgenommen wird, hängt in hohem Maße vom Geschick des Bearbeiters ab, der dafür aber auch Spielraum braucht: durch genügend Freiheit, die historische Vorlage eines Passionsspiels zu verändern.

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Literatur

96
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Angenendt, Arnold: Die Revolution des geistigen Opfers. Blut – Sündenbock – Eucharistie. Freiburg i. Brsg. 2011.

97
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Anselm von Canterbury: Cur Deus Homo. Übersetzung: Anselm von Canterbury, Cur deus homo – Warum Gott Mensch geworden. Hrsg. von F. S. Schmitt. Darmstadt 1993.

98
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Balthasar, Hans Urs von:

99
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—   Theologie der drei Tage. Einsiedeln 1990.

100
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—   Theodramatik, fünf Bände: Einsiedeln 1973-1983.

101
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Bovon, François: Das Evangelium nach Lukas. 2. Teilband (Lk 9,51-14,35), EKK III/2. Zürich 22008.

102
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Dalferth, Ingolf: Die soteriologische Relevanz der Kategorie des Opfers. Dogmatische Erwägungen im Anschluß an die gegenwärtige exegetische Diskussion. In: JBTh 6 (1991), 173-194.

103
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Ebertz, Michael: Die Zivilisierung Gottes. Der Wandel von Jenseitsvorstellungen in Theologie und Verkündigung. Ostfildern 2004.

104
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Frey, Jörg: Probleme der Deutung des Todes Jesu in der neutestamentlichen Wissenschaft. Streiflichter zur exegetischen Diskussion. In: J. Frey / J. Schröter (Hg.), Deutungen des Todes Jesu im Neuen Testament (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament 181). Tübingen 2005, 3-50.

105
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Girard, René:

106
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—   Figuren des Begehrens. Das Selbst und der Andere in der fiktionalen Realität, Münster 1999.

107
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—   Ich sah den Satan vom Himmel fallen wie einen Blitz. Eine kritische Apologie des Christentums. München/Wien 2002.

108
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—   Im Angesicht der Apokalypse. Clausewitz zu Ende denken. Berlin 2014.

109
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—   Das Ende der Gewalt. Analyse des Menschheitsverhängnisses. Erkundungen zu Mimesis und Gewalt mit Jean-Michel Oughourlian und Guy Lefort. Freiburg i.Br.-Basel-Wien 2009.

110
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Greshake, Gisbert: Erlösung und Freiheit. Eine Neuinterpretation der Erlösungslehre Anselms von Canterbury. In: Gottes Heil – Glück des Menschen. Freiburg i.Br.-Basel-Wien 1983, 80-104.

111
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Kähler, Martin: Der sogenannte historische Jesus und der geschichtliche, biblische Christus (1892), München 21962.

112
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McGrath, Alister: Die Sache mit dem Kreuz. Relikt von gestern oder Hoffnung für heute? Basel / Gießen 1999.

113
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Merklein, Helmut:

114
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—   Der Sühnegedanke in der Jesustradition und bei Paulus. In: A. Gerhards / K. Richter (Hg.), Das Opfer – Biblischer Anspruch und liturgische Gestalt (QD 186). Freiburg i.Br.-Basel-Wien 2000, 59-91.

115
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—   Wie hat Jesus seinen Tod verstanden? In: Lebendige Seelsorge 53 (2002), 86-97.

116
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Metz, Johann Baptist: Memoria passionis. Ein provozierendes Gedächtnis in pluralistischer Gesellschaft. Freiburg i.Brsg. 2006.

117
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Neuhaus, Gerd: „Positive Mimesis“ – christologische Möglichkeiten und Grenzen einer Rezeption von Girards mimetischer Theorie. In: G. Augustin u.a. (Hg.), Mein Herr und mein Gott. Christus bekennen und verkündigen. Freiburg i. Brsg. 2013, 379-399.

118
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Nüssel, Friederike: Die Sühnevorstellung in der klassischen Dogmatik und ihre neuzeitliche Problematisierung. In: J. Frey / J. Schröter (Hg.), Deutungen des Todes Jesu im Neuen Testament (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament 181). Tübingen 2005

119
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Palaver, Wolfgang: René Girards mimetische Theorie. Im Kontext kulturtheoretischer und gesellschaftspolitischer Fragen (BMT 6). Münster 2001.

120
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Piper, Ronald A.: Satan, demons and the absence of exorcisms in the Fourth Gospel. In: D. G. Horrell / u.a. (Hg.), Christology, controversy and community. New Testament essays in honour of David R. Catchpole (Supplements to Novum Testamentum 99). Leiden u.a. 2000, 253-278

121
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Pröpper, Thomas: Erlösungsglaube und Freiheitsgeschichte. Eine Skizze zur Soteriologie. 2. wesentlich erweiterte Auflage. München 1988.

122
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Rahner, Karl: Grundkurs des Glaubens. Einführung in den Begriff des Christentums. Freiburg i. Br.-Basel-Wien 1976.

123
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Reus, Juliane: Kinderbeichte im 20. Jahrhundert. Pastoralgeschichtliche Untersuchung zum Wandel der Erbstbeichtvorbereitung in Deutschland (Studien zur Theologie und Praxis der Seelsorge 78). Würzburg 2009.

124
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Sandler, Willibald:

125
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—   Apokalypse und geistlicher Kampf. René Girards „Clausewitz zu Ende denken“ im Blick auf eine dramatische Theologie und Spiritualität. In: Ders., Skizzen zur dramatischen Theologie, 589-642.

126
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—   Die gesprengten Fesseln des Todes. Wie wir durch das Kreuz erlöst sind. Kevelaer 2011. Im Internet: http://theol.uibk.ac.at/itl/900.html

127
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—   Dramatische Theodizee. Wahrnehmung und Überwindung des Bösen aus der Perspektive einer dramatischen Theologie. In: ders., Skizzen zur dramatischen Theologie, 293-334. Im Internet: http://theol.uibk.ac.at/itl/909.html

128
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—   Kairos und Parusie. Kairos als Ereignis des in Christus angekommenen und angenommenen Gottes. In: ZkTh 136 (2014), 10-31. Ausführlichere Fassung im Internet: http://theol.uibk.ac.at/itl/1018.html

129
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—   Kreuz-Weg zwischen Aggression und Resignation. In: J. Niewiadomski, R. Siebenrock (Hg.) Opfer – Helden – Märtyrer. Das Martyrium als religionspolitologische Herausforderung (Innsbrucker theologische Studien 83) Innsbruck - Wien, 311-320. Ausführlichere Version im Internet: http://theol.uibk.ac.at/itl/830.html

130
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—   Skizzen zur dramatischen Theologie. Erkundungen und Bewährungsproben. Freiburg i.Br. 2012.

131
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Schwager, Raymund:

132
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—   Der Sohn Gottes und die Weltsünde. Zur Erlösungslehre von Hans Urs v. Balthasar. In: Ders., Der wunderbare Tausch. Zur Geschichte und Deutung der Erlösungslehre. München 1986, 273-317.

133
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—   Jesus im Heilsdrama. Entwurf einer biblischen Erlösungslehre (IThS 29). Innsbruck, Wien 21996.

134
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Söding, Thomas: Sühne durch Stellvertretung. Zur zentralen Deutung des Todes Jesu im Römerbrief. In: J. Frey / J. Schröter (Hg.), Deutungen des Todes Jesu im Neuen Testament (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament 181). Tübingen 2005, 375-396.

135
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Theobald, Michael: Das Evangelium nach Johannes. Kapitel 1-12 (Regensburger Neues Testament). Regensburg 2009.

136
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Thyen, Hartwig: Das Johannesevangelium. Tübingen 2005.

137
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Anmerkungen

138
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1 „Und der Herr gab mir in den Kirchen einen solchen Glauben, daß ich in Einfalt so betete und sprach: ‚Wir beten dich an, Herr Jesus Christus – und in allen deinen Kirchen, die in der ganzen Welt sind, und preisen dich, weil du durch dein heiliges Kreuz die Welt erlöst hast.‘“ im Internet: http://www.franziskaner.de/?id=18&no_cache=1&type=1 (zuletzt eingesehen: 19. 4. 2014).

139
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2 Diese Bezeichnung geht zurück auf Kähler, Der sogenannte historische Jesus (1892), 60, und wurde seitdem immer wieder zitiert.

140
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3 Anselm von Canterbury, Cur Deus Homo II,16, S. 131.

141
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4 Vgl. dazu: Nüssel, Die Sühnevorstellung in der klassischen Dogmatik.

142
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5 Dies ist gemäß Anselms Satisfaktionslehre nicht nur so, weil die rein formal als Gehorsamsverweigerung verstandene Sünde (die damit bereits mit dem kleinsten Ungehorsam voll gegeben ist) so schwer wiegt, sondern auch, weil es nichts Menschliches gibt, das der Mensch nicht ohnehin Gott schulden würde: „Wenn ich mich selber und alles, was ich kann, auch wenn ich nicht sündige, ihm schuldig bin, um nicht zu sündigen, dann habe ich nichts, was ich für die Sünde erstatten könnte“ (Cur Deus Homo 1,20, S. 73.

143
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6 Anselm argumentiert allerdings, dass im Satisfaktionswerk des durch den Menschensohn maximale gerechtigkeit mit maximaler Barmherzigkeit zusammengehen. Diese Argumentation ist ernstzunehmen. Das ist einer der Punkte, wo sich das anspruchsvolle Werk „Cur deus homo“ von seinen populären Vereinfachungen unterscheidet.

144
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7 In der Theologie kam es seit den 80er Jahren zu einer verbreiteten Rehabilitierung der Satisfaktionslehre Anselms von Canterbury, – vor allem durch eine Reinterpretation des Ordo-Denkens als Freiheitsdenken (dazu: Greshake, Erlösung und Freiheit). Die Kritik wurde aber bezüglich vulgarisierenden Anselm-Rezeptionen beibehalten. Und die neueren Anselm-Interpretationen sind für eine Rehabilitierungund Neurezeption der Satisfaktionslehre auf der Ebene der Verkündigung zu komplex.

145
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8 Vgl. dazu Ebertz, Die Zivilisierung Gottes, sowie: Reus, Kinderbeichte im 20. Jahrhundert. Reus zeigt auf, wie bereits in den Fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts die Höllendrohung in der Katechetik für die Kinderbeichte kritisiert wurde, während sie noch in den Dreißiger Jahren ohne Vorbehalte als pädagogisches Mittel eingesetzt wurde.

146
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9  Ersteres geschieht überall dort, wo die Eucharistie noch betont als Mess-Opfer bezeichnet wird. Zwischen diesen traditionsorientierten christlichen Milieus und den liberalen bzw. dem Heilsoptimismus des Zweiten Vatikanum folgenden Milieus gibt es kaum eine Verständigung.

147
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10 Theologisch vgl. dazu Pröpper, Erlösungsglaube, 98.

148
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11 Der Älpler, der unter Lebensgefahr das Edelweiß von der Steilwand pflückt, um damit seiner Angebeteten die Liebe zu beweisen, ist ein fragwürdiges Vorbild. Dabei sind Edelweiß wenigstens noch schön.

149
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12 Die gleiche Problematik zeigt sich auch im Hinblick auf die Kreuzesnachfolge von Christen in einer oft fragwürdigen Leidensspiritualität. Vgl. dazu Schwager, Jesus im Heilsdrama, 220-226.

150
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13 In diese Richtung zielt die neuere politische Theologie. Vgl. dazu Metz, Memoria passionis.

151
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14 Das zeigt sich an Jesu Verkündigung („Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken“ Lk 5,31), an der sozialen Ausrichtung (z.B. Mt 23,23) und seiner erlösende Solidaritätn mit den Marginalisierten in seiner extrem ausgegrenzten Position am Kreuz.

152
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15 Die Auferstehung als göttliches Eingreifen (eines „deus ex machina“) an einem Einzelnen provoziert die Frage, was denn dadurch für all die anderen nicht auferweckten Opfer der Geschichte gewonnen wäre (vgl. dazu McGrath, Die Sache mit dem Kreuz, 49f), sowie daran anschließend die Theodizee-Frage, ob ein Gott, der nicht öfters rettend eingreift, wo er doch kann, denn noch ein guter Gott sein kann.

153
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16 Vgl. dazu Söding, Sühne durch Stellvertretung, 395-396.

154
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17 Vgl. dazu Frey, Probleme der Deutung des Todes Jesu, 35, sowie Merklein, Der Sühnegedanke in der Jesustradition und bei Paulus, 65-67.

155
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18  Zur Annahme eines stellvertretenden Sühnopfers Christi zu unserer Befreiung vom Tod als der Strafe für unsere Sünde stellte Bultmann kategorisch fest: „Diese mythologische Interpretation (des Kreuzes Christi), in der sich Opfervorstellungen und eine juristische Satisfaktionstheorie mischen, ist für uns nicht nachvollziehbar“ (ders., Neues Testament und Mythologie, zitiert nach: Dalferth, Die soteriologische Relevanz der Kategorie des Opfers, 173.

156
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19  „Gewährt Gott tatsächlich, wie es Jesus mit aller Konsequenz verkündet, bedingungslos die Vergebung oder nur aufgrund des Todes Jesu? Ein ‚sowohl - als auch‘ ist auszuschließen. Im ersten Fall kann man, je nach der Einstellung zu Jesus, sein ‚Gnadenangebot‘ und den darin implizierten Anspruch mit dem Tod am Kreuz für erledigt halten oder ihn nach Ostern von Gott endgültig bestätigt sein lassen – dem vermeintlichen Scheitern zum Trotz. Im zweiten Fall besteht das Dilemma: Will man Jesus nicht mit dieser – seiner zweifellos unwürdigen – Widersprüchlichkeit den Hörern... die Heilsbotschaft verkünden lassen, kann man nur annehmen, er sei einem Irrtum bezüglich der Heilswirklichkeit durch Gott erlegen, den er schließlich einsehen mußte“ (Peter Fiedler, zitiert nach: Schwager, Jesus im Heilsdrama, 22). Schwager entwickelt ebd. eine dramatische Christologie, die einer solchen Entgegensetzung entkommt. Gegen diese Position Fiedlers, die bereits von seinem Lehrer Anton Vögtle vertreten hat, wendet sich: Merklein, Wie hat Jesus seinen Tod verstanden, 93.

157
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20  Dagegen ist festzuhalten, dass das Gleichnis vom verlorenen Sohn keine umfassende Erlösungslehre entwickeln will, sondern das unbedingte Heilsengagement des göttlichen Vaters verdeutlicht. Dieses zeigt sich auch daran, dass der Vater einen erneuten Zerbruch seiner Familie riskiert: durch Abwendung des gekränkten älteren Sohnes. Ob das Fest schließlich ohne erneute Spaltung der Familie stattfinden kann, bleibt offen. Dass die Perspektive des Gleichnisses eingeschränkt ist, zeigt sich auch daran, dass der jüngere Sohn von selber zurückkommt. Was würde der Vater machen, wenn das nicht geschehen wäre? Würde er ewig warten? Das sind Fragen, die über den begrenzten Fokus dieses Gleichnisses hinausgehen. Man könnte eine Antwort überlegen, wenn man die Gleichnisgeschichte weiterspinnt: Der ältere Sohn verlässt nun seinerseits den Vater, fordert seinen Anteil am Erbe und zieht in die Fremde. Da es ihm nicht um Genuss und Autonomie, sondern um (exklusive) Anerkennung durch den Vater geht, kann er mit all seinem materiellen Reichtum in der Fremde von Anfang an nicht froh werden. Schlimmer noch: Ein Rückweg, wie ihn der Sohn unternahm, ist für ihn völlig versperrt. Hatte er sich doch über die Schamlosigkeit seines jüngeren Bruders aufgeregt und wollte nun keinesfalls so sein wie er. So bleibt ihm nur die Möglichkeit, in Würde unterzugehen. Was wird der Vater machen? Er wird zuerst Knechte und dann seinen (anderen) Sohn schicken. Den Fortgang kann man sich dann analog zum Gleichnis von den bösen Winzern vorstellen.

158
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21  Vgl. dazu bei Frey, Probleme der Deutung des Todes Jesu, 10-13 das Kapitel „Preisgabe oder Rückgewinnung der biblischen Sprachformen?“ Mit Dalferth (ders., Die soteriologische Relevanz der Kategorie des Opfers) plädiert Frey dafür, exegetische, systematische und kerygmatische Problemstellungen auseinanderzuhalten und „die an die biblische Sprache angelehnten Kategorien nicht vorschnell preiszugeben, sondern sie nach Möglichkeit in ihrem Sachzusammenhang und im Sinnhorizont der biblischen Texte zu verstehen“ (ebd., 12).

159
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22 V.a. Merklein, Der Sühnegedanke in der Jesustradition und bei Paulus, 63-64.

160
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23 Vgl. Merklein, ebd; weiters Söding, Sühne durch Stellvertretung, 375-376.

161
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24 Vgl. dazu vor allem das heilsgeschichtliche „dei“ bei Lukas, z.B. in Lk 24,26: „Musste nicht der Messias all das erleiden, um so in seine Herrlichkeit zu gelangen?“

162
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25 Das Feuer steht für Chance und Gericht zugleich: „Jesus hat das Bewußtsein, daß sein Kommen gleichbedeutend ist mit dem Anzünden eines Feuers. Seine Gegenwart ist nicht zu trennen von diesem Ereignis. Das Feuer kann heil- oder unheilbringend sein, Stärkung oder Gericht. Alles hängt von der Haltung ab, die die Menschen ihm gegenüber einnehmen." F. Bovon, Das Evangelium nach Lukas, 350. Der Aspekt des richtenden Feuers kommt in der Fortsetzung Lk 12,51-53 Zum Tragen.

163
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26 Hier zeigt sich, dass das Wirken des Heiligen Geistes in einer Kontinuität mit Jesu Verkündigungswirken steht.

164
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27 Übersetzung: Theobald, Das Evangelium nach Johannes, 533-534.

165
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28 Vgl. Lk 23,46 wobei Ps 31,6 anklingt: „In deine Hände lege ich voll Vertrauen meinen Geist; du hast mich erlöst, Herr, du treuer Gott“ – in einem aktiven Vollzug, nicht als passives Opfer. Vgl. Joh 10,17f.

166
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29 Konkret dann Joh 20,22: Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sprach zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist! Zur Deutung vgl. Thyen, Das Johannesevangelium, 745.

167
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30 Das dreifache „tithemi“ in der folgenden Perikope betont gegenüber didomi bzw. paradidomi noch mehr die Aktivität des Gebens.

168
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31 Übersetzung: Theobald Das Evangelium nach Johannes, 661.

169
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32 – Und zwar zu der Zeit (Kairos), die der Vater ihm vorgibt (vgl. Joh 7,8).

170
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33 H. U. von Balthasar, Theodramatik, fünf Bände: Einsiedeln 1973-1983.

171
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34 Wie das durch den Heiligen Geist möglich sein soll, wird unten im Kapitel 3.4 skizziert.

172
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35 Vgl. Balthasar, Theologie der drei Tage.

173
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36 Balthasar, Theodramatik IV, 284.

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37 Dies wurde ausdrücklich anerkannt von Thomas Pröpper, Erlösungsglaube als Freiheitsgeschichte, 252.

175
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38  Vgl. Sandler, Die gesprengten Fesseln des Todes, 99-103; ders., Dramatische Theodizee, 305-308.

176
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39 Nach umfangreichen literaturwissenschaftlich-dramentheoretischen Prolegomena und zwei Teilbänden Vorarbeiten zum Spielplan (die Akteure des Spiels) bringt Band III unter dem verheißungsvollen Titel „Der Gang der Handlung“ doch großteils theologiegeschichtliche Auseinandersetzungen. Nicht anders der vierte Band („Endspiel“), der sich mit wichtigen theologischen Sachproblematiken (v.a. Leiden Gottes und Apokatastasis) in trinitarischer und eschatologischer Perspektive beschäftigt, wobei er geradezu maßlos auf das Werk der von ihm begleiteten Mystikerin Adrienne von Speyr zurückgreift.

177
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40 Balthasar kritisiert seinerseits an Schwager und Girard: „Die bisher vorgeschlagene Lösung der Frage: weshalb das Kreuz, wenn Gott ohnedies vergibt?, befriedigt nicht; sie betrachtet einzig das Verhalten der Menschen zum Gekreuzigten, als ob Gottes Verhalten zu ihm inexistent sei.“ (Balthasar, Theodramatik III, 290). Dieser Vorwurf ist nicht gerechtfertigt, weil Schwager die verschiedenen Akteurzuschreibungen des biblischen „paradidonai“ berücksichtigt (vgl. Schwager, Der Sohn Gottes und die Weltsünde, 311), während bei Balthasar das Moment des aktiven Auslieferns Jesu durch die Sünder zu kurz kommt.

178
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41 Vgl. Schwager, Jesus im Heilsdrama, 41-201.

179
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42 Auf die Passion hin verfällt Jesus immer mehr in ein Schweigen.

180
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43 Vgl. Joh 16,2.

181
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44 Vgl. Apg 2,37: „Als sie das hörten, traf es sie mitten ins Herz, und sie sagten zu Petrus und den übrigen Aposteln: Was sollen wir tun, Brüder?“ Die parresía, d.h. der Freimut im öffentlichen Auftreten der Jünger, die den Heiligen Geist empfangen hatten, ist vor allem in der Apostelgeschichte ein zentrales Motiv. Vgl. Apg 2,29; 4,13.29.31; 28,31.

182
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45 Mit der Numerierung beziehe ich mich auf die verschiedenen Akteurszuschreibungen des Worts paradidonai. Mit diesen Zuordnungen zum Wort paradidonai akzentuiere ich den Ansatz Schwagers. Vgl. dazu oben, Anm. 40.

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46 Vgl. Lk 22,53: „Aber das ist eure Stunde, jetzt hat die Finsternis die Macht.“

184
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47 „Er [Jesus, W.S.] selber wurde zu einem Opfer von Untaten, und als solches hat er sich mit allen anderen Menschen, sofern sie von ihren eigenen und fremden Sünden geschlagen werden, in letzter Solidarität vereint“ (Schwager, Jesus im Heilsdrama, 219).

185
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48 Vgl. Palaver, René Girards mimetische Theorie.

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49 Aus dem „Alle gegen einen“ wird idealerweise eine umfassende Einigkeit, wenn dieser „eine“ die Gemeinschaft verlassen hat und von einer verklärenden Erinnerung auch noch zum friedenstiftenden Wohltäter der Gemeinschaft umgedeutet wurde.

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50 Riten werden von Girard gedeutet als partielle Wiederholungen des als befreiend erinnerten Gründungsvorgangs zur Verhinderung und Entschärfung von neuen gesellschaftlichen Krisensituationen. Die Entstehung von ersten hierarchischen Ordnungen wie dem sakralen Königtum erklärt Girard durch die Möglichkeit der Substitution von Opfern. Zur rituellen Vergegenwärtigung des gewaltabführenden „Gründungsmordes“ werden nach bestimmten Verfahren Opfer ausgewählt, denen für eine gewisse Zeit „Narrenfreiheit“ zur Übertretung von Tabus gegeben wird; durch diese Übertretungen werden sie zu einem geeigneten Opferobjekt präpariert. In der Entwicklung dieser Praktiken kann das Opferobjekt substituiert werden, was sich zumal dann als zweckmäßig erweist, wenn das Opferobjekt so viel Einfluss hat, dass dessen Opferung nicht ohne neuerliche Friedensgefährdung möglich wird. Gelingt es einem sakralen Opfer-König, seinen erweiterten Handlungsspielraum zur einer Steigerung der Macht zu nutzen und ein Ersatzopfer anzubieten, sind damit die Voraussetzungen für ein institutionalisiertes Königtum gegeben. Vgl. Girard, Das Ende der Gewalt, 78-86. Bei alldem handelt es sich nicht um Strategien, die ein Einzelner bewusst einsetzen könnte, sondern um Wirkgesetze, die sich „evolutiv“ durchsetzen können: Eine zufällig sich ergebende Variation des Ablaufs kann zu bleibenden Ergebnissen führen, die sich in der Folge geschichtlich durchsetzen.

188
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51 Dieser Aspekt einer positiv-friedlichen Offenbarung klingt bei Girard im Zusammenhang mit einer „positive Mimesis“ immer wieder an (vgl. dazu Palaver, René Girards mimetische Theorie, 278-283), kann aber aus prinzipiellen Gründen nicht mit der gleichen Stringenz entfaltet werden wie die Mechanismen der sich variierenden Gewalt. Zu dieser inneren Spannung im Werk Girards vgl. Sandler, Apokalypse und geistlicher Kampf, 589-600.

189
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52 Vgl. Kol 2,14: „Er hat den Schuldschein, der gegen uns sprach, durchgestrichen und seine Forderungen, die uns anklagten, aufgehoben. Er hat ihn dadurch getilgt, daß er ihn [für alle sichtbar] an das Kreuz geheftet hat.“

190
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53 Vgl. den Originaltitel von Girard, Das Ende der Gewalt: „De choses chachées depuis la fondation du monde“ – mit Bezug auf Mt 13,35b: „Ich verkünde, was seit der Schöpfung verborgen war.“

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54 Letzteres wurde von Girard selbst ausführlich thematisiert: in den Auswirkungen apokalyptischer Gewalteskalation, die durch das Christusereignis losgetreten wird. Die tiefste Auseinandersetzung mit dieser Problematik findet sich in Girards letztem Werk: Ders., Im Angesicht der Apokalypse. Vgl. dazu Sandler, Apokalypse und geistlicher Kampf.

192
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55 In diese Richtung geht die massive Kritik von Arnold Angenendt in ders., Die Revolution des geistigen Opfers. Eine Antwort darauf ergibt sich durch die Perspektivweitung im folgenden Kapitel.

193
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56 Vgl. oben, Anm.51

194
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57 Theologisch kann hier von Existentialien gesprochen werden. Vgl. etwa Rahner, Grundkurs des Glaubens, 121, 225.

195
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58 Vgl. dazu Sandler, Die gesprengten Fesseln des Todes, 14-18.

196
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59 Vgl. Girards Satandeutung: Ders., Ich sah den Satan vom Himmel fallen.

197
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60 Zu Letzterem vgl. Paulus: Apg 22,27f.

198
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61 Für heute gelten Kreditkarte, Handy, Führerschein und Internetzugang als positive Identitätsmarker, welche Zugehörigkeit und Zugang regeln; darüber hinaus ein Titel, eine Wohnung in einer exklusiven Gegend, eine Position in einer repräsentativen Liste, Erwähnung in Medien usw.

199
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62 Vgl. dazu die Analysen zum Snobismus bei Girard, Figuren des Begehrens, 32-36. Im Neuen Testament entspricht dem die Problematik der Heuchelei, die von Jesus entlarvt wird. Z.B. Mt 6,2.5.16.

200
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63 Vgl. Sandler, Die gesprengten Fesseln des Todes, 49-51.

201
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64 – Ausdrücklich in Mk 3,3; 9,36, oder unausdrücklich, indem er Sünder besuchte oder sich von ihnen besuchen ließ.

202
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65  Vgl. Jesu Kritik an der Heuchelei, z.B. Mt 6,2.5.16.

203
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66 Dazu zählt das Halten des Sabbatgebots, sowie Regeln für kultische Reinheit und Unreinheit. Auch die im Johannesevangelium betonte Möglichkeit des Ausstoßens aus der Synagoge ist hier zu berücksichtigen (vgl. Joh 9,34; 12,42).

204
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67 So etwa Ronald Piper: „The evangelist defines and legitimates believers by demonising their opponents.“ (ders., Satan, demons and the absence of exorcisms in the Fourth Gospel, 276. Solche Kritik ist sensibel für die genannten grenzorientierten Identitätsbildungen, unterstellt dem werdenden Christentum aber, dass es seine Identität gerade durch antijüdische Abgrenzungen erzielt; – dies manchmal unter der Annahme, dass soziale Identität gar nicht anders sichergestellt werden kann.

205
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68 So dreißig mal stereotyp im Johannesevangelium.

206
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69 Vgl.Jes 31,1-3.

207
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70  Vgl. Hos 11,5-7.

208
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71 „Denkt nicht, ich sei gekommen, um das Gesetz und die Propheten aufzuheben. Ich bin nicht gekommen, um aufzuheben, sondern um zu erfüllen.Amen, das sage ich euch: Bis Himmel und Erde vergehen, wird auch nicht der kleinste Buchstabe des Gesetzes vergehen, bevor nicht alles geschehen ist. Wer auch nur eines von den kleinsten Geboten aufhebt und die Menschen entsprechend lehrt, der wird im Himmelreich der Kleinste sein. Wer sie aber hält und halten lehrt, der wird groß sein im Himmelreich.“ (Mt 5,17-19)

209
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72 Vgl. den Missionsauftrag nach Mt 10,5-6: „Geht nicht zu den Heiden, und betretet keine Stadt der Samariter, sondern geht zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel.“ Dies entspricht dem göttlichen Heilsplan, dem Jesus folgt, wonach zuerst Israel zu erneuern ist, damit durch es das Heil dann allen Menschen weitergetragen wird. Erst nachdem Israel seine Berufung zurückgewiesen hat, ergeht der Missionsauftrag direkt an alle Menschen und Völker (Mt 28,19). Diese Reihenfolge wird gemäß der Apg von Paulus bis zuletzt befolgt (vgl. Apg 28,16-29).

210
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73 Vgl. Jesu besonders harten Ausruf über „diese Generation“ – angesichts des Versagens seiner Jünger (!), die nicht heilen konnten, weil sie sich in Rivalitäten hineinziehen ließen: Mk 9,19

211
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74  Vgl. z.B. Mk 9,34-35.

212
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75 Vgl. das Ansinnen des Volkes nach der wunderbaren Brotvermehrung, Jesus zum König zu machen: Joh 6,15.

213
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76 Vgl. Neuhaus, Positive Mimesis, 396. Dasselbe Motiv liegt später nahe, wenn Petrus bei der Verhaftung Jesu gegen die Soldaten mit dem Schwert kämpft (Mt 26,52).

214
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77  Vgl. Mk 9,30-34.

215
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78 Vgl. Mk 9,38, sowie dazu: Neuhaus, Positive Mimesis, 397.

216
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79 Jesus unternimmt keine Anstrengung, Pilatus irgendetwas von seiner Gottesreichbotschaft zu erschließen.

217
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80 Der Jesus des Johannesevangeliums betreibt hier nicht eine „ontologische“ Verteufelung, sondern er legt die Wurzel der sie treibenden Dynamiken frei.

218
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81 Vgl. dazu Schwager, Jesus im Heilsdrama, 190.

219
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82 Vgl. dazu Sandler, Die gesprengten Fesseln des Todes, 103-110.

220
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83 Vgl. Joh 16,2.

221
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84 Diese ideal klingende Beschreibung ist der Maßstab, von dem her Kirche errichtet wird. Wo sie ihn im Konkreten verfehlt, wird sie an diesem Maßstab gerichtet.

222
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85 Faktisch wurde durch die Verfolgung ja die Saat der Christen verbreitet und so ihre Ausdehnung gefördert. Vgl. Apg 8,1.4.

223
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86 Sünde kann diese Verwerfung nur für jene Gegner Jesu sein, die vom Heilsangebot Jesu erreicht wurden.Vgl. dazu Sandler, Kairos und Parusie, 12-13.

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87 Die Angst vor dem sozialen Tod (durch Ausgrenzung und Isolation) ist eine wesentliche Todesmacht, welche die erbsündige Existenz des Menschen bestimmt und durch den erlösenden Tod Jesu Christi überwunden wurde. Vgl. dazu: Sandler, Die gesprengten Fesseln des Todes, 90-95.

225
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88 Vgl. due soteriologischen „Transportmetaphern“ in Joh 1,29; 1 Petr 2,24, sowie schon im Alten Testament: Mi 7,18-19; Jes 53,4-6.

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89 Zu diesen drei Schritten, vgl. Sandler, Die gesprengten Fesseln des Todes, 111-113.

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90 Vgl. dazu die Rede einer „doppelten Verfeindung“ bei Neuhaus, Positive Mimesis, 384.

228
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91 Vgl. dazu Balthasar, Theodramatik III, 223.

229
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92 Dieser Punkt wurde von Girard im Hinblick auf die Aufdeckung der mimetischen Gewalt scharf herausgearbeitet: „Entweder widersetzt man sich gewaltsam der Gewalt und arbeitet ihr unabsichtlich in die Hände oder aber man widersetzt sich ihr nicht und sie stopft einem augenblicklich den Mund. Mit anderen Worten, das Regime der Gewalt ist derart, dass dessen Offenlegung unmöglich ist. Weil die Wahrheit der Gewalt sich nicht in der Gemeinschaft aufhalten kann, weil sie zwingend daraus verjagt werden muss, könnte sie sich bestenfalls als zu Verjagende vernehmen lassen, und zwar insofern sie Opfer wird und in jenem kurzen Augenblick, der ihrer gewaltsamen Ausstoßung vorausgeht. Es muss diesem Opfer gelingen, uns in dem Moment zu erreichen, da die Gewalt ihm den Mund stopft. Es muss über die Gewalt genügend verraten, um deren Entfesselung gegen es zu provozieren, allerdings nicht im wahnhaften Dunkel aller religiösen Gründungen, die aus ebendiesem Grund verborgen bleiben. Es braucht genügend hellsichtige Zeugen, um über das Ereignis so zu berichten, wie es sich tatsächlich zugetragen hat, und es gar nicht oder so geringfügig wie möglich zu verklären“ (Girard, Das Ende der Gewalt, 273).

230
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93 Zu zeigen ist ja, dass Jesus von jeder Sünde direkt getroffen ist, um sie direkt aufbrechen zu können. Wenn der Bezug erst später hergestellt würde, käme Jesu Vergebung zu spät. Vgl. zu dieser Problematik Sandler, Dramatische Theodizee, 323.

231
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94 Diese weite soteriologische Perspektive wird von Balthasar in seiner Theodrdamatik entwickelt.

232
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95 Vgl. 2. Vatikanum, Gaudium et spes 22: „Denn er, der Sohn Gottes, hat sich in seiner Menschwerdung gewissermaßen mit jedem Menschen vereinigt.“

233
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96 vgl. dazu Balthasar, Theodramatik II/2.

234
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97 Vgl Joh 12,31; 14,30; 16,11; 2 Kor 4,4, Eph 6,12.

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98 Vgl. Lk 22,53: Jetzt hat die Finsternis die Macht.“ Wie beschrieben, transformiert Jesus die ihm angetane Gewalt in die Tat seiner gewaltlosen Liebesmacht. Aber diese Transformation beginnt langsam, verborgen, von innen her.

236
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99 Vgl. dazu: Sandler, Kreuz-Weg zwischen Aggression und Resignation.

237
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100 So in der Pfingstpredigt des Petrus, der die anwesenden Juden nicht nur aufs schärfste konfrontiert, sondern sie zugleich – glaubhaft – als Brüder und Freunde anzureden versteht. Dass beides, Kritik und Solidarität die Menschen erreicht hat, zeigt sich in ihrer Antwort:„Als sie das hörten, traf es sie mitten ins Herz, und sie sagten zu Petrus und den übrigen Aposteln: Was sollen wir tun, Brüder?“ (Apg 2,37). Nur durch die Verbindung von beidem gewinnt die Evangelisation ihre Fruchtbarkeit: „An diesem Tag wurden (ihrer Gemeinschaft) etwa dreitausend Menschen hinzugefügt“ (Apg 2,41).

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