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Palaver Wolfgang: Der Friedenspapst Benedikt XV.
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Der Friedenspapst Benedikt XV.

Autor:Palaver Wolfgang
Veröffentlichung:
Kategoriekommentar
Abstrakt:Die aktuelle Botschaft von Papst Benedikt XVI. zum Weltfriedenstag am 1.1.2006 erinnert an den Friedenspapst Benedikt XV.
Publiziert in:gekürzte frühere Version in: Baustelle Theologie 8/1 (2005) 2.
Datum:2005-12-28

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Als sich Kardinal Joseph Ratzinger nach seiner Wahl Benedikt XVI. nannte, wurde das als ein deutliches Zeichen für den Frieden verstanden, weil er sich damit bewusst auch in die Tradition des Friedenspapstes Benedikt XV. stellte. In seiner ersten Friedensbotschaft "In der Wahrheit liegt der Friede" vom 1. Jänner 2006 bestätigt Benedikt XVI. ausdrücklich diese Interpretation seiner Namenswahl: "Der Name Benedikt selbst, den ich am Tag meiner Wahl auf den Stuhl Petri angenommen habe, weist auf meinen überzeugten Einsatz für den Frieden hin. Ich wollte mich nämlich sowohl auf den heiligen Patron Europas, den geistigen Urheber einer Frieden stiftenden Zivilisation im gesamten Kontinent, als auch auf Papst Benedikt XV. beziehen, der den Ersten Weltkrieg als ein 'unnötiges Blutbad' ... verurteilte und sich dafür einsetzte, dass die übergeordneten Gründe für den Frieden von allen anerkannt würden." (Nr. 2)

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Tatsächlich war Benedikt XV. ein großer Friedenspapst, dessen Wirken aber immer noch viel zu wenig bekannt ist. Benedikt XV. führte die katholische Kirche von 1914 bis 1922 und war vor allem mit der schrecklichen Situation des I. Weltkrieges und seinen zerstörerischen Folgen konfrontiert. Unermüdlich aber letztlich ohne Erfolg stemmte er sich gegen den damals vorherrschenden Völkerhass. Klar erkannte er in der sich seit Napoleon verbreitenden allgemeinen Wehrpflicht die Gefahr jenes Militarismus, der zu einem gefährlichen Kennzeichen der modernen Welt geworden war. 1917 ließ er beispielsweise über seinen Staatssekretär eine Botschaft an den englischen Premier überbringen, in der er die allgemeine Wehrpflicht scharf kritisierte: "Der obligatorische Militärdienst ist seit mehr als einem Jahrhundert die wahre Ursache unzähliger Übel gewesen; seine gleichzeitige und gegenseitige Aufhebung wird das wirkliche Heilmittel sein." Besonders hervorzuheben ist Benedikts Friedensmahnung "Dès le début " vom 1. August 1917, in der er schon vor dem amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson für eine Form der kollektiven Sicherheit eintrat, die damit einerseits die Idee des Völkerbundes vorwegnahm und andererseits aber insofern schon über dieses Konzept hinausging, als es auch eine mit entsprechender Durchsetzungskompetenz ausgestattete internationale Schiedsgerichtsbarkeit einforderte. "An die Oberhäupter der kriegführenden Völker ... Der allererste und wichtigste Punkt muss sein: an die Stelle der materiellen Gewalt der Waffen tritt die moralische Macht des Rechtes; infolgedessen soll eine gerechte Verständigung aller über die gleichzeitige und gegenseitige Abrüstung nach zu vereinbarenden Regeln und Garantien erfolgen, und zwar nach Maßgabe dessen, was zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung in den einzelnen Staaten notwendig und ausreichend ist. Dann käme an Stelle der Armeen die Einrichtung eines Schiedsgerichts mit seiner erhabenen friedensstiftenden Tätigkeit nach zu vereinbarenden Normen und festzulegenden Sicherungen gegenüber dem Staat, der sicher weigern sollte, die internationalen Fragen dem Schiedsgerichte zu unterbreiten oder seine Entscheidungen anzunehmen." In seiner Friedensenzyklika "Pacem Dei" von 1920 unterstützte er dann voll und ganz die Idee und das Ziel des Völkerbundes. Benedikt XV. erkannte sehr früh, dass wir in einer sich globalisierenden Welt eine internationale Friedensordnung benötigen, in der das Recht über aller politischen und militärischen Macht stehen müsse. Ausdrücklich greift er in dieser Enzyklika auch auf die biblische Friedensbotschaft zurück und hebt besonders die Aufforderung zur Feindesliebe hervor, die den Völkerhass überwinden helfen soll. Das biblische Liebesgebot wird dabei ausdrücklich auch auf den Bereich der Politik bezogen: "Das evangelische Gebot der Liebe unter den einzelnen Wesen ist keineswegs verschieden von jenem, das unter Staaten und Völkern zu gelten hat." Benedikt XV. leitete eine Tradition des Verantwortungspazifismus in der katholischen Kirche ein, der besonders im Pontifikat von Johannes Paul II. politisch fruchtbar wurde. Zu Recht schrieb Heinrich Sierp SJ in seinem Nachruf in der Zeitschrift "Stimmen der Zeit" im Jahre 1922: "Benedikt XV. war überzeugter Pazifist!" Johannes Paul II. wiederum verwies ausdrücklich auf Benedikt XV., als er in seiner Enzyklika "Centesimus annus" angesichts des Irakkrieges von 1991 dazu aufrief, nie wieder Krieg zu führen. Benedikt XVI. stellt sich mit seiner Namenswahl bewusst in diese Friedenstradition der katholischen Kirche und setzt damit ein hoffnungsvolles Zeichen.

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Der Blick auf Benedikt XV. ist aber auch noch in einer zweiten Hinsicht lehrreich. Kritische Kommentare nennen den neuen Papst einen Zentralisten und verweisen auf viele Fehlentscheidungen der römischen Zentrale gegenüber den Ortskirchen. Doch diese dogmatistische Bevorzugung der Ortskirche gegenüber dem römischen lehramt ist genauso falsch wie der zu recht kritisierte Zentralismus. Benedikt XV. ist gerade auch dafür ein gutes Beispiel. Mit seiner pazifistischen Grundeinstellung und seinem Kampf gegen die Nationalismen wurde er von den Ortskirchen zu seiner Zeit meist allein gelassen. Die verschiedenen Bischofskonferenzen waren viel zu sehr den eigenen nationalen Strömungen verpflichtet und hatten kein wirkliches Interesse, dass die Gläubigen von der politischen Haltung dieses Friedenspapstes erfuhren. Deutschland ist dafür ein besonders deutliches Beispiel. Der Dominikanerpater und Friedensaktivist Franziskus Maria Stratmann (1883-1971) brachte dies 1924 in seinem Buch "Weltkirche und Weltfriede" klar zum Ausdruck: "Man kann nicht sagen, daß die Prophetenstimme Benedikts XV. bei der Mitwelt viel Gehör gefunden habe. Von einer begeisterten Gefolgschaft der Mehrzahl der Katholiken hinter ihren obersten Hirten und Lehrer konnte keine Rede sein. Die päpstlichen Gedanken waren den meisten zu neu, zu schwer, zu sehr entgegen ihrer nationalen Denkweise, als daß sie auf fruchtbares Erdreich hätten fallen können." Nur eine kleine Minderheit setzte sich für das Friedensprogramm des Papstes ein, während der deutsche Verbandskatholizismus und der deutsche Episkopat den Überlegungen des Papstes misstrauten oder diese sogar ablehnten. Der sich ausdrücklich als Katholik verstehende Staats- und Völkerrechtsgelehrte Carl Schmitt (1888-1995) reihte sich gut in diese Haltung ein, die von den Überlegungen des Papstes unberührt blieb. Dem Völkerbund stand Schmitt ablehnend gegenüber und die biblische Feindesliebe bezog er in seiner berühmt gewordenen Schrift "Der Begriff des Politischen" von 1927 im klaren Gegensatz zur Lehre des Friedenspapstes bloß auf die privaten Verhältnisse. Für die Politik sei sie völlig unbrauchbar. Eine positive Ausnahme bildete dagegen der "Friedensbund Deutscher Katholiken" (1919-1933, 1945-1951), der ausdrücklich die Anliegen von Benedikt XV. aufgriff. Mit Benedikt vertraten sie eine "Politik aus dem Glauben", die keine "doppelte Moral" im Wirtschafts- und Staatsleben zuließ. Das Liebesgebot Jesu Christi müsse eben auch im gesellschaftlichen Leben als konkrete Verpflichtung gelten. Zu diesem Bund gehörte unter anderem auch Franziskus Maria Stratmann. Während Kardinal Faulhaber mit dem Friedensbund sympathisierte, hielt der große Rest der Kirche zu dieser Gruppe genauso Distanz wie zum Friedenspapst. Als der Friedensbund am 1.7.1933 von den Nationalsozialisten verboten wurde, protestierte dagegen leider kein deutscher Bischof .

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Dieses Beispiel einer irrenden Lokalkirche darf aber heute nicht dazu benutzt werden, um die Kritik am Zentralismus zu relativieren. Doch auch in diesem Bereich darf keine doppelte Moral vorherrschen. Lokalkirchen und die römische Zentrale müssen sich beide immer wieder am Beispiel Christi ausrichten. Je mehr das auf beiden Seiten gelingt, desto fruchtbarer wird sich das Zusammenwirken erweisen. Wir können uns gewiss sein, dass Benedikt XVI. mit seiner Namenswahl bewusst in die Fußstapfen des Friedenspapstes zu treten versucht und dürfen gleichzeitig hoffen, dass er von der Weltkirche aus, auf allen Ebenen das alte Prinzip der katholischen Soziallehre – die Subsidiarität – stärkt, damit zentralistische Auswüchse verhindert werden und auf allen Ebenen der Kirche ein Politik aus dem Glauben lebendig werden kann.

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 Literatur:

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Gerhard Beestermöller, Die Völkerbundsidee. Leistungsfähigkeit und Grenzen der Kriegsächtung durch Staatensolidarität. Stuttgart 1995.

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 Benedikt XVI., In der Wahrheit liegt der Friede. Botschaft zum Weltfriedenstag 2006.

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H. Donat/K. Holl, Karl (Hrsg.), Die Friedensbewegung. Organisierter Pazifismus in Deutschland, Österreich und in der Schweiz. Mit einem Vorwort von D. Lattmann. Düsseldorf 1983.

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W. Palaver, Kollektive Sicherheit in Europa und österreichische Neutralität. Eine ethische Reflexion aus der Sicht der Katholischen Soziallehre. Stuttgart 1993.

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Stratmann, Franziskus Maria O.P., Weltkirche und Weltfriede. Katholische Gedanken zum Kriegs- und Friedensproblem. Augsburg 1924.

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Alois Wolkinger, Wehrdienst. In: Neues Lexikon der christlichen Moral. Hrsg. von H. Rotter und G. Virt. Innsbruck 1990, 853-857.

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