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Guggenberger Wilhelm: Gott ist größer als unser Herz
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Gott ist größer als unser Herz

Autor:Guggenberger Wilhelm
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2018-05-03

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Gott ist größer als unser Herz

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Predigt zu Apg 9,26-31, 1Joh 3,18-24 und Joh 15, 1-8.

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Ein Eiferer, ein Fanatiker, einer, der bereit ist über Leichen zu gehen und sich dabei auch noch gut fühlt, weil er überzeugt ist, den Willen Gottes zu tun. So kennen die Christen in Jerusalem den Mann namens Saulus. Zu frisch noch ist die Erinnerung an den jungen Stephanus, der unter dem Hagel der Steine gestorben ist, die ein wütender Mob in seinem Beisein, in seinem Sinn geworfen hat. Zu frisch ist diese Erinnerung, als dass bei seinem Anblick sich nicht Entsetzen und Panik breitmachen würden. Was will der Kerl hier? Ist er zum Doppelagenten geworden, zum V-Mann des Hohen Rates, die endgültig aufräumen wollen mit den unbequemen Jesusanhängern?

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Wen wundert die Verwirrung, die in der Jerusalemer Gemeinde um sich greift, als Saulus – sich plötzlich als einer der Ihren ausgebend – in die Stadt zurück kommt, von der er erst kürzlich ausgezogen war, mit Vollmachten ausgestattet, auch anderswo seine fanatische Gewalt auszuüben. Diese Gemeinde hat mittlerweile ein gewisses Selbstbewusstsein erlangt, sie ist gewachsen, vom pfingstlichen Geist beflügelt bis - ja bis die erste grausame Verfolgungswelle gegen sie losbrach. Wer mir nachfolgen will, der nehme sein Kreuz auf sich. Dieser Satz des Rabbi Jesus war offenbar ziemlich ernst zu nehmen. In sicheren Verhältnissen tut man sich leicht solche Sätze zu postulieren, wie aber, wenn Spitzelei, Gewalt und Willkür um sich greifen?

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In dieser Situation der neuerlichen Angst und Verunsicherung fasst ein gewisser Barnabas sich ein Herz und nimmt sich dessen an, der da plötzlich auftaucht; nimmt sich des Saulus an, des vermeintlichen Todfeindes. Er gibt dessen Beteuerungen, dass sich etwas in seinem Leben geändert hat, dass er jetzt ein ganz anderer sei, eine Chance. Er öffnet nicht nur dem Saulus die Tür zur Jerusalemer Gemeinde, sondern auch einer Dynamik, die für unsere Kirche prägend ist bis heute. Barnabas überwindet die Angst in seinem Herzen und geht das Risiko ein, er bezwingt den Hass in seinem Herzen und gibt dem Neuanfang des anderen eine Chance und öffnet damit einen Weg in die Zukunft.

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Gott ist größer als unser Herz.

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Ein ganz anderer ist dieser Saulus geworden; so sehr, dass die biblische Apostelgeschichte ihn bald auch mit anderem Namen nennen wird. Die Veränderung vom Saulus zum Paulus gilt uns geradezu als Synonym für radikalen Wandel. Ja, die Meinung des Saulus hat sich um 180 Grad gedreht.  Hielt er diesen Jesus und seine Anhängerschaft bislang für die Totengräber des Glaubens seiner Väter, wenn nicht des Jüdischen Volkes, so gilt er ihm jetzt als Messias. Seine Meinung hat sich geändert, wie es drastischer kaum sein könnte; sein Temperament aber wohl kaum.

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Gerade noch eifriger Verfolger der Gemeinde wird er gleich zu ihrem Propheten. Man hat den Eindruck, er muss geradezu eingebremst werden. Dein Engagement in allen Ehren, aber lern zuerst einmal richtig kennen, wofür du dich einsetzen willst! Lerne von denen, die schon länger dabei sind. Und Paulus lernt, Jahre lang. Studieren, den Dingen auf den Grund gehen, das kann er als Pharisäer-schüler. Er entwickelt Argumente, Theorien. Das schlichte Nacherzählen der Ereignisse um Jesus ist nicht genug. Außerdem muss diese Botschaft in ihrer ganzen fulminanten Entfaltung verbreitet werden. Mit diesem Eifer wird Paulus seinen alten Mentor Barnabas bald überflügelt und in den Schatten gestellt haben. Er hat hochgesteckte, ja hochtrabende Ziele. Cäsarea, Tarsus, alles gut und recht, aber der Zeitgeist schlägt in Griechenland. Nach Athen muss man die Botschaft tragen, ja eigentlich nach Rom.

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In seinem Aktivismus provoziert dieser Paulus Konflikt. Die können durchaus klärende Gewitter sein, manchmal enden sie aber auch einfach in bleibenden Zerwürfnissen, wie das wohl letztlich zwischen ihm und Barnabas der Fall war. Kann man sich Paulus als angenehmen Partner oder gar Vorgesetzten denken? Eher war er wohl ein recht raubeiniger, wenig rücksichtsvoller und schwieriger Charakter. Ein Personalreferent hätte ihn vermutlich nicht ausgewählt. Und doch scheint er in diesen Tagen genau der richtige für die Kirche gewesen zu sein. Gerade diesen schwierigen Typen hat es zu jener Zeit, an jenem Ort gebraucht.

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Ein schwieriger Charakter, aber einer, der sich durchzusetzen wusste, der nicht aufgab, sich nicht entmutigen ließ. Paulus, die Inkarnation des Stehaufmännchens, vielleicht sogar des erfolgreichen Managers. Ja, sicherlich auch. Und doch bleibt diese Beschreibung an der Oberfläche.

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Paulus ist auch ein von Selbstzweifeln Geplagter und ein Zerrissener. Das fängt schon bei seiner Berufungsgeschichte an. Er ist davon überzeugt, vor Damaskus Jesus Christus selbst begegnet und von ihm berufen worden zu sein. Deshalb nennt er sich selbstbewusst Apostel; ein Titel, der sonst nur den Zwölfen zusteht. Zugleich aber nennt Paulus sich auch den, der zu spät gekommen ist, ja eine Missgeburt. Immer wieder klagt er über einen Stachel in seinem Fleisch. Wir wissen bis heute nicht, was er damit meint: eine Krankheit, irgendeine Versuchung, die ihn besonders plagt? Jedenfalls ist dieser Stachel ihm Anlass zum häufig wiederkehrenden Selbstzweifel. Selbstzweifel wecken in ihm auch die missionarischen Misserfolge. Es stimmt schon, er leistet unglaubliche Arbeit und die Gemeinen werden nicht nur mehr, nein es wächst auch jede von ihnen. Aber kaum ist Paulus nicht mehr vor Ort, schleichen sich alle möglichen Missstände ein. Das hat in ihm wohl den Eindruck erweckt, er könne mit allem Einsatz säen und bebauen, am Ende werde doch das Unkraut siegen. Alle Mühe vergebens! Wie oft auf seinem Lebensweg mag Paulus aufgrund solcher Erfahrungen des Scheiterns und Ungenügens am Burnout entlang geschrammt sein. Im Graben der Depression liegen geblieben ist er letztlich nicht.

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Gott ist größer als unser Herz. Dieser Satz steht in einer Stelle des ersten Johannesbriefs, die heute auch als Schriftlesung möglich gewesen wäre. Dieser Satz scheint mir ungemein ermutigend. Denn er lässt uns erahnen, dass sich auch dort noch Wege der Begegnung und des Neubeginns auftun können, wo die Verhärtungen und der Kleinmut unserer Herzen längst alle Brücken abgebrochen und alle Türen zugeschlagen haben. Er lässt uns erahnen, dass all das, was ziemlich verquer und verschroben in uns und anderen ist, doch auch seinen Zweck erfüllen kann und dass jede und jeder von uns, gerade so wie sie und er ist, brauchbar sein kann für Bedeutendes. Dieser Satz lässt uns erahnen, dass das, was wir selbst vermögen, nicht das letzte ist und dass auch dort, wo in mir nur noch Kleinmut und Verzweiflung herrscht, noch immer eine Grund zur Hoffnung besteht.

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Dabei ist das bloße Größer-sein Gottes ja gar nicht der Grund der Hoffnung. Die erwächst erst daraus, dass ich – oft gegen jeden Anschein - Anteil habe an dieser größeren Weite, diesem größeren Plan, dieser größeren Kraft. Die ermutigende Hoffnung wächst daraus, dass ich, dass wir alle einen Platz gefunden haben in dieser Größe Gottes.

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Kann man das, darf man das sagen: ich habe einen Platz, habe meinen Platz in Gott? Das Evangelium vom Weinstock sagt nichts anderes und auch das Fest der Himmelfahrt Jesu, auf das wir zugehen, sagt meines Erachtens nichts anderes. Er hat alles, was mein Menschsein ausmacht hineingetragen mitten in die innigste Gemeinschaft mit dem Vater, dort ist es nun unaustilgbar verwurzelt. Und so hängt mein Herz nun am Tropf einer Kraft, die mich unendlich übersteigt.

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Wenn Weinreben so richtig im Saft stehen und blühen, später dann pralle Früchte ansetzen, könnte man die knorrigen, braunen Stöcke, die sie tragen beinahe übersehen. Sie scheinen geradezu fremd und nicht dazugehörig. Im fahlen Licht und der Kälte des Winters aber sind sie das einzige was bleibt, was überdauert und Garantie neuen Lebens ist. Wenn die menschlichen Wege ausgeschöpft sind, wenn nur noch merkwürdige, defiziente Fähigkeiten zur Verfügung stehen, wenn alles gescheitert scheint, dann wird sichtbar und spürbar, was größer ist als ich selbst – größer als der, der dann nichts zustande bringt, zu nichts taugt, keinen Ausweg sieht. Das mag eine Mahnung sein, in den Momenten der Kraft und des Glücks nicht darauf zu vergessen, vor allem aber ist es eine Ermutigung, denn ich weiß: So wie ich bin gibt es einen Platz und eine Aufgabe für mich und bei allem was ich tue - es kommt auf mich an, doch keinesfalls hängt alles von mir ab.

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Gott ist größer als mein Herz.

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