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Niewiadomski Jozef: Katholisch sein!
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Katholisch sein!
(Über die Kultur des Feierns in der Zeit nach der Orgie)

Autor:Niewiadomski Jozef
Veröffentlichung:
Kategorieartikel
Abstrakt:Der Traum der "68er" von einer neuen, tragfähigen solidarischen Lebenskultur nimmt nach und nach die Konturen eines gewaltsamen Albtraums an.Die explosive Befreiung und Entfesselung aller nur denkbaren Begierden ging ja auch keineswegs Hand in Hand mit der Geburtsstunde des autonomen, sich selbst bestimmenden und auch seine Feste kultiviert feiernden Subjekts.Die Möglichkeit, dass der Katholizismus doch eine Lebensauffassung sei, die sich gegen eine Komplizenschaft mit der liberalen Marktideologie erfolgreicher zu wehren vermag als der emanzipatorische Impetus der 68er, steht "nach der Orgie" neu zur Debatte.
Publiziert in:# Christlich Pädagogische Blätter 115 (2002) 70-73.
Datum:2002-07-17

Inhalt

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"Was tun nach der Orgie?" fragte bereis vor zehn Jahren Jean Baudrillard (1). Die kulturellen Trendsetter stehen ja vor einem Dilemma sondergleichen. Zu jeder Zeit und an jedem Ort kann heutzutage eine Party steigen und auch "ein Fest, das seinesgleichen sucht". Und doch scheint diese Eventskultur vor dem Erfahrungshunger des Menschen und seiner "profundior et universalior appetitio" (Gaudium et spes 9) zu kapitulieren. Der Traum der "68er" von einer neuen, tragfähigen solidarischen Lebenskultur nimmt nach und nach die Konturen eines gewaltsamen Albtraums an. Die Hoffnung auf die "fruitio" eines sich "hic et nunc" ereignenden, von seinen fundamentalistischen Konnotationen freilich befreiten, weil ordentlich säkularisierten "Reiches Gottes", schwindet. Die explosive Befreiung und Entfesselung aller nur denkbaren Begierden ging ja auch keineswegs Hand in Hand mit der Geburtsstunde des autonomen, sich selbst bestimmenden und auch seine Feste kultiviert feiernden Subjekts. Und schon gar nicht mit dem Auftakt zu einer ausgelassenen Feier, in der Menschen aller Rassen und Klassen, aller Schichten und Gruppen miteinander und nicht gegeneinander zu essen und zu trinken, aber auch solidarisch zu hungern und zu dürsten gewillt waren.

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Zur Logik der Orgie

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So paradox es klingen mag: Eingebettet in den großen Rahmen eines durch die Marktrationalität strukturierten "global village" degenerierte der emanzipatorische Impetus und wurde nach und nach nur noch zum Komplizen der liberalen Marktideologie. Deren Konturen hat ja bereits 1921 Walter Benjamin in seinem großartigen Essay "Kapitalismus als Religion"(2) skizziert.

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Die Charakterisierung des Kapitalismus jenseits aller wirtschaftlichen Rationalität als "reine Kultreligion" ohne Dogmen und ohne Theologie nimmt ja die Logik der baudrillardschen Orgie bereits vorweg. Der reine Kult von "permanenter Dauer", der sich im Kreislauf von Produktion und Konsum erschöpft, macht ja das Feiern und das Fest längerfristig unmöglich. Es nivelliert ja all die unterschiedlichen Riten zu ein und demselben Ritual des Marktes. Gerade dadurch, dass er jeden Tag in einen Festtag verwandelt und Unterbrechungen in den Hintergrund drängt, beseitigt der permanente Kreislauf jene kulturelle Basis der Unterschiede, auf der das Feiern überhaupt erst möglich wird. (3) Ihre „kultische Vollendung" findet diese Logik in unserer Gegenwart im „durchkommerzialisierten Mediensystem" (4). Und dies schon deswegen, weil erst durch dieses die Sprache der Werbung zu der einen, alle anderen Kulturen bestimmenden Sprache werden konnte. Zwar werden durch die Werbung die "profundior et universalior appetitio" des Menschen und sein Lebenshunger auf immer neue "Objekte der Begierde" gelenkt und das Leben immer wieder als festliche Veranstaltung in Aussicht gestellt. Die Vielfalt der Objekte soll allerdings über die Grundstruktur des Kreislaufs nicht hinwegtäuschen. Das eine hier zelebrierte Ritual ermöglicht auf immer neue Art und Weise bloß ein und dasselbe Erlebnis: die Selbstbegegnung des menschlichen Begehrens und die Verfestigung der anthropologischen Versuchung des "homo incurvatus in se ipsum". Und das Resultat derselben? Anstatt der versprochenen Erfüllung der appetitio in der fruitio, wird das Begehren immer noch größer  (5), wie auch das Feld, auf dem es nach der Erfüllung trachten soll! Die elektronisch ermöglichte Ubiquität und Gleichzeitigkeit von Zivilisationen im global village unterwirft diese ja zuerst gnadenlos der Logik des Supermarktes und reduziert sie zu beliebig auswechselbaren Versatzstücken von ein und demselben orgiastischen Geschehen. Anstatt die "appetitio" zu kultivieren, diese in die Bahnen von kulturellen Leitplanken zu lenken und auf diese Art und Weise eine tragfähige Basis für die feiernde Gemeinschaft zu schaffen, werden in unserer Gegenwart auch religiöse Riten und Tabus zu Gegenständen des Konsums und dies sowohl in deren Befolgung als auch in deren Übertretung. Bleibt nun das Fortschreiten der Orgie auch in der Zeit nach der Orgie unser Schicksal? "Das große Fressen" als der Inbegriff der feiernden Menschen?

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Was tun also nach der Orgie? - lautet immer noch die Frage. Und die Antwort? - "Katholisch bleiben, oder auch echt katholisch werden und eine bewusste Kultur des Feierns pflegen!" - "Nicht dass ich lache!", werden jetzt alle Leserinnen und Leser einwenden. In der Zeit, in der die Menschen immer noch der Kirche den Rücken kehren und zwar deswegen, weil sie dieselbe entweder als eine "sterbende Kirche" erfahren, oder aber als eine dogmatische, lebens-, v.a. aber lustfeindliche Institution, soll ausgerechnet ein Bekenntnis zum Katholizismus unserer Feierkultur ein neues Qualitätsmerkmal verleihen? Zeigt nicht der neuere Trend zur Widerverzauberung der Wirklichkeit und die steigende gesellschaftliche Plausibilität religiöser und pseudoreligiöser Events, dass die katholische Alternative ein Holzweg sei? Die Frage ist aber noch keineswegs entschieden.

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Zur Logik des Katholizismus

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Die Möglichkeit, dass der Katholizismus doch eine Lebensauffassung sei, die sich gegen eine Komplizenschaft mit der liberalen Marktideologie erfolgreicher zu wehren vermag als der emanzipatorische Impetus der 68er, steht "nach der Orgie" neu zur Debatte.(6) Und wo soll die Debatte ansetzen?

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Bei der Ernstahme des biblischen Autors mit seinen Ratschlägen (Koh 9,7.9): "Iss freudig dein Brot, und trink vergnügt deinen Wein... Mit einer Frau, die du liebst, genieß das Leben alle Tage deines Lebens". Und bei der klaren Unterscheidung zwischen der von Koheleth empfohlenen Haltung und jener schon durch Jesaja kritisierten Einstellung: "Lass uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot." (Jes 22,13) Der Ratschlag Kohelets kann zwar auch jenseits aller katholischen Glaubens-, Denk- und Handlungsstrukturen befolgt werden; er legt uns ja bloß nahe, das Leben gelassen zu genießen und dies entspringt einer gesunden Spiritualität des Alltags. Viele der Zeitgenossen würden nicht eine Sekunde lang zaudern, eine solche Lebenseinstellung gar als antikatholisch zu qualifizieren. Sie ist aber katholisch und sie stellt einen unverzichtbaren Fokus dar für die Wahrnehmung dessen, was eine Kultur des Feierns nach der Orgie sein soll - gerade in der Zeit der Werbung und der Supermärkte! Denn auch in dieser Kultur werden die Christen Spuren Gottes weiterhin mitten im Alltag entdecken können. Diese Spuren sind nicht von einer grundsätzlich anderen Natur als jene, von denen uns schon die unzähligen Geschichten des Alten Testamentes erzählen. Der Segen Gottes wird dort in einer sehr weltlichen und alltäglichen Form wahr genommen. Er hat mit dem Wohlergehen der Menschen auf Erden zu tun, mit der Gesundheit und dem selbstverständlichen Glück. Er wird mit den allgemein menschlichen primären Bedürfnissen assoziiert und auch als deren Befriedigung verstanden. Spiritualität fängt dort nicht bei den esoterisch anmutenden Praktiken und erst recht nicht erst in den sprichwörtlichen Grenzsituationen des Lebens, sondern beim Miteinander-Essen und -Trinken, und wohl auch -Schlafen an. Weder damals noch heute konkurriert Gott mit dem Alltag und er ersetzt ihn auch nicht - wohl aber verwandelt er ihn: dem Gütesiegel vergleichbar. Weil er aber die alltäglichsten Lebensformen der ihnen innewohnenden Banalität entreißt, bleibt er für den gläubigen Menschen von diesem Alltag unterschieden. Natur und Gnade schließen einander nicht aus; die eine setzt die andere voraus und vervollkommnet sie! Sie werden eben nicht getrennt, wohl aber unterschieden.

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Deswegen hat ja diese Alltagsspiritualität sehr viel mit Unterscheidungen zu tun. Sie unterscheidet zwischen dem Alltag und dem Festtag, zwischen einem Fest und einer Orgie. Sie weiß zu fasten und ausgelassen zu feiern und sie erhofft die Vollendung der Menschheit in einem Himmel, in dem alle Völker bei einem ausgelassenen Fest die feinsten Speisen und die erlesensten Weine genießen werden (vgl. Jes 25,6-6). Ja, sie kann den Himmel als "fruitio", als Genuss Gottes begreifen, sie wird Spuren dieses Genusses bei jedem Fest entdecken, sich aber gerade auch deswegen gegen die Säkularisierung des Inbegriffs vom seligen Leben zu einer Konsumorgie wehren. (7) Die Spiritualität des Alltags, die eine notwendige Vorbedingung für eine Kultur des Feiern nach der Orgie bleibt, sensibilisiert immer wieder neu auf die religiöse Grunderfahrung, dass Gott und Supermarkt nicht identisch sein können.

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Deswegen wird sie sich auch niemals damit abfinden, dass Dogmen und Theologie etwas Zweitrangiges sein können. Mit diesem Aspekt ist man noch ein Stück näher bei den katholischen Glaubens-, Denk- und Handlungsgewohnheiten und auch bei der Frage, ob der gegenwärtige dogmenkritische Trend nicht bloß ein Reflex der von Benjamin diagnostizierten kapitalistischen dogmen- und theologiefreien Religiosität sei. Schließt man sich dieser Meinung an, und vieles spricht dafür(8), so wird man die Umkehrung des Trends fördern. Und dies nicht zuletzt um der menschenfreundlichen Kultur des Feierns willen. Die fortschreitende Nivellierung unserer Feste und die Reduktion derselben auf inhaltsleere Konsumorgien kann nur durch die Aufwertung des Inhalts bzw. des Anlasses gebremst, bzw. aufgehalten werden. Das Dogma, die normative "lex credendi" und die durch den Glauben entfesselte Phantasie werden zwar tagtäglich durch die in den Medien omnipräsente kapitalistische "lex orandi", den durch die Werbung, die Produktion und den Konsum zelebrierten Kult herausgefordert und auch in Frage gestellt. (9) So paradox es aber klingen mag, gerade in der wiederverzauberten Gesellschaft wird der Vorrang eines inhaltlich definierten Dogmas vor dem Event unerlässlich.

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Doch ist es nicht ein beliebiges Dogma, das in diesem Diskurs nach der Orgie zur Rehabilitation steht: Es ist nur das Dogma von dem nicht selbstbezogenen Gott, der immer wieder neu Gestalt unter den Menschen annimmt und mit ihnen feiert. Und dies schon deswegen, weil der Glaube an diesen Gott immer wieder neu jene Distanz in der direkten Auseinandersetzung um Götzen und Götter zu ermöglichen scheint, die eine abstrakte Berufung auf die Vernunft oder aber Menschenwürde in der spätkapitalistischen Gegenwart immer weniger gewährleistet.(10) Wie präsentiert sich aber dem Gläubigen diese Nicht-Selbstbezogenheit Gottes konkret? Spätestens seit der ikonographischen Darstellung der Philoxenia, der Gastfreundschaft Abrahams an die drei Wanderer, die zur Ikone der Dreifaltigkeit in der Christenheit wurde, stellen das Miteinander-Essen und Miteinander-Trinken eine der fundamentalsten Schnittstellen das, an denen sich die göttliche Gemeinschaft der menschlichen Gemeinschaft öffnet. (11) Das Bild der Philoxenia lenkt unsere Aufmerksamkeit auf den Tisch, um den sich die drei Personen zusammengefunden haben. Dieser Tisch scheint mit dem Opfertisch identisch zu sein: Es ist ein Altar! Selbst der Platz für die Reliquien der Märtyrer ist auf den Bildern nicht zu übersehen. Auf dem Tisch steht ein Kelch, gefüllt mit Wein. Das Bild weist damit deutlich auf den Preis des hier gefeierten Festes hin. In einer Welt, die von Götzen beherrscht bleibt und deswegen auch ständig zur Konsum- und Gewaltorgie neigt, wird eine Kultur des Feierns doch eine Alternative zur Fortschreibung der Orgie bleiben. Gegen den Imperativ "Lass uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot!" stellt die Kirchlichkeit das Bild göttlicher Hingabe als Schutzschild gegen all die möglichen Zynismen der Orgie auf. Obwohl Menschen ständig verhungern und verdursten ist das Feiern möglich, weil die Hingabe zuerst von Gott selber und dann auch von den Menschen gelebt wird. In diesem Opfer- und Altartisch verdichten sich ja die tagtäglichen Ausgrenzungsprozesse, das Verhungern- und Verdurstenlassen aber auch die Transformation des orgiastischen Tuns. Deswegen fokussiert auch das Bild die Eucharistie, jenes Geheimnis der Wandlung des orgiastischen Tuns der Menschheit in ein sakramentales Geschehen. Der Ritus wird zum Sakrament einzig und allein durch die Präsenz des nicht selbstbezogenen Gottes in ihm. (12)

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Weil in der katholischen Glaubens-, Denk- und Handlungsweise die Inhaltlichkeit des Glaubens mit der Einsicht in die Notwendigkeit der Strukturierung menschlichen Zusammenlebens durch Riten konform geht, kann das Katholischsein vom Sakrament nicht losgelöst werden - dieses aber auch nicht von den zeitlichen Dimensionen. Mag der Ritus dem Ritual des Marktes zum Opfer fallen, die Dimensionen des signum rememorativum, demonstrativum und prognosticum des sakramentalen Geschehens - die Erinnerung, die Vergegenwärtigung und die Vorwegnahme von etwas, was noch nicht da ist, stellen das resistente Element dar. Der Garant dafür ist der nicht selbstbezogene Gott selber. Die Logik seiner Menschwerdung und seiner Hingabe vermag den Erfahrungshunger des Menschen und seine profundior et universalior appetitio zu stillen. Und das Zeugnis davon? Es liegt nicht in der Verantwortung eines überforderten Individuums, sondern einer weltweiten Gemeinschaft, ist doch dem Katholizismus die weltweite Institution Kirche und jede Eucharistiefeier Kirche im vollen Sinn des Wortes. Betrachtet man die gegenwärtigen kulturpolitischen Querelen in diesem Licht, so wird man mindestens auf einen Punkt hin sensibilisiert: die antimoderne Seite des Katholizismus stellt seinen besten Qualitätsausweis dar - gerade für die Zeit nach der Orgie. Die Glaubwürdigkeit dieser These wird nicht durch theoretische Diskurse bewiesen und schon gar nicht durch autoritäre Maßnahmen, sondern durch eine gelassene Lebensweise mit dem zentralen Aspekt einer gepflegten Kultur des Feierns.

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Anmerkungen:  

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 1. J. Baudrillard, Transparenz des Bösen. Berlin 1992, 9.

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2. W. Benjamin, Kapitalismus als Religion. In: Gesammelte Schriften VI, Frankfurt a. M. 1991, 100-103.

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3. Zur Bedeutung der Rituale für eine Kultur des Feierns vgl. Rituale. Zugänge zu einem Phänomen. Hg. von F. Uhl und A.R. Boelderl. Düsseldorf 1999.

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4. So z.B. J. Hörisch, Das letzte Abendmahl _ Kapitalismus als Religion; in: ZEIT vom 26.12.97, 43; ders. Kopf oder Zahl _ Die Poesie des Geldes. Frankfurt a.M 1998.

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5. Die These entspringt der Anthropologie von René Girard. Vgl. v.a. sein fundamentales Werk für diesen Zusammenhang: Figuren des Begehrens. Thaur-Münster 1999; zur Anwendung der Theorie auf die Logik der liberalen Marktwirtschaft vgl. P. Dumouchel, J.-P. Dupuy, Die Hölle der Dinge. René Girard und die Logik der Ökonomie. Thaur-Münster 1999.

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6. Liest man heute P.P. Passolinis, Freibeuterschriften. Die Zerstörung der Kultur des Einzelnen durch die Konsumgesellschaft. Berlin 1975, v.a. 85-89, so staunt man über den prophetischen Impuls des Autors. Die dort öfters angesprochenen Alternativen zwischen dem frontalen Widerstand gegen die Banalisierung der Religion durch den Kapitalismus und der tragischen Haltung des Ankündigens des Untergangs der Kirche bekommen im Kontext des global village eine neue Aktualität.

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7. Zu den vielfältigen Impulsen für eine solche Spiritualität des Alltags in unserer Gegenwart vgl. J. Niewiadomski, Herbergsuche. Auf dem Weg zu einer christlichen Identität in der modernen Kultur. Münster-Thaur 1999.

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8. Auf diesem Hintergrund erscheint vor allem die Polemik der linken Kulturkritiker gegen eine religiös motivierte Kultur geradezu als eine Tragödie. Aufgrund der globalen Aushöhlung von verbindlichen Inhalten wurde sie - und dies gegen ihren Willen - zur Komplizin des liberalen Marktes. Vgl. den schon klassischen Text: "Vor allem werden wir, wenn wir den Armen Schutz gewähren wollen, uns für feste Regeln und klare Dogmen aussprechen. Bei jedem Verein kommen Regeln im Zweifelsfall dem armen Mitglied zugute, während die Dinge treiben zu lassen nur dem reichen Mitglied nützt." G. K. Chesterton, Orthodoxie: eine Handreichung für die Ungläubigen. Frankfurt a. M. 2000, 264.

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9. Natürlich legt die medial vermittelte Vielfalt der Lebensentwürfe und Kulturen und der medial konstruierte Pluralismus dem durchschnittlichen Zeitgenossen das Ideal einer frei zu wählenden Bricollage-Identität nahe. Als Sozialisierungsformen für das religiöse Leben erfreuen sich die freikirchlichen Strukturen, oder aber die "religiösen Events" zunehmender Popularität. Erlebnisreligiosität wird damit zum entscheidenden Kriterium der Glaubwürdigkeit; am Ideal einer freikirchlichen Religiosität gemessen, wird das katholische Modell zunehmend als unzeitgemäß abgelehnt.

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10. Die meisten Kulturkritiker stimmen in ihrem Urteil überein: Dort, wo beispielsweise Papst johannes Paul II. in seiner Soziallehre oder in seinen Friedensbotschaften und Verurteilungen des kriegerischen (orgiastischen) Treibens sein Zeugnis und seine Argumente von seinem Gottesglauben ableitet, dort ist sein Zeugnis glaubwürdig und kann es durchaus mit der Argumentationskraft der Realpolitiker aufnehmen.

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11. Seit dem 4. Jahrhundert (ein Mosaik in S. Maria Maggiore) ist dieser Bildtypus in der christlichen Welt bekannt; die bekannteste Ikone wurde 1410 vom russischen Maler Andrej Rublev gemalt. Immer und immer wieder wurde da ein und dasselbe Geschehen gemalt: Drei verschiedene Personen kommunizieren bei Tisch miteinander. Jede ist auf die anderen angewiesen, bekommt von den anderen Dynamik und Leben und schenkt diese weiter. Die Kirchenkonstitution "Lumen gentium" sieht in diesem Prozess der Weitergabe den Prozeß der Entstehung von Kirche, will Gott doch nicht isolierte Individuen retten, sondern Menschen zu einer Gemeinschaft schließen (LG 9).

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12. Vgl. M. Scharer, J. Niewiadomski, Faszinierendes Geheimnis. Neue Zugänge zur Eucharistie in Familie, Schule und Gemeinde. Mainz - Innsbruck 1999.

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