PANEL 10
Geschlechtsspezifische Aspekte bei Balancing und Erleben während Covid-19
Chair: Kordula Schnegg (Innsbruck)
08.30-10.00
Kordula Schnegg ist assoziierte Professorin am Institut für Alte Geschichte und Altorientalistik und Leiterin der FP Center Interdisziplinäre Geschlechterforschung Innsbruck der LFUI. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Körper- und Geschlechtergeschichte (Fokus: griechische und römische Antike), antike Historiographie und Römische Republik.
Vereinbarkeit von Kind und Arbeit bei „systemrelevanten“ Berufen während Covid-19
Heidi Siller / Gloria Tauber / Margarethe Hochleitner (Innsbruck)
Systemrelevante Berufe, wie beispielsweise jene im Gesundheitswesen, wurden und werden besonders während COVID-19 immer wieder hervorgehoben. Im Folgenden wird ein besonderes Augenmerk auf Eltern gelegt, die an einer Medizinischen Universität angestellt sind.
In dieser explorativen Studie wurden Eltern mittels einem offenen online Fragebogen befragt und erhoben, welche positiven und herausfordernden Aspekte in der Kinderbetreuung während und nach dem Lockdown erlebt wurden. Insgesamt haben 23 Personen die offenen Fragen ausgefüllt (21 Frauen, 2 Männer). Basierend auf den Berichten und Literatur wird eine intersektionelle Betrachtungsweise versucht, welche einerseits individuelles Erleben, andererseits den Zusammenhang mit gesellschaftlichen Ebenen beleuchtet. Dabei geht es um scheinbar traditionell verankerte Betreuungsmuster im privaten Bereich, aber auch um institutionell verankerte Aspekte zu Kinderbetreuung und Vereinbarkeit. Hierbei werden intersektionale Verschränkungen diskutiert.
Siller: Mag.a Dr.in Heidi Siller, Psychologin und Senior Scientist an der Gender Medicine & Diversity Unit, Medizinische Universität Innsbruck. Ihre Forschung bezieht sich vor allem auf Gewalt in verschiedenen Settings (z.B. Ausbildung, häusliche Gewalt, Arbeitsplatz) unter intersektionellen und/oder gender-spezifischen Perspektiven, Karriere und Arbeit bei Ärzt*innen, sowie Inkludierung von Gender in (medizinischer) Ausbildung.
Tauber: Gloria Tauber, BA, MA, PhD, arbeitet an der Gender Medicine & Diversity Unit, Medizinische Universität Innsbruck
Hochleitner: Univ.-Prof.in Dr.in Margarethe Hochleitner , ist Professorin für Gender Medizin und Diversität, Direktorin der Gender Medicine & Diversity Unit, Medizinische Universität Innsbruck (MUI), Leiterin der Koordinationsstelle Gleichstellung, Frauenförderung und Diversität und Vorsitzende des Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen der MUI.
Geschlechtsspezifische Aspekte des Erlebens der Covid-19-Krise bei Gesundheitspersonal
Alexander Kreh / Barbara Juen / Michael Lindenthal (Innsbruck)
Pandemien, darunter auch die derzeitige COVID-19-Pandemie, können direkte Auswirkungen auf die psychische Gesundheit von Mitarbeiter*innen und Freiwilligen in Gesundheitsberufen haben. In Folge des SARS-Ausbruchs im Jahr 2003 konnten u.a. Risikofaktoren für Depressionen (Liu et al., 2012), Burnout (Maunder et al., 2006), psychologischem und posttraumatischem Stresserleben (Maunder et al., 2006; Wu et al., 2009), Angstsymptome (Chong et al., 2004) und allgemeiner Gesundheit (Nickell et al., 2004) der Mitarbeiter*innen in Krankenhäusern herausgearbeitet werden. Ähnliche Risikofaktoren wie in vorangegangenen Pandemien zeigten sich auch in ersten Erhebungen mit Gesundheitspersonal während der COVID-19 Pandemie, insbesondere bei denjenigen Mitarbeiter*innen, die direkt in die Behandlung von COVID-Patient*innen eingebunden waren (Lai et al., 2020). Es werden u.a. über Angst vor Ansteckung der eigenen Angehörigen, Hilflosigkeit im Umgang mit besonders kranken Patient*innen, und Mangel an Schutzausrüstung (Chen, 2020) sowie Stigmatisierung durch den engen Kontakt zu COVID-Patient*innen (Nickell et al., 2004, Lancee et al., 2008) als belastende Faktoren berichtet. Neben der Arbeitsbelastung haben auch individuelle Lebensumstände während der Pandemie erheblichen Einfluss auf die Befindlichkeit.
Um herauszufinden wie die COVID-Pandemie von Gesundheitspersonal erlebt wird, werden derzeit Daten zur Befindlichkeit mittels Online-Fragebögen im Rahmen des EU-Projekts No-Fear erhoben. Dabei werden neben Stressbelastung und Wohlebefinden auch verschiedene Resilienzfaktoren berücksichtigt. Die erste Welle lief im Zeitraum von Juni bis August 2020, weitere Folgeuntersuchungen werden durchgeführt.
In unserem Vortrag werden anhand erster Analysen Geschlechtsunterschiede im Erleben der Pandemie bei Gesundheitspersonal dargestellt und diskutiert.
Kreh: Alexander Kreh, BSc MSc, Psychologe, Senior Lecturer am Institut für psychologie, Mitarbeiter in der AG Notfallpsychologie und Psychotraumatologie, Mitarbeit im Disaster Competence Network Austria (DCNA) in der Expertengruppe Public Health, Klinischer- und Gesundheitspsychologe in Ausbildung.
Juen: Ao. Univ.-Prof.in Dr.in Barbara Juen, Psychologin, Institut für psychologie, Universität Innsbruck, klinische und Gesundheitspsychologin, Schwerpunkt: Klinische psychologie, Notfallpsychologie, Krisenintervention, Entwicklungspsychologie, Entwicklungspsychologie; Forschungsschwerpunkt: Akuttraumatisierung und Psychotraumatologie
Lindenthal: Mag. Michael Lindenthal, Senior Lecturer und Projektmitarbeiter, Klinischer- und Gesundheitspsychologe, Institut für psychologie, Universität Innsbruck
Geschlechtsspezifische Unterschiede und Ähnlichkeiten bei Kindern im Hin-blick auf das Bedrohungserleben ausgelöst durch Covid-19
Silvia Exenberger / Nina Haid-Stecher / Christina Taferner / Kathrin Sevecke (Innsbruck)
Die Covid-19 Pandemie betrifft Kinder weniger im Sinne der eigenen Bedrohung, sondern es geht um die Belastung durch das Bedrohungserleben. Ziel eines 24-monatigen vom Land Tirol geförderten Projektes ist die langfristige Erfassung von Angst-, Stress- und Traumasymptomen sowie der Lebensqualität bei 3 bis 12-jährigen Kindern. Durchgeführt wird die Studie in den sogenannten „hot spots“ von Nord- und Südtirol. Die kindliche Belastung wird unter anderem von den Eltern eingeschätzt. Daten werden zu zwei Zeitpunkten erhoben. In diesem Vortrag möchten wir erste Studienergebnisse der ersten Erhebung aus Sicht der Nord- und Südtiroler Eltern für ihre Töchter und Söhne präsentieren. Die Ergebnisse werden vor dem Hintergrund der Reaktionen auf bereits bekannte stressreiche oder traumatische Ereignisse diskutiert. Im Vordergrund steht dabei die Frage, ob sich „neue“ Reaktionen zu einem neuen Stresserleben herauskristallisieren.
Exenberger: Dr.in Silvia Exenberger. Klinische- und Gesundheitspsychologin; Forschung – Tirol Kliniken – Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik; externe Lehrbeauftragte an der Universität Innsbruck, Institut für psychologie.
Haid-Stecher: Nina Haid-Stecher, Mag., PhD, Klinische- und Gesundheitspsychologin, Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, LKH Hall, Tirol Kliniken.
Taferner: Christina Taferner, BA BSc MSc, Klinische Psychologin; Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, LKH Hall, Tirol Kliniken.
Sevecke: Primaria Univ.-Prof.in Dr.in Kathrin Sevecke. Vorständin der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, Hall in Tirol. Direktorin der Universitätsklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik im Kindes- und Jugendalter Innsbruck.
Auswirkungen der Corona-Krise auf psychische Stresssymptome von Studierenden mit besonderer Berücksichtigung von Geschlechtsunterschieden
Elisabeth Weiss / Markus Canazei (Innsbruck)
Die Covid-19 Pandemie hat auch das universitäre Leben stark betroffen und Lehr- / Lernaktivitäten wurden durch Online- und Fernunterricht ersetzt. Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass Unsicherheit, eine Intensivierung des Informationsflusses sowie Einsamkeit während der landesweiten Schließung der Universitäten zunehmen und zu einem hohen Maß an Stress, Angst und Depression bei Studierenden führen. Die vorliegende Studie geht der Frage nach, ob sich psychische Stresssymptome und Coping-Verhalten von Studierenden während der Prüfungszeit durch die Corona-Krise ebenfalls verändert haben.
Insgesamt nahmen 759 Studierende (Alter: 23.0 ± 2.8 Jahre; 539 Frauen und 220 Männer) verschiedener deutscher und österreichischer Universitäten im Juni/Juli 2016 (Erhebung vor Covid-19) und im Juni/Juli 2020 (Erhebung während Covid-19) an einer internet-basierten Befragung teil. Die Befragung inkludierte Messverfahren zur Erhebung des subjektiv erlebten Stressniveaus, der psychischen Gesundheit sowie des Coping- und Erholungsverhaltens.
Während das subjektiv erlebte Stressniveau bei Studierenden im Verlauf von Covid-19 signifikant anstieg, reduzierten sich Burnout-Symptome. Covid-19 brachte weiters einen verbesserten Umgang mit Gefühlen. Das Erholungsverhalten, Depressivität und Sorgen der Studierenden veränderten sich durch Covid-19 nicht.
Unabhängig von Covid-19 zeigten sich in der Befragung bereits bekannte geschlechtsspezifische Unterschiede. Weibliche Studierende gaben generell erhöhten Stress, Depressivität, Sorgen und emotionale Erschöpfung an und schätzten ihren Umgang mit eigenen Gefühlen (Verstehen, Akzeptanz und Regulation eigener Gefühle) und ihr Erholungsverhalten im Vergleich zu männlichen Kommilitonen schlechter ein.
Männliche Studierende erlebten eine verbesserte Regulation eigener Gefühle und geringere Sorgen während Covid-19. Diese Effekte waren bei weiblichen Studierenden nicht zu beobachten. Weiters war Entspannung als Erholungsmaßnahme bei weiblichen Studierenden vor Covid-19 besser als bei männlichen Studierenden, wohingegen sich das Entspannungsverhalten beider Geschlechter während Covid-19 annäherte und sich nicht mehr signifikant unterschied.
Univ.-Prof.in Mag.a DDr.in Elisabeth M. Weiss, leitet den Fachbereich Klinische psychologie I am Institut für psychologie, Universität Innsbruck. Sie ist Fachärztin für Psychiatrie, Klinische Psychologin, Gesundheitspsychologin und Psychotherapeutin. Forschungsschwerpunkt: Kognitive und emotionale Defizite bei psychischen Störungen.