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Wasser: Ein Stoff, zwei Flüssigkeiten – Universität Innsbruck
Glas
Bruchstücke des Glases werden unter flüssigem Stickstoff in eine Hülle aus Indium gepackt, um dann in einer Presse verdichtet zu werden.

Wasser: Ein Stoff, zwei Flüssig­­keiten

Wasser verdankt seine besonderen Eigenschaften möglicherweise der Tatsache, dass es aus zwei verschiedenen Flüssigkeiten besteht. Wissenschaftler der Universität Innsbruck um Thomas Lörting haben diese These nun weiter untermauert, indem sie die Existenz von zwei unterschiedlich dichten Formen von glasartigem Wasser experimentell nachgewiesen haben. Sie berichten darüber in PNAS.

Wasser ist die einzige Substanz, die in der Natur im festen, flüssigen und gasförmigen Zustand angetroffen werden kann. Insbesondere in der festen Phase existiert Wasser in einer Vielzahl von kristallinen Formen und amorphen Zuständen. Gläser, eine Unterart der amorphen Feststoffe, werden üblicherweise durch schnelles Abkühlen einer Flüssigkeit erzeugt, wobei diese erstarrt, ihre ungeordnete mikroskopische Struktur jedoch erhalten bleibt. Forscher des Instituts für Physikalische Chemie der Universität Innsbruck um Thomas Lörting haben nun erstmals experimentell gezeigt, dass so gewonnenes Glas aus Wasser durch Kompression in ein zweites Glas übergeht, mit anderer mikroskopischer Struktur und damit auch unterschiedlichen Materialeigenschaften.

Ultraschnelles Abkühlen

Wasser zu Glas zu erstarren ist äußerst schwierig. Es muss mit über 1 Million Grad pro Sekunde von Raumtemperatur auf unter minus 130 Grad Celsius abgekühlt werden – andernfalls kristallisiert das Wasser und es entsteht Eis. An der Universität Innsbruck wurde Anfang der 1980er-Jahre eine Technik entwickelt, die dieses extreme Abschrecken von Wasser ermöglicht. Sie ist bis heute einzigartig und unerreicht. „Im Gegensatz zu älteren Methoden wird Wasser nicht in tiefkalte Kühlflüssigkeit eingesprüht, sondern fein zerstäubt auf Ultraschallgeschwindigkeit beschleunigt und im Vakuum auf einer kalten Kupferplatte abgeschieden“, erläutert Erstautor johannes Bachler die Methode. „Dadurch entsteht ein Glas frei von Kontamination, welches dann auch isoliert werden kann.“ Um den Übergang in eine zweite, dichtere Form zu beobachten, transferierte der Forscher das Glas in eine vorgekühlte Hochdruckzelle, wo es Drücken über 10.000 Atmosphären ausgesetzt wurde. Dafür wurden die Proben in Indium verpackt und laufend mit flüssigem Stickstoff gekühlt, damit sie sich nicht während oder gar vor der Kompression zersetzten.

Experimenteller Beweis

Als die Wissenschaftler den Druck erhöhten, verdichtete sich das Glas an einem Punkt schlagartig. Die Analysen mit Röntgenstrahlen bestätigten, dass die Probe durch die Kompression zu einem zweiten Glas wurde. „Dies ist die erste eindeutige experimentelle Bestätigung für die Existenz von zwei Gläsern aus Wasser“, freut sich Thomas Lörting. „Für die allermeisten Flüssigkeiten gibt es nur ein Glas. Das Auftreten zweier verschiedener Gläser ist ein sehr starker Hinweis auf das Zweiflüssigkeitsmodell, wenn nicht gar ein Beweis.“ Mehrere Forschungsgruppen hatten die Möglichkeit der Umwandlung von einem Glas zu einem anderen Glas im Rahmen eines Zweiflüssigkeitsmodells bereits im Vorfeld mit Computersimulationen vorgeschlagen.
„Das experimentelle Ergebnis deckt sich aber auch mit vorangegangenen Studien zu amorphem Eis“, sagt Thomas Lörting. Diese waren bisher umstritten, weil unklar war, ob das mit hohem Druck aus kristallinem Eis erzeugte amorphe Eis tatsächlich ein Glas oder lediglich ein Sammelsurium winziger zerbrochener Kristalle ist. Die Innsbrucker Forscher sind dieser Kontroverse nun aus dem Weg gegangenen, indem sie das Glas direkt aus flüssigem Wasser erzeugt haben. „Unsere Analyse zeigt, dass amorphes Eis und glasiges Wasser ein und derselbe Zustand sind“, ist Thomas Lörting überzeugt. „Wenn wir wissen, dass Wasser aus zwei verschiedenen Flüssigkeiten besteht, kann uns das helfen, die erstaunlichen und einzigartigen Eigenschaften von Wasser zu beschreiben.“

Die aktuelle Studie wurde im Fachmagazin Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlicht und vom Österreichischen Wissenschaftsfonds FWF, der Forschungsplattform MatNano sowie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften finanziell unterstützt.

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