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Öffentliche Verkehrsmittel sammeln Insekten – Universität Innsbruck
Vier Personen stehen vor einem Bus

Österreichweit wird bei dem Projekt "Insekten-Busmonitoring" DNA von Fluginsekten von regionalen Bussen gesammelt. Das Tiroler Team vom Institut für Zoologie Gabriel Kluckner, Valentina Corieri, Projektleiter Michael Traugott und Marjana Ljubisavljevic (v. l.). Foto: Universität Innsbruck

Öffent­li­che Ver­kehrs­mit­tel sam­meln Insek­ten

Von der Busscheibe ins DNA-Labor: Regionale Busse machen die Vielfalt an Fluginsekten in Österreich sichtbar. Das Institut für Zoologie startete ein innovatives Projekt zur Erfassung der Insekten-Biodiversität in vier Bundesländern. Moderne DNA-Spurenanalytik kommt dabei zum Einsatz.

Wischen und wissen, welche Insekten in Österreich fliegen: Beim neuen Biodiversitäts-Projekt des Instituts für Zoologie der Universität Innsbruck helfen öffentliche Verkehrsmittel in Tirol, Kärnten, Nieder- und Oberösterreich die Vielfalt an Kleinstlebewesen zu untersuchen. Insektenrückstände auf Postbussen sind das Ausgangsmaterial. Daraus werden DNA-Proben entnommen und entschlüsselt. Die neue Methode (DNA-Spurenanalytik) spart Ressourcen und Zeit, sie deckt auch erstmals größere Gebiete ab.

Fliegen, Mücken, Bienen und viele andere Arten, aber auch eingeschleppte (invasive) Arten, können im Zuge des Projekts „Insekten-Busmonitoring“ in den ausgewählten unterschiedlichen Gegenden (Acker- und Grünland, Wald, Siedlungsgebiet) ausfindig gemacht werden. „Wir sehen, in welchem Zustand sich unsere Insektenwelt in Österreich befindet und wie sich die Artenvielfalt und Insektengemeinschaften verändern“, sagt Projektleiter Michael Traugott vom Institut für Zoologie an der Universität Innsbruck.

„Als Teil des größten Klimaschutzunternehmens unterstützen wir als ÖBB Postbus dieses Forschungsprojekt, da es einen wesentlichen Beitrag zur Untersuchung der Artenvielfalt und zur Erhaltung unseres Ökosystems und damit zum Schutz unserer Umwelt leistet“, so Alfred Loidl, Vorstand Österreichische Postbus AG.

Testzeitraum von April bis September 2024

Noch bis September 2024 läuft die Probenentnahme drei Mal pro Monat entlang von vier Buslinien je beteiligtem Bundesland (T, K, NÖ, OÖ). In Tirol werden intensiver Proben gezogen und es sind zusätzlich Fangschalen entlang der Busstrecken aufgestellt. Trockene und warme Verhältnisse sind für diese moderne Nachweismethode Voraussetzung. Bei nassem Wetter fliegen keine Insekten. Scheibenwischer sollen während des Tages auch nicht im Einsatz sein.

„Bei ihren Fahrten ,sammeln‘ öffentliche Verkehrsmittel in großer Zahl Insekten, die auf die Frontbereiche und Windschutzscheiben der Fahrzeuge prallen und dort ihre DNA-Spuren hinterlassen. Damit generieren diese Fahrzeuge wertvolle Informationen zum Vorkommen von Insekten in den regelmäßig von ihnen befahrenen Gebieten, ohne dass weitere Insekten zu Monitoringzwecken zu Schaden kommen müssen“, schildert Zoologe Michael Traugott.

Seit April beproben Projektmitarbeiter:innen mehrmals im Monat abends die Frontbereiche der Postbusse mit Mikrofasertüchern. Diese werden ausgewaschen und aus dem Wasser mittels spezieller Filter wird die Insekten-DNA gewonnen. Die so genannte eDNA (environmental DNA) wird konserviert und ab Herbst 2024 am Institut für Zoologie der Universität Innsbruck in Zusammenarbeit mit der Sinsoma GmbH analysiert.

Um anschließend Insektenarten bestimmen zu können, gleichen die Forscher:innen die vorhandenen DNA-Sequenzen mit internationalen Datenbanken ab. In einem Pilotprojekt 2021 in Tirol konnten sie ein „breites Spektrum von hunderten Insektenarten“, u.a. die Hainschwebfliege und ihre Verwandten sowie Stechmücken, Heuschrecken, Tagfalter und Wildbienen nachweisen.

Eine Hainschwebfliege sitzt auf einer gelben Blüte einer Dotterblume.

Beim Insekten-Busmonitoring werden Hunderte Arten von Fluginsekten ausfindig gemacht, darunter die Hainschwebfliege. Foto: Universität Innsbruck/Marjana Ljubisavljevic

Die Methode im Überblick

  1. Mit einem Mikrofasertuch werden Insektenreste abends von Frontscheiben und unteren Frontbereichen der Busse gesammelt.
  2. Die Tücher mit den Insektenresten werden mehrmals ausgewaschen. Mit speziellen DNA-Filtern wird aus dem Wasser Insekten-DNA (so genannte eDNA) gewonnen.
  3. Die Insekten-DNA wird im Labor extrahiert, vervielfältigt und sequenziert.
  4. Die gesammelten Daten werden mit internationalen DNA-Datenbanken abgeglichen und Insekten-Arten zugeordnet.

Zum ersten Mal werde über diesen Busmonitoring-Ansatz die Insektenvielfalt über größere Gebiete untersucht. Darüber gäbe es laut Michael Traugott bis dato noch keine umfassenden Daten oder ähnlich gelagerten Projekte weltweit. „Jene DNA-Methoden, die uns ein umfassendes Insektenmonitoring aus solchen Umweltproben erlauben, gibt es erst seit wenigen Jahren. Der Ansatz ist ressourcenschonend und zeitsparend. Wir analysieren so genannten Roadkill, also im Straßenverkehr erfasste Fluginsekten. Außerdem greifen wir für die Sammlung der Proben auf den Öffentlichen Verkehr zurück.“

Vier Personen stehen in einer Busgarage vor einem Tisch mit Untersuchungsmaterial. Ein Mann zeigt auf den Tisch, zwei junge Menschen schauen auf den Tisch. Eine Frau hält einen Filter in der Hand.

Nach dem Beproben wird vor Ort aus dem Waschwasser mittels spezieller Filter Insekten-DNA gewonnen. Foto: Universität Innsbruck

 

Forschungsergebnisse im Herbst 2025

Die Ergebnisse zur Artenvielfalt der Fluginsekten im Herbst 2025 veröffentlicht. Biodiversitätsfonds Österreich, Klimaschutzministerium und Europäische Union fördern das Projekt.

Das Insekten-Busmonitoring kann wichtige Einblicke in die Biodiversität des Landes und Auswirkungen des Klimawandels darauf liefern. Das Projekt diene auch der Bewusstseinsbildung innerhalb der Bevölkerung, indem es zeigt, welche Insekten es in den untersuchten Gegenden gibt und welche Rollen sie übernehmen.

Insekten sind für Naturhaushalt wichtig

„Für den Naturhaushalt sind Insekten von großer Bedeutung“, erklärt Zoologe Michael Traugott. „80 Prozent der Blütenpflanzen brauchen Insekten als Bestäuber. Insekten sind auch sehr wichtig als Gegenspieler von Schädlingen. Larven der Hainschwebfliegen, zum Beispiel, fressen Blattläuse. Außerdem sind Insekten eine wesentliche Basisnahrung für viele andere Tiere, wie Vögel.“ Doch aktuelle Studien stellen fest, dass weltweit in vielen Ökosystemen ein markanter Rückgang an Insekten beobachtet wird.

Zur Person
Projektleiter Michael Traugott ist Professor für angewandte Zoologie und leitet die Abteilung für angewandte Tierökologie am Institut für Zoologie der Universität Innsbruck. Er betreibt seit 25 Jahren internationale Forschung im Bereich Entomologie. Er und sein Team haben über 20 Jahre Erfahrung in der Entwicklung und im Einsatz von DNA-Spurenanalytik und in der Erforschung von Insekten in verschiedensten Lebensräumen.

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