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Niewiadomski Jozef: Wider Schwarzmalerei oder vom Überschuss an Hoffnung
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Wider Schwarzmalerei oder vom Überschuss an Hoffnung
(Predigt zum zweiten Adventsonntag. Gehalten in der Jesuitenkirche am 5./6. Dezember 2020)

Autor:Niewiadomski Jozef
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2020-12-07

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Predigt im Anschluss an Jes 40,1-5.9-11, aber auch den psalm 137

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Auch sie waren gefangen. Zwar nicht von einem heimtückischen Virus, sondern von den machtgeilen, eroberungsversessenen Nachbarn. Ihr gewohnter Lebensraum existierte nicht mehr. Mit ungewisser Zukunft vor Augen harrten sie dessen, was da kommen mag. Woher die Kraft zu leben nehmen? Musik? Instrumente schwiegen. Sie lagen zwar nicht im Schrank, dafür hingen sie buchstäblich an den Ästen der Weiden an jenen Flüssen, die durch das Gedicht einer sensiblen Seele weltberühmt wurden: die Flüsse Babylons. Dort saßen sie und weinten. Die aus der Bahn geworfenen Menschen. Generation um Generation. Mit Wehmut erinnerten sie sich der Tage, als alles noch anders war, mahnten gar die Schnelllebigen, sie dürfen die Vergangenheit nicht vergessen. „Wenn ich dich vergesse Jerusalem, soll mir die rechte Hand verdorren und die Zunge am Gaumen kleben“ (vgl. Ps 137, 5f.). Null Hoffnung und Zuversicht! Zorn, Ressentiment und Rachegefühle: sie bemächtigten sich des Gemüts. Flüche kamen von den Lippen mit der Selbstverständlichkeit des Amens in der Kirche: „Wohl dem, der deine Kinder – die Kinder des Feindes – packt und sie an Felsen zerschmettert“ (vgl. Ps 137,9).

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Liebe Schwestern und Brüder, wie kaum ein anderer Text verdichtet der berühmte psalm 137 die Hoffnungslosigkeit von Menschen, die in der Sackgasse stecken und keinen, aber gar keinen Ausweg sehen. Kein Licht am Ende des Tunnels. Nur Schwarzmalerei, nur das Klagen und Verwünschen, gar Verfluchen prägen ihren Alltag. Jede Initiative zur Veränderung wird schlecht geredet, jeder Hoffnungshalm zertrampelt, jeder noch glimmende Docht ausgelöscht. Der psalm besingt die menschliche, ja allzu menschliche Mentalität, jene Mentalität, die auch unter normalen Umständen immer noch ein Haar in der Suppe findet. Und wenn sie es nicht schafft, dann schmuggelt sie eines hinein.

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Warum diese lange Reminiszenz an den weltberühmten psalm in der Zeit der Pandemie? Weil vieles von unserer Situation an die Tage von damals erinnert. Nicht ein Volk sitzt heute gefangen, sondern die ganze Menschheit ist zur Geisel eines Virus geworden. Des Virus, das mit einer mechanischen Selbstverständlichkeit vieles, wenn gar nicht alles auf seinem Weg zerstört, zumindest verletzt: im Alltagsleben, in der Religion, in Kultur und Wirtschaft. Das Heimtückischste an diesem Virus wäre aber, wenn dessen Präsenz uns jene Mentalität bescheren würde, von der die Klagenden an den Flüssen Babylons gefangen worden sind.

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Gerade deswegen ist es sinnstiftend an diesem Nikolosonntag sich zu vergegenwärtigen, dass das großartige Geschenk der Worte der heutigen Lesung exakt derselben Situation entspringt, wie die Worte des psalms. Sie hatten auch dieselben Adressaten: sie richteten sich an jene Menschen, die da bloß saßen und weinten, sich an die Vergangenheit erinnerten und jeden Hoffnungsschimmer gleich erstickten. Wie der psalmist tritt auch der Prophet seinen Landsleuten entgegen, doch ist seine Botschaft eine ganz andere: „Tröstet, tröstet mein Volk!“ (Jes 40,1). Das Wort Gottes präsentiert sich als eine Botschaft mit einem gewaltigen Hoffnungsüberschuss. Und dieser ist im konkreten Alltag der Adressaten geerdet. Der Prophet scheut die Konkretheit nicht; er wagt es, den Perserkönig Kyros, der das babylonische Reich bedroht, mit messianischen Kategorien zu deuten. Dieser ist das Licht, das am Ende des Tunnels erscheint. Aus dem tiefen Glauben heraus stärkt der Prophet das Grundvertrauen: Gott handelt und Kyros ist sein Werkzeug.

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Liebe Schwestern und Brüder, der Text der heutigen Lesung hat Hunderten von Generationen Hoffnung und Zuversicht gespendet, weil er der gesunden Logik des Glaubens entspringt. Sie vertraut auf das Handeln Gottes, nimmt aber sehr deutlich Spuren des Guten in scheinbar ausweglosen Situationen wahr und (und das ist das Entscheidende) vermag in diesen Spuren Zeichen, Werkzeuge göttlichen Handelns zu erblicken. Was bedeutet das für uns, die wir zur Geisel des Virus geworden sind und auch in der Gefahr stehen, immer und immer wieder der Mentalität der Weinenden von den Flüssen Babylons zu verfallen? Auch, oder gerade uns gilt das Wort Gottes: „Tröstet, tröstet!“ Denn: gerade an diesem Wochenende sind Tausende und Abertausende als Volontäre im Dienst der Bekämpfung der Pandemie tätig. „Tröstet, tröstet!“ Denn: tagtäglich ackern sich Menschen ab im Dienst an den Anderen, gerade im kräftezehrenden Dienst an Kranken und Sterbenden. „Tröstet, tröstet!“ Denn: eine realistische Hoffnung auf den Impfstoff ist da. Sah Deuterojesaja im fremden Herrscher die messianische, die rettende Gestalt, die von Gott geschickt wurde, so kann der heutige Prediger in diesem Impfstoff ein Zeichen göttlicher Vorsehung sehen, die ja den vielen Forscherinnen und Forschern, den Menschen in der Produktion und Logistik inspirierend beisteht und sie auch stärkt. Der Mensch des Glaubens spielt Gott und die Wissenschaft nicht gegeneinander aus. Er nimmt vielmehr das Wirken Gottes im menschlichen Handeln wahr. Und zwar dort, wo auch nur der kleinste Schimmer des Guten den Menschen die Hoffnung zu stärken vermag.

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