Müll trennen, mehr Rad fahren, weniger Fleisch auf dem Teller: Was der Umwelt hilft, ist weitestgehend allen bekannt. Und auch die Existenz der Klimakrise ist nicht so umstritten, wie eine laute Minderheit uns glauben machen will: Rund 95 Prozent der Bevölkerung bezweifeln gar nicht, dass sich das Klima dramatisch ändert und wir alle unser Verhalten entsprechend anpassen müssen. Warum das aber trotzdem nicht so weitreichend passiert, wie es nötig wäre, sieht sich die Psychologin Jana Kesenheimer, PhD näher an: „Wir haben uns zuerst – Prof. Tobias Greitemeyer und ich gemeinsam – Alltagssituationen angesehen und rund 180 Proband:innen gebeten, uns in Tagebuchform in einer App zu berichten, wann sie umweltbewusst gehandelt haben und für wie kostspielig sie dieses Handeln selbst gehalten haben. Insgesamt haben diese Personen über 4.000 Verhaltensweisen berichtet.“ Wenn in der psychologie von „kostspielig“ die Rede ist, sind damit nicht zwangsläufig finanzielle Kosten gemeint; es geht generell um den empfundenen Aufwand und eine mit einem Handeln verbundene Anstrengung. „In der psychologie gibt es eine sehr oft überprüfte Theorie, die besagt, dass Optionen, wenn sie so einfach sind, dass sie keinen Aufwand verursachen, automatisch genommen werden. Die eigene Einstellung sollte keine Rolle dabei spielen. Um bei Umweltbewusstsein zu bleiben: Wenn ein Plastiksackerl im Supermarkt Geld kostet und ich gesondert und aktiv danach fragen muss, sollte die Mehrheit keines nehmen, weil die Alternative weniger kostspielig ist und man spätestens beim nächsten Einkauf einen Stoffsack selbst mitbringt, und zwar unabhängig davon, ob man sich selbst als umweltbewusst beschreibt oder nicht“, erklärt Kesenheimer. Umgekehrt gilt für kostspieligere Alternativen, dass die eigene Einstellung deutlicher vorhersagen sollte, wie man handelt – also man als umweltbewusste Person eher geneigt sein sollte, zum Beispiel für eine Konferenz in Barcelona den Zug zu nehmen statt eines Flugzeugs, obwohl die Zugfahrt deutlich teurer ist und viel länger dauert als ein Flug. „In der Studie haben nun aber weniger umweltbewusste Menschen öfter kostspielige Situationen berichtet, in denen sie sich umweltbewusst verhalten haben und umgekehrt, also genau das Gegenteil dessen, was zu erwarten war.“
Subjektive Entscheidung
Mit einem Blick auf die tatsächlichen Antworten ergab sich für das Team aber rasch ein Grund für diese Einschätzung: Die Proband:innen konnten selbst angeben, wie kostspielig eine Entscheidung für sie war. „Zuerst bin ich darüber gestolpert, dass eine Person als umweltbewusstes Handeln angegeben hat, zum Kochen von Wasser einen Deckel verwendet zu haben und das mit Kosten von 7 von 10 bewertet hat. Mein Gedanke war: Das ist eine Maßnahme, die ich nie nennen würde, weil sie mir so banal erscheint, und vor allem fand ich das nicht besonders kostspielig, in keinem Fall auf Stufe 7 von 10. Umgekehrt haben umweltbewusste Personen ihr Handeln als grundsätzlich weniger kostspielig eingeschätzt. Das hat uns gezeigt: Subjektivität spielt hier eine sehr große Rolle, das erschwert die Untersuchung.“ Die Forscher:innen haben dann rund 160 weitere Proband:innen akquiriert, die das Verhalten der Teilnehmer:innen in der ersten Studie beurteilt haben – also zustimmen mussten, ob das Verhalten auf der Kostspieligkeitsskala richtig eingeschätzt wurde oder nicht. „Da konnten wir dann zeigen, dass es systematische Verzerrungen gibt. Menschen, die wenig umweltbewusst eingestellt sind, überschätzen systematisch die Kosten und unterschätzen den Nutzen. Und Leute mit größerem Umweltbewusstsein sehen in allem einen Vorteil und sagen, so kostspielig war es auch nicht.“
Bei dieser dadurch nachgewiesenen Subjektivität setzt Kesenheimer nun an, im Herbst starten mehrere neue Studien, die Umweltbewusstsein systematisch untersuchen: „In folgenden Studien fixieren wir nun das Verhalten, um nur noch nach dem Aufwand zu fragen. Die Subjektivität des Verhaltens ist damit ausgeklammert, aber die Wahrnehmung des Verhaltens kann ich mir ansehen. Wir haben zum Beispiel im Sommer Leute zu einer Studie eingeladen, mit dem Vorwand, etwas für uns im Internet zu recherchieren. Dabei haben wir drei umweltbewusste Entscheidungen eingestreut – zum Beispiel haben wir im Treppenhaus darauf aufmerksam gemacht, wie viel CO2 man einspart, wenn man statt dem Aufzug die Treppen nimmt. Erst am Ende haben wir das dann aufgeklärt und abgefragt: Wie hast du dich entschieden, für Treppe oder Aufzug, und war es für dich kostspielig? Das werte ich gerade aus.“ Geplant sind auch Studien zu Geschmacksvorlieben, wie Kesenheimer erläutert: „Das interessiert mich persönlich auch sehr: Umweltbewusstsein spielt auch bei Nahrungsmitteln eine Rolle – umweltbewusste Menschen finden tendenziell Tofu super und mögen auch Hafermilch in Kaffee. Daneben gibt es viele, die sagen, das schmeckt furchtbar. Auch Geschmackspräferenzen sind sehr subjektiv, wenn es um umweltbewusste Ernährung geht, das will ich mir näher ansehen.“
„Geheime“ Teilnahme
Generell verrät Kesenheimer ihren Proband:innen meist nicht im Vorfeld, dass sie einer Studie zu Umweltbewusstsein teilnehmen – das verhindert, dass sich bei Aufrufen zur Teilnahme nur ohnehin umweltbewusste Menschen melden. „Wir wollen einen möglichst breiten Mix an Proband:innen, die wir auch erst am Ende in einem Fragebogen abfragen, wie umweltbewusst sie sich einschätzen“, sagt die Psychologin. Das Verständnis subjektiver Einschätzungen kann auch helfen, künftige Maßnahmen – auch solche, die in Form von Regulierungen „von oben“ kommen – besser zu kommunizieren: „Wenn wir wissen, aus welchen Gründen Menschen auf eine bestimmte Art handeln, können wir Maßnahmen besser abstimmen.“
Zur Person
Jana Sophie Kesenheimer hat an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen studiert, zwischendurch im Bereich der Marktforschung und im Marketing gearbeitet und dann nach einem „besseren Sinn“ gesucht – den sie durch ihr Doktorat an der Universität Innsbruck 2019 gefunden hat. 2022 schloss sie den PhD mit dem Titel „Psychologische Determinanten umweltbewussten Verhaltens“ (engl. im Original) an der Universität Innsbruck ab. Seitdem vertieft sie ihre Forschung in diesem Bereich als Post-Doc, um die psychologischen Barrieren und Treiber einer nachhaltigen Transformation auf individueller Ebene zu verstehen.
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe 01/24 des Forschungsmagazins der Universität Innsbruck erschienen.