Das Signalprotein MTOR (Mechanistic Target of Rapamycin) ist ein Sensor für Nährstoffe wie Aminosäuren und Zucker. Wenn genügend Nährstoffe zur Verfügung stehen, kurbelt MTOR den Stoffwechsel an und sorgt dafür, dass ausreichend Energie und Bausteine für das Wachstum und die Funktion aller Zellen im menschlichen Körper zur Verfügung stehen. „Weil MTOR ein derart zentraler Schalter für den Stoffwechsel ist, führen Fehler in seiner Aktivierung zu ernsten Krankheiten. Dies sind zum Beispiel Krebserkrankungen, die mit übermäßiger Stoffwechselaktivität, Zellwachstum und -ausbreitung einhergehen. Auch Fehlentwicklungen des Nervensystems, die zu Schwierigkeiten in der Reizverarbeitung bis hin zu Verhaltensstörungen und Epilepsie führen, können die Folge sein, wenn MTOR fehlgeschaltet ist“, erklärt Kathrin Thedieck, Professorin für Biochemie an der Uni Innsbruck.
Um Fehler in der MTOR-basierten Signalverarbeitung zu verhindern, kontrolliert die Zelle seine Aktivität sehr genau. Dies tut sie unter anderem durch sogenannte Suppressoren. Das sind Moleküle, die ein Protein hemmen und dabei helfen, seine Aktivität zu dosieren. Der TSC-Komplex ist so ein Suppressor für MTOR. Er ist nach der Erkrankung, die sein Fehlen hervorruft, benannt – der Tuberösen Sklerose (engl. tuberous sclerosis, TSC). Der TSC-Komplex sitzt gemeinsam mit MTOR an kleinen Strukturen in der Zelle, den sogenannten Lysosomen, und hält dort MTOR in Schach. Wenn der TSC-Komplex – beispielsweise durch Veränderungen (Mutationen) in einer seiner Komponenten – nicht mehr am Lysosom bleibt, kann dies zu übermäßiger MTOR-Aktivität mit schweren gesundheitlichen Folgen führen.
Protein mit Ankerfunktion
Die Teams um Kathrin Thedieck an der Universität Innsbruck und Christiane Opitz am DKFZ erforschten deshalb, auf welche Weise der TSC-Komplex an Lysosomen bindet. Hierbei entdeckten sie, dass die G3BP-Proteine (Ras GTPase-activating protein-binding protein) zusammen mit dem TSC-Komplex an Lysosomen sitzen. Dort bilden die G3BP-Proteine einen Anker, der dafür sorgt, dass der TSC-Komplex an die Lysosomen binden kann. Diese Ankerfunktion spielt in Brustkrebszellen eine entscheidende Rolle. Ist die Menge von G3BP-Proteinen in Zellkulturen vermindert, so führt dies nicht nur zu einer erhöhten MTOR-Aktivität, sondern steigert auch die Ausbreitung der Zellen. Wirkstoffe, die MTOR hemmen, verhindern diese Ausbreitung. In Brustkrebspatient*innen korreliert eine niedrige G3BP-Menge mit einer schlechteren Prognose. „G3BP-Proteine könnten daher interessante Marker sein, um personalisierte Therapien zu entwickeln und die Effizienz von Medikamenten, die MTOR hemmen, zu verbessern“, so Christiane Opitz vom DKFZ.
Auch im Gehirn hemmen die G3BP-Proteine MTOR. Im Zebrafisch, einem für die Pharmaforschung wichtigen Tiermodell, beobachteten die Forscher*innen Störungen der Gehirnentwicklung, wenn G3BP fehlt. Dies führt zu neuronaler Hyperaktivität, ähnlich wie bei Epilepsie im Menschen. Diese neuronalen Entladungen konnten durch Wirkstoffe, die MTOR hemmen, unterdrückt werden. „Wir hoffen deshalb, dass Patient*innen mit neurologischen Erkrankungen, bei denen die G3BP-Proteine fehlerhaft sind, von MTOR-gerichteten Wirkstoffen profitieren könnten. Hier stehen wir noch am Anfang und möchten dies zukünftig gemeinsam mit unserem Forschungsnetzwerk weiter untersuchen“, sagt Kathrin Thedieck von der Universität Innsbruck. Zu diesem zählt auch lukas A. Huber, Direktor der Zellbiologie der Medizinischen Universität Innsbruck, der sich über den gemeinsamen Erfolg freut: „Durch diese, bereits so erfolgreiche Zusammenarbeit entsteht gerade ein starker Forschungsschwerpunkt zu MTOR und Lysosomen an den beiden Innsbrucker Universitäten, und ich sehe unseren nächsten Projekten schon mit Spannung entgegen“, so lukas A. Huber.
Die Studie ist in der Fachzeitschrift Cell erschienen. Ihre Autor*innen wurden u.a. von der deutschen Tuberöse Sklerose Stiftung, der niederländischen Stiftung TSC Fonds, dem österreichischen Wissenschaftsfonds, der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Europäischen Union im Rahmen des Brustkrebskonsortiums MESI-STRAT (www.mesi-strat.eu) gefördert.