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Niewiadomski Jozef: “Kommt, esset von meinem Mahl und trinkt vom Wein, den ich gemischt”, sagt ja Frau Weisheit.
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“Kommt, esset von meinem Mahl und trinkt vom Wein, den ich gemischt”, sagt ja Frau Weisheit.
(Predigt beim Festgottesdienst anlässlich der Innsbrucker Festwochen der Alten Musik in der Jesuitenkirche am Sonntag, 16. August 2009 um 11 Uhr (zu den biblischen Texten: Spr 9,1-6; Joh 6,51-58).)

Autor:Niewiadomski Jozef
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:
Publiziert in:#Originalbeitrag für den Leseraum
Datum:2009-08-16

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

1
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"Danke! Danke, dass Ihr gekommen seid. Gekommen, um von meinem Mahl zu essen und auch zu trinken vom Wein, den ich gemischt!" Die Einladung der Frau Weisheit, jene Einladung, die uns in der Liturgie gerade als das Wort Gottes, als das uns alle treffende Wort des lebendigen Gottes verkündet wurde, diese Einladung ging offensichtlich nicht ins Leere. Eine bis auf den letzten Platz gefüllte Kirche - und dies beim schönsten Sonntagswetter, zahlreiche Menschen, die dem Charme der Frau Weisheit, der liebenswürdigen Verlockung dieses göttlichen Hätschelkindes erlegen sind, sitzen da und haben Anteil an der fruitio, an dem Genuss dieses Lieblingskindes  Gottes....

2
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"Moment mal! Nicht so schnell", wird der eine oder andere Gast, der sich heute hier eingefunden hat, sagen - etwa der Kulturkritiker, der sonst nie in die Kirche geht. "So einfach lasse ich mich nicht vereinnahmen. Ich bin doch bloß gekommen, um die Musiker des Ensembles "moderntimes_1800" zu hören, vielleicht auch um Gottfried Finder mit seiner "Suonate a tre" zu erleben. Die Messe und den Prediger nehme ich bloß in Kauf und auch seine Frau Weisheit... Ist doch alles bloß ein billiger Werbetrick, um Menschen in die Kirche zu locken -  fast schon nach dem Motto: Sonntagsbrunch bei den Jesuiten! Der Stiftskeller ist mir da wohl lieber."

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Liebe Schwestern und Brüder, die Innsbrucker Festwochen der Alten Musik überschreiten die Grenze zur Liturgie, nehmen die Kirche nicht bloß als einen Ort in Anspruch, an dem Konzerte aufgeführt werden. Das Programm "Alte Musik im Gottesdienst" bezieht den Gottesdienst ein als einen integralen Bestandteil des Festivals ..., zwar nur im Rahmenprogramm - aber immerhin.

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Warum die Grenzüberschreitung? Weil Tabubrüche heute in der Zeit postmoderner Beliebigkeit "in" sind? Wegen dem Erlebniskick? Der Weihrauch, die unbequemen Kirchenbänke und vieles andere vom Kirchenkram können mit den raffinierten Mitteln einer gestylten und designten Event Society nicht mithalten. Den Kick, den kriegt man heutzutage woanders. Vielleicht findet aber die Grenzüberschreitung zwischen Festspielen und Liturgie statt, weil auch in der Liturgie der Vorhang für die letzten Helden aufgeht? Das Rahmenthema des diesjährigen Festivals trägt ja den Titel: "Letze Helden"; es will uns auch entführen in eine Zeit, "wo Männer ein letzes Mal noch echte Männer waren" - selbst wenn sie als Kastraten oder dann als Countertenöre Sopran gesungen haben. Das Festival will Menschen entführen in eine Zeit, "wo die Liebe die einzige Heldentat war, vor der man sich fürchtete und für die es sich zu sterben lohnte" - auf eine romantische Art und Weise freilich. Findet also die Grenzüberschreitung zwischen Festspiel und Liturgie statt, weil auch in der Liturgie - und dies tagtäglich - der Vorhang aufgeht für die letzten Helden, an deren Schicksal man sich amüsieren kann? Weil Liturgie ein Heldengalapagos in einer entzauberten und heldenarmen Welt sei? "Jein!", wird der Prediger sagen.

5
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Natürlich haben das Theater und die Liturgie mehr an Gemeinsamkeiten als der sprichwörtliche Mann von der Straße vermuten würde, liegt doch der Ursprung des Theaters im Ritus selber - also in der Liturgie! Natürlich kann eine aufgeklärte Gesellschaft wie die unsrige auch Christus in die Kategorie der "letzten Helden" einreihen, ihn so zu einer Gestalt aus der alten Welt machen, zu einer Gestalt, die von den Priestern Sonntag für Sonntag besser oder schlechter in Szene gesetzt wird, den Menschen als Projektionswand angeboten - wie eben alle mythologischen Gestalten. Natürlich kann man Liturgie als kulturelles Event begreifen. All diese Parallelen sind da, doch sie weisen nur auf den eigentlichen Grund für die kreativen Grenzüberschreitungen hin, sind also so etwas wie vestigia veritatis, so etwas wie die Spuren der eigentlichen Wahrheit. Denn der Grund für die inspirierenden Grenzüberschreitungen liegt im lebendigen Gott selber und in seiner Freude an Kommunikation. "Wie soll man das bloß verstehen, dieses Kirchenlatein?", werden sie fragen.

6
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Das alttestamentliche Buch der Sprichwörter, jenes Buch, aus dem unsere heutige Lesung entnommen wurde, macht dieses Geheimnis verständlich, indem es zwei unterschiedliche Lebenshaltungen beschreibt: die Lebenshaltung des weisen Menschen und die des Toren. Beide Haltungen scheinen zuerst bloß das Ergebnis der Verführung zu sein. Weisheit und Torheit treten ja im Buch der Sprüche als personifizierte Gestalten auf. Beide sind Wirtinnen. Denn auch die Frau Torheit sitzt vor der Tür ihres hauses, um die Vorübergehenden einzuladen. Im Unterschied zur Frau Weisheit, die ihren Gästen, die sie eingeladen hat, auch reichlich auftischt: Fleisch, Brot und Wein - sie hat ja ihr Vieh geschlachtet und auch ihren Wein gemischt, schöpft also au dem Vollen -, weiß die Frau Torheit bloß die Phantasie ihrer Gäste anzuregen und die Gier zu entfachen. "Süß ist gestohlener Wein, heimlich entwendetes Brot schmeckt lecker" (Spr 9.17), lautet einer ihrer Sprüche. Frau Torheit als Urheberin der Seitenblickekultur und als Patin der Kultur des Neides, der daraus resultierenden Maßlosigkeit des Begehrens, der ständigen Unzufriedenheit und des Ressentiments! Das durch sie entfachte Begehren wird ja niemals erfüllt, die appetitio mündet niemals in der fruitio, denn schon der kleinste Seitenblick stürzt mich vom Gipfel des Genusses herab: Der andere hat ja mehr - mehr an Brot und Wein, mehr an Geld, mehr an Ruhm, mehr an Applaus. Der andere kann mehr und er kann öfters! Das Gift des Neides vergiftet den Genuss. - "Ja", werden sie sagen, "das kennen wir alle nur allzu gut von unserem Alltag. Das ist das tägliche Brot, das wir essen. Was hat das aber alles mit Gott zu tun?"

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Liebe Schwestern und Brüder! Jene Wirtin, die nicht nur einlädt, die nicht nur die Phantasie und den Neid entfacht, sondern die auch auftischt, jene Wirtin, die dem Appetit zum Genuss verhelfen kann, wird in diesem biblischen Buch mit Gottes Weisheit identifiziert. Gott selber überschreitet also die Grenze zu seiner Schöpfung. Gott selber teilt sich mit, Gott selber regt unsere appetitio an und wird auch zum Gegenstand des Genusses. Das gilt schon für die ganz alltäglichen Lebensvollzüge: "Iss freudig dein Brot und trink vergnügt deinen Wein. Mit einer Frau, die du liebst, genieß das Leben alle Tage deines Lebens", lautet der Ratschlag eines biblischen Autors (Koh 9,7.9) - ein Ratschlag, der eben diese göttliche Weisheit zum Autor und zum Urheber hat, und der deswegen auch zu einer gläubigen Gelassenheit im Leben führt, zur heiteren Lebensfreude, zu einer Haltung, in der der Mensch gar unter widrigen Umständen gelassen ausrufen möchte: "La vita è bella - das Leben ist schön!" Während der Spruch: "Lass uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot" (vgl. Jes 22,13) bloß zur Resignation verführt oder aber angesichts der Maßlosigkeit des Seitenblicks beim "großen Fressen" endet, damit auch bei der Verzweiflung der Gottlosigkeit: der Verzweiflung eines homo incurvatus in se ipsum. Ein solcher Mensch würde sich buchstäblich zu Tode fressen und saufen, sich auch zu Tode ficken und dem Rausch der Gewalt verfallen. Ist deswegen das Begehren zu tadeln? Ist deswegen das Begehren zu dämonisieren? Nein!

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Gott selber regt ja unsere appetitio an, er tut es aber so, dass er sie auch zur Erfüllung bringen kann. Darin besteht ja seine Wahrheit. Er betrügt uns nicht, er lädt ein und begleicht die Zeche, wogegen die Torheit auf unsere Kosten gedeiht. Durch seine vom Himmel herabsteigende Weisheit, ja durch sein menschgewordenes Wort stellt Gott die unerschöpfliche Inspirationsquelle dar. Mit seiner Kraft können wir den Verführungskünsten der Frau Torheit standhalten, oder aber die Sackgassen, die allein aus der Seitenblickekultur, aus dem Neid, aus der Rivalität und dem Ressentiment entstehen, wir können sie wandeln, wir können sie transformieren.

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Die Innsbrucker Festwochen der Alten Musik überschreiten die Grenze zur Liturgie, sie signalisieren damit, dass - auch unter den modernen Bedingungen des Marktes, auch im Kontext des durch den allgegenwärtigen Seitenblick entfesselten Begehrens - die Kunst nicht bloß ein Wirtschaftsfaktor und Konsumgut sei, sondern ein Vollzug des menschlichen Geistes, ein Akt, der sich letztendlich aus den Quellen göttlicher Weisheit speist.

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Liebe Schwestern und Brüder, wir feiern Eucharistie. An der zentralen Stelle dieser Feier heißt es: "Nehmet und esset! Das ist mein Leib! Trinkt! Das ist mein Blut!". Und im heutigen Evangelium heißt es: "Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist". Gott selber wurde Mensch, hat sich also mit den Menschen auf eine nicht zu lösende Art verbunden, um ihnen so den Tisch der Frau Weisheit in einen Stammtisch zu verwandeln, einen Stammtisch, an dem Qualitätsprodukte serviert werden: für Leib und Seele. Er schenkte sich uns voll und ganz - ohne Vorbehalt, lässt sich also verzehren. Ein wunderschönes Symbol: Um Gottes teilhaftig zu werden, brauchen wir uns hier nicht zusätzlich anzustrengen. Wir brauchen keinen Heldenmut und auch nicht Heldenkraft. Diese brauchen wir ja im Alltag zur Genüge. Wir dürfen Gott empfangen: Er schenkt sich uns und verwandelt uns! Warum ist diese Wahrheit den Kirchgängern so wichtig? Unser aller Wege zu dieser Feier führen an den Häusern beider Frauen vorbei. Sowohl die Torheit des Seitenblicks und des daran entfachten maßlosen Begehrens als auch die Weiheit der appetitio, die auf fruitio drängt, eine appetitio, die uns Gott schenkt: Beides prägt unseren Alltag, zeichnet für redliche Bemühungen aber auch für Ellbogentaktik verantwortlich, für echtes Heldentum im Alltag und für die Schurkerei. Hören wir die an uns gerichtete Einladung: "Nehmt und esst, nehmt und trinkt!". Empfangen wir Ihn, den menschgewordenen Gott, und lassen uns wandeln. Wandeln durch Gott selber, auf dass wir das Leben haben, das wahre Leben, das ewige Leben, den ewigen Genuss Gottes und seiner Seligen. Einen Genuss, der auch im Tod nicht endet.

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"Danke, danke, dass ihr gekommen seid", ruft uns noch einmal die göttliche Weisheit zu. "Gekommen, um von meinem Mahl zu essen und auch zu trinken vom Wein, den ich gemischt. Ihr werden Leben haben, göttliches Leben in Fülle. Den Inbegriff der fruitio, den Genuss par excellence".

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