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Niederbacher Bruno: Der Mensch ist geschaffen
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Der Mensch ist geschaffen
(Prinzip und Fundament im Exerzitienbuch des Ignatius von Loyola)

Autor:Niederbacher Bruno
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:
Publiziert in:# Originalbeitrag für den Leseraum
Datum:2005-12-05

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

1
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„Der Mensch ist geschaffen, um Gott, unseren Herrn, zu loben, ihm Ehrfurcht zu erweisen und zu dienen und mittels dessen seine Seele zu retten; und die übrigen Dinge auf dem Angesicht der Erde sind für den Menschen geschaffen und damit sie ihm bei der Verfolgung des Ziels helfen, zu dem er geschaffen ist.“ (1)

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Mit diesem wuchtigen Satz beginnt das „Prinzip und Fundament“, jener Text, welcher den geistlichen Übungen, den Exerzitien, vorausgeht. Es geht um das Fundament, auf dem alles Weitere aufbaut. Es ist als ob Ignatius sagen wollte: Wenn du richtig üben willst, wenn du richtig beten willst, wenn du christlich leben willst, dann musst du auf das richtige Fundament bauen. Ohne rechtes Fundament wird Religion leicht ein Krampf. Dieses Fundament gilt es zu entdecken.

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„Der Mensch ist geschaffen, um Gott, unseren Herrn, zu loben, ihm Ehrfurcht zu erweisen und zu dienen.“ Nun könnte man sich gleich auf den Finalsatz stürzen und sich fragen: Wozu bin ich da? Was muss ich tun? Was wird von mir erwartet? Was ist mein Ziel? Wie kann ich es erreichen?

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„Langsam, langsam!“, sagt Ignatius. Setze nicht den zweiten Schritt vor den ersten! Meditiere zuerst den Indikativsatz! „Der Mensch ist geschaffen.“ Mach hier mal einen Punkt, auch wenn im Text ein Komma steht! „Ich bin geschaffen. Ich bin von Gott gewollt, so wie ich bin.“ Verweile bei diesem Gedanken, genieße ihn, koste ihn aus, lass ihn ganz bei dir ankommen... und gehe erst dann weiter!

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Ich bin geschaffen; nicht nur am Beginn meines Lebens oder am Beginn der Welt, sondern jetzt, in diesem Augenblick: Ich bin jetzt da, ich existiere jetzt, weil Gott mich am Dasein erhält. Das heißt Schöpfung.

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Ich bin geschaffen; nicht, weil Gott mich für etwas anderes braucht. Wir bauen Autos und Flugzeuge, weil wir sie brauchen. Gott fehlt nichts. Gott ist vollkommen. Die Werke der Schöpfung sind Ausdruck seiner Liebe und Güte. Es ist vielleicht so, wie wenn ein Künstler ein Bild malt, oder eine Sängerin ein Lied erklingen lässt. „Bonum est diffusivum sui esse“ heißt es bei den Alten. (2) Das Gute ist derart, dass es aus sich ausströmt, dass es sich mitteilt, dass es sich verschenkt. Ich bin Ausdruck der Güte und Liebe Gottes. Gott singt und die Schöpfung ist sein Lied.

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 Es gibt verschiedene Fundamente, auf denen die Menschen ihr Lebenshaus bauen.

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Manche bauen auf ihren eigenen Erfolg. Sie denken: „Ich hab’s zu etwas gebracht. Ich habe etwas geleistet. Ich habe eine Daseinsberechtigung.“

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Andere bauen das Haus ihres Lebens auf ihrer Schönheit, Intelligenz, auf anderen körperlichen und geistigen Vorzüge. Sie denken: „Ich bin so schön, ich bin so gescheit, ich bin so talentiert. Ich habe eine Daseinsberechtigung.“

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Wieder andere bauen das Haus ihres Lebens auf den guten Ruf: „Die Leute halten was von mir. Ich bin wichtig. Man kann von mir Gutes in der Zeitung lesen. Ich habe eine Daseinsberechtigung.“

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Vorsicht, sagen Jesus und auch Ignatius. Diese Fundamente sind nicht sicher. Das Haus sieht vielleicht prächtig aus, hat einen schönen Ausblick aufs Meer, aber der Grund ist sandig. Es gibt sie, die Wellen, die ziemlich schnell alles wegspülen, was einem wichtig war: die Wellen der Erfolglosigkeit, die Tiefen der Krise, die Wogen des Alters, das Auf und Ab der öffentlichen Meinung. Bau nicht auf diesem Fundament! Es trägt nur Häuser der Angst und ständigen Selbstüberforderung. Bau auf dem anderen Fundament, auf dem Felsen, auf Gott! Werde dir inne, dass er dich jeden Augenblick deines Lebens ins Dasein liebt; dass du wertvoll bist in seinen Augen, so wie du bist. Gott liebt dich nicht quasi nachträglich, nachdem du da bist, sondern: Du bist da, weil Gott dich liebt. „Wir haben an die Liebe geglaubt…“, sagt johannes. (3) „Die Liebe besteht nicht darin, dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt hat…“ (4) Lass diesen Glauben dein Fundament sein! Da brauchst du dich nicht mehr so sehr vor anderen beweisen, da hast du es nicht mehr nötig an deiner Existenzberechtigung zu basteln.

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Ich bin geschaffen. Welch befreiende Wahrheit! Verweile bei dem Gedanken, dass Gott liebevoll auf dich blickt! Beginne deinen Tag mit diesem Gedanken! Dein Leben wird sich verwandeln.

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 Ich schließe mit einer Geschichte eines Mitbruders. Er schreibt:

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„Ich hatte ein ziemlich gutes Verhältnis zum Herrn. Ich pflegte ihn um Dinge zu bitten und mich mit ihm zu unterhalten, ihn zu loben und ihm zu danken.

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Aber ich hatte stets das unangenehme Gefühl, er wolle mich veranlassen, ihm in die Augen zu sehen. Und ich wollte nicht. Ich redete zwar, blickte aber weg, wenn ich spürte, dass er mich ansah. Immer sah ich weg, und ich wusste warum. Ich hatte Angst, einen Vorwurf dort zu finden wegen irgendeiner noch nicht bereuten Sünde. Ich dachte, ich würde auf eine Forderung stoßen: irgendetwas wollte er wohl von mir.

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Eines Tages fasste ich Mut und blickte ihn an. – Da war kein Vorwurf. Da war keine Forderung. Die Augen sagten nur: ‚Ich liebe dich.’ Ich blickte lange in diese Augen, forschend blickte ich in sie hinein. Doch die einzige Botschaft lautete: ‚Ich liebe dich.’ Und ich ging hinaus und weinte wie Petrus.“ (5)

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 Schlussgebet

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Guter Gott! „Du liebst alles, was ist, und verabscheust nichts von allem, was du gemacht hast; denn hättest du etwas gehasst, so hättest du es nicht geschaffen. Wie könnte etwas ohne deinen Willen Bestand haben, oder wie könnte etwas erhalten bleiben, das nicht von dir ins Dasein gerufen wäre? Du schonst alles, weil es dein Eigentum ist, Herr, du Freund des Lebens.“ (Weish 11,24-26) Lass uns dies nie vergessen. Lass uns daran glauben und darauf Antwort geben. Darum bitten wir durch Christus unseren Herrn.

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Anmerkungen:

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1. Ignatius von Loyola, Geistliche Übungen, 23. Die folgende Predigt ist inspiriert von Piet van Breemen 1978: „Der Mensch ist geschaffen…“, in: Geist und Leben 1978, 1-10.

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2. Als Autor dieses Zitats wird meist Dionysius Areopagita angegeben, De divinis nominibus, 4,1.

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3. 1 Joh 4,16.

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4. 1 Joh 4,10.

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5. Anthony de Mello 1982: The Song of the Bird. Anand, S. 144-145. Deutsch 1984: Warum der Vogel singt. Freiburg, S. 86.

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