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Wandinger Nikolaus: König - nicht Führer
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König - nicht Führer
(Gedanken zum Christkönigssonntag (B))

Autor:Wandinger Nikolaus
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:In den 20er und vor allem 30er Jahren des letzten Jahrhunderts war das Christkönigsfest ein politisches Fest, eines, mit dem gläubige Katholiken zum Ausdruck bringen konnten, dass sie keinen „Führer“ anhimmelten, sondern einen himmlischen König anbeteten. Aber hat sich das nicht überlebt mit dem Ende des 2. Weltkriegs, mit der demokratischen Neuordnung Europas? Warum Christus den Titel des Staatsoberhaupts einer überholten Staatsform geben?
Publiziert in:
Datum:2009-11-25

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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 Lesung: Dan 7,2a.13b–14 (Offb 1,5b–8); Joh 18,33b–37

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 Liebe Gläubige,

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heute ist der letzte Sonntag des Kirchenjahres, mit dem Advent beginnt ein neues Kirchenjahr; doch zuvor feiern wir Christkönig, ein Fest, das irgendwie ein wenig quer steht zu dem, was wir normalerweise denken. 1925 erst eingeführt, nach dem 2. Vatikanischen Konzil von Ende Oktober auf Ende November verschoben, stellt es uns Christus als König vor. In den 20er und vor allem 30er Jahren des letzten Jahrhunderts war es ein politisches Fest, eines, mit dem gläubige Katholiken zum Ausdruck bringen konnten, dass sie keinen „Führer“ anhimmelten, sondern einen himmlischen König anbeteten. Aber hat sich das nicht überlebt mit dem Ende des 2. Weltkriegs, mit der demokratischen Neuordnung Europas? Warum Christus den Titel des Staatsoberhaupts einer überholten Staatsform geben?

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Nun, ganz so einfach ist es sicher nicht. Man könnte den Königstitel nämlich auch übersetzen in die Frage, was für uns das Höchste und Wichtigste auf Erden ist. Wem sind wir bereit, unser Handeln, unser Hoffen und Wünschen unterzuordnen? Was spielt die erste Geige in unserem Leben? Das ist sicher bei jeder und jedem ein wenig etwas anderes, aber es gibt einige Kandidaten, die in der heutigen Zeit dafür leicht in Frage kommen:

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Karriere, Erfolg im Beruf, Ansehen durch eigene Leistung sind so Dinge, die wir gerne auf den Königsthron hieven, um uns ihnen dann zu unterwerfen. Und dann haben wir keine Zeit für die Kinder oder die Partnerin/den Partner oder auch für uns selbst; wir lassen uns unterwerfen von einem System, das an uns als Personen nicht interessiert ist, sondern nur an unserer Arbeitskraft und Leistungsfähigkeit. Nichts gegen Arbeit und Leistung – aber wenn sie zur mein ganzes Leben bestimmenden Wirklichkeit werden, dann hängt etwas schief, dann laufen auch wir einem Führer nach, der uns in die Irre führt.

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Schönheit, perfektes Aussehen, immer jugendlich Bleiben sind auch gerne Usur­pa­to­ren eines königlichen Thrones in unserer Welt, denen manche Menschen alles unterordnen: ihre Ernährung, ihren Tagesablauf, ihre Zeit, ja sogar ihre Gesundheit. Man könnte die Liste sicher noch um einiges vermehren. Es gint mir aber nur darum, einige Beispiele zu nennen. Jeder und jede kann selbst darüber nachdenken, wo er oder sie gefährdet ist. Es zeigt sich jedenfalls: auch wir heutigen Menschen ordnen uns nur allzu oft und allzu gern fremden Königen unter. Sie haben gemeinsam, dass wir sie als Personen nicht interessieren; sie sind nur darauf aus, dass wir mit ihnen konform gehen, dass wir ihrem Idealbild entsprechen und uns diesem unterwerfen.

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Die große Frage ist aber: was ist das Heilmittel dagegen? Wieso soll es helfen, stattdessen Christus zum König zu machen? Wäre nicht doch eine demokratische Revolution – ganz ohne König und dafür mit Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – viel effektiver? Das Problem ist, dass selbst diese Werte, wenn sie ohne Rücksicht über alles gestellt werden, wie zerstörerische Könige wirken können: die Toten der Revolutionen legen ein Zeugnis dafür ab. Jeder innerweltliche Wert, er mag an sich noch so gut sein, wird zur Gefahr, wenn er absolut gesetzt, zum König gemacht, wird und durchgesetzt ohne Rücksicht auf Verluste – auf Teufel komm raus. Alle Werte, so unser Glaube, gründen letztlich in einem absoluten Wert, aber dieser ist nicht innerweltlich; er ist transzendent; er ist Gott selbst. Und doch wirkt er in diese Welt hinein – und wurde in Christus auch Teil dieser Welt.

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Wenn das aber so ist, ist dann dieser Wert nicht genauso gefährlich? Einerseits ist das so. Die Kirchengeschichte liefert uns genügend Belege dafür, dass wir Christen keineswegs gegen die Versuchung der Usurpation des göttlichen Throns gefeit waren. Gerade im Namen Christi wurden Menschen mit weltlicher Gewalt verfolgt und vernichtet – das ist eine Tatsache. Andererseits ist der Kirche – Gott sei Dank – klar geworden, dass das ein kolossales Missverständnis, ja geradezu ein Gegenzeugnis[1] dazu war, was die Kirche eigentlich tun sollte. Wenn der göttliche, jenseitige, absolute Wert in unsere Welt eintritt, so ist das nur möglich, indem er sich seiner Macht und Pracht „entäußert“, wie der Philipperbrief sagt (vgl. Phil 2,7).

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So stellt uns auch das Evangelium heute Jesus vor als einen Menschen, der vor dem Statthalter des römischen Kaisers steht und von diesem schon bald zum Tod verurteilt werden wird; und der dennoch darauf besteht, ein König zu sein, dessen Reich nicht von dieser Welt ist; wäre es von dieser Welt, würde es auch danach trachten, sich mit Gewalt durchzusetzen. Die Aufgabe Jesu aber ist, für die Wahrheit Zeugnis zu geben. Was ist diese Wahrheit?

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Jesus trat dafür ein, dass jeder Mensch einmalig von Gott geliebt ist, dass jeder Mensch gerade als die Person, die er ist, von Gott anerkannt und gewollt ist – unabhängig von anderen Maßstäben und Richtlinien. Und weil dies so ist, darum kann sich diese Wahrheit auch nicht mit Gewalt durchsetzen. Gerade weil die Wahrheit von der Liebe Gottes für jeden Menschen absolut, ganz und gar königlich, ist, kann sie nicht dadurch regieren, dass sie irgendeinen Menschen mit göttlicher Gewalt bezwingt – nicht uns, nicht Andersglaubende, ja nicht einmal Pilatus und seine Henker. Wenn der absolute Wert Gottes als König in die Welt kommt, so geht das nur in der Form des gewaltfreien Jesus. Das ist der eine, der angenehme, Teil dieser Wahrheit. Der unangenehme ist: Menschen wie Jesus landen regelmäßig vor einem Machthaber wie Pilatus – und zwar nicht, weil die Machthaber so schlecht sind, sondern weil wir alle – wir Menschen – so verführbar sind, echte Werte oder falsche Ideologien zu verabsolutieren und mit Gewalt durchzusetzen. Auch dafür legt Jesus Zeugnis ab: dass wir Gottes Geduld und Milde nicht aushalten und meinen, wir bräuchten andere, innerweltliche, Könige als den schwachen Prediger aus Nazareth. Wenn der absolute Wert Gottes also als König in diese Welt kommt, so geht das nur in der Form des Königs auf dem Kreuzesthron.

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Christkönig ist also ein Fest, das uns anregt unsere Prioritäten zu überprüfen. Wer ist Chef in meinem Leben? Ist es Gott? Ist es der Gott-in-der-Welt: Christus? Wenn ja, dann ist seine Herrschaft eine, die uns als je einmalige Personen wahrnimmt und ernstnimmt; die uns nicht verdinglicht und verzweckt; und die das mit niemandem tut. Wenn ja, dann setzt sich seine königliche Wahrheit nicht mit Unterdrückung, sondern mit Geduld und Überzeugungskraft durch, dann breitet sie sich in uns nicht mit Gewalt aus und verlangt auch nicht von uns, sie mit Gewalt zu verbreiten. Im Gegenteil: Wenn wir glauben, Gewalt gegen uns oder andere anwenden zu müssen, dann ist das ein Zeichen dafür, dass unsere Welt – und auch wir selber – noch weit entfernt davon sind, Christus wirklich als König anerkannt zu haben. Das mag oft ernüchternd sein, aber es ist auch Teil der Wahrheit, für die Christus Zeugnis ablegt.

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Der Tag, an dem die ewige, unvergängliche Herrschaft dieses Königs allen deutlich sichtbar wird, er ist noch nicht da. Aber das Wissen, dass diese Herrschaft existiert und dass sie sichtbar und spürbar werden wird, kann uns Hoffnung geben, solange die Welt – und mit ihr wir selber – immer wieder falschen Führern erliegen.

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[1] Vgl.: johannes Paul II: Tertio Millennio Adveniente. An die Bischöfe, Priester und Gläubigen zur Vorbereitung auf das Jubeljahr 2000. 10. November 1994 (Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 119). (Hg.: Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz). Bonn 1994, 33 Oder:                                                                                                                                                                                                                                     
http://www.vatican.va/holy_father/john_paul_ii/apost_letters/documents/hf_jp-ii_apl_10111994_tertio-millennio-adveniente_ge.html

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