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Scharer Matthias: DIE ,WOZU-FALLE' IN DER (RELIGIÖSEN) BILDUNG
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DIE ,WOZU-FALLE' IN DER (RELIGIÖSEN) BILDUNG
(Ein kultureller Grenzgang)

Autor:Scharer Matthias
Veröffentlichung:
Kategorieartikel
Abstrakt:Die Frage nach dem "Wozu" religiöser Bildung steht - falls Religion im Bildungskontext überhaupt noch verhandelt wird - im Mittelpunkt gesellschaftlichen Interesses. Insofern ist es verständlich, dass auch die deutschsprachige Fachzeitschrift für Religionspädagogik dieser Frage ein ganzes Heft widmet. Gleichzeitig erhebt sich die Frage, inwiefern nicht die Wozu-Perspektive in der religiösen Bildung das moderne Bildungsdilemma an sich kennzeichnet und für religiöse Bildung eine Falle darstellt.
Publiziert in:Religionspädagogische Beiträge 50/2003, 39 - 48
Datum:2003-11-14

Inhalt

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Nicht wenige kirchliche MitarbeiterInnen im Bildungsbereich, seien es ReligionslehrerInnen, ErwachsenenbildnerInnen oder GemeindekatechetInnen, und nicht wenige Eltern, die versuchen oder es versucht haben, ihre Kinder religiös zu erziehen, werden auf die Frage nach dem ‚Wozu religiöser Bildung (und Erziehung) heute' ratlos reagieren. Die Zeiten, in denen ein volkskirchlicher und traditionssichernder ‚Erfolg' religiöser Bildung verbucht werden konnte, sind längst vorüber. Die Verlegenheit bei der ‚Wozu-Frage' scheint mir aber tiefer zu liegen, als es der empirische Befund über Erfolg oder Erfolglosigkeit religiöser Bildung begründen kann. Sie verweist auf ein Dilemma, das in der Frage selbst und ihrer Verortung in den gegenwärtigen Lebenskulturen des Nordens der Welt liegt. Denn wenn es um Bildung geht sind selbst im kirchlichen Kontext kaum mehr Spuren jener Ursprungsbedeutung des Wortes zu erkennen, die ihm sein ‚Erfinder', der mittelalterliche Mystiker und Theologe Meister Eckhart gab: Dass der Mensch im Laufe seines Lebens in das ‚eingebildet' werde, was er im Lichte des Glaubens immer schon ist: Ebenbild Gottes und Schwester und Bruder Jesu Christi, der ‚Ikone' des unsichtbaren Gottes in der Welt (1) . Bei der Bildung im ursprünglichen Sinn des Wortes geht es nicht um Aus-, Fort- oder Weiterbildung oder um irgendwelche Qualifikationen und seien es theologische, sondern um eine ganzheitliche, prozessorientierte Wandlung des Menschen, um ein An-Sich-Geschehen-Lassen, hin auf das Geheimnis der menschlichen Person, auf die Gnade und Last der unverwechselbar eigenen Lebensgeschichte.

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Im Widerspruch zum mystisch-theologischen Bildungsverständnis des Meister Eckhart ist die Frage nach dem ‚Wozu religiöser Bildung heute' als eine klassisch funktionale Frage in den Kontext einer geradezu totalitären Fortschrittsgesellschaft hineingesprochen, die sich im ‚totalen Markt', durch ‚totalen Konsum' und mit ‚totaler Information' zu Tode qualifizieren will. Die Frage des Heftes entspricht unserem gegenwärtigen kulturellen Verhältnis zur Religion und auch zur Bildung im Norden der Welt. Religion und mit ihr die religiöse Bildung - was immer unter diesem Begriff subsumiert werden mag (2) - muss seine kulturell-gesellschaftliche, gemeinschaftliche und individuelle Funktion erweisen, damit sie Geltung erlangt. Was unter keinem „Es-Ist-Zu-Etwas-Nütze" eingeordnet werden kann, hat gesellschaftlich offensichtlich keine Bedeutung: es gilt nicht. Damit schmiegt sich die Themenstellung dieses Heftes einer religionssoziologisch orientierten Perspektive von Religion und religiöser Bildung in der spätmodernen Gesellschaft an, aus der gegenwärtig kaum ein Ausstieg zu erwarten ist, so problematisch diese Sichtweise für die Geltung des Christentums und für das Bildungsverständnis auch sein mag. Denn die Funktionalität von Religion und religiöser Bildung ist mit der Auffassung von einer selektierten Gesellschaft verbunden, in der die verschiedenen Institutionen, RollenträgerInnen usw. auf ganz bestimmte Funktionen festgelegt sind, die sie in der Gesellschaft möglich effizient leisten sollten:

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Glaube und Religion werden zu Hilfsmitteln, das Leben intensiver und ausgeglichener zu leben, als dies ohne sie möglich ist, mentale Kräfte aufzufrischen, die sonst vielleicht ungenutzt blieben, kulturelle Identität zu liefern, die ohne sie immer prekärer würde … Religion ist wieder gefragt - gewissermaßen als eine ins Geistig-Geistliche hinein verlängerte Suche nach Lebensqualität und -intensität (3) .

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Wohl wandeln sich die Funktionen und Rollen ständig; doch sie müssen innerhalb gesellschaftlicher Zuschreibung in ihrer Funktionalität erkennbar bleiben, damit sie öffentlich wahrgenommen werden. Eine religiöse Bildung, die ihre Rolle und ihr ‚Wozu' nicht plausibel deklarieren und ihre Effizienz nachweisen kann, bleibt auf dem öffentlichen Bildungsmarkt - zumindest vordergründig - chancenlos.

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In diesem Zusammenhang sind für ‚die Religion' und im Gefolge auch für die religiöse Bildung spezifische Funktionen wie Kontingenzbewältigung, Beitrag zu Sinnkonstruktion und Orientierung u.a. reserviert(4) . Je besser eine Religion solche Funktionen erfüllt, umso ernster wird sie in der Gesellschaft genommen, umso nützlicher macht sie sich und umso unverzichtbarer wird sie. Der religionssoziologisch-funktionale Blick ermöglicht es auch, über die Horizonte traditioneller Religionen und religiöser Institutionen hinaus, religiöse Phänomene auch in säkularen Bereichen aufzuspüren und in diesem Sinne das Verständnis von Religion wesentlich zu erweitern. Die Religionssoziologie zeigt, wie andere Institutionen und RollenträgerInnen, als es z.B. die klassischen Kirchen sind, religiöse Funktionen übernehmen. In diesem Zusammenhang scheint es immer schwieriger zu werden, das Feld religiöser Bildung klar zu konturieren. Verstand man lange Zeit unter religiöser Bildung ausschließlich kirchliche und speziell theologische Bildung, so weitet sich das heutige Feld bis zur Konturlosigkeit aus. Auf dem geschilderten Hintergrund lässt sich als 1. These formulieren:

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Das Christentum gerät mit der „Wozu-Frage" zumindest im Hinblick auf zwei substantielle Charakteristika seines Anspruchs an die Grenze seines Selbstverständnisses: Das ist zum einen die grundsätzliche und nicht nur sektorale bzw. funktionale Geltung seiner ‚Wahrheit' und zum anderen die potentielle Zweckfreiheit des Glaubens, die im liturgischen und im diakonalen Handeln der Kirche exemplarisch zum Ausdruck kommen und dem mystisch-theologischen Bildungsverständnis nahe standen. Insofern steht mit der „Wozu-Frage" religiöser Bildung das grundsätzliche Verhältnis von Christentum bzw. kirchlich verfasstem Christentum und Bildungsverständnis als theologische Herausforderung zur Debatte.

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Ambivalenz des Christentums gegenüber ‚ der Bildung'

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Auf dem Hintergrund der Spätmoderne wird das ambivalente Verhältnis des Christentums bzw. der christlichen Kirche(n) gegenüber ‚der Bildung' im Laufe ihrer Geschichte in neuer Weise zugänglich. Denn der Zusammenhang von christlichem Glaubensanspruch und dem, was wir in der Geschichte an Bildungsvorgängen orten können, hat im Christentum eine wechselvolle Geschichte hinter sich und ist immer wieder in die Krise geraten (5) . War es am Anfang der Kirche die große Skepsis gegenüber der (heidnischen) antiken Bildung (6) , werden die Kirchen und vor allem die Klöster schon bald nach der staatlichen Anerkennung des Christentums zu wichtigen gesellschaftlichen Bildungsträgern (7) . Die Symbiose von Christentum und Bildung ging so weit, dass sich - im Gefolge der Aufklärung - die wichtigsten öffentlichen und privaten Bildungsträger nur allmählich und verbunden mit großen weltanschaulichen Auseinandersetzungen vom Einfluss der Kirchen „befreien" und ihre Autonomie sowie die Mündigkeit des Menschen gegenüber den Kirchen behaupten konnten.

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Erst in jüngster Zeit, insbesondere nach dem Zweiten Vatikanum, das in der Pastoralkonstitution „Gaudium et spes" Art. 62 die Autonomie von Wissenschaft und Bildung akzeptiert hat, scheint sich das gesellschaftliche Trauma von der kirchlichen Bildungs(über)macht allmählich zu lösen. Gleichzeitig scheinen die Phasen weltanschaulicher Auseinandersetzungen von einer zunehmenden „Gleichgültigkeit" gegenüber Weltanschauungs- und Religionsfragen abgelöst zu werden. Dabei hatte die Auflösung des modernen Traumas von der kirchlichen Bildungs(über)macht zumindest im Hinblick auf die katholische Kirche um und unmittelbar nach dem zweiten Vatikanum ein einmaliges theologisches Bildungsinteresse bei Erwachsenen und z.T. auch bei Jugendlichen ausgelöst, das aber in der Zwischenzeit völlig abgeflaut ist.

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Religiöse Bildung als Aufklärung

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Im Zusammenhang mit der aufklärerischen und emanzipatorischen Skepsis gegenüber dem Einfluss der Kirchen auf die Bildung und im Gefolge des Misstrauens gegenüber einer Bildung und Katechese, die von Oben herab geschieht und Menschen keine Mitsprachemöglichkeit in der Artikulation ihres Glaubens und ihrer Lebensorientierung gab (8) , setzte in der Religionspädagogik ein verständliches Bemühen um den Nachweis ein, dass die Vernunftbegabung und Autonomie des Menschen seinem Glauben nicht widersprechen muss; ja dass das mündige Verhältnis zu einem „Ultimaten" geradezu „a priori" die Voraussetzung für die Freiheit und Autonomie des Menschen sei und sie garantiere (9) . Die Auseinandersetzung „Emanzipatorisches Lernen versus autoritätshöriger Glaube" (10) sollte auch in der religiösen Bildung eindeutig zu Gunsten der Anerkennung emanzipatorischen Lernens entschieden werden. In diesem Zusammenhang hatten in den vergangenen Jahren die so genannten kognitionspsychologischen Entwicklungstheorien großen Einfluss auf die Religionspädagogik. Sie hatten eine Auffassung religiöser Bildung stimuliert, die in der religiösen Autonomie des Menschen den entscheidenden Entwicklungs- und Bildungsschritt sieht (11) . Etwas zugespitzt gesagt konnte die ‚klassische' religiöse und speziell die theologische Bildung in kirchlicher Trägerschaft nach dem Zweiten Vatikanum als (letzter?) Hort der Aufklärung des Menschen gelten. Dieses emanzipatorische Ziel religiöser Bildung erweist sich in Anbetracht eines stark expandierenden, pseudoreligiösen Bildungsmarktes, wie er sich u.a. in den esoterischen und in evangelikalen Bewegungen, nicht zuletzt aber auch in manchen kirchlichen Bildungshäusern etabliert, auch weiterhin als gesellschaftlich bedeutsam. Religiöse Bildung steht in diesem Zusammenhang dafür ein, dass die Herausforderung, „jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt" (1Petr 3,15), in einer - auch rational gut begründeten - Antwort ausgewiesen werden kann. Auf dem Hintergrund der wechselvollen Geschichte zwischen kirchlichem Glauben und kulturell bedingter Bildungsauffassung kann man als 2. These formulieren:

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Kirchlicher Glaube und Bildung stehen in einem - immer wieder konfliktreichen - Wechselverhältnis. Die Angleichung religiöser Bildungsauffassungen an geltende Bildungskonzepte fördert die gesellschaftliche Plausibilität religiöser Bildung. Sie steht aber auch in Gefahr, die Provokation des Evangeliums zu übersehen und zu überhören. In Anlehnung an aufklärungsmotivierte Bildungskonzepte diente bzw. dient religiöse Bildung in erheblichem Ausmaß der Selbstaufklärung religiöser Subjekte im Hinblick auf einen begründeten Glauben.

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Die Autonomiefalle

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Trotz eines gewissen Aufklärungserfolgs durch religiöse Bildung in Richtung reifer, selbstbestimmter und unterscheidungsfähiger Menschen, zeigt ein solches Bildungsverständnis auch seine Grenzen. Der Autonomietendenz in der religiösen Bildung gegenüber machen H. Luther u.a. auf die Autonomiefalle aufmerksam, in die sich eine kulturell angepasste Auffassung vom religiösen Subjekt begeben kann; sie mahnen eine Identität im Fragment an(12) . Was ist damit gemeint? An Stelle einer theoretischen Erklärung bringe ich zunächst ein Beispiel, das die Sache um die es geht, auf den Punkt zu bringen vermag: In der Innsbrucker Straßenzeitung schrieb vor einiger Zeit ein Obdachloser u.a.:

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Mein Vater hat mit meiner Mutter kurz vor meiner Geburt einen Streit gehabt. In seiner Wut hat er ihr in den Bauch geboxt. Dabei hat er mich bei den Rippen verletzt. Nach dem Aufenthalt im Kinderspital bin ich zu meinen Zieheltern gekommen. Doch ich habe wieder zu meinen Eltern wollen. Ein Jahr später bin ich in das Kinderheim eingewiesen worden. Dort bin ich an Lungenentzündung erkrankt. Ich bin im Unterricht nicht mehr mitgekommen. Wenn ich in der Schule kein besonders gescheites Kaninchen gewesen bin, habe ich mit meiner Nase die Tafel putzen müssen. Oft haben wir Schläge bekommen, Schläge und nochmals Schläge. (13)

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Nach Ansicht vieler Psychologen ist L. S. ein hoffnungsloser Fall. Sein Leben ist „verpfuscht"; es sei denn eine intensive Psycho- und Sozialtherapie retten ihn. Eine stabile, dauerhafte Ich-Identität ist kaum zu erwarten.

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Nicht nur in dieser dramatischen Lebensgeschichte, sondern in jedem menschlichen Leben bleibt die Frage offen, ob das Ideal einer reifen, autonomen Persönlichkeit nicht auf einem utopischen Welt- und Menschenbild beruht und der Vorstellung von der Machbarkeit von Erziehung und Bildung Vorschub leistet. Sind wir nicht immer auch gleichsam Ruinen unserer Vergangenheit? Sind wir nicht auch Fragmente zerbrochener Hoffnungen, verronnener Lebenswünsche, verworfener Möglichkeiten, vertaner und verspielter Chancen? Erst das bleibend Fragmentarische des Lebens, bei dem auch die Verstrickung in Schuldig-Werden und Schuldig-Bleiben nicht ausgeschlossen wird, birgt die Hoffnung auf Wandlung in sich. Damit ist eine erste ‚Wozu-Falle' religiöser Bildung benannt und wir können als 3. These festhalten:

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Dort, wo (religiöse) Bildung darauf abzielt und sich als effiziente Möglichkeit erweist, mit sich idente, selbstbestimmte Glaubenssubjekte zu „bilden", ist gleichzeitig die Frage nach ihrer Unverzweckbarkeit wach zu halten, welche der Nichtmachbarkeit und dem Fragmentarischen des Lebens zum Recht verhilft.

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Die korrelative Genügsamkeit

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Neben der Autonomiefalle sind religiöse Bildungsauffassungen gegenwärtig von einer allzu schnellen Verschränkung von Leben und Glauben bedroht, welche den - scheinbar bestehenden - „garstigen Graben"(14) zwischen der christlichen Offenbarung und der Situation des Menschen in der Moderne mit der Dimension der Erfahrung überbrücken will. Es geht dabei nicht nur um die Gefahr, dass ‚die Erfahrung' das Denken ersetzen könnte, wie das in manchen kirchlichen und außerkirchlichen Neuevangelisierungsbewegungen der Fall zu sein scheint und auch nicht nur um die Konjunktur einer oberflächlichen Mystik und Spiritualität, sondern um eine Verkürzung der Herausforderung des Evangeliums zu Gunsten einer schnellen Zugänglichkeit. Die religionspädagogische und praktisch-theologische Debatte um das kulturell Fremde und Andere macht die Fallen erkennbar, in die sich eine zu naive Sichtweise der ‚Korrelation' von Leben und Glauben, Kultur und Evangelium manövrieren kann (15) , wenn sie die bleibende Unkorrelierbarkeit(16) , die sich als Herausforderung des Kreuzes manifestiert, aus dem Auge verliert.

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Der ‚Rabbi Jesus' war zweifellos ein begabter Lehrer, der es verstand, durch die alltäglichen Phänomene des Lebens hindurch, den Blick auf die tiefere Dimension des Reiches Gottes zu eröffnen. Doch Jesus ist nicht als erfolgreicher Lehrer oder Erwachsenenbildner zum Eckstein der Geschichte geworden, sondern als ein - nach gesellschaftlichen Maßstäben seiner Zeit - Gescheiterter. Und gerade als solcher, als ‚Stein', den die Bauleute verworfen haben, weil er in keine konzeptive Logik der Menschen, auch in keine religiöse Bildungslogik passt, wurde er zum Eckstein. Mit dem Gekreuzigten ist kein ‚Geschäft' - auch keine Mission - zu machen. Das war den ChristInnen vom Anfang der Kirche an bewusst; deshalb vermieden sie es auch relativ lange Zeit, das Kreuz darzustellen und es auf ihre Fahnen zu heften. Und als sie es taten, indem es zum machtvollen Zeichen der christlichen Mission und zum Inhalt religiöser Bildung wurde, hatte es seine provokative Kraft auch schon eingebüsst. Das Kreuz kann nicht ‚gelernt' werden; vielleicht kann es - im allertiefsten mystischen Sinn - durch die dunklen Nächte der Erfahrung der Menschen- und Gottferne hindurch, dem Menschen ‚eingebildet' werden. Das Kreuz trägt den Schrei aller, die im Schatten des Todes sitzen und hält die ungelöste Frage nach dem ‚(Wo) bist du Gott?' wach. Als die Leerstelle religiöser Bildung schlechthin, kann es nur um den Preis des Verrates als erfahrbarer Bildungsinhalt im religiösen Bildungsmarkt gehandelt werden. Daraus ergibt sich als 4. These:

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Keine Weise religiöser Bildung darf das Kreuz und den von ihm getragenen ‚Gottesschrei' zum korrelierbaren Bildungsgegenstand machen, ohne es selbst und mit ihm alle ‚gekreuzigten' Menschen zu verraten.

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Leben durch den Tod hindurch

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So sehr das Kreuz nicht vorzeitig von Ostern her aufgelöst werden darf, so klar ist es dennoch nicht das Letzte des Menschen. Gott selber hat IHN, den wir ChristInnen als Seinen Sohn bekennen, aus der Finsternis des Todes in das Licht des Lebens auferweckt. Diesen seinen und auch unseren ‚Vater' hat Jesus ein Leben lang und selbst noch durch den Bruch des Todes und durch die Gottesfinsternis hindurch bezeugt, weil der Schrei aus Psalm 22 „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" immer noch ein Gebet, eine Form der Kommunikation mit dem scheinbar abwesenden Gott ist. Seither wissen ChristInnen, dass Gott in allen Brüchen des Lebens gegenwärtig ist und mit den Menschen mitgeht. Erst in den Brüchen und an den Grenzen - letztlich an den Lebens-Todes-Lebensgrenzen - wird erahnbar, wozu religiöse Bildung im christlichen Verständnis führen kann und wo sie in die ‚Es-Ist-Zu-Etwas-Nütze-Falle' tappt: Menschen beginnen, mit österlichen Augen zu sehen. So können wir als 5. These etwas provokant formulieren:

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Religiöse Bildung aus christlicher Perspektive ist in der Logik der Bildungseffizienz und der Funktionalität von Religion zu nichts gut, es sei denn, dass sie die Leerstellen für die mögliche Hoffnung auf das Handeln Gottes und den Blick für ein Leben durch die Tode hindurch offen hält. Die vielgestaltigen ‚Grenzgänge' (17) sind es, welche nicht nur das persönliche Leben von Menschen, sondern auch das Verhältnis von Glaube und Kultur, Theologie und gesellschaftlicher Wirklichkeit bestimmen. Obwohl sie sich der Konzeptualisierung religiöser Bildung weitgehend entziehen, kann die Abgrenzungs- und Verweigerungsperspektive jene religionspädagogische Sicht markieren, welche den Blick auf das Gnadengeschehen von Bildung freigeben. Die Frage nach dem ‚Wozu' religiöser Bildung kehrt sich im spätmodernen Kontext zur ‚Wozu-Nicht-Perspektive' um.

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Religiöse Bildung im Supermarkt

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Um die ‚Wozu-Nicht-Perspektive' religiöser Bildung konkreter ins Auge zu fassen, ist ein nochmaliger Blick auf das Bildungsgeschehen der Spätmoderne mit seiner totalitären Funktionalitäts-, Machbarkeits-, Erfolgs- und Informationslogik angebracht. Zu den markantesten gesellschaftlichen Bildungsentwicklungen gehören zweifellos zwei Aspekte, welche für die Gegenwart und die Zukunft von Bildung von großer Bedeutung sind: Das Bewusstsein von der Bildung als Markt und die globale virtuelle Vernetzung des Wissens mit einer grundsätzlichen Egalisierung des Zugriffs zur Bildung für alle, die einen virtuellen Zugang zur vernetzten Information haben. Im Grunde wirken beide Entwicklungen in eine ähnliche Richtung.

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Das Bewusstsein von der Bildung als Markt, in dem Bildungsgüter möglichst attraktiv angeboten und an die unterschiedlichsten ‚Kunden' verkauft bzw. von diesen konsumiert werden, verändert das Bildungsverhältnis grundlegend. Im Zentrum des Bildungsgeschehens steht nicht mehr das interpersonale Verhältnis, die Beziehung zwischen einer Person und einem Bildungsgegenstand und zwischen bestimmten Personen, sondern ein Ich-Es Verhältnis, das Bildungsgegenstände als Objekte betrachtet, die wie andere Konsumgüter vermarktet werden können. Eigentlich ist es gleichgültig welches Bildungsgut vermarktet wird, die Hauptsache ist, dass es ankommt, indem die ‚Verpackung' und das ‚Design' richtig gewählt wurde. Vermarktet kann letztlich alles werden, weil die Bildungsgüter ja postmodern-gleichgültig nebeneinander stehen und konsumiert werden können oder auch nicht.

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Die Egalität des Bildungsmarktes eröffnet der Religion Chancen, die sie in Zeiten eindeutigerer weltanschaulicher Auseinandersetzungen nicht hatte. Sie kann auch dort auf den Markt gehen, wo sie bisher auf Grund weltanschaulicher (Vor-)urteile ausgeklammert war oder bekämpft wurde. Es gibt nur das eingangs bereits erwähnte Dogma, dem sich auch die Religion fügen muss: Sie darf keinen universalen Geltungsanspruch im Hinblick auf die Orientierung von Menschen und Gesellschaften erheben. Das Trauma von einem solchen Geltungsanspruch, der die Lebenskultur von Menschen insgesamt in Beschlag nehmen könnte und nicht nur ein momentanes religiöses Bedürfnis befriedigt, wächst neuerdings - nicht zuletzt in der Auseinandersetzung mit islamischen Staaten und Kulturen - gewaltig. Am besten verkauft sich Religion, wenn sie sich möglichst widerstandslos in den Markt der Bedürfnisse einpasst. Diesbezüglich scheint sich ihr Marktwert in der Zukunft sogar noch zu steigern; dies wird dann der Fall sein, wenn sich Zukunftsprognosen als richtig erweisen, die für das dritte Jahrtausend ein sehr religiöses Zeitalter vorhersagen, bei gleichzeitigem Bedeutungsverlust religiöser Institutionen; wie sie vor allem die Großkirchen darstellen (18) .

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Religion - ganz gleich welcher Art - wird sich also in Zukunft problemloser vermarkten lassen als bisher, wenn die notwendigen Werbe- und Verkaufsstrategien funktionieren. In einer solchen Logik wäre erfolgreiche religiöse Bildung jene Werbe- und Verkaufsstrategie, welche die religiösen Bedürfnisse von Menschen am besten befriedigt und die gesellschaftlich zugeschriebenen Funktionen von Religion am meisten erfüllt. Dabei käme der Religion ihre ureigenste Sprache, nämlich das Symbol sehr zugute. Andere Produkte müssen mühsam ein Symbolambiente aufbauen: Die Verbindung zwischen dem ‚Innsbrucker Erdgas' und der ‚ausstrahlenden Wärme' der fünf freundlich in die Welt blickenden Nonnen, die momentan die Innsbrucker Straßenbahnen zieren, leuchtet nicht sofort ein, sondern muss erst werbestrategisch hergestellt werden muss. Der kirchliche Glaube hat es von vorne herein mit so symbolträchtigen Gestalten, Gesten und Riten zu tun wie dem Miteinander Essen und Trinken; Gestalten, Riten und Gesten also, die auch in der spätmodernen Lebenskultivierung alle Menschen betreffen und fundamentale menschliche Bedürfnisse berühren. Es ergibt sich als 6. These:

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Dem totalitären Bildungsmarkt kann sich religiöse Bildung entweder anpassen, um darin erfolgreich zu sein, oder sie muss sich ihm verweigern.

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Im Daten-Highway mitmischen

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Eng verbunden mit dem spätmodernen Bildungsmarkt ist der Daten-Highway im virtuellen Raum. Neben der Faszination, welcher der schier unbegrenzte Informationsaustausch und Wissenstransport im Cyberspace zweifellos ausübt, zeigen sich eminente interkulturelle und intergenerative Probleme und Konflikte, die in ihrer Sprengkraft noch bei weitem unterschätzt werden. Schon jetzt verkehrt sich angesichts des Internets das Generationenverhältnis, wenn es um die Bildung geht, in das Gegenteil bisheriger Bildungsverhältnisse. Nicht mehr Kinder lernen von den Eltern bzw. mit ihnen gemeinsam und wechselseitig, sondern im Bereich der technischen Kommunikation kippt das Generationenverhältnis einseitig zugunsten der Jungen und Sehr-Jungen. Menschen meines Alters sind höchstenfalls noch fähig, zu Anwendern der modernen Kommunikation zu werden; sie können aber - selbst wenn sie es wollten - nicht mehr wirklich in das innere Verstehen der technischen Kommunikationswelt einsteigen. Gleichzeitig sind aber diese einseitig kompetenten, bis vor kurzem noch bestverdienenden Jungen Erwachsenen, gerade wegen ihrer einseitigen Ausbildung, die von Bildungsträgern noch immer als Maßstab für die Zukunftsfähigkeit von Bildung gewertet wird, eminent bedroht, wenn es um den Arbeitsplatz und die Umstiegsmöglichkeiten in andere Berufszweige geht. Weitere Probleme des virtuellen Raumes als Bildungsraum, wie die des ‚einsamen Surfers' oder der gesundheitlichen Schäden durch stundenlange Bildschirmarbeit, können hier nicht weiter ausgeführt werden.

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Maßgebliche kirchliche Kreise scheinen den ‚wunderbaren Tausch' zwischen dem globalen Bildungsmarkt und seiner Erfolgslogik und dem kirchlichen Bildungsbedürfnis durchaus zu begrüßen. So ist es aus theologischer Perspektive erstaunlich, mit welcher Gutgläubigkeit nicht zuletzt traditionalistisch orientierte Kirchenkreise auf den Daten-Highway aufzuspringen versuchen, um dort Glaubensinformationen unterzubringen und weltweit zu verbreiten. Für die religiöse Bildung im alten Stil scheinen sich die modernsten Kommunikationstechniken besonders gut zu eignen. Die Kirchen scheinen durch ihre medialen, relativ beliebig vermittelten Bildungsangebote einer postmodern ‚gleich-gültigen' Glaubensrezeption Vorschub zu leisten. Gleichzeitig kann sich die medial möglichst perfekte Glaubensbildung auf eine lange kirchliche Tradition berufen, welche zumindest von der reformatorischen und gegenreformatorischen Katechismusbewegung bis zu jenen KirchenvertreterInnen und TheologInnen reicht, welche die authentische Glaubensbildung ausschließlich den dogmatisch richtig formulierten Glaubensinhalten zutrauen und daher deren unbegrenzte Verbreitung, mit welchen Mitteln und in welchen Formen auch immer, begrüßen?(19) Als 7. These können wir also sagen:

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Die ‚Wozu-Falle' religiöser Bildung schnappt vor allem dort zu, wo unbedacht verkaufsorientierte und mediale Bildungsformen übernommen werden, ohne den Beziehungscharakter des christlichen Glaubens auch in den Vermittlungsformen genügend zu würdigen.

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Der Kampf der Götter

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Wir haben gesehen: Trotz oberflächlicher Liberalität ist die ökonomisierte Gesellschaft der Religion und der religiösen Bildung gegenüber keineswegs neutral, wenn es um den Geltungsanspruch geht. Der unbefragt totalen Geltung von Effizienz, Markt, Information, Wissen steht die sektoral-funktionale Geltung von Religion und religiöser Bildung gegenüber. Sobald sie die zugewiesenen Grenzen überschreiten, kommt es zu einem Kampf zwischen den Göttern der Wissens- und Informationsgesellschaft, des Marktes und der Medien und dem einen und dreieinen Gott der biblischen Botschaft. Entweder ordnet sich die religiöse Bildung mit ihrer Gottes- und Menschenanschauung als Motivations- und Orientierungswissen mit dem Zweck der Aufrechterhaltung eines effizienten Wirtschafts-, Kommunikations- und Informationssystems ein, oder sie wird bekämpft bzw. an den Rand gedrückt. In einer ökonomisierten und medialisierten Welt steht die religiöse Bildung also in konfrontativer Auseinandersetzung mit anderen weltanschauungsvermittelnden Instanzen. Eine besondere Schärfe gewinnt der Kampf dort, wo politisch motivierte Machtinteressen dazu kommen, wie das im Moment im Irak-Konflikt der Fall ist. Durch politisch und ideologisch aufgeladene Metaphern, wie der von der ‚Achse des Bösen', wird die potentielle Gefahr, die von einer Instrumentalisierung der Religion ausgeht, handgreiflich.

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Wie kann die Auseinandersetzung zwischen Markt, Medien und Religion auf der Ebene der Bildung geführt werden? Das gemeinsame Bindeglied, auf das sich alle beziehen, ist die Kommunikation. Eine bestimmte Seite setzt dabei auf den Daten-Transfer in der Wissensgesellschaft, in den man sich auch mit theologischen Informationen einklinken sollte. Doch die Tatsache, dass Menschen über den ‚wahren Glauben' informiert sind, nützt in der konfrontativen religiösen Auseinandersetzung mit den neuen Göttern kaum etwas. Der Mensch muss als Ganzer mit seinem Denken, Fühlen und Handeln in Konfrontation treten. Die mystisch-theologische Frage des Meister Eckhart, welches Menschen- und Gottesverständnis sich dem Menschen im Laufe seines Lebens ‚einbildet', gewinnt an Aktualität. Diese ‚Einbildung' eines neuen Gottes- und Menschenverständnisses kann im christlichen Zusammenhang nicht isoliert voneinander, sondern nur gemeinschschaftlich-kommunikativ geschehen. Es geht in der religiösen Bildung, welche die ‚Wozu-Falle' ernst genommen hat und sich nicht verzwecken lässt, um den Rückhalt einer Überzeugungsgemeinschaft, die zumindest partielle Alternativen zur Oberreligion der totalen Information, des Marktes und der Medien entwickelt. Aber gerade solche alternative Überzeugungsgemeinschaften tragen die Gefahr der Ideologisierung in sich. Die homogene Gruppe der gleich Denkenden und Handelnden, die Gruppe der Überzeugten schließt sich gegen die Anderen, die weltanschaulichen bzw. ideologischen Gegner zusammen. Andere Überzeugungen in der eigenen Gemeinschaft werden kaum geduldet, da sie, wie viele meinen, die konfrontative Kraft schwächen. Menschen mit anderen Überzeugungen werden, wenn diese in den eigenen Reihen zutage treten, zu Außenseitern ja zu Opfern der Gruppe gemacht. Ihre Marginalisierung lässt die Gruppe der Überzeugten noch mehr zusammen stehen.

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Wenn religiöse Bildung neben dem Aufdecken der ‚Wozu-Falle' zu etwas ‚gut' ist, dann dazu, Überzeugungsgemeinschaften mit hoher innerer Differenzierung zu ermöglichen, wie sie das Christentum seit den Anfängen immer wieder hervorgebracht hat. Nicht die geschlossene, homogene Gruppe, die Außenseiter marginalisiert, ist das Bild christlicher Kommunikation, sondern genau das Gegenteil. Der zum Opfer gemachte Jesus, dessen Leben von Gott durch den Tod hindurch gewandelt wird, ist und bleibt der wunde Punkt in ideologisierenden Gemeinschaften wie sie auch in den christlichen Kirchen bestehen. Der Ausgestoßene, Fremde und Andere, der weder religiös noch gesellschaftlich in die Gruppe passt, ist der eigentliche Ursprung des Lebens; eines Lebens aus dem Geist, der weht wo er will, und der Fenster und Türen öffnet.

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So können wir zusammenfassend sagen:

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Die Bedeutung religiöser Bildung in einer ökonomisierten Gesellschaft kann und darf sich nicht in der Funktionalität eines religiösen Angebotes erschöpfen, das sich in den Nischen beheimatet, um die funktionierende Gesellschaft zu stützen. Religiöse Bildung in einer ökonomisierten Lebenswelt hat die Bedeutung, Menschen dazu zu befähigen, in differenzierenden, die Unterschiedlichkeit fördernden Überzeugungsgemeinschaften leben und die Auseinandersetzung fördern zu können. Religiöse Bildung, so könnte man sagen, ist Konfliktarbeit nach innen wie nach außen. Sie erschöpft sich nicht in einem technokratischen Konfliktmanagement, das darauf ausgerichtet ist, die störenden Konflikte zu minimieren oder zu beseitigen. Konfliktarbeit aus dem Glauben ist darauf ausgerichtet, das notwendige Konfliktpotential angesichts der Sehnsucht nach einem guten Leben aufrecht zu erhalten. Religiöse Bildung kann als kommunikatives Konflikthandeln begriffen werden.

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Religiöse Bildung im Sinne der Qualifikation zum kommunikativen weltanschaulichen Konflikthandeln umfasst alle Dimensionen dessen, wozu Kirche als „Signal" für das anbrechende Gottesreich „gut" ist: das Zeugnis des Lebens (Martyria), das liturgische Handeln angesichts der Feier eines Gekreuzigten, Marginalisierten, dessen Leben Gott wandelt, die Diakonie als Umkehrung der Herrschaftsverhältnisse in Dienstverhältnisse.

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Anmerkungen:  

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 1.

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Vgl. Clemens Menze, Bildung, in: Josef Speck / Gerhard Wehle (Hg.), Handbuch pädagogischer Grundbegriffe. Bd. 1, München 1970, 134 - 184, 134f.

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2.

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Zunächst subsumiere ich unter diesem Arbeitsbegriff alle Bereiche des Menschen und alle Handlungsfelder, in denen sich implizite oder explizite Bildungsprozesse ereignen können, die religiös relevant sind.

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3.

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Klaus Nientiedt, Religion zum Wohlfühlen?, in: Herder Korrespondenz 44 (3/1990), 97 - 99, 98f.

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4.

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Vgl. u.a. Franz-Xaver Kaufmann, Religion und Modernität. Sozialwissenschaftliche Perspektiven. Tübingen. 1989.

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5.

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Da die Bildungsgeschichte im Christentum bzw. in den Kirchen nicht Gegenstand dieser Abhandlung ist, kann nur auf einige wenige Tendenzen eingegangen werden, welche exemplarisch den „Grenzgang" zwischen Kirche(n) und Bildung markieren.

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6.

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Vgl. Eugen Paul, Geschichte der christlichen Erziehung Bd. I, Freiburg u.a.O. 1993, 15 - 28.

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7.

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Vgl. ebd., 115 - 167.

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8.

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Vgl. dazu Jürgen Werbick, Glaubenlernen aus Erfahrung. Grundbegriffe einer Didaktik des Glaubens, München 1989, 18 - 21.

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9.

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Vgl. Stufe 4 des religiösen Urteils: Fritz Oser/Paul Gmünder, Der Mensch - Stufen seiner religiösen Entwicklung. Ein strukturgenetischer Ansatz, Zürich u.a.O. 1984, 73 - 120.

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10.

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Werbick [Anm. 8], 18.

72
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11.

73
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Vgl. u.a. Fritz Oser, Wie viel Religion braucht der Mensch? Erziehung und Entwicklung zur religiösen Autonomie, Gütersloh 1988.

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12.

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Vgl. u.a. Henning Luther, Identität und Fragment. Praktisch-theologische Überlegungen zur Unabschließbarkeit von Bildungsprozessen, in: ders., Religion und Alltag. Bausteine zu einer Praktischen Theologie des Subjekts, Stuttgart 1992, 160 - 182; Ulrike Greiner, Der Spur des Anderen folgen? Religionspädagogik zwischen Theologie und Humanwissenschaften, Thaur 2000, 305 - 339.

76
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13.

77
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Originaltext gekürzt wiedergegeben aus: Matthias Scharer, Sich nicht aus dem Herzen verlieren. Von der spirituellen Kraft der Beziehung, München 2003, 123f.

78
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14.

79
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Vgl. Paul Tillich Systematische Theologie, Bd. 1, Frankfurt a. M. 81984 [amerik. Original Ausgabe, Chicago 1951], 9 - 80 .

80
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15.

81
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Vgl. Greiner 2000 [Anm. 12].

82
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16.

83
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Klaus Hemmerle, Der Religionsunterricht als Vermittlungsgeschehen. Überlegungen zum Korrelationsprinzip, in: Katechetische Blätter 119 (5/1994), 309 f.

84
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17.

85
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Vgl. Martina Kraml, Das Leben an der Grenze, in: Matthias Scharer / Martina Kraml (Hg.), Vom Leben herausgefordert. Praktisch-theologisches Forschen als kommunikativer Prozess, Mainz 2003, 159 - 179.

86
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18.

87
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Vgl. u.a. John Naisbitt / Patricia Aburdene, Megatrends 2000. Zehn Perspektiven für den Weg ins nächste Jahrtausend, deutsche Ausgabe: Düsseldorf u.a.O. 1990, 343-374.

88
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19.

89
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Vgl. u.a. Joseph Kardinal Ratzinger, Die Krise der Katechese und ihre Überwindung. Rede in Frankreich, Einsiedeln 1983.

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