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Wandinger Nikolaus: Beten - aber wie?
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Beten - aber wie?
(Gedanken zum 29. Sonntag im Jahreskreis (LJ C))

Autor:Wandinger Nikolaus
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:Das heutige Evangelium ist doch sehr seltsam: Wenn es stimmt, dass Gott Gebete unverzüglich erhört, dann ist es doch gar nicht notwendig allzeit ausdauernd und hartnäckig zu beten. Dann müsste doch ein kurzes Stoßgebet genügen – möchte man meinen. Wie also ist Jesu Gleichnis zu verstehen und was können wir daraus für unser Beten lernen?
Publiziert in:
Datum:2010-10-21

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Lesungen: (Ex 17,8-13); 2 Tim 3,14-4,2; Lk 18,1-8

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Liebe Gläubige,

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das heutige Evangelium ist doch sehr seltsam: sein Anfang und Ende scheinen einander zu widersprechen und auch dazwischen ist manches ziemlich komisch. Ist Ihnen die Spannung aufgefallen? Wenn es stimmt, dass Gott Gebete unverzüglich erhört, dann ist es doch gar nicht notwendig allzeit ausdauernd und hartnäckig zu beten. Dann müsste doch ein kurzes Stoßgebet genügen – möchte man meinen. Auch ist das Gleichnis vom ungerechten Richter und der Witwe nicht gerade angetan, unser Vertrauen in Gott zu stärken. Natürlich: Jesus sagt im Gleichnis, Gott ist ganz anders als der ungerechte Richter. Aber sollte man das nicht ohnehin erwarten? Wäre es nicht viel wirkungsvoller, wenn Jesus gesagt hätte, Gott ist sogar um ein Vielfaches gerechter als der gerechteste irdische Richter? Er aber hebt ihn ab von einem Richter, der nur aus Genervtheit und Angst vor physischer Gewalt Gerechtigkeit walten lässt. Dass Gott anders ist als dieser Richter, ist ja nicht grade eine weltbewegende Erkenntnis. Warum also erzählt uns Jesus das?

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Mein Verdacht ist, dass er uns den Spiegel vorhalten und unser Gebetsverhalten hinterfragen will. Wie fassen wir denn das Bittgebet auf? So als wären wir eine Bittstellerin oder ein Bittsteller, der irgendetwas von Gott erbettelt? So als müssten wir nur lange genug betteln und bitten, damit Gott weich wird und nachgibt – wie eine genervte und dadurch inkonsequente Mutter, die schließlich dem Quengeln und Drängeln ihres Kindes nachgibt und ihm doch einen Lutscher kauft? Oft gibt so eine überforderte Mutter nach, weil sie das Geschrei fürchtet, welches das Kind im Geschäft machen könnte, die bösen Blicke der anderen Kunden und der Kassiererin – ganz so wie der Richter: aus Angst vor negativen Folgen, die mit der eigentlichen Bitte und mit der Sache gar nichts zu tun haben.

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Nein – werden wir sagen – so beten wir nicht. Die meisten von uns sind doch erwachsen, wir betteln nicht um Lutscher. Wir beten um Gesundheit, um Frieden für die Welt, um Hilfe in schweren Belastungen. Aber – und das ist die Frage – beten wir dafür nicht manchmal in derselben Haltung wie ein quengelndes Kind? Wir sind die Ohnmächtigen und Gott ist der große Zampano, der alles machen kann, was er will – oder doch eher, was wir wollen. Und entwickeln wir nicht manchmal ein Ressentiment, einen Ärger auf Gott, wenn er nicht tut, was wir wollen? So wie die Witwe, von der der Richter fürchtet, sie könnte ihn ins Gesicht schlagen.

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Mir fiel in diesem Zusammenhang noch eine Geschichte ein, die ich einmal bei A. de Mello gelesen habe: Bei einer großen Überschwemmung flüchtet ein Mann aufs Dach seines hauses und betet verzweifelt um Rettung. Als sein Nachbar mit einem Schlauchboot vorbeikommt und ihn mitnehmen will, lehnt er das ab. Er sei sich sicher, dass Gott ihm helfen werde. Dann kommt ein Rettungsboot der Feuerwehr vorbei und will ihn retten. Wieder lehnt er ab, weil er ganz auf Gott vertraue. Und ein drittes Mal hat er die Möglichkeit in einem Boot mitzufahren, die er mit derselben frommen Begründung ausschlägt. Schließlich steigt das Wasser immer höher und der Mann ertrinkt. Vor dem göttlichen Thron im Himmel macht er Gott daraufhin Vorwürfe: ich habe ganz auf dich vertraut, aber du hast mir nicht geholfen. Gott antwortet ihm darauf: Ich habe dir drei Boote geschickt, aber du hast keines davon genommen.

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Vielleicht will Jesus uns durch sein Gleichnis auffordern, anders zu beten als die arme Witwe, eben weil Gott ganz anders ist als der ungerechte Richter. Nicht anders in dem Sinn, dass wir Gott nicht in allen Belangen anrufen dürften – und scheinen sie auch noch so banal. Das widerspräche Jesu Betonung, dass nichts für Gott zu unbedeutend und zu gering ist, nicht einmal ein Spatz, der vom Himmel fällt. Aber unser Gebet soll in einer Haltung geschehen, die Gott nicht als großen Zampano sieht, der plötzlich eingreift und die Welt verändert, sondern als einen Gott, der die ganze Welt und alles in ihr – inklusive uns selbst und unsere Mitmenschen – hält und zum Handeln befähigt. Und wir sollen in dieser Welt wachsam Ausschau halten nach den Hilfen, die Gott uns schickt, auch wenn diese nicht immer dem entsprechen, was wir uns erwartet haben.

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Wenn wir genau lesen, dann sagt Jesus auch nicht, dass Gott alle Bitten unverzüglich erhören wird. Er sagt, dass er seinen Auserwählten unverzüglich Recht verschaffen wird. Auch das ist aber missverständlich. Mit „Recht verschaffen“ kann nicht gemeint sein, dass Gott eingreift und uns vor Unrecht bewahrt, das uns andere antun, sonst wäre Jesus nicht unschuldig am Kreuz hingerichtet worden. Was bedeutet es also? Ich denke, uns Recht verschaffen meint hier: uns vor Unrecht schützen, das wir anderen antun könnten und uns so zum Heil führen. Vieles einzelne, worum wir Gott bitten, bewirkt er auf seine geheimnisvoll geduldige Weise durch andere Menschen oder uns selbst – so wie er den Mann auf dem Dach durch die Boote anderer Menschen retten wollte; und daher gelingt es auch nur in dem Maße wie Menschen sich für Gott öffnen und mit ihm mitwirken.

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Eines aber ist allein Gottes Angelegenheit: einen Menschen, der zu ihm ruft um Gerechtigkeit, gerecht zu machen, zu bewahren vor dem völligen Irregehen und freizusprechen von dem Bösen, das er schon getan hat. Wer Gott darum anruft, den wird er unverzüglich erhören. Damit man aber Gott so anrufen kann, braucht es den Glauben an seine Gerechtigkeit, die eine barmherzige Gerechtigkeit ist. Darum steht die Frage nach dem Glauben am Schluss. Wenn wir nicht glauben an einen Gott, der uns gerecht macht, sondern an einen Richter, der uns bitten und betteln lässt und doch nur erhört, weil wir lästig werden, dann bleiben wir einem falschen Gottesbild verhaftet, einem, das uns abhängig und ohnmächtig macht. Wenn wir hingegen an den Gott glauben, der uns gerecht macht und darüber hi­naus befähigt, in diesem Glauben „zu jedem guten Werk bereit und gerüstet [zu] sein“ (2 Tim 3,17), wie Paulus an Timotheus geschrieben hat, dann können wir befreit mit Gott mitwirken und sein Werk tun. Wir werden dann Akteure und Akteurinnen seines Handelns und sind dabei doch ganz befreit wir selbst. Dadurch werden wir seine Auserwählten.

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Beten wir um alles, was uns wichtig ist – auch wenn andere es für banal oder unwichtig halten mögen. Aber beten wir in einer Haltung, die sich von Gott die Befähigung zum Handeln oder zum richtigen Umgang mit dem Unvermeidlichen erhofft. Erhoffen wir die Kraft, Frieden zu stiften, wenn wir um Frieden beten; erhoffen wir die Fähigkeit gut umzugehen mit unserem Leib und unserer Seele, wenn wir um Gesundheit bitten; erhoffen wir die Hilfe eines von Gott geschickten Menschen, wenn wir Unterstützung brauchen – und erhoffen wir die Kraft selber helfende und unterstützende Menschen zu sein. Und weil wir manchmal sehr lange brauchen, bis uns die Kraft Gottes durchwirkt und befähigt, ist es wirklich nötig, dafür ausdauernd und hartnäckig zu beten. Diese Ausdauer wird sich bezahlt machen. Wir werden mehr und mehr erkennen, was wirklich wichtig ist und wofür es sich zu beten lohnt; und wir werden – im Laufe der Zeit – dafür die Kraft von Gott erhalten. Nicht Gott ist zögerlich mit seiner Gebetserhörung, sondern wir sind oft sehr träge im Annehmen seiner Kraft, darum braucht es die Beharrlichkeit.

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Doch ob uns das gelingt oder nicht, ob wir uns als gesunde Erfolgsmenschen oder als schwache Versager empfinden – eines wird uns Gott unverzüglich gewähren, wenn wir ihn im rechten Glauben darum bitten: er wird uns gerecht machen und zur Erlösung führen. Das dürfen wir ganz Gott überlassen und von ihm erhoffen.

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