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Sandler Willibald: Christentum als Befreiung der Leidenschaft
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Christentum als Befreiung der Leidenschaft
(Der Mensch im Dienst von König, Teufel und Gott – auf den Spuren des heiligen Christophorus)

Autor:Sandler Willibald
Veröffentlichung:
Kategorieartikel
Abstrakt:Betreibt das authentische Christentum eine Befreiung VON den Leidenschaften oder eine Befreiung DER Leidenschaften? Der Aufsatz plädiert für die zweite Sichtweise und behauptet damit das Christentum als eine befreiende Alternative zur Logik der modernen ökonomischen Welt, welche die Leidenschaften nur scheinbar freigibt, sie aber zur Nutzbarmachung der Menschen instrumentalisiert. Eine Freisetzung des Begehrens gelingt auch nicht durch ein selbstherrliches Ausleben der Begierden oder durch die satanistische Verabsolutierung des selbstherrlichen Eigenwillens. Im Gegensatz zum neosatanistischen "Tu was du willst, das sei dein ganzes Gesetz" weist das augustinische Prinzip "Liebe, und tu was du willst" den Weg zu einer echten Befreiung der Leidenschaft. Durch die drei behandelten Alternativen von Logik der modernen Welt, diabolischer Selbstverabsolutierung und christlichem Weg der Liebe leitet die Legende von Christophorus, der in der Suche nach dem höchsten Dienst einem irdischen König, dem Teufel und zuletzt dem Gott Jesu Christi folgte. Die Argumentation erfolgt in fortgesetzter Auseinandersetzung mit der biblischen Sündenfallgeschichte.
Publiziert in:Erscheint demnächst als Beitrag in: Der Mensch - Ebenbild Gottes. Aspekte eines christlichen Menschenbildes. Hg. K. Breitsching u. W. Guggenberger, Thaur 2003 (auf der Grundlage eines Vortrags auf den Innsbrucker Theologischen Sommertagen 2002).
Datum:2003-03-07

Inhalt

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1. „Befreiung der Leidenschaft" oder „Befreiung von der Leidenschaft"?

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Christsein als Befreiung der Leidenschaft? Müsste es nicht viel eher heißen: „Christsein als Befreiung von der Leidenschaft?" Seit jeher ist das Verhältnis von Religion und Moral zu den Leidenschaften belastet. Das Christentum bildet da keine Ausnahme.

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1.1 Verteufelung der Leidenschaft

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„Ein gelassenes Herz bedeutet Leben für den Leib, doch Knochenfraß ist die Leidenschaft", weiß der alttestamentliche Prediger (Spr 14,30). Und Paulus bläst zum Kampf gegen Leidenschaft und andere Laster: „Darum tötet, was irdisch an euch ist: die Unzucht, die Schamlosigkeit, die Leidenschaft, die bösen Begierden und die Habsucht, die ein Götzendienst ist. All das zieht den Zorn Gottes nach sich" (Kol 3,5). Listen mit den verwerflichsten Lastern - bei Paulus Lasterkataloge - wurden über die Jahrhunderte des frühen Christentums weitergetragen und systematisiert, bis daraus im siebten Jahrhundert die sieben Todsünden in ihrer klassischen Aufzählung entstanden: Hochmut, Neid, Zorn, Trägheit, Geiz, Völlerei und Wollust. (1) Die Bekämpfung dieser verwerflichen Leidenschaften stellte neben der Übung der Tugenden die zentrale Herausforderung für ein sittliches Leben dar. Hierin war sich die christliche Religion mit der durchschnittlichen Moralphilosophie einig.

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1.2 Indienstnahme der Leidenschaft

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Die beginnende Neuzeit erschloss andere Perspektiven: Auf der einen Seite ließen negative Erfahrungen das Vertrauen in die lasterbezwingende Macht der Vernunft schwinden. Der Mensch wurde mehr als Wesen der Leidenschaft denn als Wesen der Vernunft gesehen. Anderseits konnte man den negativen Leidenschaften auf gesellschaftlicher Ebene auch positive Wirkungen abgewinnen. (2) Habgier, Machtsucht und Vergnügungssucht würden zu einem Aufblühen der Verbrauchsgüterwirtschaft, des Unterhaltungswesens oder der militärischen Schlagkraft führen, während umgekehrt jene Eigenschaften, die man beim Einzelnen Tugenden nennt - wie Anspruchslosigkeit, Bescheidenheit und zufriedene Zurückgezogenheit - eine Verarmung der Gesellschaft sowie kriegerische Unterlegenheit bewirkten. Private Laster würden sich zu öffentlichen Vorteilen entwickeln, während private Tugenden öffentliche Nachteile verursachten. Mit dieser provokanten sozialpsychologischen These traf der englische Arzt Bernard de Mandeville(3) den Nerv einer neuen soziopolitischen Ordnung, in der zumindest Neid, Habgier und Geiz von verwerflichen Lastern zu geheimen Tugenden der Ökonomie avancierten. Unsere heutige Konkurrenzgesellschaft kokettiert mit diesen Lastern. Zwar würde es niemandem einfallen, sie rundheraus als wünschenswerte Tugenden anzupreisen. Dennoch appelliert man ohne Scham an diese niederen Antriebe. In der Werbung wird die Gier nach dem ultimativen Gewinn oder nach dem besten Schnäppchen augenzwinkernd zugleich vorausgesetzt und angeheizt. (4) Die heutige globale Wettbewerbsgesellschaft muss die Leidenschaften nicht mehr bekämpfen. - sie hat gelernt, sie sich nutzbar zu machen. Wer von der Gier nach dem besten Job, dem meisten Geld, dem Platz an der Sonne oder auf der Titelseite getrieben wird, kann manipuliert, instrumentalisiert und nutzbar gemacht werden. Der moderne Mensch ist zugleich begierig und vernünftig. Er/sie lässt sich belehren, dass für die großen Ziele auch hart gearbeitet werden muss, und so kommen die ‚biederen' Tugenden wie Sparsamkeit und Fleiß auf Umwegen doch wieder ins Spiel.

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1.3 Ungezügelte Leidenschaft

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Angesichts dieser Gängelung mit großen Begierden wächst die Faszination von unbändig ausgelebter Leidenschaft. Wer das Arrangement mit der modernen Ökonomie der Leidenschaften eingegangen ist, starrt fasziniert - mit Abscheu, Neid und Bewunderung zugleich - auf jene Freibeuter der Leidenschaft, die die destruktive Wirkung ungezügelter Lebensgier bewusst in Kauf nehmen. Die Faszinationskraft der Leidenschaften leuchtet grell auf, wo sie bis zum Exzess ausgelebt wird: als ungebremste Lust am Leben, die sich alles leisten und nichts auslassen will. Symbolhaft zeigt sich das in den Parolen und Ikonen der Pop- und Rock-Welt: „Sex and Drugs and Rock*n Roll", „Live fast, die young", oder noch abgründiger: „Live fast, die young and leave a good looking body" - Diese „junge" Devise, die mittlerweile schon mehr als ein halbes Jahrhundert auf dem Buckel hat, (5) steht für eine radikale Idee: sein Leben wie eine große Fackel verglühen zu lassen, eine „Kerze, die an beiden Enden brennt", als Fanal gegen eine kleinliche Rechenstift-Mentalität, die aus Angst vor Verlusten das Leben stets nur auf kleiner Flamme köchelt: „It's better to burn out than to fade away" (6).

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Eine lange Liste von Idolen gibt es mittlerweile, die dieses Prinzip bis zur bitteren Neige - im wörtlichen Sinne: - ausgelebt haben: in der Schauspielwelt James Dean, der den Spruch vom schnellen Leben und frühen Tod als Lebensmotto vertrat und so berühmt machte (†1955, 24-jährig) (7); die Film-, Sex- und Popikone Marilyn Monroe (†1962, 36-jährig), der österreichische Filmstar Romy Schneider (†1982, 43-jährig), der geniale deutsche Filmemacher Werner Fassbinder (†1982, 37-jährig). In der Welt des Pop und Rock: Brian Jones, der Gründer der Rolling Stones (†1969, 27-jährig); die exzessive Millionärstochter und Blues-Rockerin Janis Joplin (†1970, 27-jährig); der virtuose Rockgitarrist Jimi Hendrix (†1970, 27-jährig); Elvis Presley, „the King of Rock'n Roll" (†1977, 42-jährig); der dunkle Rockpoet Jim Morrison, Leadsänger von „The Doors" (†1971, 27-jährig); Keith Moon, Schlagzeuger von „The Who" (†1978, 32-jährig); Sid Vicious, Bassist der Sex-Pistols, (†1979, 22-jährig); Bon Scott, Sänger der Hardrock-Gruppe AC/DC (†1981, 33-jährig), John Bonham, Drummer der Heavy Metal Band „Led Zeppelin" (†1981, 33-jährig); Nico, Model und Ex-Sängerin in Velvet Underground (†1988, 25-jährig); Kurt Cobain, Leadsänger der Grunge-Band Nirwana (†1994, 27-jährig); Falco, Österreichs erfolgreichster, höchst kreativer New-Wave-Rapper (†1998, 40-jährig).

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Die Reaktion der gezähmten Heutigen auf solches selbstzerstörerisches Ausleben der Leidenschaft ist höchst ambivalent. Da findet sich längst nicht nur moralisierende Abscheu, denn man spürt, dass diese Rock-Idole den Göttern unserer modernen Zivilisation nahe kamen. Im Unterschied zu den zahl- und namenlosen Aussteigern, die schnell als Abschaum abgetan werden, haben diese etwas erreicht: Geld, Macht und einen großen Namen. In kometenhaftem Aufstieg rührten sie an jene Sterne, die uns Heutigen lockend und zugleich unerreichbar vor Augen gestellt werden. Und diesen Aufstieg mussten sie - tragisch - mit dem Tod bezahlen. So sind sie zweierlei zugleich: Wegweiser - denn ein wenig wollen wir doch alle fliegen wie sie - und Warnung: Wer zu hoch hinaus will, wird sich, wie Ikarus, die Flügel versengen und abstürzen. So trägt der Schauder vor diesen Schicksalen dazu bei, dass wir unsere Begierden so klein portionieren, wie es die ökonomische Welt von uns will.

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2. Christentum als „Befreiung der Leidenschaft"

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Kehren wir zurück zur Anfangsfrage: Christentum als Befreiung von der Leidenschaft oder als Befreiung der Leidenschaft? Unser Rundblick macht die Antwort ungewisser. Gezeigt hat sich, dass auch in einer Welt, die dem moralischen Zeigefinger den Rücken kehrte, die Knechtung der Leidenschaften akut ist. Für den Menschen, der sich der Konkurrenzlogik des Marktes im Kampf um Geld, Macht und Position überantwortet hat, ist eine Befreiung der Leidenschaft höchst angesagt. Das radikale Ausleben der Begierden, wie es uns die Pop-Ikonen vorgestorben haben, scheint hier keine Alternative zu bieten, - es ist schon erahnbar, dass sie sich der Logik des Marktes nicht entziehen konnten und vielleicht gerade deshalb verzweifelten. Bietet Religion, bietet das Christentum hier eine Alternative? Lassen wir die Antworten anderer Religionen, etwa die des Buddhismus mit seiner Lehre des Ausstiegs aus dem Rad der Begierden, hier beiseite und konzentrieren die Frage auf das Christentum.

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2.1 Paulus

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Ein Christentum, das auf moralische Gebote reduziert ist, kann da gewiss nur wenig ausrichten. Um das zu sehen, müssen wir nicht erst Mandeville mit seiner Sicht vom Menschen als dem Sklaven seiner Begierden bemühen. Derselbe pessimistische Realismus findet sich schon bei Paulus.

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„Denn ich begreife mein Handeln nicht: Ich tue nicht das, was ich will, sondern das, was ich hasse. ... das Wollen ist bei mir vorhanden, aber ich vermag das Gute nicht zu verwirklichen. Denn ich tue nicht das Gute, das ich will, sondern das Böse, das ich nicht will" (Röm 7,15.18-19).

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Gegen diese Übermacht negativer Begierde vermag ein noch stärkeres Insistieren auf das Gesetz gar nichts - im Gegenteil: „Die Sünde erhielt durch das Gebot den Anstoß und bewirkte in mir alle Begierde, denn ohne das Gesetz war die Sünde tot" (Röm 7,8). Allein Gottes Gnade kann nach Paulus vom Stachel der Begierde befreien. Und solche Befreiung besteht nicht in einer Paralysierung des Begehrens, sondern in seiner Neuausrichtung auf den wahren Gott. Anstelle der Lust am Niedrigen und Bösen tritt nicht emotionale Windstille, sondern eine neu aufflammende „Lust an Gott und seiner Sache" (8). Mit Leidenschaft trachtet Paulus danach, ganz zu ergreifen, was sich ihm an Gottes Herrlichkeit bereits anfangshaft offenbart hat:

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„Christus will ich erkennen und die Macht seiner Auferstehung und die Gemeinschaft mit seinen Leiden; sein Tod soll mich prägen. So hoffe ich, auch zur Auferstehung von den Toten zu gelangen. Nicht dass ich es schon erreicht hätte oder dass ich schon vollendet wäre. Aber ich strebe danach, es zu ergreifen, weil auch ich von Christus Jesus ergriffen worden bin. Brüder, ich bilde mir nicht ein, dass ich es schon ergriffen hätte. Eines aber tue ich: Ich vergesse, was hinter mir liegt, und strecke mich nach dem aus, was vor mir ist. Das Ziel vor Augen, jage ich nach dem Siegespreis: der himmlischen Berufung, die Gott uns in Christus Jesus schenkt" (Phil 3,10-14).

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Was schon bei Paulus, der von manchen als Erzfeind der Leidenschaften geschmäht wurde, (9) aufleuchtet, ist charakteristisch für die ganze Bibel: Leidenschaft, Eifer, Begehren und Sehnsucht werden nicht verteufelt, sondern als positive Grundkräfte gewürdigt, deren Zerstörungskraft aber dort wahrgenommen wird, wo diese Grundkräfte vom allein angemessenen, göttlichen Ziel abirren.

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2.2 Der Mensch als Wesen des Begehrens in der Bibel

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Deutlich wird das bereits bei den Grundworten, mit denen das Alte Testament den Menschen bezeichnet. (10) Gott schuf ihn als eine lebendige „nephesch", heißt es im zweiten Schöpfungsbericht (Gen 2,7). Dieses Wort, das die deutschsprachigen Bibelausgaben meist etwas schmalbrüstig als Seele übersetzen, umfasst die ganze Bandbreite der Leidenschaften von der Sehnsucht nach Gott bis zu den „vitalen Bedürfnissen, ohne deren Stillung der Mensch nicht weiterleben kann" (ebd. 35). Kehle, so übersetzen unsere Bibeln dasselbe Wort in anderen Kontexten und zielen damit auf ein „immer neu bedürftiges und von menschlichen Mühen nicht zu befriedigendes Organ" (ebd. 27). „Die nephesch als solche steht für das unbegrenzte Begehren" (ebd. 35). Und solche nephesch hat der Mensch nicht nur, „sondern er ist nephesch, er lebt als nephesch" (ebd. 26). Demgemäß soll der Mensch sein Begehren nicht niederhalten, sondern ganz in den Dienst Gottes stellen: „Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer nephesch und mit ganzer Kraft." (Dtn 6,5).

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Ähnlich verhält es sich mit den anderen Grundworten, die nicht nur ein Teilvermögen des Menschen kennzeichnen, sondern im hebräischen Verständnis jeweils den Menschen als ganzen, aber unter verschiedenem Hinblick bezeichnen: Er ist basar, Fleisch, was seine Hinfälligkeit bezeichnet, die ihn auf die unausgesetzte lebenserhaltende Schöpfermacht Gottes anweist. Und er ist ruah, Geist - ein Wort, das eben diese göttliche Schöpfermacht meint: die Dynamik Gottes im Menschen, wobei es nicht immer einfach ist auseinanderzuhalten, wo die menschliche ruah als eigene wirkt und wo es Gott ist, der im Menschen sein Wesen treibt; - ein Gott, so bleibt zu ergänzen, der bereits in sich ein leidenschaftlicher Gott ist. (11)

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All das wird vom Neuen Testament ohne Abstriche übernommen. Jesus, lebendiges Bild des lebendigen Gottes, ist selber keineswegs frei von Leidenschaften: er lacht und weint und wird wütend. Und er spricht von der mütterlichen Liebe des göttlichen Vaters ebenso wie von dessen furchtbarem Zorn. In seinen Gleichnissen nimmt Jesus die menschlichen Begierden ganz ernst: Er führt sie zurück bis zu den verborgensten Wurzeln,(12) und er appelliert an sie, um die Menschen zum kraftvollen Einsatz für das Gottesreiches zu bewegen.(13)

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Paulus bleibt in derselben Tradition: Wenn er vom schwachen Fleisch des Menschen spricht und die Macht des göttlichen Geistes beschwört, der in uns wirkt, was wir aus eigenen Kräften nicht vermögen, (14) dann darf das nicht im Sinne einer griechisch-dualistischen Anthropologie verstanden werden. Wie im Alten Testament ist es der ganze Mensch, der begierig, hinfällig und auf Gott angewiesen ist. Ganz ist der Mensch abgeirrt von Gottes Herrlichkeit, und ganz ist er gerettet durch Gottes Geist, der in Jesus Christus freigesetzt ist.

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Bemerkenswerterweise sind es gerade jene Kirchenväter, denen am meisten die Leibfeindlichkeit des Christentums angekreidet wird, die diesem dynamischen begierde-offenen Menschenbild besonders entsprechen. Augustinus ist hier zu nennen: „Du hast uns auf dich hin geschaffen. Und unruhig ist unser Herz, bis es ruht in dir", ruft er am Anfang seiner Bekenntnisse Gott zu. Das fasst die biblisch-dynamische Sicht vom Menschen perfekt zusammen. Wenn Augustinus die Gnade nicht als ein Beruhigungsmittel für die Leidenschaften versteht, sondern als ein neu gewecktes Begehren auf Gott hin, dann erweist er sich nicht nur als kongenialer Schüler des Paulus, sondern trifft den Geist der Bibel insgesamt.

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2.3 Drei Leitsätze einer biblisch-christlichen Anthropologie des Begehrens

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In äußerster Verdichtung lässt sich eine biblisch-christliche Anthropologie des Begehrens in drei Sätze fassen:

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1. Der Mensch ist ein Wesen des Begehrens, und dieses Begehren ist ursprünglich gut.

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2. Faktisch, unter den Bedingungen der Verstrickung in Sünde und Schuld, ist das menschliche Begehren zwielichtig, ambivalent. Soweit es auf Gott hin ausgerichtet ist, ist es lebensfördernd, und soweit es sich an Ersatzzielen (Götzen) orientiert, ist es destruktiv und macht den Menschen böse.

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3. Wo die Menschen in destruktiver Begierde gefangen sind, können sie gerettet werden durch eine Neuausrichtung ihres Begehrens auf den wahren Gott. Durch solche Umkehr wird das Begehren nicht erstickt, sondern vielmehr freigesetzt. Christentum ist nicht Befreiung von der Leidenschaft, sondern Befreiung der Leidenschaft.

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2.4 Das Gleichnis vom Schatz im Acker und die „Logik des Mehr"

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Gemäß diesen Prinzipien entspricht eine radikale Neuausrichtung auf Gott einer „Logik des Mehr": Wahre Frömmigkeit ist nicht Minderung, sondern Steigerung des Lebens. (15) Dass das nicht in Widerspruch steht zum Totalverzicht der Christusnachfolge - vom „alles verkaufen und den Armen geben" bis zum „sein Kreuz auf sich nehmen" - zeigen Jesu Gleichnisse vom Gottesreich:

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„Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Schatz, der in einem Acker vergraben war. Ein Mann entdeckte ihn, grub ihn aber wieder ein. Und in seiner Freude verkaufte er alles, was er besaß, und kaufte den Acker" (Mt 13,44).

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Am Anfang steht hier nicht der Totalverzicht, sondern die Aussicht auf einen unvergleichlichen Schatz. Es ist die Erfahrung eines unvergleichlichen Beschenktseins, die die Kraft zum Loslassen entbindet. Wer sich als grundlos und maßlos beschenkt erfährt, wird frei von der Gier nach Leben. Und dennoch ist der/die so Beschenkte nicht ohne Begehren. Eine große Leidenschaft wächst, ganz aus dem zu leben, was sich lockend erschlossen hat. Aus diesem Begehren heraus „verkaufte er alles, was er besaß, und kaufte den Acker". Es ist ein Begehren, das aus Dankbarkeit entspringt, und solches Begehren unterscheidet sich grundlegend von einem Begehren, das einen Handel abschließen will, gemäß dem Motto: „Ich verkaufe alles, was ich habe, dann wird Gott mich wohl mit einem unvergleichlichen Schatz belohnen" (z.B. im Himmel). So grundlegend verschieden beide Haltungen sind, so ähnlich können sie in konkreten Fällen ausschauen. Doch es gibt ein sicheres Kriterium der Unterscheidung: „In seiner Freude verkaufte er alles, was er besaß, und kaufte den Acker." Nur wer aus der Erfahrung der verheißungsvollen Beschenkung heraus verzichtet, kann es in Freude tun.

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2.5 Das Beispiel der Heiligen

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Was wir in allgemeinen Überlegungen erschlossen haben, wird konkret in der Lebensgeschichte von Heiligen. Für Franziskus wurde das Schriftwort vom „alles verkaufen" lebensbestimmend. Er nahm es so wörtlich, dass er seinem Vater allen Erbanspruch und Besitz hinwarf, bis er nackt zurückblieb. Seine weitere Geschichte zeigt, dass das ohne Verbitterung geschah. Bei aller Radikalität, in der er die Armut als seine ihm von Gott gesandte Geliebte umarmte, konnte er doch jenen Schritt zuviel vermeiden, der die Radikalität in Fanatismus pervertiert hätte. Dies zeigt etwa die Geschichte von einem Mitbruder des Franziskus, der in den harten Fastenübungen schwach geworden war. Franziskus setzte sich mit ihm zu einem gemeinsamen Festmahl zusammen. (16) Verzicht in Armut und Fasten war hier nicht der Einsatz, mit dem man von Gott einen himmlischen Gewinn aushandeln konnte. Auch den subtileren „Besitz" eines Rufes perfekter Askese konnte Franziskus zugunsten der barmherzigen Liebe preisgeben.

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Ein anderes Beispiel ist die heilige Therese von Lisieux. Ihr junges Leben im Karmel war - inmitten von Missverständnis, kleinlichem Neid und in zunehmender Krankheit - ein dorniger Weg totaler Entsagung. Und doch stand dieser Weg nach unten, der als „kleiner Weg" in die Frömmigkeitsgeschichte eingehen sollte, unter einem keineswegs bescheidenen Lebensmotto. „Ich wähle alles!", hatte das kleine Mädchen auf die Frage geantwortet, wie viele Puppenkleider sie aus dem angebotenen Körbchen haben wollte. (17) Dieses „Alles wählen" hatte Therese auf einen Weg gebracht, der anderen wie ein Totalverzicht erscheinen musste. Das war ohne Krampf und Bitterkeit nur möglich, weil Therese in der gelebten Christusliebe einen Schatz ahnungshaft erfasst hatte, für den sie bereit war alles andere Lockende aufzugeben. „Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Schatz, der in einem Acker vergraben war. Ein Mädchen entdeckte ihn, grub ihn aber wieder ein. Und in seiner Freude verkaufte es alles, was es besaß, und kaufte den Acker": „Ich wähle alles" - „Logik des Mehr".

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2.6 Der heilige Christophorus

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Der Gedanke liegt nahe, dass eine solche Religion des freigesetzten und gesteigerten Begehrens auch für die heutige, nur scheinbar so gottferne Welt höchst attraktiv ist. Gehorcht doch unsere kommerzialisierte Welt einer Logik des Begehrens, die nur mittelfristig und letztendlich nur scheinbar befreiend ist, während sie in Wirklichkeit auf eine subtil manipulierende Weise fesselt. Es muss verlockend sein, sich von den mediokren Zielen dieser Welt abzuwenden, um das Mehr, oder - mit Therese - alles zu gewinnen. Allerdings ist in Rechnung zu stellen, dass dieser „schmale Weg" (vgl. Mt 7,14) zugleich ein abgründiger ist. Wir haben schon gesehen, dass es minimale Verschiebungen sind, die aus dem Königsweg des freudigen Loslassens ein Geschäft machen, das letztlich nur zur Verzweiflung führt. Wir haben uns konfrontiert mit dem Schicksal scheiternder Rock-Idole. Versuchten nicht auch sie nach dem Prinzip zu leben „Ich wähle alles"? Gewiss war da wenig von Heiligkeit spürbar. Da gab es hemmungslosen Egoismus, Vergnügungssucht, zuletzt Selbstzerstörungswut. Aber da war doch auch anderes: Radikalität im Versuch, Leben und Erfahrung/Botschaft miteinander in Einklang zu bringen, und ein großer Mut, auch auf ungewohnten Wegen zu gehen. Ist da nicht auch etwas erahnbar vom Stoff, aus dem die Heiligen sind? Man schaue doch nur auf die Vorgeschichten mancher großer Heiliger. Da war oft eine Kompromisslosigkeit, die das Mittelmaß auch in Richtung auf das Schlechte überschritt. Man fühlt sich erinnert an die heiligen Sünder in den Evangelien, an Maria Magdalena oder an den rechten Schächer am Kreuz. Und an die Mahnworte, die die Offenbarung des Johannes an die Gemeinde von Laodizea richtet:

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„Ich kenne deine Werke. Du bist weder kalt noch heiß. Wärest du doch kalt oder heiß! Weil du aber lau bist, weder heiß noch kalt, will ich dich aus meinem Mund ausspeien" (Offb 3,14f).

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Wer den Weg des Mittelmaßes verlässt, dem nähern sich nicht nur göttliche Mächte, sondern auch teuflische Dämonen. In einer mythischen Sprache könnte man sagen: Wenn man den Weg der Befreiung oder Losbindung der Leidenschaft verfolgt, dann trifft man auf Gott und den Teufel.

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Nirgends ist das so scharf herausgezeichnet wie in der Legende vom heiligen Christophorus. Als kraftstrotzender Mensch zog er aus, um dem Allerhöchsten zu dienen. So trat er zuerst in den Dienst eines mächtigen irdischen Königs. Bald stellte er fest, dass dieser angstvoll zurückschreckte vor einer höheren Macht - dem Teufel. So verließ er den König, um dem Teufel als dem noch Mächtigeren zu dienen, - bis er auch bei diesem auf eine Angst stieß: nämlich vor dem Gekreuzigten und seinem Gott. So machte er sich auf die Suche, dem wahren Gott Jesu Christi zu dienen; bis er ihn fand in einem kleinen Kind, mit dem er die Last der ganzen Welt auf seinen Schultern fühlte.

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Mit dieser Geschichte verdient es Christophorus nicht, nur zum Patron der Fuhrleute und Autofahrer erhoben zu werden. Vielmehr ist er der Patron all jener, die in ihrem Leben kompromisslos einer „Logik des Mehr" folgen. Das kann sie ein ganzes Stück weit auf den Wegen irdischen Erfolges führen, bis sie vielleicht abgleiten in die Abgründe des Satanischen. Wenn sie sich wirklich führen lassen von der Sehnsucht nach dem Allerhöchsten, dann werden sie auch diese Fesseln abwerfen und den Weg der christlichen Liebe kennenlernen. Die drei Wegstrecken des Weltdienstes, des Teufelsdienstes und des Gottesdienstes will ich im Folgenden gemäß ihrer je eigenen Logik erschließen. Und das soll geschehen im reflexiv vertiefenden Nachvollzug jener drei Wege, die ein Mann namens Reprobus durchschritt, bis er zuletzt mit dem Ehrennamen Christophorus, d.h. Christusträger ausgezeichnet wurde. (18)

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3. Im Dienst des weltlichen Königs

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„Christophorus war geboren vom Volke der Chananäer und war von gewaltiger Größe und furchtbarem Angesicht, und maß zwölf Ellen in die Höhe. Man liest von ihm in etlichen seiner Geschichten, daß er einst stund vor einem König der Chananäer; da kam ihm in den Sinn, daß er den mächtigsten König sollte suchen, der in der Welt wäre, und bei dem sollte bleiben. Also kam er zu einem großen König, von dem ging die Rede, daß es keinen größeren Fürsten in der Welt gebe. Der König nahm ihn mit Freuden auf und hieß ihn bei sich bleiben an seinem Hof."  (19)

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3.1 Die Götter dieser Welt ...

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Was heißt es, dem König dieser Welt zu dienen? Nach dem Johannesevangelium ist der Herrscher dieser Welt der Teufel. (20) Unser erster Überblick über die bestimmenden Kräfte der ökonomischen Welt lässt eine solche Qualifikation nicht abwegig erscheinen: wenn destruktive Triebkräfte wie Neid, Geiz, Habsucht und Machtgier, - Triebe deren Ausleben früher als Todsünde bezeichnet wurde - den Fortschritt einer Konsum- und Konkurrenzgesellschaft befördern. „Worauf du nun dein Herz hängst und verlässest, das ist eigentlich dein Gott", sagt Martin Luther. (21) In diesem Sinn wurde als Gott oder Götze dieser Welt nicht selten das Geld bezeichnet. (22) Doch das trifft nicht ganz den Zeitgeist. Zweifellos werden dem Geld göttliche Qualitäten zugeschrieben, aber die weltliche Welt von heute ist nicht monotheistisch. Zwar sind die Tempel unserer Zivilreligion vielfach Banken - was nicht selten der Baustil verrät - aber daneben gibt es Versicherungsgebäude und Wellnesstempel. Zu den Kirchen von heute zählen Erlebnisparks, Shopping Malls, Multiplex-Kinos, Gastronomietempel und Konferenzzentren, in denen Erfolgsberater dem Kult des positiven Denkens huldigen. Geld, Gesundheit, Wellness, Unterhaltung, Vergnügen, Genuss ... - Fragt man nach den Göttern unserer Zeit, dann stößt man auf die Antwort, die Jesus vom Besessenen von Gerasa erhielt: „Mein Name ist Legion, denn wir sind viele" (Mk 5,9).

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3.2 ... aus der Perspektive einer Theologie des Begehrens

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Dieser Befund lässt sich durch eine Theologie des Begehrens erhärten. (23) Wenn der Mensch wesentlich von einem Begehren bestimmt ist, das allein in Gott seine Ruhe findet, dann werden Menschen, die Gott verloren haben, unersättlich von Gier und Mangel gequält werden. Immer wieder und immer wechselnd stellen sich ihnen Menschen und Dinge in den Weg mit dem Anspruch: „Ich bin das, was du schon immer gesucht hast. Mit mir wirst du glücklich." Nach diesem Prinzip arbeitet die Werbung, die niemals nur den Nutzwert der Produkte anpreist und auch nicht nur an die Grundtriebe wie Hunger, Durst und Sexualität appelliert. Versprochen wird vielmehr, dass du bei Verwendung des Produktes NN jenem sehnsüchtig verlangten, unvordenklich verlorenen und unbekannten X näher kommst, nach dem du schon immer gesucht hast. Nenn es Faszination, Attraktivität, oder Dazugehören. All das markiert nur den Vorhof des Tempels, in dessen Innerstem sich das größte, bestgehütete und zugleich meistbesprochene Geheimnis unserer modernen Zivilisation verbirgt: jenes X, das dir gewährt, was du immer schon gesucht hast: den inneren Frieden, deine Mitte, den Sinn für dein Leben, - ja mehr noch: alle Macht der Welt. Denn wenn du im Besitz dieser unbekannten Essenz bist, dann strahlst du vor aller Welt selber wie ein Gott.

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Womit wir zum Zweiten kommen: nicht nur Dinge, sondern Menschen versprechen, im Besitz dieses letzten Begehrensziels, dieser Unbekannten X zu sein: So geben sie sich selbstgewiss und bedürfnislos, wie die Pokerface-ManagerInnen oder die Männer auf den Plakaten der Zigarettenwerbung. Jeder muss mittlerweile etwas tun für sein Image und sich zumindest ein Stück weit selber vermarkten. Nach außen muss man Sicherheit und Stärke signalisieren, während innen drin die Angst niedergedrückt, - eine Angst, die noch tiefer aufbricht durch das Wissen um die Kluft zwischen vorgeblichem Schein und erfahrenem Seinsmangel, und die aufgepeitscht wird durch die Diskrepanz zwischen dem selbstgewissen Auftreten der anderen und dem Wissen um die Unaufrichtigkeit des eigenen zur Schau gestellten Image: „Wäre es nicht möglich, dass die anderen, wenigstens viele von ihnen, doch nicht bluffen, sondern jenem X tatsächlich näher sind als ich selber vorgebe?" - So ist die Welt weithin zur gigantischen, tragischen Showbühne geworden: Ihr Spiel ist eine burleske Umkehrung von Andersens „Kaisers neue Kleider": Ein jeder weiß sich nackt und macht den anderen vor, toll angezogen zu sein. Hier wie im Märchen bräuchte es ein Kind, das es wagte, die Wahrheit hinauszuschreien, die nun lauten müsste: „Ich bin ja nackt...!" Alle würden dann auf sich selber schauen und zugeben: „Auch ich bin nackt...", - aber märchenhafte Lösungen gibt es eben nur im Märchen.

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3.3 Die Ent-Täuschung des Sündenfalls

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Solche Maskerade ist der christlichen Theologie des Begehrens - fast möchte man sagen - seit Jahrtausenden vertraut. Geradezu analytisch wird sie aufgearbeitet in der biblischen Sündenfallgeschichte.(24) Was passierte, nachdem Adam und Eva der Verheißung der Schlange, sie würden selber wie Gott sein, auf den Leim gegangen waren und von der verbotenen Frucht gegessen hatten?

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„Da gingen beiden die Augen auf, und sie erkannten, dass sie nackt waren" (Gen 3,7).

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Das Wie-Gott-Sein aus eigener Macht und Herrlichkeit kann für den Menschen nur eine Totalüberforderung darstellen. Und so beginnt sich jeder seiner Nacktheit zu schämen und sie vor den anderen zu verbergen. (25) So machen sich Menschen gegenseitig vor, wie Gott oder wenigstens Gott näher zu sein, - göttlichen Glanz aus eigener Herrlichkeit zu strahlen, oder sie schmücken sich wenigstens mit göttlichen Federn: Sie statten sich mit Dingen aus, die ihnen den Nimbus göttlicher Herrlichkeit verleihen. So beginnt die Schöpfung in Menschen und Dingen einen zwielichtigen Eigenglanz zu entwickeln. Ein Meer von Irrlichtern breitet sich aus, das den Blick vom wahren göttlichen Licht ablenkt. Eigentlich war es nur eine kleine Verschiebung, die die ursprünglich gute Schöpfung aus den Fugen geraten ließ. Die ursprüngliche Verheißung zu sein wie Gott, in der Ausstattung mit einer Schönheit, die sich der Transparenz, dem Durchscheinen, dem Verweischarakter auf den wahren Gott verdankt und die Dinge und Menschen so zu strahlenden Sym-bolen der göttlichen Herrlichkeit erhebt, (26) diese Verheißung wird in einen selbstherrlichen Anspruch pervertiert, in dem die Menschen (und vermittels ihrer die Dinge) aus eigener Herrlichkeit strahlen wollen und so in ihrem göttlichen Verweischarakter von Mittlern zu Hindernissen, von Sym-bolen zu Dia-bolen werden. Nur eine kleine Verschiebung, beide Male Herrlichkeit, beide Male Strahlen, beide Male „Sein wie Gott", - aber auf denkbar verschiedene Weise, nun nicht mehr wie anfangs als dankbar angenommenes Geschenk, sondern als eigenmächtig beanspruchter Raub. (27) So sah Kain seinen Bruder Abel an Gottes Herrlichkeit partizipieren: „Der Herr schaute auf Abel und sein Opfer, aber auf Kain und sein Opfer schaute er nicht" (Gen 4,4f). Hätte Kain das ungetrübte Gottesverhältnis seines Bruders als Transparenz auf den wahren Gott wahrgenommen, so hätte er sich daran freuen und selbst daran partizipieren können. Abel wäre ihm Mittler zum verlorenen Gott geworden. Aber Kain war irritiert vom Eigenglanz Abels, oder: Er interpretierte das Strahlen des gottverbundenen Abel als dessen selbstherrlichen Eigenglanz. Und im Vergleich dazu erschien ihm sein eigenes Sein als unerträglich mangelhaft. „Da überlief es Kain ganz heiß, und sein Blick senkte sich" (Gen 4,5). - Was dann passierte, ist bekannt.

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So führt die kleine Verschiebung vom verdankten zum eigenmächtigen Wie-Gott-Sein zu Vertrauensverlust, Täuschung - sie verbargen ihre Nacktheit (Gen 3,7) - und zu Gewalt. Mit Lüge und Mord charakterisiert das Johannesevangelium den Teufel. (28) Und es lässt sich zeigen, dass das selbstherrlich pervertierte Gottesstreben zu Täuschung und Gewalt, letztlich zu Lüge und Mord führt. Die meisten der eingangs genannten Todsünden können zwanglos den Irrlichtern auf dem Weg einer aus den Fugen geratenen Begierdedynamik zugeordnet werden: Neid, Zorn, Geiz, Völlerei und Wollust. Hochmut galt als das Erzübel, ganz in der Tradition des Augustinus, der den Hochmut in einer „perversa imitatio Dei" festmachte, - in einem sündhaften Wie-Gott-sein-wollen. (29)

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3.4 Die Macht der Könige dieser Welt

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Von hier aus kann die Macht der „Könige dieser Welt" besser verstanden werden. Es ist die Verheißung von Trugbildern göttlicher Herrlichkeit, welche die Menschen hinter ihren Öfen hervorholt: die Lockung, einen Platz an der Sonne zu ergattern und die Angst zu kurz zu kommen. Habgier, Neid, Eifersucht werden kanalisiert, in Schranken gehalten durch die effektiven Sanktionierungen unserer Zivilisation - ein wirksames Justizsystem, sowie Zuckerbrot und Peitsche von öffentlicher, medialer Anerkennung und ihrer Verweigerung. Innerhalb dieser Schranken können die konkurrenzierenden und rivalisierenden Kräfte relativ gefahrlos angeheizt werden. Unsere moderne Welt hat die Methoden perfektioniert, Kettenreaktionen von Neid, Habgier, Geiz reguliert auszulösen. Es ist wie mit der Nutzung der Atomenergie in Kernkraftwerken. Ungeahnte Energiepotenziale werden verfügbar, indem man das grenzenlose Begehren - die „Kernkraft" der Humanenergie - anzapft und manipuliert: zur Steigerung des Wirtschaftswachstums, zur Gewinnung eines durchschnittlichen Wohlstandes für viele und von irrsinnigen Reichtümern für einige wenige. Aber wie bei der Kernkraft gibt es Restrisiken und Nebenwirkungen. Manchmal geraten die Kettenreaktionen der angeheizten und frustrierten Begierde aus den Fugen, dann schießt ein Amokläufer eine halbe Schulklasse nieder, oder ein Staat versinkt in Bürgerkrieg. Und es gibt schädliche und gefährliche Restprodukte - „Atommüll": Zahllose Menschen werden suchtkrank, depressiv oder fallen in ein Burn-out. Eine latente Unzufriedenheit und Aggressivität wächst, die sich in Form von Jugendkriminalität Luft macht oder von Demagogen zur Aufhetzung gegen bestimmte Menschengruppen missbrauchen lässt.

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Vordergründig betrachtet, kennt das Begierdespiel der Ökonomie Gewinner und Verlierer. Die Verlierer sind wichtig für das System; sie sind unverzichtbar, denn die Angst, auch so zu sein wie diese, heizt Leistungsbereitschaft und Konformismus an. Wer sich Mühe gibt und zudem auch noch das nötige Quäntchen an Glück hat, dem gelingt es, in der Mittelklasse mitzuschwimmen. Gehalt und Anerkennung nehmen kontinuierlich zu, in der Ehe hat man sich arrangiert, und die Kinder werden älter. Die Midlifecrisis gilt es zu überwinden. Man muss sich damit abfinden, dass man nicht die Sterne vom Himmel holen kann. Dann die Pension, neue Bewegungsfreiheit, weite Reisen, neue Hobbys. Immer gibt es genug Anregung, genug Abwechslung, um das Grundbegehren stillzulegen; stets genügend Nahrung für den kleinen Hunger, um zu verhindern, dass er groß und reißend wird.

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Niemand hat das schärfer und spöttischer beschrieben als Friedrich Nietzsche. Ans Ende einer langen Geschichte menschlicher Leidenschaft stellt er den „letzten Menschen", einen Gezähmten, - Spiegelbild des heutigen homo oeconomicus:

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„Seht! Ich zeige euch den letzten Menschen. „Was ist Liebe? Was ist Schöpfung? Was ist Sehnsucht? Was ist Stern" - so fragt der letzte Mensch und blinzelt. Die Erde ist dann klein geworden, und auf ihr hüpft der letzte Mensch, der alles klein macht. Sein Geschlecht ist unaustilgbar, wie der Erdfloh; der letzte Mensch lebt am längsten. „Wir haben das Glück erfunden" - sagen die letzten Menschen und blinzeln. Sie haben die Gegenden verlassen, wo es hart war zu leben: denn man braucht Wärme. Man liebt noch den Nachbar und reibt sich an ihm: denn man braucht Wärme. Krankwerden und Misstrauen-haben gilt ihnen sündhaft: man geht achtsam einher. Ein Thor, der noch über Steine oder Menschen stolpert! Ein wenig Gift ab und zu: das macht angenehme Träume. Und viel Gift zuletzt, zu einem angenehmen Sterben. Man arbeitet noch, denn Arbeit ist eine Unterhaltung. Aber man sorgt dass die Unterhaltung nicht angreife. Man wird nicht mehr arm und reich: Beides ist zu beschwerlich. Wer will noch regieren? Wer noch gehorchen? Beides ist zu beschwerlich. Kein Hirt und Eine Herde! Jeder will das Gleiche, Jeder ist gleich: wer anders fühlt, geht freiwillig in's Irrenhaus. „Ehemals war alle Welt irre" - sagen die Feinsten und blinzeln. Man ist klug und weiß: Alles, was geschehn ist: so hat man kein Ende zu spotten. Man zankt sich noch, aber man versöhnt sich bald - sonst verdirbt es den Magen. Man hat sein Lüstchen für den Tag und sein Lüstchen für die Nacht: aber man ehrt die Gesundheit. „Wir haben das Glück erfunden" - sagen die letzten Menschen und blinzeln." (30)

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Der Spott entlarvt die Mediokrität und Feigheit des „Königs dieser Welt". ... Ängstlich scheut er zurück vor dem Extremen, dem Radikalen, - das weiter geht und sich einer kleinlichen Ummünzung des großen Begehrens verweigert. Nietzsche weist einen solchen Weg, - in der Vision des Übermenschen in seiner satanischen Selbstherrlichkeit. An diesem Scheideweg steht Christophorus, als er dem irdischen König den Dienst aufkündigt und in die Fußstapfen Satans steigt.

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4. Im Dienst des Teufels

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„Eines Tages aber sang vor dem König ein Spielmann ein Lied, darin des Teufels Name gar oft genannt war. Da nun der König ein Christ war, zeichnete er seine Stirn mit dem Zeichen des Kreuzes so oft des Teufels Name genannt ward. Als Christophorus das sah, verwunderte er sich über die Maßen, warum der König das täte, und was er mit dem Zeichen meinte. Er fragte den König, der aber wollte es ihm nicht sagen. Da sprach Christophorus: „Sagst du es mir nicht, so bleibe ich nicht länger bei dir". Also zwang er den König, daß er sprach: „Wann ich den Teufel höre nennen, so segne ich mich mit diesem Zeichen; denn ich fürchte, daß er sonst Gewalt gewinne über mich und mir schade". Sprach Christophorus: „fürchtest du den Teufel, daß er dir schade, so ist offenbar, daß er größer und mächtiger ist denn du, da du solche Angst vor ihm hast. So bin ich denn in meiner Hoffnung betrogen, da ich vermeinte, daß ich den mächtigsten Herrn der Welt hätte gefunden. Aber nun leb wohl, denn ich will den Teufel selbst suchen, daß er mein Herr sei und ich sein Knecht".

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Also ging er von dem König und machte sich auf, den Teufel zu suchen. Einst kam er in eine Einöde, da sah er eine große Schar Ritter; einer von ihnen war wild und schrecklich anzusehen, der kam zu Christophorus und fragt ihn, wohin er fahre. Er antwortete: „Ich suche den Herrn den Teufel, denn ich wäre gern sein Knecht". Sprach der Ritter: „Ich bin der, den du suchst". Des war Christophorus froh und gelobte ihm seinen Dienst für ewige Zeiten und nahm ihn zu seinem Herrn." (31)

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4.1 Das Wesen des Teufelsdienstes

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Was heißt es, in den Dienst des Teufels zu treten? Folgen wir der biblisch-christlichen Theologie des Begehrens, so äußert sich das Teuflische im Begehren, aus eigener Macht und Herrlichkeit wie Gott zu sein. In der Sündenfallerzählung war es diese Verheißung, mit der die Schlange die ersten Menschen verführte. Die Übertretung erfolgte als Genuss von den Früchten des Baums der Erkenntnis. Die gottgleiche Herrlichkeit sollte sich dann darin erweisen, dass die Menschen Gut und Böse erkennen würden. Erkennen muss hier in der ganzen hebräischen Bedeutungsbreite verstanden werden, in der auch der Zeugungsakt als „Erkennen" bezeichnet wird. Beachtet man dies, dann wird klar, dass die Erkenntnis von Gut und Böse nicht einfach das Zur-Kenntnis-nehmen von etwas Vorgegebenem bezeichnet, sondern die eigenmächtige Festlegung. Der Mensch will selber Herr darüber sein, was gut und was böse ist.

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Von daher trifft Aleister Crowley (1875-1947), der als einer der Begründer des modernen Satanismus gilt, den entscheidenden Punkt, wenn er seine satanische Weltanschauung in das Gesetz absoluter, schrankenloser Autonomie zusammenfasst: „Tu was du willst soll sein das Ganze des Gesetzes." (32) Dieses thelemische Gesetz (von „Thelema" = Wille) soll uns der Leitsatz sein für die „teuflische" Wegetappe von Christophorus. Seine Implikationen und Konkretisierungen wollen wir nun ein Stück weit untersuchen.

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4.2 Der Fluch der wahrgewordenen Träume

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Bevor wir das Trügerische, Widersprüchliche und Selbstzerstörerische dieses Prinzips untersuchen, soll das Faszinierende daran sichtbar gemacht werden. Setzen wir bei etwas Ambivalentem an, dem Glauben an die Macht des eigenen Willens. Vielfach wurde es durch Bücher und Seminare über das „positive Denken" beschworen: „Wenn du ein bestimmtes Ziel nur wirklich willst, mit allen Kräften willst, dann wirst du es auch erreichen." Dieser Appell ist in eine Welt des unentschiedenen Mittelmaßes und der Zersplitterung in viele kleine Teilziele gesprochen. Da ist die Vision, all diese zersplitterten Teilbegierden zusammenzunehmen und in eine Richtung zu kanalisieren. - So weit ist das ein durchaus bedenkenswerter Appell, der auch der Bibel nicht fremd ist: „Du sollst Gott lieben, mit ganzem Herzen, ganzer Seele und all deinen Kräften" (Mt 22,37, vgl. Dtn 6,5). - Der Punkt, wo diese Lehren ins Diabolische abdriften, ist die unterstellte Beliebigkeit der Zielwahl. Für welche Ziele die Fokussierung des Begehrens in den Anleitungen zum positiven Denken in Anspruch genommen werden, zeigen einschlägige Buchtitel: „Das Zen der ersten Million", „Denke nach und werde reich", oder: „Wie man Freunde gewinnt". Die Idee ist so einfach wie reduktionistisch: Du musst dein Wollen ganz und ausschließlich auf das selbstgewählte Ziel richten. Sprich es dir vor, Tag für Tag, Morgen für Morgen, - zum Beispiel: „Ich will, ich werde Millionär" - und vertief dich in das Gefühl, du hättest das Ziel bereits erreicht. Es ist gut vorstellbar, dass dann, wenn jemand bereit ist, alles andere zu opfern, Kräfte frei werden können für ein eingebildetes Ziel, sodass dieses tatsächlich eher erreichbar wird. Was aber, wenn jemand alles preisgegeben hat - Freundschaften, Vertrauen, ein reiches und vielfältiges Leben - um das eine eingebildete Ziel zu erreichen, nur um dann festzustellen, dass dieses gar nicht jenen Glücksgewinn liefert, den man sich davon erhofft hat? Geschichten aus der Märchen- und Sagenwelt werden hier sprechend, - von Menschen, die ihre Seele dem Teufel verschrieben, um ihre fixe Idee - Reichtum, Macht, Ansehen - zu verwirklichen. Diesseits der Märchenwelt gibt es Methoden, die auf ähnliche Wege führen. Die verlorene Seele, das versteinerte Herz, die Einsamkeit und Verzweiflung, die Märchen und Sagen als Preis für den Teufelspakt nennen, - erweisen sich als Metaphern, die auf eine verhängnisvolle Realität verweisen:

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Nehmen wir an, ein Mensch träumt von einem großen Ziel, das für ihn oder sie - unter dem Eindruck einer Welt des Begehrens - der Inbegriff für jenes unbekannte, glücklich machende X ist, - der Besitz eines bestimmten Sportwagens vielleicht, oder eine bestimmte hervorragende berufliche Position, oder die Liebe und Gunst einer bestimmten attraktiven Frau (eines bestimmten attraktiven Mannes). Wo ein Mensch sein ganzes Glück, seine ganze Hoffnung auf ein solches Ziel setzt - gemäß dem Prinzip: „Du musst es nur wirklich, ganz und total zu wollen", wird er/sie es vielleicht erreichen; damit kann er oder sie aber letztlich doch nur enttäuscht werden: Entweder verfehlt man das Ziel, dann hat man natürlich verloren; oder man erreicht es, dann hat man zwar vordergründig gewonnen, auf eine tiefere Weise aber noch vollständiger verloren. Dann wird sich nämlich herausstellen, dass dieses Ziel das glücklich machende X gar nicht ist. Das unbekannte, aber geahnte Begehrensziel entzieht sich jedem eigenmächtigen Zugriff. So ist der mutmaßliche Gewinner nicht nur um ein Ziel ärmer, er ist auch um seine Hoffnung betrogen. Gewöhnlich wird die Enttäuschung verschleiert durch die Verschiebung der Begierde auf andere, noch höhere Ziele: ein noch luxuriöseres Auto, eine noch bessere berufliche Stellung oder eine noch attraktiveren Partner.

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Das Feld von Begierdezielen im konsumistischen Universum ist weit genug, dass man durch wechselnde Ziele immer neu gegängelt werden kann. Aber auch wenn die Jagd nach dem Glück erfolgreich verläuft, das ständige Ausgreifen und Hintersichlassen von Wunschzielen und -etappen führt zu einem Grundgefühl der Erschöpfung und Enttäuschung: vielleicht erst nach vielen Jahren, in der Midlifecrisis - wenn die meisten Lebensziele erfolgreich hinter einem liegen und das große Glück sich dennoch nicht eingestellt hat - oder schneller, radikaler und unbarmherziger, wenn einmal ein Mensch „nach oben fällt" und sich über ihn oder sie die Träume von Geld, Einfluss und Karriere in ungeahnter Fülle ergießen. Das ist der Fluch der Kultposition von medial gefeierten Superstars: Man hat den Plafond erreicht. Alle möglichen Ziele liegen unter einem, nichts scheint mehr auszustehen, und dennoch ist das vielersehnte Begehrensziel außer Reichweite! Das einzige was bleibt ist die Angst, aus den lichten Höhen, in die so viele in fanatischem Ehrgeiz hinstreben, heruntergestoßen zu werden. Und was man an echten Werten gewann - an Freundschaft und Liebe - steht unter dem permanenten Verdacht der Unaufrichtigkeit. „Meinen sie mich oder mein Geld", argwöhnt der misstrauische Multimillionär. „Meint er mich oder meine Attraktivität, meine Schönheit", lautet die bange Frage des Supermodels.

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Beides - Niedergeschlagenheit am Gipfel des Ruhms und die Verzweiflung über den Erweis scheinbarer Liebe als Manipulation - spielte im Leben des österreichischen New-Wave-Rappers Falco eine tragische Rolle. Freunde erinnerten sich an eine Party, während der die Meldung kam, dass Falco mit seinem Song „Rock me, Amadeus" die Nummer eins der amerikanischen, weltweiten Billboard Charts erreicht habe, ein Erfolg, der einem deutschsprachigen Musiker bislang noch niemals zuteil geworden war. Zur Verwunderung der Anwesenden reagierte Falco deprimiert: „Nein, ich kann mich darüber nicht freuen, weil ich das nie mehr schaffen werde!"(33) - Größte Bedeutung für sein Leben hatten die Liebe, Ehe und Elternschaft zusammen mit Isabella V. Später verdichteten sich Gerüchte, dass diese Frau in Berechnung die Beziehung zum Star eingefädelt hätte, und ein Vaterschaftstest bestätigte, dass die geliebte Tochter nicht Falcos Kind war. Beides, der lastende Erfolgsdruck und die fortgesetzte Enttäuschung in persönlichen Beziehungen trug entscheidend zur Verschärfung von Falcos Alkohol- und Drogenproblemen bei, und letztlich zu seinem frühen, tragischen Tod - durch einen Autounfall unter extremem Alkohol- und Drogeneinfluss in der Dominikanischen Republik.

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So ist die Superstar-Position mehr als andere eine, die in die Krise führt. Von vielen beneidet hat man dennoch die Schalheit der hochgepriesenen Werte von Reichtum und Ansehen zu schmecken gekriegt. Überdies ist die Enttäuschung über Sinnleere und Perspektivlosigkeit nur schwer kommunizierbar: Wer nimmt das Grundgefühl depressiver Ernüchterung einem Menschen ab, der an so beneidenswerten Stelle sitzt? So bleibt der Star mit seiner Verzweiflung allein. Die Flucht in die Selbstzerstörung liegt nahe.

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4.3 Spielarten der Verzweiflung

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Die Flucht in die Selbstzerstörung ist nur einer der fatalen Auswege aus dem sich beschleunigenden Kreislauf von irdischen Begierden und Wunscherfüllungen. Es gibt noch andere teuflische Auswege und Varianten des Teufelskreises der Begierden. Zum Beispiel die Verlagerung von Besitz- und Konsumgier in hochgespielte Feindschaften, in denen zum alleinigen Ziel der Begierde die Vernichtung eines Rivalen wird:

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Diese dramatische Verschiebung hängt mit einem Phänomen zusammen, das man als die „mimetische Abhängigkeit der Begierdeziele" bezeichnen könnte. (34) Kurz auf den Punkt gebracht: Wir wissen, dass wir wollen, aber wissen nicht, was wir wollen. In unserer Unsicherheit, welche Ziele die gesuchte und entbehrte Befriedigung unseres Sehnens bringen, orientieren wir uns spontan am Streben anderer Menschen. Wonach andere greifen, das wird auch für uns attraktiver. Dieser Effekt, der von der Werbung gezielt eingesetzt wird, treibt Menschen immer wieder in rivalisierende Konflikte: In dem Maße, als mein Nächster ein bestimmtes X begehrt (einen Besitz, eine Stelle oder eine Freundin/einen Freund), wird es auch für mich begehrenswerter. Und umgekehrt! Derselbe Verstärkungsprozess passiert mit anderen Begierdezielen. Durch wechselseitig verstärkte Rivalität rücken Menschen sich in ihren Interessen immer näher, und zugleich treten sie sich immer häufiger und immer heftiger auf die Zehen. Am Ende ergibt sich für jeden der plausible Eindruck: „Ich weiß zwar nicht positiv, welches Ziel meinem Streben genügt. Aber eines ist sicher: Was auch immer ich versuche, immer tritt mir dieser andere in den Weg." So erwächst der fatale Eindruck, dass der einzige Weg zur Verwirklichung der eigenen Sehnsüchte über die Ausschaltung des feindlichen Rivalen verläuft. Die Lust an der Aneignung von Begierdezielen weicht einem abgrundtiefen Hass, der allein die Vernichtung des anderen begehrt.

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Die Verzweiflung an der mangelnden Befriedigungsqualität im Erreichen und Genuss von irdischen Zielen kann zu zwei gegensätzlichen Kompensationsweisen führen: sinn- und lustlose Verschwendung oder endloser Lustaufschub im Horten der Insignien für Reichtum, Lust und Macht.

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Dem ersten begegnen wir in der unersättlichen und selbstzerstörerischen Genussgier des Jetset, bei der äußerste Steigerung und Beschleunigung durch Drogenrausch, extremem Funsport, endlose Parties etc. einhergeht mit einer erbärmlichen Unfähigkeit zu Freude, Staunen und echtem Feiern. - Zweitens kann der Verzweiflung an der mangelnden Erfüllungskraft von irdischen Begierdezielen durch einen konsequenten Verzicht und Aufschub des Genusses ausgewichen werden. Der fortgesetzte Doppeleindruck von Attraktivität des Begehrens und Enttäuschung des Genießens verleitet zur Lust am rein abstrakten Besitz, am Haben ohne Auszugeben, an der nackten Potenz ohne Lust an ihrer Verausgabung: der Dagobert-Duck-Kapitalist, der nur das Geld liebt, aber nicht den Genuss, den das Geld ermöglicht; oder der Don Juan mit seinen tausend wechselnden Frauen, der nicht die Geliebten, sondern nur die Liebe liebt; oder der Machtmensch, dem es nur um die Zwingkraft seines Willens geht, ohne dass er oder sie damit einen bestimmten Zweck verfolgten.

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4.4 „Tu was du willst, das sei dein ganzes Gesetz"

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In diesem Zusammenhang wird die satanistische Ideologie plausibel. „Tu was du willst, das sei dein ganzes Gesetz." Dieses Prinzip zelebriert den reinen Willen als abstraktes Prinzip. Mit konkreten Gelüsten, die sich eine Willkürfreiheit erfüllt, hat das erklärtermaßen nichts mehr zu tun. Vielmehr wird das vordergründige Belieben durch extreme Praktiken gezielt ausgeschaltet: (35) Das was einem behagt und gefällt, der „gute Geschmack" wird durch Ekeltraining - z.B. Verzehr von Exkrementen - zersetzt; natürliches Mitgefühl durch aufgezwungene Gewaltakte, gegen wehrlose Tieren und sogar gegen Kinder, zerstört; selbst die durchschnittlich narzisstische Selbstbezogenheit wird durch Übungen der Selbstbestrafung niedergedrückt. Und diese Prozesse werden durchlaufen unter extremem Gruppendruck in entwürdigender Unterordnung unter die selbsternannten satanischen Meister. Nichts scheint der Selbstherrlichkeit des Eigenwillens ferner zu stehen, und dennoch soll diese Gehirnwäsche der Freisetzung des tiefen, wahren Willens dienen, - in jener abgründigen, gottgleichen Mitte, von der her „jeder Mensch ein Stern" ist.(36) Der Wille, dem das thelemitische Gesetz des „Tu was du willst" gilt, erweist sich als höchst abstraktes Prinzip eines Willens um seiner selbst willen, demgegenüber jedes konkrete Wollen als oberflächlicher Scheinwille entwertet wird.

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Dem entspricht die Abstraktheit des „Wie-Gott-seins", das die Schlange in der Sündenfallerzählung verspricht. Angesichts der Erschaffung des Menschen als Ebenbild Gottes (Gen 1,27), nur wenig geringer als Gott (Ps 8,6), mit der von Gott erhaltenen Vollmacht zur mit-schöpferischen Weltgestaltung ist das „Sein-wie-Gott" dem Menschen von Anfang an gewährt. Deshalb kann die Verlockung der Schlange - „Gott weiß vielmehr, ... dann werdet ihr sein wie Gott" (Gen 3,5) - nicht auf ein inhaltliches Plus abzielen (auf etwas, das Gott dem Menschen vorenthalten hätte), sondern nur auf einen formalen Unterschied: dass Gott alles aus sich selber heraus hat, während es dem Menschen nur (!) „von Gottes Gnaden" gewährt ist, - eben als Geschenk und nicht als selbstherrlicher Besitz. Allein mit diesem Mehrwert vermag die Schlange zu locken: „Wenn ihr vom Baum der Erkenntnis esst, werdet ihr eure Herrlichkeit aus euch selbst heraus haben, selbst-herrlich wie ein Gott." Es ist klar, dass Gott dieses „Plus" des selbstherrlichen Wie-Gott-seins den Menschen nicht aus Neid vorenthalten hat, sondern ihnen gar nicht geben konnte: Geschenk bleibt Geschenk und kann wahrhaft nur als Geschenk gewürdigt werden. Ebenso klar ist, dass der Gewinn des formalen Plus eines selbstherrlichen Wie-Gott-Seins nur mit dem Verlust des inhaltlichen Geschenks des Wie-Gott-Seins erkauft werden kann: Wenn der Mensch seine Herrlichkeit aus sich selber heraus empfangen will, dann kann er sie nicht als Gabe von Gott empfangen; er muss sie „im Schweiße seines Angesichts" erobern (vgl. Gen 3,19). Der Hinauswurf aus dem Paradies mit der Ankündigung von mühsamer Arbeit und schmerzhaftem Kindergebären sind nicht die Strafen eines neidischen Gottes, sondern zwangsläufige Konsequenz des Sündenfalls in eine selbstherrliche Gottgleichheit.

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Somit ist der Gewinn aus dem Sündenfall eine bloß formale Selbstherrlichkeit, die nicht mit Genuss sondern vielmehr mit harten Entbehrungen, letztlich mit Selbstzerstörung im Bereich des Konkreten, Erfahrbaren verbunden ist: Verherrlichung eines abstrakten Willensprinzips, dem jeder konkret gewollte Genuss aufzuopfern ist. Das ist Essenz und Konsequenz des satanistischen Prinzips: „Tu was du willst, das sei dein ganzes Gesetz."

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4.5 Die Mühsal eines bösen Lebens

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Damit erweist sich der Teufelsdienst unter dem Motto „Tu was du willst" als harter Trainingsweg einer fortgesetzten Brechung des eigenen Willens mit dessen natürlicher Neigung zum Guten und Schönen. Es gibt eine Askese des Bösen, die der Askese im Dienste von Religion und Moral im Hinblick auf Training und Entsagung um nichts nachsteht. Das gilt nicht nur dort, wo das Böse im Namen Satans ausdrücklich beschworen wird, sondern überall, wo Menschen bereit sind, für einen eitlen Selbstentwurf alles andere aufzugeben.

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Exemplarisch zeigt das der Briefroman „Gefährliche Liebschaften", der 1782 von Choderlos de Laclos verfasst und 1988 mit Glenn Close, John Malkowich und Michelle Pfeiffer verfilmt wurde. (37) Im dekadenten Frankreich des 18. Jahrhunderts, am Vorabend der französischen Revolution, treibt ein unmoralisches Paar sein Unwesen: Marquise de Merteuil, die sich viel auf ihre bösen Intrigen zugute hält und Vicomte de Valmont, der sich als der größte Verführer seiner Zeit beweisen will. Es kommt zu einer Wette zwischen beiden, ob es dem Vicomte gelingen würde, die Präsidentin Madame de Tourval, eine höchst angesehene und fromme junge Dame, zu verführen. Mit allen Listen und Tücken erreicht der Vicomte sein Ziel. Dabei kann er sich jedoch dem natürlichen Liebreiz der Präsidentin nicht entziehen, - erstmals in seinem Leben erfährt er echte Liebe. Voll rasenden Neides und Eifersucht spürt die Marquise die Wandlung ihres Komplizen. Sie packt ihn, den sie heimlich geliebt und durch ihre Ränke zu binden glaubte, bei seiner Eitelkeit und macht sich über seine aufkeimende Liebe lustig. Der Ruf des Vicomte steht nun auf dem Spiel, und er entschließt sich, diesem Ruf auch sein Wertvollstes, diese aufkeimende Liebe zu opfern. Es kostet ihn die äußerste Anstrengungen, seine Geliebte schamlos zu verhöhnen. (38) - Es gelingt ihm, doch dieser letzte Sieg ist seine äußerste Niederlage. Nicht nur, dass ihn sein Erfolg nicht freut. Die Marquise gibt sich als eigentliche Siegerin aus, da es ihr gelungen wäre, den Vicomte gegen sein eigentlichstes Wollen zu manipulieren. (39) Aber es bleibt auch ihr letzter Sieg. Der Vicomte, dem das Leben nun nichts mehr bedeutet, übergibt sterbend die Beweise für der Marquise unsägliche Intrigen der Öffentlichkeit. Die Marquise endet in äußerster gesellschaftlicher Isolation.

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4.6 Die Grenzen der satanischen Macht

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Der Briefroman von Laclos, der wegen der schamlosen Selbstdarstellung moralischer Verwerflichkeit seinerzeit einen Skandal ausgelöst hatte, beschreibt nicht nur, wie anstrengend der konsequente Einsatz für das Böse ist; er zeigt auch seine Grenzen. Die echte, selbstaufopfernde Liebe von Madame de Tourval verfehlt nicht ihre Wirkung auf den zynischen Verführer. Der Bösewicht wird sozusagen zum Guten verführt. Beinahe wird Valmont den Fängen seiner Bosheit entrissen. Und als es ihm - unter massivem Einfluss seiner Kumpanin - doch noch gelingt, „sich selber" treu zu bleiben, stürzt das Böse wie ein Kartenhaus in sich zusammen.

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Was sich hier exemplarisch zeigt, ist die verhängnisvolle Wirkung von Liebe, von Kreuz, von gekreuzigter Liebe auf das Satanische. Von daher wird die nächste Etappe der Christophorus-Legende plausibel, mit dem verbreiteten Motiv, dass der Teufel das Kreuz flieht:

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5. Im Dienst des Gottes der Liebe

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„Da sie nun mit einander dahin zogen, kamen sie einst auf eine Straße, da war ein Kreuz am Wege erhöhet. Alsbald der Teufel das Kreuz sah, floh er voll Furcht und ließ die Straße, und führte Christophorum zur Seite einen rauhen und wüsten Weg, und darnach wieder zu der Straßen. Christophorus verwunderte sich darob und fragte ihn, warum er den geraden Weg habe gelassen und auf solchen Umwegen durch die Wüste sei gefahren. Der Teufel wollte es ihm in keiner Weise sagen, aber Christophorus sprach: „Sagst du es mir nicht, so gehe ich alsbald von dir". Also zwang er den Teufel, daß er sprach: „Es ist ein Mensch gewesen, Christus mit Namen, den hat man ans Kreuz geschlagen; und so ich dieses Kreuzes Zeichen sehe, so fürchte ich mich sehr und muß es fliehen". Sprach Christophorus: „So ist dann jener Christus größer und mächtiger denn du, so du sein Zeichen so sehr fürchtest? Also war meine Mühe umsonst, und ich habe den größten Fürsten der Welt noch nicht gefunden. Lebe nun wohl, denn ich will von dir scheiden und Christum suchen".

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Er suchte lange Zeit, ob ihm jemand von Christo möchte Kunde geben. Zuletzt kam er zu einem Einsiedel, der predigte ihm von Christo und unterwies ihn mit Fleiß im Glauben. Und sprach zu Christophorus: „Der König, dem du dienen willst, begehrt, daß du viel fastest". Antwortete Christophorus: „Er fordere von mir ein ander Ding, denn dies vermag ich nicht zu tun". Sprach der Einsiedel: „Es ist not, daß du viel zu ihm betest". Antwortete Christophorus: „Ich weiß nicht, was das ist, und kann ihm darin nicht folgen". Da sprach der Einsiedel: „Weißt du den Fluß, darin viel Menschen umkommen, so sie hinüber wollen fahren?" Antwortete Christophorus: „Ja, ich weiß ihn". Und der Einsiedel sprach: „Du bist groß und stark: setze dich an den Fluß und trage die Menschen dahinüber, so wirst du Christo dem Könige gar genehm sein, dem du zu dienen begehrst; und ich hoffe, daß er sich dir daselbst wird offenbaren". Sprach Christophorus: „Das vermag ich wohl, und will ihm hierin dienen". Also ging er zu dem Fluß und baute sich an dem Ufer eine Hütte. Er nahm eine große Stange in seine Hand statt eines Stabes, darauf stützte er sich im Wasser und trug die Menschen alle hinüber ohn Unterlaß. Darnach über manchen Tag, da er einst in seiner Hütte ruhete, hörte er, wie eines Kindes Stimme rief: „Christophore, komm heraus und setz mich über". Er stund auf und lief hinaus, konnte aber niemanden finden; also ging er wieder in seine Hütte. Da hörte er die Stimme abermals. Er ging wieder hinaus und fand niemanden. Darnach hörte er die Stimme zum dritten Male wie zuvor; und da er hinausging, fand er ein Kind am Ufer, das bat ihn gar sehr, daß er es hinübertrage. Christophorus nahm das Kind auf seine Schulter, ergriff seine Stange und ging in das Wasser. Aber siehe, das Wasser wuchs höher und höher, und das Kind ward so schwer wie Blei. Je weiter er schritt, je höher stieg das Wasser, je schwerer ward ihm das Kind auf seinen Schultern; also daß er in große Angst kam, und fürchtete, er müßte ertrinken. Und da er mit großer Mühe durch den Fluß war geschritten, setzte er das Kind nieder und sprach: „Du hast mich in große Fährlichkeit bracht, Kind, und bist auf meinen Schultern so schwer gewesen: hätte ich alle diese Welt auf mir gehabt, es wäre nicht schwerer gewesen". Das Kind antwortete „Des sollst du dich nicht verwundern, Christophore, du hast nicht allein alle Welt auf deinen Schultern getragen, sondern auch den, der die Welt erschaffen hat. Denn wisse, ich bin Christus, dein König, dem du mit dieser Arbeit dienst."(40)

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5.1 Das Wesen des Dienstes am wahren Gott

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Der Dienst an „Christo dem Könige" verläuft für Christophorus anders als die vorigen. Dieser Herr steht nicht so einfach zur Verfügung: Christophorus „suchte lange Zeit". Ein Einsiedler übernimmt die Mittlerfunktion, aber dessen bewährte Regeln von Fasten und Gebet erweisen sich als ungeeignet für Christophorus. Er wird einen eigenen, seinen Begabungen entsprechenden Weg geführt: „Setze dich an den Fluß und trage die Menschen dahinüber, so wirst du Christo dem Könige gar genehm sein, dem du zu dienen begehrst; und ich hoffe, daß er sich dir daselbst wird offenbaren". Da ist kein Herr, der ihn unmittelbar in seine Dienste zwingt, Christophorus bleibt frei, und doch lebt er im Dienst für die einfachsten Menschen. Auf diesem Weg begegnet er schließlich dem Herrn der Welt, - in Gestalt eines Kindes.

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Worin liegt das Wesen des Dienstes am wahren Gott? Die Legende lässt mehrere Motive anklingen: Nächstenliebe, die höher zählt als Frömmigkeitspraktiken wie Fasten und Gebet; die Schule der Demut, in der der stolze Hühne lernt, seine Schultern unter die Niedersten und Schwächsten zu beugen. Das Ende der Legende, in der Christophorus für den Namen Christi die grausamsten Martyrien erträgt, (41)zeigt dann, dass dieser „niedere Dienst" ihn keineswegs klein gemacht hat, sondern ihm die Macht verleiht, den brutalsten Gewalten zu widerstehen. So legt die Legende nahe, dass Christophorus auf seinem dritten Wegstück, im Dienst des Gottes der Liebe, sein Begehren nach Größe im Dienst am Größten verwirklichen konnte.

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Worin besteht aus biblisch-christlicher Perspektive das Wesen des Dienstes am wahren Gott? Beziehen wir uns auf die Schöpfungs- und Sündenfallerzählung, die uns schon mehrfach begleitet hat, dann besteht dieses Wesen in der Wahrnehmung der Berufung zur Gott-Ebenbildlichkeit. Indem die Menschen diese Gabe dankbar als Geschenk annehmen, verhalten sie sich mit Gottes Fürsorge und Großzügigkeit zueinander und zur Schöpfung. Die Paradieseserzählungen beschreiben die großartige Möglichkeit einer Welt, in der alle Menschen in Dankbarkeit empfangen wessen sie bedürfen und aus dem Geist dieser Dankbarkeit weitergeben, sodass dadurch nicht nur aller Mangel Stillung findet, sondern das tiefste Begehren zur Erfüllung kommt. Denn das tiefste Begehren zielt auf freie Anerkennung in Liebe.

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Der Sündenfall markiert den Übergang in eine Welt, in der das freie Wechselspiel der Liebe aus dem Gleichgewicht geriet. Die Folge ist nicht nur Mangel allenthalben, sondern auch eine erfüllungsleere Glanzlosigkeit des Überflusses. Dennoch ist die Erfahrung, dass das Wesentliche geschenkt ist, auch in einer solchen Welt, die die unsere ist, nicht vollständig verloren gegangen. Immer wieder - in Erfahrungen des Schönen (in der Natur oder im menschlich Geschaffenen) oder der mitmenschlichen Liebe - kann diese Erfahrung machtvoll durchbrechen. In solchen Gnadenerfahrungen, die sich auch ganz unspektakulär ereignen, wird eine unerwartete und unausdenkbare Übererfüllung allen Begehrens evident, - selbst in Situationen, die äußerlich betrachtet von Mangel gekennzeichnet sind. Solche Erfahrungen befähigen den Menschen, sich selber „voll Gnade" zu verhalten. Eine selbstlose Hinwendung zu den Mitmenschen und ein achtsamer Umgang mit der Schöpfung werden möglich, ohne dass das durch Gewinnkalkül oder Verlustangst motiviert wäre. In solchem Verhalten, bei dem Menschen die Herrlichkeit und Gnade Gottes „mit enthülltem Antlitz widerspiegeln" (2 Kor 3,18), besteht der Dienst am wahren Gott. In diesem Sinn kann gesagt werden, der Dienst am wahren Gott besteht in der Liebe.

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5.2 „Liebe und tu was du willst"

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Die Liebe als wahrer Gottesdienst kann nicht einfach per Gesetz verfügt werden. In einer Welt, die durch Sünde und Schuld entstellt ist, müssen Menschen neu dazu befähigt werden. Wo sich Menschen Gottes Gnade erschließt (in Erfahrungen von Schönheit, Liebe usw.), werden sie zum Gottesdienst der Liebe befähigt. So verläuft auch die „Logik" von Jesu Gottesreichbotschaft: Zuerst wird Menschen neu - und in grundloser Vergebung - die bedingungslose Gottesnähe eröffnet: „Das Himmelreich ist nahe". - Diese beglückende Erfahrung befähigt die Menschen dazu, sich auf ganz neue Weise dem Reich Gottes gemäß zu verhalten. Und erst in dieser Befähigung gründet die Aufforderung zum entsprechenden Verhalten: „Kehrt um, - denn das Himmelreich ist nahe" (42).

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Von daher ist die Erfahrung des Geliebtwerdens durch Gott das erste, das für einen christlichen Begriff von Liebe gesagt werden muss. So sieht es der erste Johannesbrief:

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„Liebe Brüder, wir wollen einander lieben; denn die Liebe ist aus Gott, und jeder, der liebt, stammt von Gott und erkennt Gott. Wer nicht liebt, hat Gott nicht erkannt; denn Gott ist die Liebe. Die Liebe Gottes wurde unter uns dadurch offenbart, dass Gott seinen einzigen Sohn in die Welt gesandt hat, damit wir durch ihn leben. Nicht darin besteht die Liebe, dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt und seinen Sohn als Sühne für unsere Sünden gesandt hat. Liebe Brüder, wenn Gott uns so geliebt hat, müssen auch wir einander lieben. Niemand hat Gott je geschaut; wenn wir einander lieben, bleibt Gott in uns, und seine Liebe ist in uns vollendet" (1 Joh4,7-12).

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Es sind diese Sätze aus dem ersten Johannesbrief, die Augustinus dazu bewegten, ein extremes Grundprinzip des christlichen Lebens zu formulieren: „Liebe und tu was du willst". Dieser Satz ist geprägt von Augustins Einsicht, dass jedes konkrete Verhalten und jede moralische Verhaltensvorschrift in ihrem moralischen Wert zwiespältig ist. Der Einsatz für den Nächsten oder das Gebet zu Gott kann in selbstloser Hingabe erfolgen oder aber aus unaufrichtiger Berechnung oder aus Angst vor Nachteilen im Falle eines Unterlassens der Handlung. Alles, was es an guten Taten gibt, kann auch zu einem subtilen egoistischen Verhalten pervertiert werden. Angesichts dieser Zwielichtigkeit von allem konkreten Tun bedarf es eines Unterscheidungskriteriums, das den Geist benennt, aus dem ein bestimmtes Verhalten entspringt. In diesem Sinn ist nach Augustinus ein Verhalten gut und damit für Christen geboten, wenn es vom Geist der Liebe getragen ist. Das wird deutlich, wenn wir uns das berühmte Augustinus-Zitat im Zusammenhang anschauen:

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„So viel vermag die Liebe. Seht, sie allein ist es, die scheidet, die allein unterscheidet die Taten der Menschen. ... Auch bei verschiedenem Tun sehen wir einen Menschen hart aus Liebe, und zärtlich einen anderen aus Bosheit. Der Vater schlägt den Knaben, der Kindesentführer (43) streichelt ihn. Wenn du einem die beiden Dinge vorlegst, Schläge und Zärtlichkeiten, wer würde nicht die Liebkosungen wählen und den Schlägen sich entziehen? Achtest du aber auf die Personen, dann schlägt die Liebe, die Bosheit liebkost. Was wir euch ans Herz legen, seht: Nur von der Wurzel der Liebe her unterscheidet sich das Tun der Menschen. Denn vieles kann geschehen, das den Schein des Guten trägt, und doch nicht aus der Wurzel der Liebe hervorgeht. Denn auch die Dornen haben Blüten. Manches sieht hart aus, scheint unfreundlich; doch es geschieht zur Erziehung unter dem Gebot der Liebe. Ein für allemal erhältst du darum dieses kurze Gebot: Liebe, und was du willst, das tu! Schweigst du, so schweig in Liebe; wirst du laut, tu es in Liebe; weisest du zurecht, weise zurecht in Liebe; übst du Nachsicht, tue es in Liebe. Lass die Wurzel der Liebe in deinem Inneren verbleiben: Aus dieser Wurzel kann nur Gutes aufwachsen." (44)

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5.3 Augustinus und Aleister Crowley

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„Liebe und tu, was du willst." Dieser Satz von Augustinus, der den christlichen Ethos in seinem Kern zusammenfasst, steht in verblüffender und beunruhigender Nähe zum Leitprinzip von Aleister Crowley: „Tu was du willst, das sei dein ganzes Gesetz." (45)

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Hier reduziert sich der Gegensatz zwischen christlichem Gnadenprinzip und teuflischem Prinzip der Selbstmächtigkeit auf das Gegeneinander zweier Formalprinzipien, d.h. von Prinzipien, die nicht konkrete Verhaltensweisen vorschreiben, sondern sich allein auf das Wie von Verhaltensweisen beziehen. Und diese beiden Formalprinzipien klingen einander sehr ähnlich. Das eröffnet eine große Chance, das „unterscheidend Christliche" zu verdeutlichen und jene vielleicht kleinen Verschiebungen zu markieren, die das spezifisch Christliche in sein Gegenteil pervertieren.

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Was Augustins Kriterium bestimmt und Crowleys Prinzip abgeht, ist die Liebe. In Augustins Anleitung zum christlichen Leben ist es die Liebe, die dem Prinzip „Tu was du willst", Richtung gibt. Liebe ist dabei kein äußeres Kriterium, das zur Erzielung des spezifisch Christlichen einfach handhabbar wäre. Um das wenig griffige Prinzip „Liebe..." verwirklichen zu können, müssen der Christ / die Christin sich mit ihrem ganzen Leben einlassen auf die Grunderfahrung, die dem kommentierten Johannesbrief-Text zugrunde liegt: „dass ein anderer uns zuerst geliebt hat". Damit wird der Appell zu lieben zu einem inneren Kriterium, das jenen Willen bestimmt, den Augustinus in schwindelerregender Weise freigibt: „Tu was du willst!" - Der Wille, der von dieser Liebe getragen ist, weist den Menschen den Weg zwischen den Zwielichtigkeiten von gefälligen und ungefälligen Verhaltensweisen. Darin ist durchaus inbegriffen, dass die Haltung des Liebens nicht einfach jedes denkbare Verhalten veredelt, sondern bestimmte Verhaltensweisen aus der Praxis heraus als mit dem Geist der Liebe grundsätzlich unvereinbar erweist. In diesem Sinn ist das Prinzip „Liebe und tu was du willst" nicht indifferent gegenüber jedem Verhalten, sondern zeigt sich als Leitprinzip, das durch Praxis den Weg zum rechten Verhalten weist. (46) Es kommt darauf an, in allem den Weg der größeren Liebe zu finden.

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Damit lässt sich der Gegensatz zwischen Augustins und Crowleys Leitsatz herausstellen. Bei beiden Formalprinzipien lautet die entscheidende Frage: „Welches ist dieser Wille, von dem gesagt wird: Tu, was du willst." Sowohl bei Augustinus als auch bei Crowley gilt, dass es sich nicht um die vordergründige, momentane Vorliebe handelt. Man muss tiefer graben, um das wahre Wollen zu finden. Bei Crowleys Leitsatz zeigte sich, dass dieses wahre, tiefere Wollen, in dem der Mensch ans Göttliche grenzt und „ein Stern ist", vollständig abstrakt bleibt. So ist die Findung dieses tieferen Willens der Manipulation von satanischen Meistern und ihren Lehren ausgesetzt. Die Konkretisierungen dieses tieferen Willens führen den Menschen überdies auf einen Weg, der seiner begrenzten und solidarischen Natur widerspricht, und folglich in die Selbstzerstörung. Der Satanist / die Satanistin wird auf den Weg eines Kampfes geführt, der in ständiger Gefahr entweder des Größenwahns oder des Verfolgungswahns steht. (47)

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Dagegen bestimmt Augustinus in seinem christlichen Leitsatz die Liebe als Prinzip jenes Willens, von dem er zu sagen wagt: „Tu was du willst". Er führt das Wollen auf einen Weg, welcher der Grundausrichtung des menschlichen Begehrens entspricht (ihr „konnatural" ist) und damit dieses Begehren freisetzt. Christsein wird damit zur „Befreiung des Begehrens", oder, wie wir im Titel dieses Aufsatzes formulierten: zur Befreiung der Leidenschaft.

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Die irritierende Nähe zwischen dem christlichen und dem teuflischen Prinzip wird noch verschärft, wenn man den weniger bekannten zweiten Leitsatz Crowleys dazunimmt: „Liebe ist das Gesetz, Liebe unter Willen." (48) Man muss Crowleys Ausführungen zu diesen Maximen berücksichtigen, um den Gegensatz zum Christlichen zu erkennen. Da wird zunächst Liebe als Prinzip der Vereinigung mit allem im Kosmos bestimmt. Um diese Vereinigung im eigenen Leben zu verwirklichen, solle man vor allem die Einung mit dem Gegensätzlichen, Unintegrierten suchen. Dazu gehört nach Crowley das vordergründig Ungeliebte: das Hässliche, Ekelhafte, vor allem auch der hässliche Mensch. Noch einmal wird an dieser Stelle eine geradezu irritierende Nähe zu christlichen Leitprinzipien erreicht: nämlich der Zuwendung zum Niederen, Verachteten. Aber gerade diese motivische Nähe macht den abgrundtiefen Gegensatz zwischen beiden Maximen vollständig sichtbar. Bei Crowley handelt es sich um Übungen zur Stählung und Vertiefung des Willens, die sich dazu des Hässlichen durch - vor allem sexuelle - Einigung bedient. Solche Verzweckung des Anderen ist die denkbar schlimmste Perversion von dem, was christlich gemeint ist: nämlich liebende Zuwendung zum niederen, hässlichen Anderen, die nicht das Niedere und Hässliche an ihm/ihr sucht, sondern „mit den Augen der Liebe" den unverlierbaren schönen, guten Wesenskern wahrnimmt und durch Liebe freizusetzen vermag. Im Gegensatz dazu wird gemäß dem Crowleyschen Prinzip im Anderen das Hässliche gesucht und im Akt der Einigung der/die Andere auf dieses Hässliche festgelegt.

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Eine schockierende Konkretisierung solchen Verhaltens finden wir in der Literatur bei einem Willens- und Genussmenschen, der sich gleichwohl nicht als Satanist verstand: In Dostojewskijs Roman „Die Brüder Karamasoff" schwängert Fjodor Karamasoff aus reiner Lust am Abscheulichen eine verwahrloste Geisteskranke, - eine Untat, deren Abgründigkeit noch verschärft erscheint durch die russische Volksmeinung, die den Geisteskranken eine besondere Gottesnähe und damit Würde und Unantastbarkeit zuschrieb.(49) Ein positives Gegenbeispiel finden wir in Elie Wiesels Roman „Der Schwur von Kolvillág" in der Person des exzentrischen Rabbiners Mosche. Durch hinterlistigen Appell an sein Mitgefühl wird er dazu überredet, eine arme und hässliche Frau zu ehelichen. Rückhaltlos lässt er sich darauf ein, liebt sie und trägt sie förmlich auf Händen. „... Er überschüttete sie mit Ehrerbietung und Lob. Er nannte sie seine Königin, seinen Schabat. Und die arme Lea verwandelte sich, lebte auf, dachte ohne Verachtung und Bitterkeit an ihren Körper. Sie hielt sich für schön, weil Mosche sie so sah." (50)

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Das destruktive Potential des thelemitischen Liebesprinzips wird an den realen Folgen deutlich: Von mehreren der vielen Frauen, mit denen Crowleys sich „in Liebe vereinte", wissen wir, dass sie mit ihrem Leben furchtbar scheiterten: sie endeten in Selbstmord, Sucht oder Wahnsinn. (51)

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Das eigenartige Verhältnis von äußerer Ähnlichkeit und abgrundtiefem Wesensgegensatz zwischen den satanistischen Prinzipien von Wille/Liebe und dem „Liebe, und tu was du willst" des heiligen Augustinus kommt nicht von ungefähr. Es entspricht der schillernden Doppelbedeutung des biblischen „Seins wie Gott": höchste Verheißung und Wurzelsünde zugleich. Und doch ist es kein paradoxes oder dialektisches Prinzip, in dem sich die Gegensätze von Gut und Böse bis zum Zusammenfall berühren würden. Wie bereits ausgeführt, besteht zwischen der göttlich-heilshaften und der teuflisch-zerstörerischen Bedeutung dieses Prinzips eine Differenz, die aus bestimmter Perspektive nur eine Nuance ausmacht, auf die aber alles ankommt: die Bereitschaft, dieses „Sein-wie-Gott" als Geschenk und Verheißung von Gott entgegenzunehmen und aus dieser Erfahrung des Beschenktseins das Sein-wie-Gott in jener überschwänglichen und selbstlosen Liebe gegenüber Um- und Mitwelt zu verwirklichen, die charakteristisch ist für den Geist jenes Gottes, den das Christentum die Liebe nennt.

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Es zeigt sich mithin, dass der Grat zwischen Gottesdienst und Teufelsdienst zuweilen ein äußerst schmaler ist. Zwar liegen Welten zwischen der destruktiven Willkür, mit der Fjodor Karamasoff über die geisteskranke Frau herfällt und der radikalen Liebe, mit der Rabbi Mosche die hässliche Alleingebliebene zur Würde der Schönheit erhebt. Aber es genügen minimale Verschiebungen, dass aus dem selbstlosen Einsatz für hilfebedürftige Menschen eine prestigeträchtige Geste, eine sinn- und identitätsstiftende Maßnahme oder ein Geschäft mit dem Himmel wird. (52) Der Teufel steckt im Detail, oder - in den Nuancen.

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Diesem Befund entspricht das schöpfungstheologische, anti-dualistische Prinzip, dass der Teufel aus sich heraus keinerlei Herrlichkeit hat. Alles womit er zu locken vermag, ist nur die pervertierte Entwendung der ursprünglichen Herrlichkeit von Gott und seiner Schöpfung. Die perfide Faszination des thelemitischen Prinzips „Tu was du willst, das sei dein ganzes Gesetz" ist nichts als die destruktiv gewendete Abkupferung jener „Freiheit eines Christenmenschen" (Luther), die Augustinus zur Maxime verdichtete: „Liebe und tu was du willst". Der Glanz der satanistischen Verheißung „Jeder Mensch ist ein Stern" ist bloß die Verkehrung jener göttlichen Strahlkraft, von der Paulus spricht, wenn er meint, dass „wir alle mit enthülltem Antlitz Gottes Herrlichkeit widerspiegeln" (2 Kor 3,18). Das Versprechen unserer Konsumwelt (im Gefolge des Königs dieser Welt), dass wir all unsere Wünsche und Bedürfnisse werden erfüllen können, ist nichts als die letztlich frustrierende Ersatzbefriedigung eines Lebensdurstes, den nur göttliche Wasser stillen können. (53) All das biblisch-programmatisch zusammengefasst: Die Verlockung der Schlange, dass wir sein können wie Gott, ist nichts als die Pervertierung der gleich lautenden Gabe und Verheißung, die Gott dem Menschen von Anfang zugesprochen hat.

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Deshalb kann Christophorus auf den beiden ersten Wegetappen - im Dienst des irdischen Königs und im Dienst des Teufels - keine Erfüllung finden. Deshalb auch müssen der irdische König und der Teufel das Licht des wahren Gottes fürchten, - denn wer diese leuchten sieht, findet an den Lockungen teuflischer Ersatzbildungen keinen Gefallen mehr. Und deshalb müssen die Spuren der wahren Herrlichkeit verwischt werden, wenn die Menschen durch Ersatzziele konditioniert und instrumentalisiert werden sollen. Wer sich diesen Gängelungen entziehen will, verfällt leicht in den Irrtum, dies nur auf den Wegen einer diabolischen Selbstherrlichkeit erreichen zu können. Christentum verfehlt seine Sendung, wenn es ein solcherart enthemmtes Begehren nur zu Ruhe und Ordnung rufen will. Es hat das Potential, die niedergedrückte, instrumentalisierte oder zerstörerisch ausufernde Leidenschaft zu seiner wahren Erfüllung zu führen. Christentum darf deshalb nicht begriffen werden als ein Weg der Befreiung von den Leidenschaften. Seinem Wesen nach ist es der Königsweg zur Befreiung der Leidenschaften.

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Anmerkungen:  

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 1. Eine Vorform stellten die acht Todsünden bei Evagrius Ponticus dar: Völlerei, Wollust, Habgier, Traurigkeit, Zorn, geistige Faulheit, Ruhmsucht und Stolz, - eine Aufzählung in aufsteigender Reihenfolge, was die Schwere der Sünde betrifft.

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2. Zum folgenden vgl. in diesem Band den Aufsatz von W. Guggenberger: Leidenschaft - Vom Ringen des Menschen mit sich selbst.

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3. (1670-1733) veranschaulichte das mit seiner Bienenfabel, einem Gedicht, das dem Bienenstock, der allegorisch für den Staat steht, trotz Habgier und Bestechlichkeit auf individueller Ebene im Kollektiven ein geradezu paradiesisches Leben bescheinigt: „Trotz all dem sündlichen Gewimmel - War's doch im Ganzen wie im Himmel." Mandevilles Überlegungen wurden vielfach übernommen, am berühmtesten wohl in der Selbstvorstellung des teuflischen Mephistopheles in Goethes Faust: „Ich bin ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will, doch Gutes schafft."

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4. „Wie die Geier" werden die Menschen im Schlussverkauf anerkennend tituliert. Und die besten Schnäppchen sind im Web zusammengefasst auf einer Site namens www.geizhals.at.

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5. Der Spruch ist ein Zitat aus dem Nicholas Ray-Film „Vor verschlossenen Türen" aus dem Jahr 1949. Er wurde von James Dean übernommen und populär gemacht.

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6. Aus Neil Youngs Song „Out of the Blue". Kurt Cobain (s.u.) zitierte diesen Spruch in seinem Abschiedsbrief vor seinem Selbstmord."

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7. Traurige Ironie des Schicksals, dass der dritte Teil seines Prinzips „... and leave a good looking body" an seinem körperzerschmetternden Autounfall scheiterte.

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8. Vgl. L. Weimer, Die Lust an Gott und seiner Sache. Oder: Lassen sich Gnade und Freiheit, Glaube und Vernunft, Erlösung und Befreiung vereinbaren? Freiburg i.Br.-Basel-Wien 1982.

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9. Vgl. die Invektiven gegen Paulus in Nietzsches Werk „Der Antichrist".

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10. Zum folgenden vgl. H. W. Wolff, Anthropologie des Alten Testaments. München 1984.

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11. Vgl. z.B. Jes 42,13: „Der Herr zieht in den Kampf wie ein Held, er entfacht seine Leidenschaft wie ein Krieger", oder die zahlreichen Stellen, an denen Jahwe sich als eifersüchtiger Gott bezeichnet (z.B. Ex 20,5, Ex 34,14; Dtn 5,9).

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12. Vgl. in der Bergpredigt, v.a. Mt 5,20-37.

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13. Vgl. das Doppelgleichnis vom Schatz und der Perle in Mt 13,44-46.

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14. Vgl. Röm 8.

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15. „Du zeigst mir den Pfad zum Leben. / Vor deinem Angesicht herrscht Freude in Fülle, zu deiner Rechten Wonne für alle Zeit" (Ps 16,11). - „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben" (Joh 10,1).

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16. Vgl.: Der Bericht über das Leben des Franz von Assisi oder: Der Spiegel der Vollkommenheit. München 1981, 61f.

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17. Vgl. Therese von Lisieux, Selbstbiographie. Einsiedeln 121991, 22f.

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18. Vgl. Jacobus de Voragine, Die Legenda aurea. Aus dem Lateinischen übersetzt von Richard Benz. Heidelberg 91979, 498.

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19. Legenda aurea, ebd. 498.

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20. Vgl. Joh 12,31.

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21. M. Luther, Der große Katechismus, Das erste Gebot.

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22. Vgl. Th. Ruster, Der verwechselbare Gott. Theologie nach der Entflechtung von Christentum und Religion (QD 181). Freiburg 2000, 142f.

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23. Zum folgenden vgl. R. Girard, Figuren des Begehrens. Das Selbst und der Andere in der fiktionalen Realität. Aus dem Französischen von Elisabeth Mainberger-Ruh. Thaur-Münster-Hamburg-London 1999, sowie W. Palaver, Kapitalismus als Religion, in: Quart Nr. 3+4 (2001) 18-25, im Internet: http://info.uibk.ac.at/c/c2/theol/itl/283.html

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24. Zum folgenden vgl.: W. Sandler, Wie kommt das Böse in die Welt? Zur Logik der Sündenfallerzählung, in: Dramatische Theologie im Gespräch. Symposion/Gastmahl zum 65. Geburtstag von Raimund Schwager (BMT 14). Hg. J. Niewiadomski, N. Wandinger, Thaur/Münster 2001, im Internet: http://info.uibk.ac.at/c/c2/theol/itl/105.html

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25. „...und sie erkannten, dass sie nackt waren. Sie hefteten Feigenblätter zusammen und machten sich einen Schurz" (Gen 3,7).

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26. Vgl. 2 Kor 3,18.

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27. Vgl. dagegen die „Reparatur" bei Jesus von Nazareth gemäß dem großen Philipperhymnus: „Er selbst hielt aber nicht daran fest [wie ein Raub...], wie Gott zu sein..." (Phil 2,6-11).

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28. „Ihr habt den Teufel zum Vater, und ihr wollt das tun, wonach es euren Vater verlangt. Er war ein Mörder von Anfang an. Und er steht nicht in der Wahrheit; denn es ist keine Wahrheit in ihm. Wenn er lügt, sagt er das, was aus ihm selbst kommt; denn er ist ein Lügner und ist der Vater der Lüge" (Joh 8,44).

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29. Vgl. Augustinus, De civitate Dei 19,12.

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30. F. Nietzsche, Also sprach Zarathustra, Zarathustras Vorrede, Teil 5.

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31. Legenda aurea (s. Anm. 18) 498f.

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32.Vgl. Crowley, Liber Al vel Legis I,40; im Internet: http://www.thelema93.de/files/liberal[d]. html

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33. im Internet: http://www.falco.at/deutsch/bio_dat/5.htm

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34. René Girard hat diese Zusammenhänge als Übergang von der Aneignungsmimesis zur Gegenspielermimesis entfaltet. Vgl. dazu: R. Girard, Das Ende der Gewalt. Analyse des Menschheitsverhängnisses. Freiburg i.Br.-Basel-Wien 1983, 37-41.

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35. Zum folgenden vgl. G. u. M. Grandt, Schwarzbuch Satanismus. Innenansicht eines religiösen Wahnsystems. Augsburg 1995.

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36. Vgl. A. Crowley, Liber Al vel Legis 1,3; im Internet: http://www.thelema93.de/files/liberal[d]. html

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37. Vgl. P. A. Choderlos de Laclos, Gefährliche Liebschaften. Zürich 1985, sowie S. Scharnowski, Grausame Liebschaften. Zum literarischen Typus des Verführers, in: Die andere Kraft. Zur Renaissance des Bösen. Hg. A. Schuller, W. v. Rahden, Berlin: Akademie Verlag 1993, 251-275..

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38. Laclos, ebd. 360, 366.

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39. Vgl. ebd. 366f.

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40. Legenda aurea (s. Anm. 18) 499f.

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41. Legenda aurea (s. Anm. 18) 501-503.

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42. Mt 3,2; Mt 4,17; vgl. Mk 1,15.

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43. Die Übersetzung schlägt vor: „Sklavenhändler". Gemeint ist ein verbrecherischer Sklavenhändler, der versucht, durch Lockungen ein Kind in seine Gewalt zu bringen.

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44. Augustinus, Predigten über den 1. Johannesbrief 7,8; Übersetzung aus: A. Augustinus, Unteilbar ist die Liebe. Predigten des hl. Augustinus über den 1. Johannesbrief, eingeleitet und übersetzt von H. M. Biedermann. Würzburg: Augustinus-Verlag 1986, 119f.

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45. Die Nähe beider Prinzipien wird auch von Satanisten festgestellt, wenn sie Crowleys Prinzip als gar nicht so neu proklamieren und sich in die „gute Gesellschaft" von Augustinus stellen. Vgl. im Internet http://www.fraternitas.de/them en/thelema/thelema.htm.

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46. Andernfalls würde Augustins Prinzip zu unsinnigen Konkretisierungen führen wie etwa: „Du kannst auch einen Menschen ermorden, wenn du es nur aus Liebe tust."

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47. Vgl. im Internet http://www.thelema93.de/magic k/praxis/krieger.html

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48. Liber Al vel Legis 1,57, im Internet:

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http://www.thelema93.de/ bibliothek/crowley/liberal[d].html

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49. Dostojewski, Fjodor M.: Die Brüder Karamasoff. Aus dem Russischen von E.K. Rahsin. München-Zürich 61999, 159-165.

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50. Elie Wiesel, Der Schwur von Kolvillág. München 1987, 141.

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51. Vgl. Grandt, Schwarzbuch (s. Anm. 35) 59-61.

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52. Der Unterschied zwischen beidem ist oft erst an den Früchten erkennbar (vgl. Lk 6,44f). Im letzteren Fall braucht man auf irgendeine Weise den Makel des oder der Betreuten. An einer echten Heilung besteht kein Interesse. So, sagt man, braucht der Arzt den Kranken und der Helfer (im Helfersyndrom) den Hilfebedürftigen.

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53. Vgl. dazu die johanneische Erzählung von der Frau am Jakobsbrunnen, Joh 4,6-15.

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