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Scharer Matthias: Welche Theologie braucht die Seelsorge?
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Welche Theologie braucht die Seelsorge?
(Zur pastoralen Relevanz Kommunikativer Theologie)

Autor:Scharer Matthias
Veröffentlichung:
Kategorieartikel
Abstrakt:Der Beitrag fragt nach der Logik, die seelsorgliches Handeln bestimmt.
Publiziert in:Scharer M., Welche Theologie braucht die Seelsorge? Zur pastoralen Relevanz Kommunikativer Theologie, in: Anzeiger für die Seelsorge 4 (2002) 32-37.
Datum:2004-08-25

Inhalt

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In einem Gespräch zwischen der Diözesanleitung und dem ProfessorInnenkollegium einer Theologischen Fakultät in Österreich ging es um den Beitrag des Theologiestudiums zur praktischen Qualifikation von SeelsorgerInnen. Ein Teilnehmer fasste pointiert die Meinung zusammen, die über weite Strecken das Verhältnis von Theologie und Seelsorgepraxis bestimmt: „Ihr Theologen gebt den SeelsorgerInnen ein theologisches Rüstzeug mit; was sie für die Praxis brauchen, müssen sie anderswo lernen“.

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Mit Recht darf sich eine fundierte philosophisch-theologische Grundqualifikation nicht an ihrer schnellen Anwendbarkeit in der Seelsorge messen lassen. Vielmehr geht es im Theologiestudium und in der theologischen Fort- und Weiterbildung um einen weiten, kritischen Horizont des Gott-, Menschen- und Weltdenkens, welcher der allzu glatten Umsetzung in die Seelsorgepraxis widerstehen muss. Doch das berechtigte Argument universitärer TheologInnen, dem schnellen und in der Gesellschaft massiv voranschreitenden Pragmatismus Einhalt zu gebieten, wird dort unglaubwürdig, wo nicht die Qualität theologischer Forschung und Lehre, sondern die Zementierung eingefahrener Lehr- und Forschungsstrukturen das Interesse bestimmen.

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Das hat bereits K. Rahner erkannt. Er fordert, dass im Theologiestudium alle Fächer und nicht nur die Pastoraltheologie praktisch ausgerichtet sein müssen. Alle haben eine „Dienstfunktion“ (Rahner 1995, 521) im Hinblick auf die spätere berufliche Tätigkeit. Um diese Dienstfunktion der Theologie zu gewährleisten, sind für die theologische Lehre „die traditionellen theologischen Disziplinen zu zerschlagen und [es ist] der Lehrstoff von ganz anderen Prinzipien aus zu organisieren“ (Rahner 1995, 525). Das „berufliche Konzept“, das sich an der künftigen Praxis der Studierenden orientiert, ist nach Rahner eine der Möglichkeiten für eine Neuordnung des Theologiestudiums. „Das ‚berufliche Konzept’ der gesamten Theologie meint sachlich nichts anderes als eine Strukturierung des ganzen Corpus der Theologie durch die Pastoraltheologie“ (Rahner 1995, 527); heute würden wir sagen, durch die Praktische Theologie. Die klassischen theologischen Disziplinen würden nicht mehr als voneinander weitgehend unabhängige Fächer und Traktate bestehen bleiben, sondern in gemeinsame Themen einfließen.

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In der Zwischenzeit hat sich Rahners Forderung nach der Einheit der Theologie beinahe in das Gegenteil verkehrt. Die zunehmende Spezialisierung und Profilierung der universitären Theologie zwingt die WissenschaftlerInnen zu immer neuen Spezialkenntnissen, die kaum mehr zu überblicken und in eine theologische Gesamtschau einzuordnen sind. Damit hängt wohl auch die von R. Englert beklagte Unfähigkeit der Theologie zusammen, Leben und Glauben in ein wechselseitiges und wechselseitig kritisches Verhältnis zu bringen. Auf die ReligionslehrerInnenausbildung hin stellt er die Frage: „Wie aber sollen ReligionslehrerInnen und SchülerInnen ‚korrelationsfähig’ werden, wenn die ‚große’ Theologie hier nicht Spuren legt und Schneisen schlägt, wenn das Studium der Theologie (als ganzes!) nicht auch Einübung in eine solche Form raum- zeitlich und biographisch geerdeten Theologisierens ist?“ (Englert 1993, 101).

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Orientierung im kunterbunten Bildungsmarkt

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Die theologische Herausforderung wird angesichts der Tatsache, dass sich das „Lernfeld“ für SeelsorgerInnen außerhalb der Theologie ständig erweitert, immer größer. Gesprächsführung, Moderation, Techniken zur Gruppenleitung und Konflikregelung, Managementtrainings, Organisationentwicklung, therapeutische- und Beratungsausbildungen, Trainings im Umgang mit EDV Systemen und Neuen Medien u.ä. bestimmen das Feld der Fort- und Weiterbildung für SeelsorgerInnen und damit auch die Seelsorgepraxis immer mehr. Im Großen und Ganzen geht es dabei um den ständig expandierenden und inzwischen unüberschaubar gewordenen Kommunikationsbereich, der auch für gelingende Seelsorge von entscheidender Bedeutung zu sein scheint.

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Was haben SeerlsorgerInnen in ihrer Theologie von und über Kommunikation gelernt? Wie bringen sie ihre Kommunikationsnot, ihre Kommunikationsversuche und neue Kommunikationsverfahren mit der „Rede“ vom einen und dreieinen Gott der ChristInnen zusammen? Haben das Theologiestudium und die theologische Fortbildung eine Ahnung oder vielleicht sogar eine Grundkompetenz dafür vermittelt, ob und wie SeelsorgerInnen die obgenannten Kommunikationskonzepte mit ihrem theologischen Bewusstsein verbinden können? Ist ihnen die theologische Herausforderung bewusst, die in der Übernahme kommunikativer Handlungskonzepte liegt, deren Logik und weltanschauliche Basis vielleicht von ganz anderen Kriterien bestimmt sind, als sie dem christlichen Glauben entsprechen: vom marktorientierten Gewinndenken, vom schnellen Erfolg oder von der impliziten Verehrung jener „Götter“, denen in einer von Markt und Medien bestimmten neoliberalen Gesellschaft fast ausschließlich gehuldigt wird. Damit soll keine Kampfansage gegen die Hereinnahme (post-)moderner Kommunikationskonzepte in die Seelsorge ausgesprochen werden. Die Rezeption von kommunikativen Ansätzen und Praktiken ist unumgänglich, wenn sich die Kirche nicht in ein Ghetto zurückziehen will. Die Problemanzeige zielt auf eine kritische, gottes- und menschenwissenschaftlich sensibilisierte Hermeneutik von Kommunikationsverfahren, die das seelsorgliche Handeln praktisch bestimmen.

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Die Schizophrenie zwischen der im Studium und in der Fortbildung „angelernten“ Theologie und den antrainierten Kommunikationsverfahren kann so tief liegen, dass ein schneller Bewusstseinswandel ohne entsprechende emotionale Aufarbeitung der Spaltung ins Leere geht. Diese Herausforderung ist umso dramatischer, als sich in einer offenen Gesellschaft Kommunikationsverfahren mit hoher emotionaler Wirksamkeit und mit unterschiedlichsten weltanschaulichen Hintergründen miteinander vermischen und kaum jemand die Konzepte auf ihre Relevanz hin genügend durchschauen kann.

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Wie kann man erfolgreich kommunizieren?

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Ein extremes Beispiel in diese Richtung stellt das Neurolinguistischen Programmieren (NLP) dar, das auch in seelsorglichen Fortbildungen aufscheint. „Wie kann man erfolgreich kommunizieren?“, fragt der Kommunikationstrainer Jerry Richardson aus San Francisco in seiner praktischen Einführung in die Arbeitsweise von NLP, „“ (Richardson 1992). Der Autor verspricht: „Wenn Sie das Buch lesen und Sie die beschriebenen Techniken und Strategien beherrschen, wird es ihnen möglich sein:

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 Sofort jegliche Situation zu kontrollieren...

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 Vertrauen und Kredit aufzubauen...

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 Die Macht der Suggestion einzusetzen, um zu bekommen, was Sie wollen...

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Ihre Vorschläge auf eine Art zu präsentieren, die tatsächlich unwiderstehlich ist...

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 Widerstände ohne Anstrengung, aber erfolgreich zu überwinden...

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 Zu erreichen, dass man Ihnen zustimmt...

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 Zu erreichen, dass andere Sie genau verstehen...

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 Zu verhindern, dass man Sie manipuliert...(Richardson 1992, 9f).

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J. Richardson und mit ihm viele andere, die eine effektivere zwischenmenschliche Kommunikation erreichen wollen, greifen neueste Ergebnisse „der Kommunikations- und Überzeugungsforschung“ auf, in denen „Entdeckungen aus solch verschiedenen Gebieten wie Hypnose, Kybernetik, Linguistik, psychologie und Psychiatrie wie auch Verkaufs- und Management-Kommunikation zusammengefasst werden“ (Richardson 1992, 12). Der Autor gibt darüber Auskunft, auf welches Ziel hin die Forschungsergebnisse ausgewertet werden: „Beim Suchen nach Lösungen für Kommunikationsprobleme bevorzuge ich das, was wirkt“ (Richardson 1992, 12). Im Gespräch mit NLP - Vertretern konnte ich feststellen, dass inzwischen auch in diesem Ansatz die reine Pragmatik überwunden ist. Dennoch lässt sich insgesamt, der geltenden ökonomischen Logik in unserer Gesellschaft entsprechend, ein Trend zum schnellen Erfolg beobachten. Input und Output müssen in einem kalkulierbaren Verhältnis stehen.

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Kommunikation, die den Himmel offen hält

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Je mehr sich die Kommunikation globalisiert, je schwieriger die Kommunikationsbedingungen in Gemeinde und Schule werden und je hilfloser die darin Handelnden agieren, um so größer wird der verständliche Wunsch nach Rezepten und schnell anlernbaren „Tipps und Tricks“. Es geht nicht darum, die Anstrengungen abzuwerten, Kommunizieren lernbarer und damit auch effektiver zu machen. Auch sollen die rasanten technologischen Entwicklungen in Richtung einer überwiegend digitalisierten Kommunikation nicht verdammt werden. Gerade angesichts dieser Entwicklungen, der sich in Hinkunft Menschen kaum völlig entziehen werden können, ist nach theologischen Kriterien zu fragen. Welchen Beitrag kann die Theologie für das Verstehen von Kommunikationsprozessen leisten, insofern sie in ihre Hermeneutik humane und ethische Implikationen bewusst einschließt, ja letztlich durch die christliche Gotteshypothese, den „Himmel“ im Blick auf eine „geschenkte“ Kommunikation offen hält?

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Aus dem Bewusstsein einer unumgänglichen Involviertheit von Theologie und Kirche in moderne Kommunikation greift Kommunikative Theologie die diesbezüglichen Herausforderungen einer Wissensgesellschaft auf. Dies geschieht nicht nur analytisch-hermeneutisch: Indem sich Kommunikative Theologie auf bestimmte Kommunikationsprozesse bezieht und solche bewusst initiiert, schafft sie eine theologisch reflektierte Praxis mit Modellcharakter, die das Zusammenspiel von gesellschaftlicher Wirklichkeit, kirchlichem Handeln und theologischem „Nach-denken“ transparent macht. Damit der Perspektivenwechsel, der durch eine solche Theologie vollzogen wird, noch deutlicher vor Augen tritt, sei an jene Linie erinnert, die kommunikativ aufgeschlossenes Seelsorgehandeln weitgehend bestimmt.

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Kirche als „Non-profit“ Unternehmen im „Daten High-way“

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Wer marktgerecht denkt, wird die Kommunikation des Glaubens nach der Logik des vermuteten Erfolges in einem „Non-profit“ Unternehmen beurteilen. Der „Erfolg“ kirchlicher Sendung wird zwar nicht an den „hard -facts“ wie Gewinnmaximierung u.ä. wie in einem Industriebetrieb gemessen; die „soft facts“ wie effektive Kommunikation, Zufriedenheit der „Kunden“, hohe TeilnehmerInnenzahl bei kirchlichen Veranstaltungen usw. müssen aber „stimmen“. Nicht zuletzt traditionalistisch orientierte Kirchenkreise springen gutgläubig auf den „Daten High-way“ auf, um dort Glaubensinhalte unterzubringen. Doch hinter dem modernen medialen Gewand verbirgt sich das alte Modell eines instrumentellen Umgangs mit der Glaubenssprache. Es wird nicht danach gefragt ob eine solche Kommunikation der „Sache“ des Glaubens, die kommuniziert werden soll, entspricht.

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An vielen biblischen Beispielen wird deutlich, wie die Art und Weise der Kommunikation zu ihrem eigentlichen Inhalt wird. Am besten kann man das dort sehen, wo nicht gesprochen wird, aber intensivste Kommunikation stattfindet: Jesus sieht den ihn verleugnenden Petrus an; die wortlose Kommunikation genügt, um tiefe Reue und Umkehr des Lebens auszulösen (vgl. Lk 22, 61a); Maria begrüßt Elisabeth und schon „hüpfte das Kind in ihrem Leibe“ (Lk 1,40); die beiden Frauen „wissen“, worum es in Wirklichkeit geht; der unerkannte Auferstandene geht zunächst schweigend ein Stück des Weges mit den enttäuschten und traurigen „Jüngern von Emmaus“, bevor er sie in ein Gespräch verwickelt und sich ihnen in der eucharistischen Symbolhandlung zeigt (vgl. Lk 24, 13 – 35; speziell V 15).

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Bedenken SeelsorgerInnen die Auswirkungen medialer Kommunikationsformen, auf die Beziehungsqualität christlicher Botschaft genügend und stellen sie die Beliebigkeit des Zugriffs ausreichend in Rechnung? Ist die Grundbotschaft christlichen Glaubens in einem Kommunikationssystem kommunizierbar, das scheinbar keine Grenzen kennt, in das zu jeder Zeit jede Information eingespeist werden kann, zu dem jede/r zugelassen ist, das aber letztlich unverbindlich bleibt und aus dem sich jede/r ohne Folgen zurückziehen kann? Ist der Glaubenskommunikation eine Kommunikationsweise angemessen, welche trotz der Fülle transportierter Informationen letztlich begegnungsleer bleibt? Das kirchliche Bewusstsein dafür, dass nicht jeder Glaubensinhalt, zu jeder Zeit, von jedem Menschen abrufbar sein kann, sondern des Intimraumes menschlicher Begegnung in definierbaren Beziehungen von Familie, Gruppe oder Gemeinde bedarf, jenes Bewusstsein, das vor allem am Anfang die kirchliche Glaubenskommunikation geleitet hat, scheint immer mehr zu schwinden. Woher kommt Orientierung im vielfältigen Kommunikationsgeschehen?

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Kommunikation als theologische Herausforderung

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Theologie als „Gott-Rede“ ist im christlichen Sinn, wie das K. Rahner immer wieder betont hat, Rede vom Menschen. Sie ist die Rede vom menschlichen Kommunikationshandeln angesichts des sich auf vielerlei Weise, letztlich in Jesus Christus selbst-mitteilenden Gottes. Wir können auch sagen: Der Gegenstand der Theologie ist das Kommunikationshandeln aus Glauben an den einen und dreieinen Gott, der in sich Beziehung ist und der sich mitteilt. Dies gilt auch dann noch, wenn die christliche Hoffnungsperspektive der menschlichen Kommunikation nur implizit einwohnen mag oder wenn christliches Glaubenshandeln seine ihm immanente Kommunikationsgestalt nur mehr unzureichend zu erkennen gibt. In diesem Sinn kann man Theologie auch als ein Verstehen und Explizieren dessen bezeichnen, was sich im menschlichen Kommunikationsgeschehen an gott- und menschengerechtem Handeln ereignet oder nicht ereignet und was christlichem Glauben an Kommunikationskraft eingestiftet ist.

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Die Frage, wie christliche TheologInnen zu ihrem „kommunikativen“ Wissen, also zu ihrer Theologie kommen, ist untrennbar mit dem Gegenstand ihrer Erkenntnis verbunden: Dem menschgewordenen Gott in Jesus Christus, der sich Menschen offenbart, der ihnen lebensursprünglich innewohnt und der sie zu umfassender Kommunikation befähigt.

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Die entscheidende Grundlage einer Kommunikativen Theologie ist die Offenbarung als sich selbst mitteilende „Kommunikation“ Gottes mit den Menschen und als Geistbegabung des Menschen zu umfassender Kommunikation. Im gott-menschlichen Kommunikationsgeschehen wird nicht ein x beliebiges Teilwissen um den zentralen Sinn des Lebens und der Welt, um ihre Geschichte und ihre Zukunft weitergegeben; das gott-menschliche Kommunikationsgeschehen offenbart „Wahrheit in Beziehung“:

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Die Suche nach „Wahrheit in Beziehung“ kennzeichnet theologisches Fragen als ein kommunikatives Geschehen, in dem die jeweiligen Kontexte, in denen Menschen konkret leben und ihre Erfahrungen machen, auf jene Spuren des Gottesgeistes hin erkundet werden, die eine Ahnung von der absoluten Zuwendung Gottes an die Menschen transparent werden lassen.

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Kommunikationsform, Kommunikationsmittel und Kommunikationsgehalt

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Mehr denn je bedarf es in einer Kommunikationsgesellschaft, welche auf eine wahl- und grenzenlose Informationsvermittlung ausgerichtet ist, einer eindeutigen theologischen Option für das unentflechtbare Ineinander von Kommunikationsform, Kommunikationsmittel und Kommunikationsgehalt. Denn es verändert den jeweiligen Glaubensgehalt erheblich, ob er in zwischenmenschlichen Begegnungen „rüberkommt“, also in „kommunikativen Handlungen“ erschlossen, d.h. über konkrete Menschen, mit denen ich in lebendiger Beziehung stehe, als Identifikationsmöglichkeit angeboten wird - mit der gebotenen Freiheit, die Identifikation zu verweigern - oder ob mich eine Glaubensinformation via technischem Medium erreicht. In dieser Hinsicht steht das Vertrauen zur Debatte, das die Kirchen von je her, entweder mehr in die Eindeutigkeit begrifflicher Vermittlung oder in die Vielsinnigkeit interpersoneller Begegnungen und Lebenszeugenschaft aus dem Glauben heraus, gelegt haben. Begriffe kann man leichter auf ihre Wahrheit hin überprüfen als menschliche Begegnungen.

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Ob nun mehr der richtige Glaubensinhalt oder die Glaubenswahrheit, die sich im Beziehungsgeschehen zeigt, betont wird, immer muss feststehen, dass kein Kommunikationsarrangement die Erschließung des christlichen Glaubens garantieren kann oder darf. Fundamentale theologische Grenzen in der Glaubenskommunikation werden dort überschritten, wo kommunikativ so gehandelt oder der Anschein dafür gegeben wird, als könnte mit einem bestimmten Inhalt, mit einer speziellen Methode oder mit einem erfolgversprechenden Medium Glaubenserschließung garantiert werden; vielmehr kann es immer nur um die etwas richtigeren oder weniger richtigen Bedingungen für die Möglichkeit der Glaubenskommunikation gehen; die Glaubenszustimmung muss der freien Verantwortung des Menschen und dem Geschenk Gottes anheim gestellt bleiben. Im untrennbaren Zusammenspiel von Kommunikationsgehalt und Kommunikationsform stehen also nicht nur methodisch - didaktische Entscheidungen, sondern Gottes-, Menschen- und Kirchenbilder zur Debatte.

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 Theologie als kritisches Nachdenken und Verstehen

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Nicht umsonst leisten sich die Kirchen und mit Recht auch der Staat eine Theologie. In einer offenen Gesellschaft haben TheologInnen den Auftrag, ihr im Diskurs jüdisch-christlicher und kirchlicher Tradition mit den heutigen gesellschaftlichen Herausforderungen gewonnenes kritisches Denk- und Handlungspotential u.a. als Entscheidungshilfe in konkreten Kommunikationsfragen allen zur Verfügung zu stellen. Etwas vereinfacht gesagt geht es um den Unterschied zwischen einem Wirtschaftsunternehmen, dem in seinem Management hochqualifiziertes Personal für strategische Planungen und Entscheidungen zur Verfügung steht und der Kirche, die durch ihre an die jüdisch-christlichen Urkunden und die kirchliche Tradition angebundene Theologie die Logik strategischer Plausibilitäten zu durchbrechen vermag und damit einer traditionsvergessenen Gesellschaft heilend - befreiende Impulse für alle Menschen, nicht nur für die ChristInnen, anbieten kann.

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Partizipierende und kooperierende TheologInnen

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Gleichzeitig steht ein solch kritischer Diskurs der Theologie mit der kirchlichen und gesellschaftlichen Kommunikationspraxis in Gefahr, zu einem Überbau oder gar zu einem Sollensanspruch der alles besser wissenden ExpertInnen zu werden, gegen den sich PraktikerInnen zu Recht wehren. Von der Kommunikation mit den PraktikerInnen abgekoppelte, am „grünen Tisch“ deduzierte und von oben herab vermittelte philosophisch - theologische Thesen können noch so richtig sein, sie werden die Praxis nicht verändern. Nur angemessene, d.h. jede Über- und Unterordnung von BerufstheologInnen und PraktikerInnen ausschließende Kommunikationsvorgänge, werden auf Dauer Praxis verändern. Es sind das Kommunikationsprozesse, in denen die Kompetenz aller gefragt ist und in die nicht lebensfremdes ExpertInnenwissen von außen eingespeist, sondern kooperativ um theologisch verantwortbare Praxis gerungen wird.

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Dass ein solcher Anspruch zur Herausforderung des theologischen Lehrbetriebes werden muss, liegt auf der Hand. Dem glaubwürdigsten Zeugnis eines partizipativen Theologen bin ich in G. Gutierrez begegnet; tausend Kilometer nördlich von Lima, in einer communidad der Armen am Stadtrand von Chiclayo, in der ich mehrere Wochen mitgelebt habe, kannte ihn fast jeder Jugendliche aus persönlicher Begegnung.

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Ob die wechselseitige und wechselseitig kritische Kommunikation zwischen expliziten theologischen Anschauungen und der Seelsorgepraxis gelingt, oder ob im Gegensatz dazu aus der Theologie abgeleitet oder theologievergessen praktiziert wird, ist nicht nur ein äußeres Kommunikationsproblem. Nicht zuletzt als Ergebnis unseres immer noch weithin auf Deduktion ausgerichteten geisteswissenschaftlichen Studienbetriebes haben manche Menschen die Strukturen einer Theologie von oben so verinnerlicht, dass sie nicht dazu fähig sind, eine den kommunikativen Herausforderungen in der Seelsorge angemessene theologische Urteilsfähigkeit zu entwickeln. So sagte mir eine Seelsorgerin, die 15 Jahre in der Praxis steht und im Alltag sehr wohl ihre Frau stellt, dass sie es bis heute kaum wage, eine eigenständige theologische Aussage zu treffen. Immer noch säßen ihr die theologischen Lehrer im Nacken und sie habe ständig das Gefühl, theologisch nicht auf dem Laufenden zu sein.

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Theologisches (Selbst-)bewusstsein aus Kommunikativer Theologie

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Der Universitätslehrgang „Kommunikative Theologie“ an der Theologischen Fakultät Innsbruck, der im zweiten Durchgang ab dem SS 2003 fünfsemestrig in geblockten Kurswochen durchgeführt wird und der sich u.a. an SeelsorgerInnen wendet, die vor längerer Zeit ihr Theologiestudium abgeschlossen haben, stellt sich in einer prozessorientierten Arbeitsweise den beschriebenen Herausforderungen. Die biografisch geprägten Glaubenserfahrungen und die eigene Theologiegeschichte, die ekklesiologisch bedeutsamen Prozesse in einer Langzeitgruppe, die tiefen Menschheits- und Glaubenserfahrungen, die in den biblischen Texten verschriftet sind und den theologischen Kategorien zu Grunde liegen werden in „dynamischer Balance“ gehalten; ihre kontextuelle „Erdung“ wird in allen Phasen angestrebt. Mit dem kommunikativen Ansatz der Themenzentrierten Interaktion (R.C. Cohn) wird die theologische Hermeneutik alltäglicher Kommunikationsprozesse in der Seelsorge nicht theoretisch abgehandelt, sondern gemeinschaftlich in einer Weise eingeübt, die persönliches Wachstum, Leitungs-, Kommunikations- und Konfliktfähigkeit verbunden mit einem theologischen Selbstbewusstsein entschieden fördert. Informationen zum Lehrgang finden sich unter: http://theol.uibk.ac.at

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 Literatur:

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Englert, Rudolf, Die Korrelationsdidaktik am Ausgang ihrer Epoche. Plädoyer für einen ehrenhaften Abgang, in: Hilger, Georg/Reilly, George (Hg.), Religionsunterricht im Abseits? Das Spannungsfeld Jugend – Schule – Religion, München 1993, 97 – 110.

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Rahner, Karl, Neue Ansprüche in der Pastoraltheologie an die Theologie als ganze, in: ds., Sämtliche Werke, Bd. 19, Düsseldorf u.a.O. 1995, 516 – 531.

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Werbick, Jürgen, Den Glauben verantworten. Eine Fundamentaltheologie, Freiburg i. Br. u.a.O. 2000.

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