em. o. Univ.-Prof. Mag. Dr. Józef Niewiadomski
Institut für Systematische Theologie
Józef Niewiadomski, vulgo „Niewi“, wurde 1951 in Ostpolen geboren und verkörpert in seiner Biographie die Geschichte Mitteleuropas im 20. Jahrhundert; – und zwar in ihren besonders dunklen Seiten. War doch seine Heimat jener Teil Polens, den Himmler arisch reinigte. Seine Eltern sind Opfer dieses Wahns geworden. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Polen von Stalin in den Herrschaftsbereich der UdSSR gezwungen. Da Józef früh Waise wurde, war ihm einerseits das staatliche Erziehungs- und Schulsystem vertraut, andererseits aber prägt ihn (bis heute) die polnisch-katholische Volksfrömmigkeit, die jahrhundertelang das Nationalbewusstsein trotz staatlicher Fremdbestimmung formte.
Nach dem Beginn seines Studiums der Philosophie und Theologie an der Katholischen Universität in Lublin/Polen wechselte er 1972 nach Innsbruck. Im Priesterseminar „Canisianum“ erlebte er die Gezeiten „nachkonziliarer Theologie“ mit weltkirchlichen Einsprengsel. Er engagierte sich hier auch als Sprecher und war bereit, für seine Position öffentlich einzutreten. Europäisch auch seine Priesterweihe 1975: in Rom als Innsbrucker Theologe für die Diözese Lublin. Danach begann er seine Promotion, ohne zu wissen, ob nicht vielleicht doch sein Heimatbischof ihn nach hause zurückrufen werde.
Als Assistent am Institut für Dogmatische und Ökumenische Theologie (1979–1991) entwickelte er in der Beziehung zu Raymund Schwager SJ (1935–2004) sein eigenständiges Profil mimetisch-dramatischer Theologie, ohne in die üblichen Rivalitätsmuster zu verfallen. In der weltweiten Diskussion um die mimetisch-dramatische Kulturtheorie und Theologie, die aus der Kooperation von René Girard (1923–2015) und Raymund Schwager erwachsen ist, hat er auf so vielen Ebenen Verantwortung übernommen, dass dies hier nicht im Einzelnen aufgezählt werden kann.
Als Professor für Dogmatik in Linz (1991–1996) und Innsbruck (1996–2019) arbeitete er eine Theologie in den Zeichen der Zeit aus, die als kritische Begleitung einer Gesellschaft verstanden werden kann, die ihre Wurzeln zu vergessen scheint und gerade in der zelebrierten Erinnerungskultur den uralten Fallen der mimetischen Begierde und ihren Ausgrenzungsmechanismen immer wieder verfällt. Besonders seine These zur „Heilsbedeutsamkeit“ der Medien („extra media nulla salus“) mit ihren immanenten Anschuldigungsmechanismen, die den Skandal fördern, hat Diskussionen ausgelöst.
Auch in Universität und Gesellschaft übernahm er Verantwortung. Als Dekan zur Zeit der Einführung des UG 2002 (2004–2013) setzte er sich für eine eigene konsensorientierte Identität der Fakultät ein, die er auch als Gründer und Chefredakteur der Fakultätszeitung („Baustelle Theologie“, 1998–2003) zu stärken suchte. Als Sekretär der Europäischen Gesellschaft für Katholische Theologie (1998–2001) war er Chefredakteur ihres Bulletins. Bis heute stellt er seine Erfahrung der Zeitschrift seiner polnischen Heimatuniversität zur Verfügung („Roczniki Teologiczne: Dogmatyka“).
2001 und 2004 war er Gastprofessor an der Dormition Abbey in Jerusalem. Im März 2000 wurde er Mitglied der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste; 2002 erhielt er den Skowyra-Jubiläumspreis der Katholischen Universität in Lublin für wissenschaftliche Arbeit; 2009 wurde er zum „Botschafter der Friedensglocke des Alpenraumes“ ernannt. 2016 verlieh ihm die Universität Innsbruck den Wissenschaftspreis für außergewöhnliche Forschungsleistungen der Stiftung Südtiroler Sparkasse. 2019 erhielt er das Österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst.
Alle akademischen Lorbeeren verblassen jedoch in der Begegnung mit der Person. Den Liebhaber des Films, des Theaters und vor allem der Oper muss man erlebt haben. Doch in allem und immer zuerst und zuletzt ist „Niewi“ ein authentischer Priester und Seelsorger, der in seiner Person erfahrbar werden lässt, was er von Gott immer wieder predigt und zu zeigen versucht: „Du, Freund des Lebens“.