Fakultätsklausur – ein Blick in die Zukunft
Vom 25. bis 26. Februar fand in St. Michael bei Matrei die Klausur der Katholisch-Theologischen Fakultät statt. In den intensiven Arbeitseinheiten wurden zum einen die neuen Studienpläne diskutiert, welche die Attraktivität der an der Fakultät angebotenen Fächer besser abbilden und die Curricula einfacher studierbar machen sollen. Aufgrund der engen Verzahnung der theologischen und philosophischen Fächer ist das keine leichte Aufgabe, dank der Vorarbeiten der curriculum-Kommission unter Vorsitz von Winfried Löffler konnten aber gute Ergebnisse erzielt werden, sodass das Studienangebot der Theologischen Fakultät in Zukunft noch attraktiver sein wird.
In Anwesenheit von Bernhard Bürgler SJ, dem Provinzial der Österreichischen Provinz des Jesuitenordens, wurde zum anderen besprochen, welche Rolle der Theologischen Fakultät der Universität Innsbruck innerhalb der ab 2021 neu entstehenden zentraleuropäischen Provinz zukommt. Thematisiert wurde in diesem Zusammenhang auch die jesuitisch geprägte 'Eigenart' der Fakultät. Lehrende, Studierende und Mitarbeiter*innen gingen dabei der Frage nach, ob und wie sich dieser überkommene Begriff angesichts der Herausforderungen unserer Zeit wieder mit Leben füllen lässt. Themen, die sich in der Diskussion als zentral herauskristallisierten, waren in erster Linie die Exzellenz der Forschung, das soziale Engagement und die Spiritualität, alles drei Schwerpunkte, auf die man sich auch weiterhin konzentrieren will und deren Stellenwert künftig auch noch stärker nach außen abgebildet werden soll. (Josef Quitterer)
Aquinas Lecture 2020 – Fáinche Ryan, The Complexity of Truth-telling
Am 29. Jänner hat die mittlerweile zur Tradition gewordene Aquinas-Lecture des Instituts für Christliche Philosophie stattgefunden. Ziel der Veranstaltung ist es, die wissenschaftlichen Aktivitäten des Instituts einer breiteren Öffentlichkeit an Fakultät, Universität, Kirche und Gesellschaft vorzustellen. Dazu dient die Präsentation des Jahresberichts des Instituts, in dem das vielfältige Engagement seiner Angehörigen in Forschung, Lehre, aber auch Wissenstransfer, dargestellt sind; v.a. aber auch ein Festvortrag, in dem fokussiert Themen zur Sprache kommen, die das Forschungsinteresse des Instituts paradigmatisch abbilden.
Diesmal war die irische Philosophin Fáinche Ryan Festvortragende. Sie ist Direktorin des Loyola-Instituts am renommierten Trinity College Dublin. Fáinche Ryan ist führende Kennerin des Werks des Aquinaten und kann gleichermaßen als Wortführerin einer gesellschaftlich engagierten Philosophie und Theologie gelten, mit besonderem Augenmerk auch auf „gender-sensitivity“. Eines ihrer Hauptanliegen in Forschung und Lehre ist es, die Rolle der Kirche in einer pluralen Gesellschaft zu bedenken.
Der Vortrag selbst hat, wie schon am Titel zu ersehen ist, brennende Aktualität – gerade in einer Zeit, in der „fake news“ seriöse Mitteilungskultur ständig zu überschatten scheinen. Fáinche Ryan verstand es gekonnt, dieses brisante Thema in Zusammenhang zu bringen mit Thomas von Aquins Ausführungen über die Tugend der „veracitas“, Augustinus‘ Behandlung des Lügens, aber auch zu einschlägigen Stellungnahmen von Autoren des 20. Jahrhunderts wie Dietrich Bonhoeffer und Hannah Arendt. Ein schöner Abend, bei dem auch der gesellige Teil nicht zu kurz kommen durfte. (Christian Kanzian)
Austro-Canadian Ethics Workshop 2019: Thinking Species
Der Austro-Canadian Ethics Workshop ist mittlerweile zur Tradition geworden. Bei der fünften Fachtagung am 6. Dezember 2019 gab es allerdings zwei Neuerungen: Zum ersten Mal lag der Fokus nämlich nicht auf einer Disziplin, sondern auf dem Schnittbereich zwischen zwei Disziplinen, der Tierethik und der Medienethik. Ziel der neuen Herangehensweise war es, den Blick für die stereotypen, anthropozentrischen Repräsentationen von Tieren in den Medien zu schärfen. Ähnlich wie dies im Hinblick auf sexistische und rassistische Darstellungen bereits seit längerem geschieht, sollten die unhinterfragten medialen Masternarrative dekonstruiert werden, in denen der Mensch klar überlegen ist und das glückliche Tier sich ihm geradezu dankbar als Hilfsmittel anbietet, im stillen Einverständnis ge- (bzw. miss-)braucht zu werden.
Neben den Wissenschaftler*innen aus Österreich, Deutschland, Italien, den Niederlanden, der Türkei und Israel hatte sich auch die kanadische Keynote Speakerin Ceri Kronin mit der Thematik auseinandersetzt und sich der Frage gewidmet, wie mitfühlende Bilder den Umgang mit Tieren verändern (können). Der Kölner Künstler Pascal Marcel Dreier präsentierte seine Installation Multispecies Mourning, im Rahmen derer er die Knochen geschlachteter Tiere zu einer Urne verarbeitet hatte, um auf diese Weise ihren Tod zu betrauern. Neu war beim heurigen Austro-Canadian Ethics Workshop aber auch, dass sich Innsbrucker Studierende im Lauf des Semesters mit der Thematik beschäftigt hatten und in den Pausen ihre Poster präsentierten. Dafür erhielten sie von den Gästen viel Anerkennung. Nachahmung an anderen Forschungseinrichtungen ist also zu erwarten. (Claudia Paganini)
Spannungsreiche Beziehungen. Zur menschlichen Matrix der Theologie von Karl Barth und Karl Rahner
In einer Tagung am 3. und 4. Dezember 2019 ist der Frage nachgegangen worden, auf welchen anthropologischen Voraussetzungen die Theologie von Karl Barth und Karl Rahner - zweier herausragender Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts - beruht. Insbesondere erfolgte eine Auseinandersetzung mit Luise Rinsers Briefsammlung Gratwanderung. Ähnlich aufschlussreich sind die Briefe, die einen Blick auf Karl Barths Dreiecksverhältnis mit seiner Frau Nelly und seiner Mitarbeiterin und großen Liebe Charlotte von Kirschbaum gewähren. In beiden Fällen waren diese bisher wenig beachteten Textzeugnisse Ausgangspunkt für Nachfragen und durchaus auch für Irritation. Als ein Ergebnis der Tagung kann festgehalten werden, dass solche Dynamiken jedenfalls nicht ignoriert werden dürfen.
Mit Blick auf Karl Barth hat Christiane Tietz eine beispielgebende Biographie zu dieser Frage vorgelegt. Der entzaubernde psychoanalytische Blick, den Brigitte Boothe einbrachte, sieht andere Dynamiken am Werk, wie Belohnung und Opfervorstellungen im Horizont des Lebensmodells „Protestantisches Pfarrhaus“. Bruno Lautenschlager SJ hatte die Möglichkeit, die umfangreiche Korrespondenz zwischen Rahner und Rinser, die im Literaturarchiv in Marburg gehütet wird, mit einem an C.G. Jung orientierten Blick zu analysieren. Roman Siebenrock konnte nachweisen, dass Luise Rinser zwar keine konstitutive Bedeutung für das Werk Karl Rahners hatte, aber Einflüsse aus dieser Begegnung z.B. im Themenbereich „Gottes- und Nächstenliebe“ zu erkennen sind. Christoph Theobald SJ verwies auf die latenten Strukturen der Theologie Karl Rahners, die in dieser Begegnung aktiviert wurden: seine Auffassung der Exerzitien und die Erfahrung des unableitbaren Willens Gottes. Eckhard Frick SJ unterstützte mit seiner psychologischen Kompetenz diese Perspektiven.
Mit dieser Tagung ist, wie es die reiche Diskussion zeigte, erst ein Anfang gemacht. Dass Quellen, die nicht für die Öffentlichkeit geschrieben worden sind, ein besonderes hermeneutisches Fingerspitzengefühl verlangen, steht außer Frage. Christiane Tietz hat dafür ein Modell vorgelegt. Für Karl Rahner steht die Öffnung der Quellen noch aus. (Roman A. Siebenrock)
P. Emerich Coreth SJ (1919-2006) – Gedenken zum 100. Geburtstag
Emerich Coreth SJ zählt sicher zu den bedeutendsten Persönlichkeiten, die am Institut für Christliche Philosophie gewirkt haben. Er war nicht nur Institutsleiter, Dekan und Rektor der Universität Innsbruck, sondern u.a. auch Provinzial der Österreichischen Jesuitenprovinz. P. Coreth hat so das akademische Leben in Österreich ebenso geprägt wie Orden und Kirche.
Gleichermaßen gehört P. Coreth zu den renommiertesten Vertretern Christlicher Philosophie. Erwähnt sei nicht nur seine „Metaphysik“, sondern auch die von ihm herausgegebene Gesamtdarstellung „Christliche Philosophie im Katholischen Denken des 19. und 20. Jahrhunderts“.
Zum Gedenken an seinen 100. Geburtstag am 27. November 2019 konnte der namhafteste Schüler von P. Coreth für einen Festvortrag gewonnen werden, der Altrektor der Universität Salzburg und ehemalige Vorsitzende der Rektorenkonferenz Heinrich Schmidinger. Im Mittelpunkt stand der autobiographische „Rückblick auf mein Leben“, den P. Coreth 1979 begonnen und acht Jahre vor seinem Tod 1998 abgeschlossen hat. Schmidinger nahm den feierlichen Rahmen zum Anlass, dieses gleichermaßen biographische wie philosophische, und vor allem spirituelle Lebensresümee erstmals zu präsentieren und zu kommentieren.
Ein Gottesdienst in der Jesuiten-/Universitätskirche mit Besuch in der Krypta rundete die festliche Veranstaltung ab. Während des Imbisses im Jesuitenkolleg wurden noch viele Erinnerungen an den großen Jesuiten, Philosophen und Seelsorger Emerich Coreth ausgetauscht, wohl auch so manche Anekdote zum Besten gegeben. (Christian Kanzian)
„Universität mitten im Leben“ – Inspirationen aus El Salvador
„Welche Wissenschaft? Welche Theologie? Wem nützt sie, wessen Interessen stehen im Mittelpunkt?“ Diesen Fragen hat sich die Theologische Fakultät gemeinsam mit Bruder und Schwester in Not (Diözese Innsbruck), Unicum Mensch, Basisgemeinde Micha, dem ABZ und dem Jesuitenkolleg Innsbruck am 18. und 19. November 2019 gewidmet. Als Auftakt eine Andacht mit der unruhestiftenden Erinnerung an die Ermordung von Ignacio Ellacuría SJ und Segundo Montes SJ (ehemalige Studenten der Universität Innsbruck) in San Salvador vor 30 Jahren. Ihre Namen bleiben mit der neuen Glocke der Jesuitenkirche in den Klang des Lebens über der Stadt eingraviert.
Zwei Gastvorträge entfalteten den Abend thematisch. Martin Maier SJ (Jesuit European Social Centre/Brüssel) skizzierte in „Propheten unserer Zeit – Auftrag für heute. Leben und Einsatz der Jesuiten in El Salvador“ Ellacurías Vorstellungen einer Wissenschaft im Dienste der Armen. Suyapa Pérez Escapini (Universidad Centroamericana/San Salvador) erläuterte die Praxis der Universität, die Studierende auch als Akteure sozialer Veränderung sieht. Über die fachliche Qualifikation hinaus gehe es dabei darum, die Option für die Armen sowohl als erkenntnisleitende Prämisse wie auch als praktische Zielsetzung der wissenschaftlichen Arbeit zu verankern. „Wirklichkeit ist das erste Fach!“, bekräftigte Pérez Escapini mit den Worten Ellacurías. Beispielsweise arbeiten Theologiestudierende in ländlichen Pastoralschulen (Escuelas de Teología Pastoral) direkt in der Lebenswelt der Menschen mit.
Wilhelm Guggenberger vertiefte in einem interaktiven Workshop die Inspirationen aus El Salvador für die Situation in Europa. „Was als third mission der Universität bezeichnet wird, ist ihre erste Aufgabe. „Die Universitäten sind berufen, … verantwortlich zur Lösung der Probleme des Menschen sowie zur gedeihlichen Entwicklung der Gesellschaft und der natürlichen Umwelt beizutragen.“ Guggenberger plädierte für eine „transformative Wissenschaft“ (Selbsttransformation miteingeschlossen), deren Richtung ausgestritten, jedoch nicht normativ festgelegt werden könne. (Irmgard Klein)