Helga Peskoller
Institut für Erziehungswissenschaft
Helga Peskoller wurde 1956 in Hall in Tirol geboren und wuchs über zwanzig Sommer lang auf der Bettelwurfhütte im Karwendel auf. Nach dem Lehramtsstudium der Geographie und des Fächerbündels Philosophie, psychologie und Pädagogik an der Universität Innsbruck, promovierte sie mit dem Dissertationsthema Vom Klettern zum Schreiben – Ein Versuch, sich zur Gänze zu verwenden am Institut für Erziehungswissenschaften 1988, wofür sie den Forschungsförderungspreis der Universität erhielt. Im Mittelpunkt stand die Frage wie Praktiken zu denken sind. Das war vor der performativen Wende in den Geistes- und Sozialwissenschaften. Es galt, eine eigenständige Forschungsmethode zu entwickeln. Die „Nachschreibung“ bezeichnet den menschlichen Körper als Akteur, Träger und Darsteller von Wissen. Dafür wurden die Möglichkeiten der herkömmlichen und elektronischen Medien in der Forschung und in der Lehre genutzt. 1984 wurde einem mit Studierenden realisierten Videoprojekt zum Thema Arbeit und Freizeit der Wissenschaftspreises für Hochschuldidaktik durch das Bundesministerium für Wissenschaft und Kunst verliehen. Es folgten über 40 Video- und CD Produktionen, die an öffentlichen Orten wie im Ferdinandeum, der Messehalle usw. gezeigt wurden. Forschung, Gesellschaft und Transfer sind nicht zu trennen.
Die Habilitationsschrift Bergdenken. Eine Kulturgeschichte der Höhe von 1996 wendet sich den historischen Dimensionen der Frage zu, was Menschen in die Höhe treibt. Dafür wurden 800 Jahre Alpingeschichte rekonstruiert, Quellen kritisch untersucht, Narrative umgeschrieben und anthropologische Probleme freigelegt. Die Kernfrage lautet, wie Menschen werden unter der Voraussetzung, dass Körper das Andere der Bilder sind.
Erfahrungen sind das Material für Bildung par excellence. Entwickelt wurde ein „Modell von Erfahrung“, welches bei den rationalen und sinnlichen menschlichen Vermögen ansetzt. Diese reichen von der Berührung, Bewegung und Empfindung über die Wahrnehmung, Erinnerung und Vernunft bis zur Entscheidung, Handlung und Erzählung.
Dieser Ansatz fand Resonanz durch Einladungen und längere Forschungsaufenthalte z.B. an der FU Berlin, einer Gastprofessur in St. Petersburg, Gastvorträge in Sao Paulo, Forschungsprojekte in Nepal und Reisen nach Norwegen, Nordindien, Tansania, Chile, Argentinien usw., die auch mit Bergsteigen verbunden waren.
Der Habitualisierung als Bergsteigerin folgte eine Sozialisierung als Wissenschaftlerin. Mit dem Berg und Bergsteigen geriet das Mensch-Natur-Verhältnis in den Blick, was als Thema in der Erziehungswissenschaft ausgespart war. Die Pionierarbeit erforderte formale, normative und ethische Untersuchungs- und Entscheidungskriterien.
Nach 19 Jahren unterschiedlicher Tätigkeiten beim ORF, in der Erwachsenenbildung, in einem Forschungsprojekt zur „Strukturellen Gewalt in der Stadt Graz“ (1990-1992) usw. wurde im Jahr 2000 aus der Halbtagsstelle eine Ganztagsstelle. Ein Stipendium des FWF 1993 reduzierte den Existenzdruck als alleinerziehende Mutter, machte den Weg für die Habilitationsschrift frei und ermöglichte konstruktive, internationale Vernetzungen. Die Ernennung zur Professorin für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Historische Anthropologie und Ästhetische Bildung erfolgte 2011.
Die internationale Aufmerksamkeit führte dazu, dass sie 16 Jahre Vorstandmitglied der Kommission Pädagogische Anthropologie der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft war. Sie wurde z. B. in den wissenschaftlichen Beirat von Paragrana. Internationale Zeitschrift für Historische Anthropologie berufen. Als Beispiel ihrer zahlreichen Tagungsorganisationen und Herausgeberschaften seien die Themen Natur, Erfahrung und Begeisterung genannt. Weiters zu erwähnen wären ihre 141 Publikationen, 128 Vorträge, 210 Lehrveranstaltungen sowie 36 kleinere und größere Evaluations-, Medien-, Kunst-, Lehr- und Forschungsprojekte.
Nicht zu unterschätzen ist die Bedeutung einer lebhaft-fördernden Gremien- und Kommissionsarbeit wie z.B. Fakultätsstudienleitung (2008-2013), geschäftsführende Dekanin (2012/13), Vorsitzende der Institutsversammlung, Curriculums-Kommission, von Habilitations- und Berufungskommissionen oder als Mitglied des Fakultätsrats und des Senats.
Die Arbeit lässt sich beschreiben mit den Worten von Franz Kafka, Der Prozess: „Die Logik ist zwar unerschütterlich, aber einem Menschen, der leben will, hält sie nicht stand.“