Absolvent*innen
Stephanie Czedik
Erziehungs- und Bildungswissenschaft
Seit 11/2021 Fachreferentin im Teilhabeverfahrensbericht bei der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR e. V.) in Frankfurt.
Thema der Dissertation: Regulativ der Werkstattbedürftigkeit. Organisation und Funktion der Werkstätten für behinderte Menschen.
In den letzten Jahrzehnten haben sich die Anforderungen der Arbeitsgesellschaft verändert. Eine zunehmende Beschäftigungsinstabilität verschärft die ohnehin benachteiligte Situation von Menschen mit Behinderungen auf dem ersten Arbeitsmarkt und erhöht das Risiko der Erwerbslosigkeit, sowie den Übergang in Werkstätten für behinderte Menschen. Insbesondere Menschen mit psychischen Belastungen nehmen in Deutschland immer häufiger eine Werkstattbeschäftigung auf. Dabei verschieben sich die Grenzen zwischen erstem und zweitem Arbeitsmarkt. Wer als erwerbsfähig und wer als werkstattbedürftig gilt, ist wesentlich abhängig von den Anforderungen des ersten Arbeitsmarktes und unterliegt sozialen Aushandlungsprozessen. Diese Ethnografie untersucht Werkstätten für behinderte Menschen in Deutschland aus subjekttheoretischer Perspektive und fragt danach, wie Personen in einer Arbeitsgesellschaft zu werkstattbedürftigen Subjekten werden bzw. wie sie werkstattbedürftige Subjekte bleiben. Es wird gezeigt, mit welchen Praktiken und Logiken Werkstattbedürftigkeit als soziales Phänomen hergestellt und umgesetzt wird. Anhand von drei Analyse-Ebenen – der Arbeitsmarktstruktur, der Organisationskultur, der (Inter-)Subjektivität – wurde in dieser Dissertation ein Konzept erstellt, dass als Regulativ der Werkstattbedürftigkeit bezeichnet wird. Ein Regulativ der Werkstattbedürftigkeit beinhaltet eine Segmentation des Arbeitsmarktes, eine antagonistisch angeordnete Organisationskultur, sowie differenzierende Interaktionspraktiken im Werkstattalltag. Über dieses Regulativ wird Werkstattbedürftigkeit hergestellt und umgesetzt, d.h. Personen werden zu werkstattbedürftigen Subjekten gemacht. Eine zentrale Schlussfolgerung aus den empirischen Ergebnissen dieser Dissertation lautet: Im Kontext der Arbeitsmarktinklusion werkstattbedürftiger Subjekte wird eine Beschäftigungsinstabilität ausgeweitet und verschiebt sich in das Subjekt hinein.
Die Dissertation wurde gefördert von der Hans-Böckler-Stiftung und der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck.
Sandra Altenberger
Erziehungs- und Bildungswissenschaft
Thema der Dissertation: Education First!? Transformation(en) von Global Citizenship Education. Eine postkolonial-feministische Untersuchung.
Bildung wird großgeschrieben, wenn es um globale Herausforderungen und Gerechtigkeit(en) geht. Mit dem Ansatz Global Citizenship Education (GCED) werden bildungspolitische Konzepte mit globalem Fokus systematisiert, gebündelt und somit zu einer eigenen Disziplin. GCED umfasst mehr als einzelne Programme und genießt somit eine übergeordnete Relevanz für den Gegenstandsbereich "Globales Lernen". Einer postkolonial feministischen Perspektive folgend werden Lücken und Problemlagen angesichts der von GCED angestrebten transformativen Bildung sichtbar. Postkoloniale Kontinuitäten und die Thematisierung von Geschlechterfragen die über eine reine Gleichstellungspolitik hinausgehen werden in GCED weitgehend de_thematisiert. Demnach soll der Frage nachgegangen werden ob und wie GCED als (selbst-) kritische Bildungspraxis transformativ, im Sinne eines Beitrages zur Dekolonisierung, gestaltet werden kann, um eine kritische(re) Solidarität zu entwickeln und in weiterer Folge eine De-Zentrierung und Problematisierung der Kategorie Geschlecht zu fokussieren. Die Strategien „Neuordnung von Begehren“ und „Verlernen“ nach Gayatri Chakravorty Spivak werden hier eine zentrale Rolle spielen. Mittels Diskursanalyse sollen die zu definierenden Problemlagen entlang Gender, race, Klasse und Sexualität in GCED Konzeptionen untersucht werden. Durch einen postkolonial feministischen Zugang soll das Konzept GCED in dekonstruktiver Herangehensweise einerseits irritiert werden und in einem zweiten Schritt das Potential für dessen Transformation ausgelotet werden.
Katharina Lux
Erziehungs- und Bildungswissenschaft
seit 11/2021 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Erziehungswissenschaften, Abteilung Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Gender und Diversität, Humboldt-Universität Berlin
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Thema der Dissertation: Kritik des Feminismus. Das Kritikprogramm der Zeitschrift Die schwarze Botin.
Zu Auseinandersetzungen um feministische Theoriebildung in der autonomen Frauenbewegung der 1970er und 1980er Jahre.
In der Forschung zu Frauenbewegungen und feministischen Bewegungen hat es sich durchgesetzt, von Bewegungen im Plural zu sprechen, um ihre Heterogenität deutlich zu machen. Bezogen auf die feministische Theoriebildung wird ebenfalls die Vielzahl der Fragestellungen, Perspektiven und Vorgehensweisen betont. Die Dissertation erweitert diesen Blick und legt ihr Augenmerk auf die Auseinandersetzungen und Konflikte, die in der autonomen Frauenbewegung der 1970er und 1980er Jahre um feministisches Denken, Theorie und Kritik geführt wurden. Dazu diskutiert sie anhand der Ausgaben der Zeitschrift Die Schwarze Botin, die von 1976 bis 1986/87 in Berlin, Wien und Paris erschien, die Auseinandersetzungen um die Fragen, was feministische Kritik thematisieren, welches ihre Zwecke sein und wie sie vorgehen solle. Es zeigt sich, dass das Kritikprogramm der Zeitschrift eine Kritik der autonomen Frauenbewegung, eine negative Kritik des Feminismus, eine feministische Mythenkritik sowie eine dekonstruktive Kritik umfasst. Dabei wird es von der Frage durchzogen, wie ein feministisches Subjekt gedacht werden kann und welche Funktion das Theorem der sexuellen Differenz spielt. Anhand der von der Zeitschrift erzeugten Konflikte zeigt die Studie die Spannungsverhältnisse, in denen sich feministische Theoriebildung der autonomen Frauenbewegung bewegt: zwischen Individualität und Kollektivität, Erfahrung und Abstraktion, Unmittelbarkeit und Vermittlung, Produktivität und Generativität, Alterität und Alienität. Die Dissertation verdeutlicht, dass feministische Theoriebildung in und durch konfliktreiche Auseinandersetzungen entsteht und im Sinne eines Konfliktgedächtnisses erinnert werden sollte.
April 2023 | Auszeichnung der Dissertation mit dem Marianne-Barcal-Preis: https://www.uibk.ac.at/de/newsroom/2023/arbeiten-uber-feminismus-und-rassismus-geehrt/
Tanja Vogler
Erziehungs- und Bildungswissenschaft
seit 10/2023 Univ.-Ass. Post Doc am Institut für Bildungswissenschaft der Universität Wien, Arbeitsbereich Bildung und Ungleichheit
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Thema der Dissertation: Das politische Subjekt des queeren Aktivismus : Diskurs- und Akteurskonstellationen queerer Politiken im deutschsprachigen Raum: eine empirische Untersuchung
Vor dem Hintergrund einer queeren Kritik an (eindeutigen) Identitätspolitiken, ist der Frage nachgegangen worden, wie aktuelle queere Politiken ein politisches Subjekt herstellen. Hierzu wurde das Text- und Bildmaterial von fünf queeren Projekten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz – Jugendnetzwerk Lambda BB, LesMigraS, TransInterQueer e.V., Türkis Rosa Lila Villa, Milchjugend – diskursanalytisch aufgearbeitet. Zudem wurden Interviews mit Aktivist*innen aus den jeweiligen Projekten geführt und mit der Bedingungs-Bedeutungs-Begründungsanalyse aus der Kritischen psychologie ausgewertet. Die Analysen haben gezeigt, dass es den queeren Einrichtungen gelingt, ein offeneres, weniger eindeutiges politisches Subjekt zu konstituieren, das sich jedoch nach wie vor entlang identitätspolitischer Ambivalenzen bewegt: Beispielsweise brauchen die Projekte eine eigene vereindeutigende Geschichte, in der sie sich verorten können und arbeiten gleichzeitig gegen Pride-Erinnerungskulturen, in denen ein eindeutig weißes, homosexuelles politisches Subjekt konstituiert wird. Statt eindeutiger Identitäts-Kategorien werden Mehrfachidentitäten, Affekte und Prekaritäten eingesetzt, die selbst aber auch nicht ganz frei von Ein- und Ausschlüssen sind. Gleiches gilt für Versuche, auf den Solidaritätsbegriff zu rekurrieren. Das queere Wir konstituiert sich aber auch als Unterstützungsort, der im Sprechen über das Coming-out die Möglichkeit eröffnet, „ja“ zu einer individuellen, eindeutigen Identität zu sagen, obwohl gleichzeitig eine eigene kollektive (eindeutige) Identität abgelehnt wird. Die Auswertung der Interviews hat zudem gezeigt, dass es einerseits ein moralisches Subjekt braucht, das in eine soziale Bewegung eintritt, während andererseits, eine offene Bewegung keine endgültigen Antworten auf die Frage nach dem „richtigen Leben“ geben kann.
Flavia Guerrini
Erziehungs- und Bildungswissenschaft
Thema der Dissertation: Öffentliche Fürsorge und ihre Effekte. Zur Subjektbildung in der historischen Jugendfürsorge und Heimerziehung
Seit etwa 2010 ist eine erneute Aufmerksamkeit auf die repressiven und gewaltvollen Zustände in der Heimerziehung des 20. Jahrhunderts zu verzeichnen. Deutlich wird in bisherigen Studien, dass die physische, psychische und sexualisierte Gewalt, von der die betroffenen Zeitzeug*innen berichten, durch die Gestalt und Struktur des Systems der Jugendfürsorge und seiner Heime stark begünstigt wurde. Den Ausgangspunkt für diese kumulative Dissertation bildete die Beteiligung an zwei Forschungsprojekten zur Rekonstruktion der Geschichte der Jugendfürsorge und der Heimerziehung in Tirol und Vorarlberg. In ihrem Kontext und im Nachgang dazu entstanden die sechs in der Dissertation versammelten Texte:
In den ersten beiden werden (1) die Konzeption und Ausgestaltung der Jugendfürsorge in Westösterreich in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft 1938-1945 und (2) die Geschichte des Tiroler Landeserziehungsheims für weibliche Jugendliche St. Martin rekonstruiert. Die weiteren vier Texte befassen sich jeweils mit spezifischen Fragestellungen: (3) mit dem behördlichen Blick auf und dem Behördenhandeln gegenüber Kindern und ihren ledigen Müttern aus den unteren Gesellschaftsschichten, (4) mit der Bedeutung von Arbeit und Ausbildung im Landeserziehungsheim St. Martin hinsichtlich der Aufrechterhaltung einer traditionellen Geschlechterordnung, (5) mit der Thematisierung öffentlicher und urbaner Räume im Zuge von Beantragung und Beschluss jugendwohlfahrtsstaatlicher Maßnahmen und (6) mit dem Karzer und mit dem Disziplinarmittel der Strafisolierung als soziale Praktik.
Im vorangestellten Rahmentext wird die übergreifende Fragestellung nach Prozessen der Subjektivierung und der Hervorbringung von Subjekten in Institutionen der Jugendfürsorge entwickelt und damit eine subjekttheoretische Perspektive für eine Re-Lektüre dieser sechs Texte vorgeschlagen. Damit lassen sich die Effekte und langfristigen Folgen der Jugendfürsorge im Sinne der Hervorbringung ihrer Adressat*innen als Subjekte fassen: Prozesse der Subjektbildung gehen mit der Vermittlung von Positionierungen im sozialen Raum, aber auch von sozialer Wertigkeit einher, die im Fall des Durchlaufens von Institutionen öffentlicher Ersatzerziehung häufig eine erheblichen Einschränkung der zukünftigen Handlungsfähigkeit und der Lebensgestaltung bedeuten. Mit dieser Perspektive wird die Bedeutung der Arbeiten über das spezifische Forschungsfeld der Geschichte der öffentlichen Ersatzerziehung hinaus herausgestellt und es werden Vorschläge und Ansatzpunkte für die Weiterarbeit entwickelt.
Das Doktoratskolleg wird vom Förderkreis der Universität Innsbruck 1669 - Wissenschaft Gesellschaft unterstützt.