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Schwager Raymund: Der Terror - das Böse - und der Glaube an die Liebe
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Der Terror - das Böse - und der Glaube an die Liebe
(Eine Predigt zu aktuellem Anlass)

Autor:Schwager Raymund
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:Böses verschleiert sich. Man sieht es bei anderen. Wo wird es dennoch aufgedeckt? Wie kann es besiegt werden?
Publiziert in:
Datum:2001-10-06

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Böses begegnet uns täglich. Die Medien sind voll von Berichten über Korruption und Gewalt. Dennoch herrschte in unseren Ländern während Jahrzehnten eine eher optimistische Stimmung. Man glaubte, in einer Spaßgesellschaft leben zu können. Selbst in manchen kirchlichen und theologischen Kreis sprach man wenig von Sünde, Gericht und Teufel, und man glaubte, es genüge vom lieben Gott zu reden. Der Terror in den USA hat aber plötzlich wieder ein anderes Gefühl an die Oberfläche gespült. Nun gibt es wieder eine Welt des Bösen, und manche glauben auch, seinen Ort eindeutig gefunden zu haben. Ist dem aber so? Ist das Böse in der Ferne, bei anderen?

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Die Bibel beschreibt das Böse oft als Gewalt. Im Johannesevangelium spricht Jesus vom Teufel als Mörder vom Anfang an. Gewalttaten sind sein Werk. Solche Taten sind an sich leicht zu erkennen. Aber ihre Beurteilung ist schwierig und meist ganz widersprüchlich. Was für Sieger eine Heldentat oder sogar ein Werk Gottes sein kann, erfahren die Unterlegenen leicht als gemeines Verbrechen oder teuflisches Werk. Solch widersprüchliche Deutungen durchziehen die ganze Geschichte, und sie zeigen sich auch heute. Was die Weltöffentlichkeit beim Terror in den USA als abscheuliches Verbrechen anklagt, wird von der Gegenseite ganz anders verstanden. Einer der mutmaßlichen Attentäter soll im Blick auf seine kommende Tat geschrieben haben: "Reinige dein Herz und säubere es von allen irdischen Dingen. Die Zeit von Spaß und sinnlosem Treiben ist vorbei. Die Zeit des Gerichts ist gekommen. Benutze diese letzten Stunden, um Gott um Vergebung zu bitten... Gehorche dem Willen Gottes"

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Was wir als Verbrechen erlebt haben, dürften die Täter selber als ein Unternehmen verstanden haben, bei dem sie dem Willen Gottes zu gehorchen meinten. Wie sind solche Gegensätze möglich? - Der Teufel ist gemäß dem Johannesevangelium nicht nur der Mörder von Anfang an, sondern auch der Vater der Lüge, und Lüge meint hier mehr als bewusste Lüge. Der gesamte Kontext der Bibel macht deutlich, dass mit der Lüge vor allem der Selbstbetrug angesprochen wird. Alle Menschen - auch wir - sehen das Böse leicht bei anderen, aber nicht bei uns selber. Deshalb gehen die Meinungen so weit auseinander und deshalb können wir uns in seiner Beurteilung und im Kampf gegen es so leicht täuschen. Wir ereifern uns gegen Unrecht und merken nicht, dass wir im Eifer instinktiv selber in es hinein gleiten. Solche Täuschungsmechanismen zu durchschauen ist wichtig, um das Böse tiefer zu erkennen. Nur wo dies gelingt, kann es auch von der Wurzel her angegangen werden. Der Weg Jesu lehrt uns dabei Entscheidendes.

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In einer Welt des Unrechts hat er einen Gott der unbedingten Güte verkündet, - nicht einen Gott der harmlosen Güte, sondern einer realistischen und radikalen, - einer Güte, die mit Feinden rechnet, auf diese aber aktiv zugeht und sie zu gewinnen sucht. Im Namen und in der Kraft seines Vaters hat Jesus auch uns Menschen zu einer aktiven Güte, zur Nächsten- und Feindesliebe und zur Gewaltfreiheit aufgefordert. Mit dieser Botschaft ist er jedoch rasch auf Widerstand gestoßen, und es ist ihm so ergangen, wie es vielen ergeht. Er wollte Frieden stiften, provozierte aber Streit. Er ist genau in jene Situation gekommen, in der wir uns oft befinden und in der immer wieder neues Böses entsteht.

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In Konflikten legen sich zwei mögliche Reaktionsweisen instinktiv nahe: ausweichen oder aggressiv zurückschlagen. Beide Wege führen jedoch dazu, dass das Böse weiterwirkt. Jesus ist entschieden einen dritten Weg gegangen. Er ist weder dem Konflikt ausgewichen, noch hat er zurückgeschlagen. In seinen Gerichtsworten hat er das Böse mutig aufgedeckt und seine harten Konsequenzen deutlich gemacht. Wie er deswegen aber selber angegriffen wurde, hat er die Gewalt nicht mit Gegengewalt beantwortet. Er ist seiner eigenen Botschaft von der Feindesliebe und Gewaltfreiheit treu geblieben. Er hat für seine Feinde gebetet und ließ sich lieber töten, als selber gewalttätig zu werden. Seine Lehre und seine Lebenspraxis stimmten nahtlos überein. Die innere Stimme Gottes, die ihn führte, war so deutlich, dass er sich auch von seinen Gegnern nicht auf Abwege - weder zur Flucht noch zur Gegenaggression - verleiten ließ. Er duldete es, selber als Misstäter, Verbrecher, ja Gotteslästerer verurteilt zu werden. Mitten unter Stimmen, die ihn anklagten und verurteilten, ging er seinen Weg der Feindesliebe im Gehorsams gegenüber seinen Gott der Güte.

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Mitten in einer Welt, in der endlos über Gut und Bös gestritten wird, ist die Einheit von Leben und Lehre das einzige Licht, das uns klar eine Richtung weisen kann. Gutes lässt sich nicht mit bösen Mitteln erreichen. Mit Gewalt kann man zwar, wenn sie politisch klug eingesetzt wird, andere Gewalt ein Stückweit eindämmen. Mit legaler Gewalt kann man illegale begrenzen, was Aufgabe der Politik ist. Auf diese Weise allein lässt sich jedoch kein dauerhafter Friede und keine echte gerechtigkeit schaffen. Nur der Weg Jesu zeigt, wie das Böse an der Wurzel zu besiegen ist.

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Was bedeutet dies für unseren Alltag? Dort werden wir ja meistens nicht direkt mit offener Gewalt konfrontiert. Auf subtilere Weise beginnt sie aber dennoch in der alltäglichen Welt, wie ein Wort Jesu deutlich nahelegt: "Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt worden ist: Du sollst nicht töten;... Ich aber sage euch: Jeder, der seinem Bruder auch nur zürnt, soll dem Gericht verfallen sein" (Mt 5,21f.) Den Zürnenden trifft ein ähnliches Geschick wie den Mörder. Damit deckt Jesus auf, dass dem Töten vieles vorausgeht, was zur Welt des Bösen gehört: der Zorn und das Verurteilen. "Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet! Denn wie ihr richtet, so werdet ihr gerichtet werden" (Mt 7,1f), lehrt Jesus weiter, und er fragt herausfordernd: "Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht?" (Mt 7,1-3)

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Die Gewalt macht blind, und das Richten macht blind für die eigenen Fehler. Wir sehen Negatives überscharf bei anderen, bei uns selber entdecken wir es aber kaum. Das eigentliche Böse ist meistens nicht dort, wo wir es direkt zu sehen meinen. Es steckt tiefer - in der Verzerrung der Wahrnehmung. Bezüglich des Bösen sind unsere Augen wie verfärbende Linsen, sie lassen andere schwarz und uns selber weiß erscheinen. Dieser Täuschungsmechanismus ist das eigentliche Problem. Er macht es so schwierig, das Böse zu überwinden. Er bewirkt, dass wir im Kampf gegen das Böse immer wieder selber Böses schaffen. Müssen wir folglich den Spieß umdrehen und uns selber anklagen? Auch hier ist Vorsicht geboten. Ein gewöhnliches Umdrehen der Anklage führt nicht weiter. Es bewirkt nur, dass wir oberflächliche Fehler bei uns scharf sehen und tiefere Eiterbeulen damit wieder verdecken. Wir sehen dann die Splitter, die in unserer Haut stecken, und übersehen den Balken in unserem Herzen.

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In uns steckt etwas, das uns zutiefst unsicher macht, - eine Angst, die wir überdecken wollen, und die unsere Blicke verzerrt. Deswegen können wir das Böse nie aus eigener Kraft überwinden. Nur dort, wo wir einer Liebe begegnen, die uns trotz unseres Dunkels annimmt, kann der Würgegriff der Unsicherheit und Angst sich langsam lösen. Nur dort werden wir fähig, schrittweise richtiger zu sehen. Die Liebe Jesu, der sich für seine gewalttätigen Feinde hingegeben hat, ist eine solche Liebe. Wo sie uns erreicht, werden wir freier. Aber nochmals: es ist nicht unser Gefühl der Liebe. Dies wäre nur eine neue subtile Form, wie wir an uns selber hangen und das Dunkle in uns verdecken. Nicht unser Gefühl der Liebe befreit uns, sondern die Liebe eines anderen, die Liebe des Herzens Jesu. Von unserer Seite ist der Glaube entscheidend, der Glaube, dass es diese andere, fremde Liebe gibt und dass sie uns erreichen will.

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Angesichts der eigenen Unsicherheit und Angst, angesichts der Routine, Härte und Kälte, der wir im Alltag oft begegnen, und angesichts der Ungerechtigkeit und Gewalt in der weiten Welt ist es oft nicht leicht an die Macht der Liebe zu glauben. Wir möchten sie gefühlsmäßig erleben, intensiv greifen und spüren, und wenn dies nicht geschieht, fallen wir leicht auf uns selber zurück. Die Macht der Liebe Christi ist aber keine äußere Macht, es ist die Macht des Gekreuzigten, der äußerlich selber von der Gewalt vernichtet wurde, mit seinem eigenen Glauben sie aber innerlich besiegt hat.

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Wie können wir diesen Glauben stärken? Wir sind heute zur Eucharistie zusammengekommen, in der wir des Todes und der Auferstehung Jesu gedenken. In diesem Gedenken wird der Glaube an jene Liebe, die innerlich stärker ist als der gewaltsame Tod, neu angesprochen und geweckt. - Durch das Zusammenkommen stärken wir auch wechselseitig unseren Glauben. Jeder und jede wird für die anderen eine Hilfe.

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Wenn die große politische Welt einen 'Krieg gegen den Terror' vorbereitet, wenn sie die terroristische Gewalt und mit legaler Gewalt einzudämmen sucht, dann ist es unsere Aufgabe als Christen eine andere Bewegung in Gang zu setzen, - eine wechselseitige Ermutigung zum Glauben an die Liebe. Eine nur gefühlshafte und romantische Liebe hält der Gewalt und dem Unrecht nicht stand. Die Liebe des Gekreuzigten hat jedoch bewiesen, dass sie stärker ist als der Tod. Eine wechselseitige Ermutigung zum Glauben an diese Liebe ist die christliche Antwort auf den Terror.

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