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Sandler Willibald: Befreiung der Begierde
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Befreiung der Begierde
(Theologie zwischen René Girard und Karl Rahner)

Autor:Sandler Willibald
Veröffentlichung:
Kategorieartikel
Abstrakt:Wer heute in Innsbruck Dogmatik studiert, stößt auf die Namen von zwei höchst verschiedenen Wissenschaftlern. Immer noch inspirierend ist die Theologie Karl Rahners, der lange Jahre in Innsbruck gelehrt hat. Für neuere Ansätze einer Innsbrucker dramatischen Theologie hat die Auseinandersetzung mit dem französischen Kulturwissenschaftler René Girard große Bedeutung. Entgegen dem ersten Anschein lassen sich beide Denker in ein fruchtbares Gespräch miteinander bringen.
Publiziert in:Vom Fluch und Segen der Sündenböcke. Hg. J. Niewiadomski, W. Palaver, Thaur: Kulturverlag 1995, 49-68.
Datum:2001-10-09

Inhalt

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Ein Vergleich zwischen einer Rahnerschen und einer an René Girard orientierten Theologie hat zunächst ein gewisses lokales Interesse für die systematische Theologie in Innsbruck, da diese von ihrer Vergangenheit her stark durch Karl Rahner geprägt ist, während in ihrer Gegenwart die Theorie Girards keine geringe Rolle spielt.

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Aber auch sachliche Gründe sprechen für einen solchen Versuch. Weil das Christentum als Erlösungsreligion die Menschen auf einem Weg von der Heillosigkeit zum Heil führen will, muß christliche Theologie ebenso auf die verschiedenen Formen faktischer Heillosigkeit reflektieren, wie auf das Heil, insofern es durch schöpfungsmäßige Veranlagung sowie durch die universale Heilswirkung Jesu Christi bereits in die Gegenwart hereinwirkt. Die Theorie René Girards führt zu einer Theologie mehr von der ersten Warte her, während die Theologie Karl Rahners mehr den zweiten Aspekt betont. Beide Akzentuierungen müssen sich aber nicht ausschließen, sondern können sich auf fruchtbare Weise gegenseitig herausfordern und vielleicht sogar ergänzen.

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Diese Unterschiede sowie die Möglichkeit ihrer wechselseitigen Befruchtung und Ergänzung werde ich im folgenden an drei zentralen Fragen untersuchen. Zur Diskussion stelle ich erstens das Bild vom Menschen (zwischen einer Verstrickung in die kollektiven Fänge der Gewalt und einer verantwortlichen Freiheit), zweitens die Eigenart des sich heilvoll den Menschen in Offenbarung und Erlösung zuwendenden Gottes (zwischen einer Aufdeckung der strukturellen Gewalt und einer umfassenden Selbstmitteilung Gottes) und drittens die Bewertung der Welt, sofern sie sich noch nicht ausdrücklich als Kirche dem Offenbarungsanspruch Jesu Christi geöffnet hat, sowie der anderen Religionen (zwischen diabolischer Verschleierung der Wahrheit und anonymem Christentum).

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1. Anthropologie: Wie frei ist der Mensch?

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Theologisch muß dem Menschen eine ursprüngliche Freiheit zugesprochen werden, damit er ein verantwortlicher Ansprechpartner Gottes sein kann. Anderseits ist zu berücksichtigen, daß der Mensch in seiner Freiheit vielfach gebunden ist; vieles Leid geht grundsätzlich auf Menschen zurück, ohne daß es einfach dem bösen Willen und bewußten Versagen einzelner in die Schuhe geschoben werden kann, -- als Resultat kollektiver Prozesse, deren Steuerung den daran Beteiligten entglitten ist. Eine theologische Anthropologie, die dem nicht gerecht wird, tendiert auf gefährliche Weise zu einer moralistischen Überforderung der Menschen.

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Innerhalb dieser Spannung können die beiden zu diskutierenden Ansätze lokalisiert werden. Während Rahner auf der prinzipiell unverlierbaren menschlichen Freiheit als theologischer Grundvoraussetzung beharrt, beschreibt Girards Theorie auf eindringliche Weise die kollektiven Wechselwirkungen, in denen Menschen sich verfangen und so ihre Fähigkeit zu gutem und friedvollem Handeln einbüßen.

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Die empirisch-kritisch orientierte Anthropologie René Girards(1)

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Das Studium von Texten, in denen sich die Erfahrungen und Beobachtungen bedeutender Literaten über die Koexistenz von Menschen niederschlugen, führte den Literaturwissenschaftler René Girard zur Einsicht, daß jeder Mensch zutiefst „mimetisch" oder durch „Mimesis" geprägt ist, das heißt durch ein Zusammenspiel von Nachahmung und Begierde, die sich wechselseitig bedingen: Sein fundamentales Begehren ist nämlich weder einfach durch Naturanlagen (Triebe) festgelegt, noch entspringt es der souveränen Wahl seines freien Willens; es ist aber auch nicht einfach vom ‚objektiven' Wert der angestrebten Gegenstände bestimmt, sondern orientiert sich spontan an den Äußerungen des Begehrens anderer Menschen. ‚Objekte der Begierde' -- ob es sich nun um materielle Gegenstände, um ideelle Güter wie Ehre und Ansehen oder um Menschen handelt, deren Anerkennung man gewinnen möchte -- gewinnen ihre Attraktivität vor allem durch das Interesse, welches sie bei anderen Menschen auslösen.

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Durch diesen Zusammenhang besteht die ständige Gefahr, daß sich die Glieder einer Gemeinschaft in einem Prozeß wechselseitig verstärkter Nachahmung auf dieselben ‚Objekte der Begierde' fixieren und dadurch in Rivalität zueinander geraten. Wo Menschen in einer gegenseitigen Nachahmung ihrer Begierden sich gegeneinander polarisieren, erwächst die verhängnisvolle Erfahrung, daß sie dem gesuchten und doch ungekannten Ziel ihrer Sehnsucht gerade dann am nächsten kommen, wenn sie auf den Widerstand von Rivalen stoßen. Das Ziel der Begierde fällt so zusammen mit der Überwindung oder Beseitigung von Gegnern.

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Was bis jetzt als Interaktionsgeschehen zwischen einzelnen Personen beschrieben wurde, spielt sich in einer einigermaßen geschlossenen Gesellschaft auf verhängnisvolle Weise zwischen all ihren Gliedern ab. Die rivalisierende Fixierung auf einen Gegner wirkt auf andere mindestens genauso attraktiv wie die begehrende Ausrichtung auf irgendein ‚primäres' Objekt der Begierde. Die Unfrieden schaffende Rivalität hat so die Tendenz, sich auf den gesamten Gesellschaftsverband auszubreiten und so diesen zu gefährden.

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In modernen Gesellschaften werden diese Bedrohungen im allgemeinen durch ein funktionierendes Exekutiv- und Gerichtssystem in Grenzen gehalten. Wenn man beobachtet, welch zerstörerische Gewaltexzesse dort auftreten, wo diese regulativen Strukturen versagen, erhebt sich die Frage, wie primitive, vorstaatliche Gesellschaften ohne zentrales Gerichtssystem mit dieser Bedrohung zurechtkamen. Hier bieten Girards Annahmen von Sündenbockmechanismus und Gründungsmord ein genetisches Erklärungsmodell: Im sozialen Verband führt die gärende Gewalttätigkeit zu kleineren und größeren begrenzten Gewaltausbrüchen; eine eindrucksvolle Attacke reizt zur spontanen mimetischen Nachahmung, und so kann sich gegen ein nachhaltig getroffenes Opfer eine zunehmend größer und damit attraktiver werdende Masse sammeln. Wo der gesamte Gesellschaftsverband von einer solchen Polarisierung erfaßt wird und sein Opfer gemeinsam ausstößt, findet nicht nur der allgemeine Unfriede einen Höhepunkt, es entsteht auch eine neue Einigkeit in der Gesellschaft gegen dieses Opfer.

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Für ein richtiges Verständnis dieses Sündenbockmechanismus muß die Außenperspektive, in der das Geschehen hier beschrieben wurde, von der Sicht der Beteiligten unterschieden werden. Für diese erscheint die Aggression gegen das Opfer als wohlbegründet, und dies in umso höherem Maße, als die anderen in die Ablehnung einstimmen. Gleichzeitig führt dieser Akt einhelliger Verdammung zu einer neuen Einmütigkeit. Ist das Opfer ausgestoßen, erscheint es zugleich als Ausbund aller Bosheit und als Ursprungsort eines neuen Friedens.

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In diesem unter höchstem Druck geschehenden und zu äußerster Raserei sich steigernden Geschehen sieht Girard den Grund, daß Opfer ‚sakralisiert' werden, indem sie als nicht-mehr-menschliche Größen in die kollektive Erinnerung des Gesellschaftsverbandes eingehen, als zugleich fluch- und segensbringende Gottheit, oder -- wie Rudolf Otto das Heilige charakterisierte -- als zugleich furchterregendes und faszinierendes Geheimnis.

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Indem er diesen Grundansatz konsequent weiterverfolgt, rekonstruiert Girard, wie sich um dieses gewalttätige Kerngeschehen Riten und Mythen bilden konnten. Er bietet damit für eine Reihe von paradox anmutenden Phänomenen der Ethnologie ein einheitliches Erklärungsmodell. Girard beschränkt sein Modell aber nicht auf den Bereich der Ethnologie. Auf derselben Grundlage entwickelt er weitere Deutungshypothesen zum Ursprung der Menschheit und ihrer Kulturen und Institutionen, vom Anlaßereignis für die Sprachwerdung bei der Hominisation bis zur Entstehung von Zentralgewalten im sakralen Königtum. Die weitreichende Erklärungskraft dieser Theorie für wichtige Elemente am Ursprung menschlicher Zivilisation legt zudem die Annahme nahe, daß auch die komplexeren Strukturen höherer Kulturen von friedenserhaltenden und -wiederherstellenden Mechanismen verschleierter Gewalt geprägt sind.

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Girards Theorie sieht den Menschen also von Anfang an als gemeinschaftliche und gesellschaftliche Existenz, die damit zutiefst in gewaltsame Strukturen hineinverwoben ist. Seine Anthropologie ist von einer fundamentalen Skepsis gegen eine ursprüngliche Autonomie des menschlichen Subjekts geprägt. Daß der Mensch seine Ziele in souveräner Weise kennt und bestimmt, gilt ihr als eine Illusion, deren Annahme und Vorspiegelung die Menschen nur noch weiter in die Fänge mimetischer Abhängigkeiten treibt.

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Die transzendentaltheologische Anthropologie Karl Rahners als Herausforderung für die Theorie René Girards

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Rahner anerkennt zunächst die vielfältigen Abhängigkeiten, in welche die menschliche Existenz verstrickt ist,(2) als Gegenstand regionaler Anthropologien, die nicht ohne Recht versuchen, den Menschen von diesen Bedingtheiten her möglichst umfassend zu erklären. Aber gerade in der Erfahrung seiner Abhängigkeit realisiert der Mensch nach Rahner ein reflexives Selbstverhältnis, das auf eine tieferliegende Unabhängigkeit und Selbständigkeit gegenüber den ihn bestimmenden Strukturen hinweist. So erfährt er sich mitten in seinen Bedingtheiten als Person, das heißt als sich selbst besitzendes Subjekt in einem wissenden und freien Bezogensein auf das Ganze. Diese Subjekthaftigkeit des Menschen ist für Rahner untrennbar von seiner Transzendenz, d.h. seiner Ausrichtung auf das Ganze des Seins und auf Gott, welche er in jedem Akt von Erkenntnis und Freiheit realisiert. So gelangt Rahner zu einer sehr weitgehenden Annahme menschlicher Eigenständigkeit, die allerdings nur mißverständlich als Autonomie bezeichnet werden kann, da sie sich nicht selbst setzt, sondern durch die Gottesbeziehung des Menschen konstituiert ist. Wenn Rahner in seiner Theologie der Freiheit für den Menschen eine „totale Selbstverfügung des Subjekts auf Endgültigkeit hin" (3) annimmt, so müssen sowohl die Transzendentalität als auch die theologische Begründung dieser Aussage beachtet werden: die Freiheit ist eine menschliche Grundbestimmung, die faktisch sehr wohl verschüttet sein kann, aber angenommen werden muß, damit man den Menschen als verantwortlichen Ansprechpartner Gottes verstehen kann, damit also überhaupt Theologie möglich ist. (4)

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Ist das oben skizzierte Menschenbild Girards mit Rahners transzendentaltheologischer Anthropologie vereinbar? Vordergründig scheinen sich Rahners Betonung subjektiver Freiheit und Girards Insistieren auf der mimetischen Fremdbestimmtheit des Menschen schärfstens zu widersprechen. Berücksichtigt man aber die transzendentale Eigenart von Rahners Anthropologie, dann bleibt die Möglichkeit offen, daß sich beide Entwürfe nicht direkt ausschließen, sondern in ihrer Gegensätzlichkeit unterschiedliche Ebenen des Menschlichen thematisieren. Von Rahner her kann die Theorie Girards zunächst als „regionale Anthropologie" akzeptiert werden. Die Tendenz Girards, von seinem Ansatz her eine universale Theorie des Menschen zu etablieren, muß sich aber Rahners transzendentaler Frage stellen, -- nicht zur Aufgabe, sondern zur Präzisierung dieser Tendenz. Wenn der Mensch nicht nur in seinem Verhalten, sondern auch in seinem Selbstbewußtsein wesensmäßig durch die Begierde anderer Menschen fremdbestimmt ist, wie kann er dann diese Abhängigkeit erkennen oder gar überwinden? (5) Der Umstand, daß es Girards kritische Theorie überhaupt gibt, zeigt bereits, daß sich das menschliche Wesen in den interpersonalen und gesellschaftlichen mimetischen Abhängigkeiten nicht erschöpft. Daß diese Einsichten nach Girard nur durch den nicht-bloß-menschlichen Offenbarungsimpuls Jesu Christi ermöglicht wurden (wie im folgenden noch auszuführen sein wird), setzt dieses Argument nicht außer Kraft. Denn die Menschen mußten dann wenigstens in der Lage sein, diese Offenbarung zu verstehen, was wiederum nur durch deren wesensmäßige Transzendenz über die mimetischen Abhängigkeitsverhältnisse hinaus möglich ist.

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Was ändert sich an der Anthropologie Girards, wenn man diese transzendentalen Argumente berücksichtigt? Zunächst muß Girards Theorie nicht revidiert werden, weil sie zwar eine umfassende Erklärungshypothese für unterschiedlichste Phänomene des Menschlichen geben will, aber keine Ontologie des Menschen zu bieten beansprucht. (6) Allerdings läßt ihre Tendenz zu einer umfassenden Deutung des Menschen eine Relativierung als „regionale Anthropologie" auch nicht einfach zu. So stellt sich die Frage, ob Girards Grundansatz, nach dem der Mensch zentral durch Begierde und Nachahmung geprägt ist, auch als transzendentale Wesensbestimmung des Menschen begriffen und somit in eine Wesensanthropologie ausgeweitet werden kann.

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Ein solcher Schritt ist mit der Annahme möglich, daß das fundamentale Begehren, welches dem Menschen Orientierung gibt, sich nicht zuerst in rivalisierender Weise an anderen Menschen orientiert, sondern ursprünglicher auf den unbegrenzten Gott ausgerichtet ist. (7) Der Mensch wird hiernach fundamental als Wesen der Gottessehnsucht beschrieben, -- ähnlich, wie es schon Augustinus in seinem berühmten Gebet tat: „Unruhig ist unser Herz, bis es ruht in Dir". Erst wo die Menschen sich auf sündige Weise von Gott ab- und den Dingen zuwenden, derart, daß diese Dinge nicht mehr in Transparenz auf Gott hin, sondern in Konkurrenz zu ihm verstanden werden, beginnen die Kreisläufe mimetischer Rivalität. Solange der Mensch sich begehrend an unbegrenzten Gegenständen orientiert (an Gott selbst oder an Menschen oder Gegenständen als auf Gott hin transparenten Symbolen), wirkt die Nachahmung dieser Begierde nicht entzweiend, sondern in einem wahren Sinn (d.h. ohne die Ausgrenzung von Opfern) friedenstiftend.

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Eine solche Interpretation der Theorie Girards wird von R. Schwager vertreten. (8) Girard führt sie nicht aus, weil sein Interesse nicht primär philosophisch-theologisch ausgerichtet ist. Ganz im Sinne dieser Interpretation ist aber seine Annahme, daß die mimetische Begierde nicht ausschließlich rivalisierend und gewaltprovozierend wirken muß, sondern auch umgekehrt als „gute Mimesis" zu einer Selbstfindung und Gemeinschaftsbildung beitragen kann, die nicht durch den Ausschluß von Sündenböcken erkauft wird. (9)

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Innerhalb dieses theologisch erweiterten Ansatzes kann Girards konfliktive mimetische Anthropologie als eine angemessene Beschreibung sündiger Existenz begriffen werden. Wo einzelne Menschen der exklusiven Begierde nach begrenzten Gegenständen (Götzen) verfallen, üben sie zugleich einen schwer widerstehlichen Sog der Ansteckung auf andere Menschen aus. So wird eine universale ‚Verseuchung' der Menschheit durch die konfliktive Mimesis und ihre von Girard beschriebenen gewaltsamen und gewaltverschleiernden Konsequenzen denkbar, ohne daß damit eine böse Naturveranlagung des Menschen angenommen werden muß. Eine solche Annahme der Universalität von Sünde, ohne daß solche Sünde zu einer notwendigen Naturanlage des Menschen erklärt wird (womit die Rede von Sünde sinnlos würde), ist aber die entscheidende, spannungsvolle Vorgabe für eine Theologie der Erbsünde. Es liegt von daher nahe, die Theorie Girards theologisch primär im Lichte einer Erbsündentheologie zu rezipieren.(10)

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2. Offenbarung: Was bewirkt Gott in der Welt?

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Christliche Theologie stand immer wieder in Gefahr, Offenbarung als bloße Mitteilung von Inhalten und Wahrheiten mißzuverstehen. Das ist nicht zuletzt deshalb problematisch, weil es das Mißverständnis nahelegt, daß sich eine so verstandene Offenbarung mit der Mitteilung ihrer Inhalte selber überflüssig macht. Es ist ein bedeutender Fortschritt christlicher Theologie des 20. Jahrhunderts, durch personalistisch ausgerichtete Ansätze Offenbarung, Gnade und Erlösung in ihrer untrennbaren Einheit als geschichtlichen Prozeß der Selbstmitteilung Gottes zu verstehen, der sich in seiner Liebe den Menschen öffnet und schenkt, sodaß er selber zum Herzzentrum menschlicher Existenz wird. Diese personale Vertiefung des Offenbarungsverständnisses hat sich als wichtiger Fortschritt vom Ersten zum Zweiten Vatikanum dokumentiert, hinter den eine heutige christliche Theologie nicht mehr zurückfallen sollte. Im folgenden ist nach den nötigen Darstellungen zu überprüfen, wieweit das Offenbarungsverständnis einer an Girard orientierten Theologie einem solchen personalen Verständnis als Selbstmitteilung entspricht und für ein solches einen Beitrag zu leisten vermag.

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Offenbarung als göttliche Selbstmitteilung (Karl Rahner)

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Rahners Theologie wurzelt in einer Gnadenerfahrung von Gott als einem unsagbaren, beglückenden Geheimnis. Diese Erfahrung kann mittels zweier spannungsvoller Aspekte näher umschrieben werden: einerseits -- in einer Tendenz zu negativer Theologie -- ist Gott gegenüber jeder Erfahrung und Beschreibung der je größere; anderseits -- in einer Tendenz zu ‚positiver', inkarnatorischer Theologie -- ist Gott jener, der sich in allen Dingen finden läßt. Dabei gilt für beide Erfahrungsaspekte, daß Gott nicht als abstraktes Prinzip erschlossen, auch nicht als richtende und strafende Instanz wahrgenommen, sondern als liebende, begnadende und vergebende Gegenwart erfahren wird.

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Man kann versuchen, Rahners Theologie als eine universale Hermeneutik der so beschriebenen Gotteserfahrung zu verstehen: als den Versuch, die überkommenen Vorstellungen von Welt, Mensch und Gott dermaßen zu korrigieren, daß jene Gotteserfahrung, die als unzweifelhaft wahrgenommen wurde, auch denkmöglich und ein Leben auf der Grundlage dieser Erfahrung vernünftig und kommunikabel ist.

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Vor diesem Hintergrund stellt Rahner die transzendentale Frage nach den Möglichkeitsbedingungen von der offenbarenden Selbstmitteilung des liebenden Gottes. Selbstmitteilung besagt hierbei, daß Gott nicht einzelne Wissensinhalte über sich und über die Welt offenbart, sondern sich selbst in seiner unausschöpfbaren Fülle, welche die Gesamtheit seiner Schöpfung mitumfaßt. Mit einem solchen Offenbarungsverständnis ändert sich auch das Verständnis des Glaubens, d.h. der gesamtmenschlichen Rezeption der Offenbarung. Während eine Offenbarung von Einzelinhalten stets in eine vorgegebene Weltanschauung integriert werden kann, bedeutet Offenbarung als Selbstmitteilung, daß Gott sich dem Menschen als organisierende Mitte, sozusagen als -- für sich unbegreifbares -- Referenzzentrum für sein Handeln und Begreifen anbietet, von dem her die Gesamtheit seiner Erfahrungen neu integriert werden kann. (11) Zugleich kann ausgehend von diesem Zentrum eine erfahrungszentrierte, systematische Reformulierung der traditionellen Theologie unternommen werden, wie Rahner es versucht hat.

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Dieses ‚Referenzzentrum' ist geschichtlich erschienen in Jesus Christus als dem Ort des vollständigen Einbruchs göttlicher Selbstmitteilung in die menschliche Welt. Christus ist nicht trotz seiner Göttlichkeit auch Mensch, sondern wegen seiner absoluten Gottesbeziehung der Mensch schlechthin, auf ursprünglichere Weise als alle anderen Menschen. Daß für Rahner Anthropologie und Christologie zusammenfallen, bedeutet deshalb keine anthropologische Verkürzung der Theologie, sondern vielmehr umgekehrt eine christologische Revision und Überbietung der Anthropologie. Vom Idealbild Jesu Christi her kann und muß das Wesen des Menschen auf ganz neue Weise verstanden werden.(12)

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Offenbarung als Freilegung und Überwindung gewaltsamer Strukturen (René Girard)

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Girards Anthropologie stellt zugleich eine umfassende Religionskritik dar: die Götter der Religionen werden als sakralisierte Sündenböcke demaskiert. Für die christliche Theologie ist es nun interessant, daß Girard die autoritativen Texte von Judentum und Christentum, die immerhin auch nicht frei von Gewalt sind, nicht nach dem Muster dieser Religionskritik abfertigt, sondern ihnen im Gegenteil eine wirkungsvolle Aufdeckung der fundamentalen Gewaltmechanismen zuspricht: Im Unterschied zu anderen kulturellen und religiösen Schlüsseltexten argumentieren die biblischen Texte nicht nur innerhalb der beschriebenen Logik des Sündenbockmechanismus, sondern entlarven dessen gewalttätigen Kern, indem sie in zunehmendem Maße Partei für die ausgestoßenen Opfer ergreifen. Ein direkter Vergleich zwischen der biblischen Erzählung von Kain und Abel und dem römischen Mythos von Romulus und Remus kann dies auf exemplarische Weise verdeutlichen: (13) Bei beiden Texten handelt es sich um Gründungsmythen für städtische Kulturen. Ergreift der römische Gründungsmythos aber die Partei des Romulus, der seinen Bruder Remus tötet, so deckt die biblische Erzählung die Schuldlosigkeit des Opfers Abel auf. Die prophetischen Texte des Alten Testaments wurden vielfach von Außenseitern verfaßt, deren Legitimität von den jüdischen Autoritäten erst viel später als Resultat eines Bekehrungsprozesses zugegeben wurde. In vollständiger Weise erfolgte die Aufdeckung der fundamental-strukturellen Gewalt im Neuen Testament. Die Evangelien bezeugen bis in subtile Details, daß Jesus vollständig frei von jeder Logik der Gewalt war. Von daher ist seine oft verblüffende Lehre ebenso interpretierbar wie seine Heilungstätigkeit und schließlich sein Schicksal in Passion und Kreuz. Angesichts der umfassenden Verwurzelung kollektiver Existenz in verschleierter Gewalt ist diese Freiheit Jesu letztlich nur dadurch erklärbar, daß Jesus seine Identität auf einmalige Weise ‚nicht von dieser Welt' habe. Girard sieht hier einen Ansatz zur Reinterpretation der kirchlichen Lehre von Jesus als dem Sohn Gottes. (14)

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Durch eine jahrhundertelange Wirkungsgeschichte (teils innerkirchlich, teils außerkirchlich, besonders durch die Literatur) wirkte die antisakrifizielle Logik des Evangeliums sich zunehmend in die Weltgeschichte hinein aus. Es ist eine allgemeine Sensibilität gegenüber Opferzuweisungen gewachsen, für welche etwa die inflationäre Rede von ‚Sündenböcken' bezeichnend ist. Allerdings bewirkt die zunehmende Aufdeckung der Sündenbockmechanismen nicht unmittelbar eine Sicherung des Friedens, sondern führt zu neuen, subtileren Formen von Ausstoßungen, sowie zu einer Häufung von Opfern, um die durch die Aufdeckung immer schwächer werdende Befriedungswirkung des Sündenbockmechanismus doch noch zu erzielen. Daß eine so umfassende Aufdeckungstheorie über die verborgen gewalttätigen Wurzeln menschlicher Kulturen, wie sie seine Theorie beansprucht, überhaupt möglich ist, schreibt Girard der über die Jahrhunderte weitgestreuten Aufdeckungswirkung der antisakrifiziellen biblischen Texte zu.

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Girards Theorie vor dem Anspruch eines personalen Offenbarungsverständnisses

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Offenbarung besteht somit nach Girard in einer unerfindlichen und langfristig extrem folgenreichen Aufdeckung (und damit Überwindung) jener verborgenen, negativen Kräfte, welche die menschliche Welt in ihrem Innersten zusammenhält. Wird diese Sicht einem Offenbarungsverständnis als personale Selbstmitteilung gerecht? Diese Frage wurde von Kritikern verneint. M. Herzog kritisierte an Girards Theorie, sie sei einem instruktionstheoretischen Offenbarungsbegriff verhaftet: Gegenstand der Offenbarung sei die ‚Information' über die verborgen gewalttätigen Strukturen menschlicher Institutionen. (15) Wenn das stimmte, würde sich diese ‚Offenbarung' allerdings durch ihre vollzogene Mitteilung überflüssig machen. Dagegen sind die mimetischen Mechanismen aber dermaßen subtil, daß sie auch nach ihrer Aufdeckung in der subtileren Form neuer Pervertierung auftreten können. (16) Wegen ihrer tiefen Verwurzelung in den menschlichen Strukturen fällt die konfliktuelle Mimesis mit ihrer Ausgrenzungstendenz gerade jenen, die meinen, sie erfolgreich vor sich auf den Begriff gebracht zu haben, allzuleicht in den Rücken.

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Damit ist ein weiterer Einwand noch nicht zurückgewiesen, nach dem Offenbarung bei Girard ausschließlich negativ-kritisch verfaßt sei, nämlich als bloße Aufdeckung, ohne daß damit eine heilvolle Alternative erschlossen wäre. Wenn aber erstens -- nach Girards Annahme -- alle menschlichen Institutionen dank verschleierter Gewalt bestehen, zweitens -- ebenso nach Girards Annahme -- die Aufdeckung ihrer Wirkmechanismen dieselben unwirksam macht und drittens -- nach allgemeiner Evidenz -- die Menschheit ohne Institutionen nicht bestehen kann, dann wirkt die als Aufdeckung begriffene Offenbarung nicht nur kritisch, sondern unvermeidlich zerstörerisch auf die Menschheit. Dostojewskijs Großinquisitor bekäme mit Girards Theorie ein neues, stärkeres Argument für seine Verstoßung des wiederkommenden Messias.

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Um solche Konsequenzen zu vermeiden, muß Offenbarung in ihrem Kern als positiv-heilbringend begriffen werden. Für ein solches Offenbarungsverständnis im Rahmen der Theorie Girards führt der Ansatz bei einer ‚guten Mimesis' als weiter: Jesus Christus ist in einem reinen Begehren so sehr auf den gütigen Gott ausgerichtet, daß darin der Kern seines Wesen besteht; so lenkt er unsere rivalisierend gebundene mimetische Begierde in einer solchen Unmittelbarkeit auf Gott, daß wir dadurch eine neue, gewaltfreie und nicht ausgrenzende gemeinschaftliche Existenz gewinnen können. Während Jesus derart mit seinem lehrenden und tathaft bezeugenden Leben zum befreienden Vorbild wird, behält sein Tod jene aufdeckend-aufsprengende Bedeutung gegenüber der kollektiv verstockten Sünde, die sich in einer Girardschen Analyse deutlich herausarbeiten läßt. Ein solcher positiver Offenbarungsbegriff klingt bei Girard bereits an und wurde von R. Schwager weiter ausgeführt. (17) Auch zur Soteriologie Karl Rahners ergibt sich von hier aus ein ausbaufähiger Anschluß. (18)

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Weil in einer mimetischen Theologie Begierde und Nachahmung keine bloß äußerlichen Vollzüge sind, sondern den personalen Wesenskern des Menschen konstituieren, kann man dem eben skizzierten Ansatz ein Verständnis von Offenbarung als Selbstmitteilung zubilligen. Zugleich berücksichtigt dieses Offenbarungsverständnis von Anfang an eine ausgewogene Christologie, die das lehrende und bezeugende Leben Jesu ebenso ernst nimmt wie seinen heilswirkenden Kreuzestod. Der gemeinschaftsbildende Zug von Jesu Offenbarungstätigkeit und damit der christlichen Glaubensexistenz ist bereits vom Ansatz weg an die gebührende zentrale Stelle gerückt.

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3. Die Bewertung der ‚Welt' und der anderen Religionen

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Die christlich-kirchliche Existenz und mit ihr die sie reflektierende Theologie müssen ein angemessenes Verhältnis zur ‚Welt' in einer schwer zu bestimmenden Mitte zwischen Angleichung und Distanzierung finden. Nach vielen Jahren, in denen das kirchliche lehramt eine systematische Abschottung betrieben hatte, wurde für die katholische Kirche das Zweite Vatikanum zum Signal für eine neue Öffnung gegenüber den Anliegen der Welt. Das war dringend notwendig und wurde von vielen als befreiend erlebt, trug aber auch zu einer Identitätskrise der Kirche bei. Die immer deutlicher wahrgenommenen fundamentalen Probleme der Weltzivilisation wecken zudem die Frage, ob das Christentum und mit ihm die christliche Theologie nicht eher Wege aus diesen Krisen bieten könnten, wenn sie sich stärker auf das Evangelium und weniger auf eine Angleichung an die ‚Welt' verließen.

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Bei dieser Frage geht es weder um die Alternative zwischen ‚progressiv' und ‚konservativ', noch um eine Entscheidung zwischen Isolation und Dialogbereitschaft, sondern um die schwierige Wegfindung kirchlicher Existenz als „Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit" (2 Vat., Lumen Gentium 1) zwischen den ‚Straßengräben' einer selbstgerechten Distanzierung und einer sich anbiedernden Angleichung. Kirche und Theologie müssen Salz für die Welt sein, und dieses Salz darf nicht ‚schal' werden (vgl. Mt 5,13).

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Für diese Wegsuche scheint nun die Theorie Girards die extreme Lösung einer totalen Kontrastierung anzubieten. Sind nicht für sie die Strukturen der ‚Welt' von Grund auf durch Gewalt und Täuschung infiziert, während die christliche Offenbarung nach ihrer Sicht den alleinigen Schlüssel zur Aufdeckung und (eventuell) Überwindung besitzt? Bietet diese Theorie nicht einen lockend-gefährlichen Ausweg an für jene, die an einer Identitätskrise der Theologie leiden, -- allerdings mit der gefährlichen Nebenwirkung einer Preisgabe von Solidarität und Dialogbereitschaft? (19) Eine für die Welt und andere Religionen offene Theologie auf der Grundlage des Zweiten Vatikanums würde damit in unversöhnlichem Gegensatz zu einer Theologie stehen, die sich von der Theorie Girards leiten läßt.

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Anderseits wurde an Rahners Konzeption des anonymen Christentums der umgekehrte Einwand gerichtet, ob sie nicht das spezifisch Christliche nivellierie und den Zeugnis- und Missionsauftrag an das Christentum desavouiere. Mit differenzierteren Interpretationen können beide Kritiken abgefangen, sowie eine Annäherung der gegensätzlichen Konzepte erreicht werden.

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Rahners Theorie vom anonymen Christen

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Wie bereits gezeigt wurde, kann gemäß Rahners Theologie von Gottes Selbstmitteilung in Jesus Christus her die Gesamtheit menschlicher Erfahrungen auf neue und einzigartige Weise integriert werden. Von daher lassen sich auch Erfahrungen anderer Menschen, die sich nicht als Christen verstehen, interpretieren. So können die Christen erstens für sich selbst in der gelebten Glaubens-, Hoffnungs- und Opferexistenz von Nichtchristen die Zeichen eines gelebten Christseins erkennen und von daher ihr Vertrauen in die Heilsuniversalität des christlichen Glaubens, sowie ihren Respekt vor der Authentizität fremder Lebensvollzüge durch die Rede von anonymen Christen artikulieren. Darüberhinaus können sie im Dialog mit Nichtchristen zweitens ausgehend von deren gelebten Erfahrungen ihnen die Kernbegriffe und -überzeugungen des eigenen Glaubens erschließen und verständlich machen. Schließlich können sie drittens für die gelebten Erfahrungen ihrer nichtchristlichen Gesprächspartner eine vielleicht bessere Interpretation ausgehend vom eigenen christlichen Referenzzentrum anbieten. Dies geschieht, indem sie auf die Zielaussage hinsteuern, daß das spontan gelebte, selbstlos liebende Engagement der Nichtchristen im Letzten nur begründbar ist aus der Hoffnung auf einen absoluten Heilbringer, wie ihn die Christen in Jesus Christus bekennen.

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Dabei läßt sich -- über Rahners ausdrückliche Reflexionen hinaus -- die Folgerung ziehen, daß ein solcher Erschließungsversuch stets auch riskant ist. Wo er gelingt, folgt nicht schon automatisch die Konversion des Nichtchristen. Vielmehr wird dieser damit erneut vor die Entscheidung gestellt, die eigenen, bisher impliziten Glaubensvollzüge mit all ihren Konsequenzen anzunehmen oder abzulehnen. Solche „suchende Christologie" -- wie Rahner sie bezeichnet -- kann auch dazu führen, daß ein Mensch bisherige ‚gute Taten' aufgibt, weil ihm klargeworden ist, auf welche (zutiefst unerwünschte) Implikationen er sich damit unvermeidlich einläßt. Wegen dieses Risikos ist ein Dialog auf der Grundlage einer Theologie suchender Christologie und anonymen Christentums wirklich ein offenes Deutungsangebot und kein Vereinnahmungsversuch. Auf dem Weg zum vollen Christsein wird eine Bekehrung des „anonymen Christen" weder einfach vorausgesetzt noch unterschlagen, sondern angesichts der angebotenen Neudeutung neu erforderlich. Deshalb ist die Theorie vom anonymen Christen nicht nur anknüpfende und bestätigende, sondern auch wirklich kritische Theologie.

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Das dramatische Weltverhältnis in der Theorie Girards

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Girard erklärt die Entstehung staatlicher Strukturen genetisch aus Mechanismen, mittels derer sie gemeinschaftsbedrohende Gewaltepidemien entweder verhindern oder eindämmen. Da diese institutionenbildenden Mechanismen aber selbst verborgen gewaltsam sind, ist der von ihnen gesicherte bzw. restituierte Friede kein vollkommener und ein stets bedrohter. In kritischen Situationen neigen gesellschaftliche Systeme dazu, auf die uranfänglich bewährte Methode der Ausstoßung von Sündenböcken zurückzugreifen. Demgegenüber findet Girard in Jesus Christus das einzige Wesen, das der Gewalt nichts zu verdanken hat, und im Christentum die einzige wirklich gewaltfreie Religion, insofern sie sich ganz auf Jesus Christus gründet. (20)

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Eine Schwarz-Weißmalerei zwischen dem Christentum einerseits und Welt bzw. anderen Religionen anderseits ergibt sich daraus nur dann, wenn man die einzigartige Gewaltfreiheit Jesu zur moralischen Norm erhebt, um an diesem idealen Maßstab alle (anderen) Institutionen unabhängig von ihrem geschichtlichen Kontext zu messen. Verzichtet man auf eine solche moralistisch-urteilende Sichtweise, die unvermeidlich grundsätzlich institutionenfeindlich wird (auch gegenüber jeder christlichen Kirche, sofern sie irgendwie gesellschaftlich verfaßt ist), so ergibt sich ein weit differenzierteres Bild:

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Gegenüber der allgemein-chaotischen Tendenz zur Gewalt, welche die vorstaatlichen Gesellschaften grundsätzlich bedroht, bedeutet die Installation zentraler Gerichtsinstanzen einen echten Fortschritt in Richtung Frieden, auch wenn sie vermittels des Sündenbockmechanismus und der Sakralisierung auf verschleierten Formen von Gewalt aufruhen. Eine solche relativ positive Bewertung ergibt sich auch aus ihrer funktionalen Bedeutung: Erst eine organisierte staatliche Gesellschaft bot strukturell die Möglichkeit für jene alttestamentlichen prophetischen Bewegungen, welche die verborgene Gewalttätigkeit in dieser Gesellschaft aufdecken konnten. Das religiöse Judentum, das durch diese läuternden prophetischen Impulse hindurchgegangen ist, bildete in seinen institutionellen Verhärtungen für Jesus nicht nur einen zentralen Gegenstand seiner Kritik, sondern zugleich den Muttergrund, aus dem er zu seinem Wirken herangewachsen war.

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Sobald nach Christi Tod und Auferstehung der Rückbezug auf Christus kirchlich-institutionelle Formen annahm, drohten unvermeidlich Verflachungen und sogar Pervertierungen des evangelischen Impulses. Es wäre allerdings verhängnisvoll, daraus zu schließen, Christentum müsse grundsätzlich institutionenfeindlich sein. Vielmehr setzt es in radikalisierter Weise jene dramatische Spannung zwischen Institutionalisierung und prophetischer Kritik, zwischen Amt und Charisma fort, die bereits den Weg der alttestamentlichen Heilsgeschichte kennzeichnete. Der evangelische Impuls muß immer neu in institutionelle Formen übersetzt und so gesellschaftlich inkarniert werden; dabei bedarf er fortlaufend der Korrektur durch den evangelischen Impuls, der aus der Erfahrung mit dem gesellschaftlich realisierten Christentum in aktualisierter Form immer neu hervorwächst.(21)

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Auf diese dramatische Weise kann nicht nur das innerkirchliche Verhältnis zwischen Institution und prophetischer Kritik, sondern auch zwischen Kirche und Staat differenziert eingeschätzt werden: Kirche verdankt sich in ihrer aktuellen Existenz stets auch staatlichen Sicherungsmechanismen und behält dennoch diesen gegenüber eine kritisch-reformierende Funktion.

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Die Bewertung anderer Religionen im Licht der Theorie Girards

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Girard hat seine Religionskritik an den Religionen ‚primitiver' Gesellschaften entwickelt. Eine oberflächliche Anwendung auf das Christentum mit seiner Gründung im gekreuzigt-ausgestoßenen Jesus von Nazareth, den es dann als Sohn Gottes verehrte, ließe erwarten, daß dieses ebenso der Girardschen Religionskritik verfallen müsse. Erst Girards sehr differenzierte Untersuchung der jüdisch-christlichen Offenbarungstexte ersetzte diesen Eindruck durch eine überraschende gegenteilige Sicht. Das sollte für die Bewertung der Schlüsseltexte anderer Religionen vorsichtig stimmen. Bis zum Erweis des Gegenteils ist für andere Religionen damit zu rechnen, daß ein genaueres kontextuelles Studium ihrer Texte antisakrifizielle Anteile zum Vorschein bringen könnte, die eine erste, oberflächliche Lesung übersieht oder völlig verkennt.

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Mit seiner am Evangeliumstext gewonnenen gewaltkritischen Sicht muß die Theorie Girards die Offenbarungsqualität anderer Religionen dennoch nicht apriori leugnen. (22) Vielmehr stellt sie damit ein Instrumentar für eine im einzelnen erst durchzuführende Religionenkritik dar, aber auch für die Erschließung „wahrer und heiliger" Anteile (23) in anderen Religionen, die gegenüber den mehr individualistisch orientierten Kriterien von Rahners suchender Christologie (Nächstenliebe, Zukunftshoffnung, Todesannahme) eine wichtige Ergänzung zu geben vermag und solcherart keinen Widerspruch, sondern sogar eine Bereicherung für Rahners Theorie vom anonymen Christen darstellt.

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Schluß

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Die obigen Ausführungen versuchten zu zeigen, daß sich die auf den ersten Blick unvereinbar scheinenden Konzepte einer an Girard orientierten und einer Rahnerschen Theologie anhand konkreter Sachfragen in fruchtbarer Weise ins Gespräch bringen lassen. Eine solche systematisch orientierte Annäherung enthält unvermeidlich die Gefahr, daß die verglichenen Entwürfe unter der Hand uminterpretiert werden. Der Frage, wieweit die skizzierte „an Girard orientierte Theologie" mit der Theorie Girards oder der Theologie anderer sich an Girard orientierenden Theologen übereinstimmt, konnte hier nicht im Detail nachgegangen werden. Die fragmentarischen Anmerkungen, die eine innere Nähe meiner Ausführungen zu René Girard und noch mehr zu Raymund Schwager belegen, ließen sich in einer umfangreicheren Studie vervielfachen. Für die Frage, ob und inwieweit Girards Theorie einer solchen theologischen Adaptation entspricht, müßte zudem noch berücksichtigt werden, daß diese trotz ihrer konzisen Darstellbarkeit nicht jenes geschlossene System ist, das viele Kritiker vorauszusetzen scheinen, sondern offen ist für einen Prozeß, der nicht zuletzt durch einen regen Austausch mit Theologen zu nicht unbedeutenden Präzisierungen geführt hat.

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Doch auch wenn die Frage, ob hier noch ein ‚authentischer Girard präsentiert' wurde, strittig bleibt, sollte der Beitrag zur Lösung theologischer Sachfragen den Ausschlag geben. Und hier scheint mir eine Theologie, die sich an Girard orientiert, einiges beitragen zu können für ein Christentum, das sich aus einer Reflexion auf seine eigensten Wurzeln den konkreten Herausforderungen gesellschaftlich-kollektiver Heillosigkeit stellt, -- und zwar nicht in Rücknahme, sondern in Aufnahme und Weiterführung einer weltoffenen katholischen Theologie, wie sie im Zweiten Vatikanischen Konzil zum Ausdruck kam und von Karl Rahner in hervorragender Weise ausgearbeitet wurde.

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Anmerkungen:

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 1. Vgl. zur folgenden Skizze vor allem R. Girard, Das Ende der Gewalt. Analyse des Menschheitsverhängnisses. Freiburg: Herder 1983; sowie zur mimetischen Anthropologie den nicht auf deutsch übersetzten dritten Teil des französischen Originals: ders., De choses chachées depuis la fondation du monde, Paris: Grasset 1978; in englischer Übersetzung: ders., Things hidden since the Foundation of the World. Stanford: Stanford University Press 1987.

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2. Vgl. zum Folgenden K. Rahner, Grundkurs des Glaubens. Einführung in den Begriff des Christentums, Freiburg: Herder ²1976, 37-50.

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3. Vgl. K. Rahner, Schriften zur Theologie, Band VI, Einsiedeln: Benzinger ²1968, 221.

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4. Diese theologische Begründung menschlicher Subjektivität wird nochmals plausibler im Kontext von Rahners Offenbarungstheologie. Vgl. unten Anm. 12, sowie den entsprechenden Zusammenhang im Haupttext.

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5. Diese Anfrage betrifft auch die Girardsche Offenbarungslehre und Soteriologie, die im folgenden Kapitel dargestellt werden wird.

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6. Vgl. Girards Antwort auf die Anfrage „Where are you speaking from", in: Things hidden (s. Anm. 1) 435-447. Daß Girard mit seiner Theorie über den Ursprung der menschlichen Kultur (vgl. den Werktitel: „De choses chachées depuis la fondation du monde") nicht die Genese einer ontologischen Wesensnatur des Menschen meint, zeigt seine Unterscheidung zwischen „foundation of the world" und „creation ex nihilo":R. Girard, How can Satan cast out Satan, in: Biblische Theologie und gesellschaftlicher Wandel, FS. N. Lohfink, Hg. G. Braulik u.a., Freiburg: Herder 1993, 135. Deshalb ist auch der häufig vertretene Vorwurf, Girard vertrete eine „Ontologisierung der Gewalt", unbegründet. Vgl. dazu R. Schwager, Rückblick, in: Dramatische Erlösungslehre. Ein Symposion. Hg. J. Niewiadomski u. W. Palaver, Innsbruck - Wien: Tyrolia 1992, 356-360.

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7. Rahners Fundamentalanthropologie, die er in seinem philosophisch orientierten Frühwerk ausgearbeitet hat, bietet wichtige Ansätze für eine solche transzendentalphilosophisch begründete ‚mimetische Anthropologie'. In den grundlegendsten Passagen von „Geist in Welt" (München ²1959) reflektiert Rahner auf eine „Begierde nach dem Sein"; und in „Hörer des Wortes" (München ²1963) begründet er an entscheidender Stelle Wollen, Freiheit und Liebe des Menschen als Nachvollzug des freien, liebenden Willens Gottes. Wenn man diese beiden Schlüsselstellen miteinander verbindet und überdies versucht, Einseitigkeiten der beiden Werke Rahners durch eine „anfängliche Berücksichtigung der Interpersonalität" (J.B. Metz) zu überwinden, dann läßt sich als zentrale anthropologische Grundkategorie eine Begierde erschließen, die sich im mitmenschlich vermittelten Nachvollzug auf Gott hin orientiert (vgl. W. Sandler, Bekehrung des Denkens. Karl Rahners Anthropologie und Soteriologie als formal-offenes System, unpubl. Diss. Innsbruck 1994, 474-485). Von diesem Ansatz her kann eine mimetische Anthropologie in großer Nähe zur Girardschen Mimesis-Theorie in einer an Rahner orientierten, transzendental argumentierenden Theologie entwickelt werden.

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8. Vgl. R. Schwager, Brauchen wir einen Sündenbock? Gewalt und Erlösung in den biblischen Schriften. Thaur: Kulturverlag ³1994, 181-185.

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9. Vgl. R. Girard, Ende der Gewalt (s. Anm. 1) 213, sowie auch in: Things hidden (s. Anm. 1) 430f.

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10. Bei Girard finden sich Ansätze dazu in ders., Shakespeare. Les feux de l'envie, Paris 1990, 391-397. Vgl. auch Schwager, Rückblick (s. Anm. 6) 356f.

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11. Die hier skizzierte Rahnerinterpretation ist umfassender ausgeführt und begründet in: W. Sandler, Bekehrung des Denkens (s. Anm. 6).

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12. So kann Rahner auch die neuzeitliche Überzeugung von einer in Erkenntnis und Freiheit gegebenen Autonomie des menschlichen Subjekts aufgreifen und in eine theologische Anthropologie integrieren, nach welcher der Mensch der von Gott zur verantwortlichen Weltgestaltung Freigelassene ist. Damit wird die Annahme einer autonomen Subjektivität aber nicht nur übernommen, sondern auch transponiert, -- nicht nur bestätigt, sondern auch kritisiert.

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13. Vgl. R. Girard, Ende der Gewalt (s. Anm. 1) 147-153.

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14. Vgl. R. Girard, Ende der Gewalt (s. Anm. 1) 222-227.

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15. Girard „verfolgt ein für die europäische Aufklärung charakteristisches Offenbarungskonzept: Offenbarung wird nicht verstanden als Selbst-Offenbarung, nicht Gott selbst ist ihr Inhalt, sondern alles Mögliche andere, über das die Menschen sich ohne die göttliche Information im unklaren blieben -- bei Girard die Entlarvung der mit Verfolgung behafteten Vorstellungen" (M. Herzog, Religionstheorie und Theologie René Girards, in: Kerygma und Dogma 38 [1992] 105-137, hier: 119. Vgl. auch H.U. von Balthasar, Theodramatik, Band III: Die Handlung. Einsiedeln: Johannes Verlag 283.

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16. So läßt sich darauf hinweisen, daß das Christentum, obwohl es im zum Opfer gemachten Jesus von Nazareth gründet und mit dem Evangelium den Schlüssel für subtil-gewalttätige Strukturen in Händen hält, in Antijudaismus, Kreuzzügen und Hexenverfolgungen dennoch selber Opfer zur eigenen Stabilisierung anhäufte.

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17. Vgl. die Angaben zu R. Girard in Anm. 8, weiters R. Schwager, Sündenbock (s. Anm. 7) 172-189, sowie ders., Jesus im Heilsdrama. Entwurf einer biblischen Erlösungslehre (IThS 29). Innsbruck: Tyrolia 1990, 203-287.

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18. Vgl. die Ausführungen K. Rahners zu Christus als dem ‚produktiven Vorbild' für die Menschen. Vgl. K. Rahner, Knechte Christi, Freiburg: Herder 1967, 142-175.

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19. So die Kritik von M. Herzog: „Er [Girard] bereitet der Theologie eine vermeintlich leichte Position für die argumentative Auseinandersetzung mit der Welt und den Religionen: Soll doch die christliche Botschaft in ihrer vom Gewaltproblem her behaupteten Einzigartigkeit radikal verschieden sein von Welt und Religion, die damit einem vernichtenden Negativurteil verfallen. Diesem verführerischen Duft, der von der Lehre Girards ausgeht, scheinen Schwager und Lohfink erlegen zu sein" (ders., [s. Anm. 13] 132).

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20. Allerdings nur insofern! Girard kritisiert auch den Rückfall der Kirche in ein „sakrifizielles Christentum". Trotzdem anerkennt er ihre bleibende Bedeutung, da sie mit dem Evangeliumstext den Schlüssel für ein wahres, antisakrifizielles Christentum bewahrt, der sich durch die Kirche auch dort auswirkt, wo sie ihn nicht vollständig begriffen oder gar schon hinlänglich institutionell umgesetzt hat.

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21. Vgl. dazu R. Schwager, Rückblick (s. Anm. 6) 361-364.

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22. Vgl. auch Schwager, Rückblick (s. Anm. 6) 360f.

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23. Vgl. Zweites Vatikanum, Nostra aetate 2.

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