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Translationswissenschaft und Geschichtswissenschaft im Gespräch – Universität Innsbruck
Vier Frauen stehen für ein Gruppenfoto nebeneinander.

Von links nach rechts: Isabella Brandstätter (DK Austrian Studies), Michaela Wolf (Universität Graz), Gunda Barth-Scalmani (Institut für Geschichtswissenschaften und Europäische Ethnologie), Martina Mayer (Institut für Translationswissenschaft).

Trans­la­ti­ons­wis­sen­schaft und Geschichts­wis­sen­schaft im Gespräch

Am 27. und 28.4.2023 war Michaela Wolf (Uni­versität Graz) in Inns­bruck zu Gast: In ihrem Vor­trag Babel und seine Kon­sequenzen für die Habs­burger­monar­chie, 1848–1918 und in ihrem Work­shop Über­setzungs­sozio­logie: Anwendungs­bereiche für eine historische Analy­se brachte sie Trans­lations­wissen­schaft und Geschichts­wissen­schaft mit­einan­der ins Gespräch.

Das Doktoratskolleg Austrian Studies und das Institut für Translationswissenschaft (INTRAWI) konnten im Sommersemester 2023 gemeinsam einen hochkarätigen Gast aus den Bereichen der Translationsgeschichte bzw. der Übersetzungssoziologie in Innsbruck begrüßen. Michaela Wolf, die bis zu ihrer Pensionierung im Oktober 2020 am Institut für Theoretische und Angewandte Translationswissenschaft (ITAT) in Graz lehrte und forschte, brachte im Rahmen eines Gastvortrags und eines Workshops Geschichtswissenschaft und Translationswissenschaft näher zueinander und schaffte auch in didaktischer Hinsicht einen Brückenschlag: Bachelorstudierende, Masterstudierende und die Kollegiat*innen des Doktoratskollegs profitierten über Ausbildungsstufen und Studienfächer hinweg von den vorgestellten Forschungsergebnissen und methodischen Ansätzen.

In ihrem Gastvortrag Babel und seine Konsequenzen für die Habsburgermonarchie, 1848–1918 erörterte Michaela Wolf am 27.4.2023 auf Grundlage ihrer Habilitation (Die vielsprachige Seele Kakaniens. Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848–1918, 2012 auf Deutsch bei Böhlau, 2015 in englischer Übersetzung als The Habsburg Monarchy's Many-Languaged Soul: Translating and Interpreting, 1848–1918 bei John Benjamins erschienen), dass Translationsprozesse in der Habsburgermonarchie einerseits den privaten und beruflichen Alltag der Menschen, andererseits aber auch die Verwaltung des Vielvölkerstaates durchdrungen und letztlich sein Funktionieren bedingt haben. Sie zeigte vor dem Hintergrund einer fein ausdifferenzierten Translationstypologie anhand des Untersuchungszeitraumes auf, wie das Übersetzen und das Dolmetschen in ihren unterschiedlichen Ausprägungen kulturkonstituierenden Charakter haben können und trug damit gänzlich neue Facetten über das mehrsprachige und plurikulturelle „Kakanien“ an das so heterogene Publikum heran.

Ein Blick von hinten in einen gefüllten Hörsaal, vorne die Vortragende.

Das interessierte Publikum und Michaela Wolf beim Gastvortrag.

Am darauffolgenden Tag arbeitete Michaela Wolf in kleinem Kreise mit den Kollegiat*innen des DK Austrian Studies und vermittelte ihnen im Rahmen des Workshops Übersetzungssoziologie: Anwendungsbereiche für eine historische Analyse die wichtigsten Begriffe aus der soziologischen Theorie von Pierre Bourdieu, z. B. das soziale Feld, die Kapitalformen, das Habituskonzept oder die Illusio. Warum ausgerechnet Bourdieu? Seine Zugänge lassen sich sehr gut auf die konzeptuelle Erfassung von Translationsprozessen übertragen und waren seinerzeit folglich determinierend für die Entwicklung einer Translationssoziologie; sie lassen sich aber auch, wie in zahlreichen Forschungsarbeiten vielfach belegt, in anderen Wissenschaftsdisziplinen sehr gut auf einzelne Aspekte oder größere Zusammenhänge als theoretischer Rahmen anwenden. Michaela Wolf griff diese Konzepte dementsprechend auf und unterstützte die Doktorand*innen individuell dabei, zum einen Bourdieus Konzepte für ihre jeweiligen Dissertationsprojekte fruchtbar zu machen und zum anderen die in der Wissenschaft so wichtige Frage der Selbstreferenzialität, also der eigenen Positionierung in Hinblick auf das Forschungsprojekt, eingehend für sich zu erläutern.

Am Ende des zweitägigen Besuchs stand auf studentischer Seite vor allem die Erkenntnis, wie essentiell und hilfreich ein Perspektivenwechsel und ein Austausch über Fächergrenzen hinweg sein können. Das Institut für Translationswissenschaft und das Doktoratskolleg Austrian Studies wiederum möchten Michaela Wolf von Herzen für ihren zutiefst engagierten Einsatz in Innsbruck danken.

(Martina Mayer)

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