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Wandinger Nikolaus: Qualifikation zum Hirten. Gedanken zum 3. Ostersonntag 2019
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Qualifikation zum Hirten. Gedanken zum 3. Ostersonntag 2019
((LJ C) Lesungen: Apg 5,27b-32.40b-41; (Offb 5,11-14); Joh 21,1-19 )

Autor:Wandinger Nikolaus
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2019-05-08

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Liebe Gläubige,

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eigentlich war das johannesevangelium schon zu Ende. Nach der Begegnung des Apostels Thomas mit dem Auferstandenen gibt es da einen Abschluss, den haben wir letzten Sonntag gehört – und dann hat sich jemand –wohl ein Schüler des johannes – überlegt: „Das reicht noch nicht, wir müssen noch etwas ergänzen“, und hat noch ein Kapitel hinzugefügt. Das heutige Evangelium von der erneuten Erscheinung Jesu und seine speziellen Worte an Petrus sind der Hauptteil davon.

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Petrus war schon in Rom hingerichtet worden, die Gläubigen wussten, was mit ihm geschehen war, und da erinnert ein zusätzliches Kapitel im johannesevangelium daran, was dieser Petrus für einer war. Es tut das aber nicht unbedingt, weil es Interesse an Petrus als Individuum hat, sondern weil es Interesse an Petrus als dem Sprecher und Anführer der Apostel hat – und wohl auch, weil es etwas sagen will über den Nachfolger des Petrus, den Bischof von Rom, den wir heute Papst nennen.

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Was muss das für einer sein? Darauf möchte unser Evangelium – und auch die Lesung – eine Antwort geben. Wie qualifiziert man sich dafür, die Schafe oder Lämmer Jesu zu weiden? Muss man dafür eine fehlerlose Dogmatik­prü­fung machen? Muss man seine moralischen Höchstleistungen aufbieten? Muss man die beste Liturgie inszenieren?

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Auch wenn manche in der Kirche das gerne hätten, das muss man alles nicht. Man muss etwas viel Schwierigeres: Man muss sich seiner dunkelsten Stunde und dunkelsten Seite stellen. Die dunkelste Stunde des Petrus war seine Verleugnung. Dreimal: „Ich bin nicht sein Jünger“ – bis der Hahn krähte. Dann: die Ernüchterung, die Scham, die Trauer, die Erkenntnis des eigenen Bankrotts. Petrus, der Großtöner, der noch posaunt hatte, er würde sein Leben hingeben für Jesus (vgl. Joh 13,37), er verleugnete ihn kleinlaut bis ihm ein Hahn ins Ohr krakeelte „Du Kleingläubiger“.

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Und nun fragt ihn der Auferstandene drei Mal: „Liebst du mich?“ Er konfrontiert Petrus auf diese Weise noch einmal mit seinem Versagen. Dreimal Verleugnung – dreimal Frage nach der Liebe. Wie geht Petrus damit um? Was qualifiziert ihn zum Hirten? Petrus beteuert seine Liebe zu Jesus, aber diese Beteuerung ist jetzt nicht mehr großsprecherisch, sie ist bescheiden. Petrus hat jetzt erkannt, dass er es nicht besser weiß als Jesus. Er antwortet, indem er auf das Wissen des auferstandenen Jesus hinweist: Du weißt es, du weißt, dass ich dich liebe, du weißt alles – meine Stärken und Schwächen, meine dunkelsten und hellsten Seiten. Petrus unterstellt sein eigenes Selbstbild, seine eigene Selbstwahrnehmung dem Wissen Jesu. Er hat gelernt: Nicht er selbst kennt sich am besten, nicht er selbst weiß am ehesten, was in ihm vorgeht, sondern Jesus. Jesus könnte ihm widersprechen, er könnte ihn korrigieren, aber er tut es nicht. Er fragt nur noch einmal nach. Das erste, was Petrus zum Hirten qualifiziert, ist also, dass er sein Selbstbild nicht mehr von sich gewinnt, sondern vom auferstandenen Jesus.

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Das Nächste ist der konkrete Inhalt von Jesu Frage: Liebst du mich? Nicht die fehlerlose Dogmatik, die moralische Höchstleistung oder die beste Liturgie sind ausschlaggebend, sondern die Liebe zu Christus, die sich in der Liebe zu den Mitmenschen, vor allem zu den Geringsten, äußert. Als Petrus Jesus verleugnete, war er nicht von Liebe geprägt. Er war von Angst gesteuert. Angst davor, selber verhaftet, gefoltert und getötet zu werden. Vor allem aber: Angst davor, auch für einen Gotteslästerer gehalten zu werden. Das hatte man doch Jesus zur Last gelegt: Gott zu lästern, indem er zu wenig Wert auf Rechtgläubigkeit, Moral und Liturgie gelegt hat. Stattdessen blickte er auf Kleingläubigkeit, Versagen und Notsituationen der Menschen – und zwar gerade nicht, um sie deswegen anzuklagen oder gar zu verurteilen, sondern um ihnen in diese Armseligkeit hinein die Liebe Gottes zuzusagen. Petrus kann das nur, wenn er zuerst die Liebe zu Christus im Herzen hat – und diese auch nach außen lebt.

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Dazu wird Petrus befähigt, weil er seiner eigenen dunkelsten Stunde so begegnet ist, dass er sie weder verleugnen muss – nach dem Motto: ich hab ja gar nichts falsch gemacht – noch sich von ihr in die Verzweiflung stürzen lässt, weil er sie sich selbst nicht vergeben kann. Die Vergebung Jesu hat er schon erhalten, als der bei seiner ersten Erscheinung nach der Auferstehung den Frieden gewünscht hat. Die nochmalige Konfrontation mit seiner Schwäche soll Petrus nicht wieder kleinlaut machen, doch sie soll ihm und allen Lesern und Leserinnen des johannesevangeliums zeigen: Vergebene Schuld muss nicht vergessen werden, sondern eine konstruktive Erinnerung an sie muss gepflegt werden. Konstruktiv oder fruchtbar ist eine solche Erinnerung, wenn sie dazu hilft, das eigene Angewiesensein auf die Liebe und Gnade Gottes zu erkennen; andere, die auch Fehler haben, gnädiger und verständnisvoller zu betrachten; und durch Gottes Gnade befähigt, dieselben Fehler nicht immer wieder zu machen. Wer seine eigene Sünde kennt, aber fruchtbar mit ihr umgeht, wird im Selbstbild realistischer, in der Beurteilung anderer barmherziger und im eigenen Verhalten konsequenter.

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Dass dies bei Petrus ganz gut gelungen ist, zeigt uns die Erzählung aus der Apostelgeschichte, die natürlich schon nach Pfingsten spielt: Petrus und die Apostel stehen selber vor dem Hohen Rat, vor jenem Gremium, das Jesus verurteilte. Nun ist die Frage, ob sie Gottlästern durch ihr Tun und ihre Verkündigung von Jesus. Und nun verleugnen sie ihn nicht mehr: Sie bekennen ihren Glauben an ihn und konfrontieren den Hohen Rat mit seiner Schuld. Sie stellen aber klar: Durch Jesus will Gott ganz Israel die Vergebung der Sünden schenken, d.h. auch dem Hohen Rat, der Jesus verurteilte. Es geht nicht darum Schuld aufzurechnen, es geht darum von Schuld befreit zu werden durch Umkehr und Vergebung.

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Petrus, das haben wir gesehen, bezieht sein Selbstbild nicht mehr von sich; er bezieht es aber auch nicht von einer anderen menschlichen Instanz – selbst wenn diese Instanz der Hohe Rat ist, der im Namen Gottes seine Urteile fällt. „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“ – das hat Petrus nun gelernt; und er hat erkannt: auch mehr als religiösen Institutionen, die auftreten mit dem Anspruch, für Gott zu sprechen. Wer ein Gotteslästerer ist, bestimmt nicht der Hohe Rat. Der Heilige Geist ist der Ratgeber und Begleiter, der die Jüngerinnen und Jünger Gottes führt. Ihm gilt es, sich anzuvertrauen.

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Petrus, den Sprecher der Apostel, und seine Nachfolger, die Bischöfe von Rom werden also durch folgende Qualitäten für ihre Aufgabe qualifiziert: durch die Erkenntnis ihrer eigenen dunkelsten Seite und dem konstruktiven Umgang damit; durch das Gewinnen ihres Selbstbildes von Jesus her, der sie liebt; durch die Liebe zu diesem Jesus, die sich in der dienenden Nächstenliebe zeigt; und durch den Mut, Gott mehr zu gehorchen als den Menschen, ja sogar menschlichen religiösen Institutionen.

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Nach 2000 Jahren Kirchengeschichte müssen wir vielleicht noch etwas hinzufügen: Die Päpste sind ja selbst so eine religiöse Institution geworden, und wir wissen, dass auch sie schreckliche Fehler gemacht haben und wohl auch in Zukunft machen werden. Gerade dann müssten sie wieder den Blick auf ihre dunkelsten Seiten in der Liebe Jesu aushalten und sie müssten verstehen, dass sich die Regel „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“ auch gegen sie richten kann. Mein Eindruck ist, dass wir zurzeit einen Bischof von Rom haben, der das versteht, denn er ist bereit, auch Fehler einzugestehen und zu korrigieren.

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Am Ende des heutigen Evangeliums fordert Jesus den Petrus auf: „Folge mir nach!“ Diese Aufforderung gilt auch uns. Die Qualitäten, die Petrus erworben hat, können auch uns helfen auf unserem Weg der Nachfolge: Die Liebe zu Christus, der produktive Umgang mit den eigenen Dunkelheiten und der Mut, Gott mehr zu gehorchen als den Menschen, können auch unsere Nachfolge fruchtbar machen.

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