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Mit Daten zu besserer Lesekompetenz – Universität Innsbruck
Ein Bub liest.

Die Lesekompetenz von Viertklässlern steht im Zentrum der Bildungsstudie PIRLS.

Mit Daten zu bes­se­rer Lese­kom­pe­tenz

Alle fünf Jahre testen über 50 Länder mittels PIRLS die Lesefähigkeiten von Schüler:innen in der vierten Schulklasse. Bildungswissenschaftlerin Surette van Staden koordinierte diese Testungen in Südafrika und arbeitet nun auch in Innsbruck mit den erhobenen Daten.

Mitte Mai sind die Ergebnisse der internationalen PIRLS-Studie erschienen – die „Progress in International Reading Literacy Study“ misst seit 2001 alle fünf Jahre die Lesekompetenz von Volksschüler:innen in den vierten Klassen und wird von der International Association for the Evaluation of Educational Achievement (IEA) durchgeführt. In der nun fertig ausgewerteten Studie 2021 nahmen 57 Länder weltweit teil, für Österreich war es nach 2006, 2011 und 2016 die vierte Teilnahme. Surette van Staden kennt die Studie und ihre Besonderheiten im Detail: Die Bildungswissenschaftlerin ist seit 2022 am Institut für LehrerInnenbildung und Schulforschung, davor war sie unter anderem Forschungskoordinatorin für die PIRLS-Studie in Südafrika 2021 und war auch bei PIRLS in Südafrika 2011 und 2006 beteiligt. „PIRLS-Ergebnisse werden häufig als Ranglisten veröffentlicht: Dieses Land ist weiter als jenes, Kinder aus Singapur lesen besser als spanische Kinder. Das ist allerdings gar nicht Sinn der Studie. Viel wichtiger ist, was wir diagnostisch aus den Daten machen. Für Südafrika sehe ich zum Beispiel, dass 78 Prozent der Kinder nicht sinnerfassend lesen können. Ziel muss sein, das konkret zu verbessern, und entsprechende Daten liefert PIRLS. Ein Vergleich auf einer Rangliste ist da im ersten Schritt nicht so hilfreich“, sagt die Forscherin.

Ergebnisse

Aus jedem Land werden rund 4.500 Kinder in der vierten Schulstufe ausgewählt, die Testung 2021 fiel mitten in die COVID-19-Pandemie. Südafrika testet als einziges Land neben der 4. Schulstufe auch Schüler:innen in der 6. Schulstufe in einem zusätzlichen Durchgang. Die getesteten Kinder waren durch den Testzeitpunkt 2021 in den meisten Ländern, auch in Österreich, in ihrer Schullaufbahn von Lockdowns und Homeschooling betroffen. In Österreich gehören 7 Prozent der getesteten Schüler:innen zur Spitzengruppe, 20 Prozent zählen zu den schwachen Leser:innen, die nur einfache Leseaufgaben lösen können; im Vergleich zu PIRLS 2016 gab es in Österreich eine leichte Verschlechterung der Lesekompetenz. „Was wir bei PIRLS international sehen und was ich auch aus Südafrika klar berichten kann: Sozioökonomische Faktoren spielen eine große Rolle dabei, wie Kinder bei PIRLS abschneiden. Und: Je besser Schulen ausgestattet sind, desto besser sind die Ergebnisse – in den Städten schneiden Kinder besser ab als auf dem Land. Das ist in Südafrika stark ausgeprägt, aber auch in anderen Ländern zu beobachten.“

Die Bildungswissenschaftlerin warnt dennoch vor Schnellschüssen: „Aus südafrikanischer Perspektive kann ich sagen, dass ein eingespieltes und stabiles Schul- und Bildungssystem wie in Österreich mit längerfristiger Planung auch Vorteile haben kann. Südafrika schneidet bei PIRLS leider meist sehr schlecht ab. Wir sind auch das einzige Land aus Sub-Sahara-Afrika, das an der Studie teilnimmt. Der letzte Platz in diesem ‚Ranking‘ – das ich ohnehin nicht für sehr zielführend halte – führt dann aber oft zu bildungspolitischem Aktionismus, der nicht immer nützlich ist, weil das Bildungssystem in Südafrika auch erst seit 1994 besteht und dauernd daran geschraubt wird.“ Zwei langfristige Hebel, um die Lesekompetenzen von Jugendlichen deutlich zu heben, sieht die Forscherin vor allem in der Ausstattung der Schulen und in der Aus- und Weiterbildung von Lehrer:innen. „Das wird auch gemacht, und auch dafür ist die PIRLS-Studie eine mögliche Stütze: Mehrere Länder verwenden diese Studien auch für Verbesserungen in der Lehrer:innenausbildung.“

Textverständnis

Insgesamt gibt es bei PIRLS 18 Textpassagen, die international – abgesehen von der Übersetzung in die jeweiligen Landessprachen – genau gleich sind und bei denen die Schüler:innen jeweils zwei zu lesen bekommen. „Die erste Passage ist immer eine altersgerechte Geschichte mit Anfang, Mitte und Ende, die zweite ein Text mit Sachinformationen. Für jede der Passagen mit anschließenden Fragen dazu haben die Kinder 40 Minuten Zeit“, sagt van Staden. Die unterschiedlichen Textformen prüfen so unterschiedliches Leseverständnis und getestet wird auch nicht das Gedächtnis, sondern das Verständnis – die Schüler:innen können die Texte jederzeit erneut lesen und vor- und zurückblättern. „Dazu befragen wir das Umfeld: Es gibt auch Fragebögen für die Eltern und die Lehrer:innen in den getesteten Schulklassen, außerdem für die Schulleiter:innen. Der Gedanke dabei ist, dass wir einen breiteren Blick darauf kriegen, in welchen Kontexten gelesen wird.“ So werden die Lehrer:innen und Schulleiter:innen nach Infrastruktur und Ausstattung gefragt, die Eltern und die Schüler:innen selbst nach ihrer Einstellung dem Lesen gegenüber. „Dadurch erhalten wir nicht nur die Lesefähigkeitsdaten, sondern können diese Daten mit Informationen zum Umfeld besser erklären.“

Surette van Staden selbst forscht in Innsbruck an den umfassenden PIRLS-Daten weiter. Bislang war sie hauptsächlich mit ihren eigenen Ergebnissen aus Südafrika befasst. „Ich interessiere mich sehr für die breitere Perspektive. Bisher habe ich mit einer nationalen Brille auf die Daten meines Landes geschaut, aber ein Blick zum Beispiel auf die Auswirkungen von COVID mit den Daten aus allen PIRLS-Ländern könnte sich sehr lohnen.“ Vorerst ist die Bildungsforscherin aber noch mit Südafrika befasst: Demnächst erscheint ein umfassender Sammelband zu PIRLS in Südafrika, den sie mit herausgibt (Van Staden, S. & Combrinck, C. (eds). Tracking changes in reading literacy achievement over time. Brill Publishers: Leiden).

Zur Person

Surette van Staden (*1977 in Johannesburg, Südafrika) promovierte 2011 im Bereich Bewertung und Qualitätssicherung im Bildungswesen an der Universität von Pretoria in Südafrika. Sie arbeitete am Centre for Evaluation and Assessment (CEA) an der Fakultät für Erziehungswissenschaften der Universität Pretoria in Südafrika, wo sie seit Januar 2018 Direktorin war. Sie ist die nationale Forschungskoordinatorin für PIRLS 2021 in Südafrika und war Mitglied der „PIRLS 2021 Questionnaire Development Group“ (QDG), die von der International Association for the Evaluation of Education Achievement (IEA) eingesetzt wurde. Seit 2022 ist sie Universitätsassistentin an der Universität Innsbruck.

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