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Weber Franz: Die Erlösung feiern
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Die Erlösung feiern
(Karwoche und Ostern in Brauchtum und Volksliturgie)

Autor:Weber Franz
Veröffentlichung:
Kategorieartikel
Abstrakt:Neben und auch mancherorts auch statt der Vollformen der großen Liturgien gibt es alte Bräuche sowie moderne Ausgestaltungen des Pascha-Mysteriums. Sie sind ernstzunehmender Ausdruck der Heilssehnsucht und zuweilen auch kreativer Ausweg in ressourcenknappen Seelsorgeräumen.
Publiziert in:Diakonia 41 (2010) 112-118.
Datum:2010-03-26

Inhalt

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Die Erfahrung von Leben und Sterben ist eine Grunderfahrung menschlicher Existenz. Menschen können sie verdrängen oder sie im Rahmen ihrer jeweiligen Weltanschauung oder religiösen Überzeugung zu deuten und zu bewältigen versuchen. Christlicher Glaube stellt sich dieser Existenzfrage und beantwortet sie in einem tiefen, existentiellen Sinn als eine „Frage auf Leben und Tod“, die vom Leben, Leiden, Sterben und Auferstehen Jesu her erhellt wird. Was lehramt und Theologie in einer theologischen Sprache im Laufe der Glaubensgeschichte zum Pascha-Mysterium gesagt haben und wie die Kirche in ihrer Liturgie dieses zentrale Geheimnis des Christentums gefeiert hat, war einer Mehrheit der Gläubigen nur sehr schwer oder überhaupt nicht zugänglich. Doch der Glaubenssinn des Gottesvolkes, von dem es im Zweiten Vatikanum heißt, er dringe „mit rechtem Urteil immer tiefer in den Glauben ein und wende(t) ihn im Leben voller an“ (LG 12), hat in Laufe der Kirchengeschichte auch andere Zugänge zur Feier von Tod und Auferstehung Jesu gefunden.

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Viele Formen der volkstümlichen Passions- und Osterfrömmigkeit, die sich – wohl auch in Reaktion auf die nicht nachvollziehbare, in lateinischer Sprache gefeierte Liturgie – mit der Zeit heraus gebildet haben, sind mehr als nur das Rankenwerk eines Volkskatholizismus, dem man oft „den rechten Glauben“ und jede pastorale Bedeutung abgesprochen hat. Was Menschen an Leid und Tod, an Schmerz und Krankheit, an Angst und Trauer und an Menschen unwürdiger Demütigung und Verurteilung, an Lebens- und Todesnot widerfährt, aber auch alles, was sie an Lebensfreude und Lebenslust auskosten, was in ihnen an Vitalität und sinnenhafter Kreativität da ist: All das ist auf verschiedene Art und Weise auch in die Volksreligiosität eingeflossen, die sich in vielen ihrer traditionellen Formen als durchaus erneuerungs- und gestaltungsfähig erweist.

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Als Seelsorger einer Pfarre am Stadtrand von Innsbruck erlebe ich, wie vieles von dem, was in der Fasten- und Osterzeit einmal gute alte volkskirchliche Tradition war, sehr schnell wegbricht, wenn es nicht mit Inhalten gefüllt und den Gläubigen zu einer lebensnahen Ausgestaltung anvertraut wird. Ich stelle fest, dass es manchen Gemeindemitgliedern ein großes Anliegen ist, auch die offizielle Liturgie der Kar- und Ostertage liebevoll-kreativ mitzugestalten. In Seelsorgeräumen und Pfarrverbänden wird es jedoch aus Mangel an Priestern zunehmend schwieriger, gerade in der Karwoche und zu Ostern die Gottesdienste so zu verteilen und zu feiern, dass den Gläubigen in allen Gemeinden ein Zugang zur Feier des Pascha-Mysteriums eröffnet wird.

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Ich habe mich bei Gemeindeseelsorgerinnen und -seelsorgern, bei Priestern und Laien aus verschiedenen Regionen in Stadt und Land umgehört, welche Formen alter und neuer Volksfrömmigkeit in den Pfarren am Leben geblieben oder neu im Entstehen begriffen sind und welche Chancen und Grenzen es für die Feier der Kar- und Ostertage in größeren pastoralen Einheiten gibt. Pastorale Notsituationen müssen ja nicht notwendigerweise zu einer liturgischen Notversorgung und sakramentalen „Mangelverwaltung“ führen, sondern können auch eine Neuentdeckung von volksliturgischen Formen bewirken, die den Gemeinden ebenso wie die „Vollformen“ der kirchlichen Liturgie ein Miterleben der österlichen Geheimnisse ermöglichen. 

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Sehnsucht nach Heil und Erlösung

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Dass Ostern die Menschen allgemein weniger emotional anspricht als das Weihnachtsfest, hat wahrscheinlich verschiedene, vor allem auch gesellschaftliche und marktlogische Gründe. Nachdenklich machen müsste uns allerdings die Tatsache, dass es uns in der Kirche offensichtlich immer weniger zu gelingen scheint, den Menschen den Gehalt des Osterfestes als Kernbotschaft unseres Glaubens in unseren Liturgien so zu vermitteln, dass dabei an existentiellen Sehnsüchten unseres Menschseins angedockt wird. „Sehnsucht meint ein uns Menschen eigentümliches, inhaltlich unbestimmtes, unendliches Verlangen. Die Sehnsucht konkretisiert sich zwar in den verschiedenen Sehnsüchten. Es sind die Sehnsüchte nach Liebe, nach Glück, nach Sinn, nach einem Gelingen des Lebens […] In all diesen Sehnsüchten verdichtet sich aber jeweils nur das eine Verlangen nach dem erfüllten, ganzen Leben, nach dem Heil.“[1]

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An Heilssehnsüchten verschiedenster Art fehlt es fürwahr nicht in unserer Zeit. Es kann erfahrungsgemäß davon ausgegangen werden, dass die verschiedenen Formen der traditionellen Volksfrömmigkeit genau so wie postmoderne volksreligiöse Kulturformen Ausdruck einer „Sehnsuchtsreligion“ (Maria Widl) sind. Das verleiht den alten und neuen Formen von Volksreligion eine besondere Lebensnähe und Gefühlsbetontheit, die viele Menschen in der offiziellen Verkündigung und Liturgie der Kirchen schmerzlich vermissen.

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Es kann in unseren gottesdienstlichen Feiern nicht nur darum gehen, die Schätze der liturgischen Tradition der Kirche zu bewahren und deren liturgische Vorschriften gewissenhaft zu befolgen. Wenn unsere Liturgie nicht noch mehr an Lebensnähe verlieren soll, muss sie in Wort und Zeichen nicht nur den Verstand, sondern auch „das Innere“, das Herz der Menschen ansprechen und berühren. Sie kann gerade diesbezüglich sehr viel von manchen Formen der Volksfrömmigkeit lernen, deren Stärke unter anderem darin besteht, dass sie die Menschen in ihrem Alltag abholt und dort die Sehnsucht nach Heil und Erlösung in ihnen weckt. Dabei gilt es heute mehr denn je, nicht nur volkskirchliche Praktiken ernst zu nehmen, sondern auch ein Gespür für die Wahrnehmung außerkirchlicher Formen alter und neuer Religiosität zu entwickeln. Kirchliche und gesellschaftliche Volksreligiosität stellen sich in unserer Gegenwart als zwei äußerst komplexe Wirklichkeiten dar, die sich kaum mehr voneinander abgrenzen lassen, sondern sich gegenseitig beeinflussen und bereichern.[2]

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In den Grenzerfahrungen des Alltags, in einem von Krankheit und Leid „durchkreuzten“ Leben und dort, wo Menschen in der Leistungsgesellschaft von heute „auf´s Kreuz gelegt“ oder ausgegrenzt werden, und überall dort, wo menschliches Leben sich als brüchig und von allen Seiten vom Tode bedroht erweist, bricht vielleicht auch eine Sehnsucht nach Erlösung und nach einem mit uns Menschen in Kreuz und Leid solidarischen Kreuzträger und Erlöser auf. Jene Sehnsucht, die schon Menschen früherer Generationen beseelt hat, wenn sie in den Passions- und Kreuzwegandachten die Erfahrung machten, dass der aus Angst Blut schwitzende, gegeißelte und sein Kreuz tragende Heiland auf den Kreuzwegen ihres Lebens „einfach mit dabei“ ist. Vor allem seit der Barockzeit sind hierzulande zahlreiche Kreuzwegstationen und Kalvarienberge entstanden, die diese Botschaft vermitteln und das Leiden unseres Herrn Jesus Christus ins Bild setzen. In manchen Gegenden gibt es auch so genannte Fastenkrippen, auf denen mit unzähligen Figuren und in verschiedenen Szenen die Passionsgeschichte zur Darstellung gelangt.

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Im Kreuz ist Heil

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Viele Formen der alten Passionsfrömmigkeit sind uns heute sehr fremd geworden. An Kreuzwegandachten mit traditioneller Prägung nehmen, wo sie überhaupt noch stattfinden, gewöhnlich nur mehr wenige Menschen teil. An vielen Orten gibt es auf dem Weg zu Pfarr- oder Filialkirchen und Kapellen alte Kreuzwegstationen, oft von lokalen Künstlern gestaltet, die Ausdruck einer tiefen Frömmigkeit sind. Viele dieser Andachtsstätten werden von der Bevölkerung nach wie vor in Ehren gehalten, immer wieder renoviert oder durch neue, zum Teil auch künstlerisch wertvolle moderne Kreuzwegstationen ersetzt. Wo es einer Gemeinde gelingt, den alten Kreuzwegandachten an diesen heiligen Orten mit modernen Liedern und Texten einen neuen Gehalt zu geben, ist die Beteiligung der Gläubigen oft unerwartet hoch.

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Eine der großen Stärken der traditionellen Volksreligiosität bestand ja darin, dass sie zum größten Teil von Laien getragen wurde. Wo auch heute wieder verschiedene Gruppen in der Gemeinde die Gestaltung der Kreuzwegandachten in der Fastenzeit und in der Karwoche übernehmen, gewinnt die Botschaft vom Leiden und Sterben Jesu neu an Bedeutung. Sie wird von Menschen aller Altersstufen und sozialen Schichten in Beziehung mit den je eigenen Lebens- und Leiderfahrungen, mit den Dunkelheiten und Heilserwartungen in Beziehung gesetzt. Pfarrliche Eine-Welt- und Solidaritätsgruppen bringen die Situation der durch Unrecht, Armut und Ausbeutung „gekreuzigten“ Menschen und Völker in der Welt von heute in neuen Formen des Kreuzwegs zur Sprache. In Jugendkreuzwegen werden gesellschaftspolitische Akzente gesetzt.

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Kinder erweisen sich als besonders empfänglich für eine Aktualisierung der Leidenserfahrung Jesu, wenn sie dazu angeleitet werden, „ihren“ Kreuzweg mit Zeichnungen, Liedern oder szenischen Darstellungen selbst zu gestalten. Mancherorts gibt es von Gemeindemitgliedern mit Bildern und Texten gestaltete Kreuzwegmeditationen oder auch ökumenische Stadtkreuzwege mit einem starken Gegenwartsbezug, in denen die christlichen Kirchen z.B. in einem Schweigemarsch oder/und durch die thematische Gestaltung verschiedener Stationen in der Öffentlichkeit Zeugnis für die Aktualität der Botschaft von Kreuz und Auferstehung Jesu ablegen.

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Auch die alte Tradition der Fasten- und Hungertücher hat vielerorts neu an Bedeutung gewonnen. Was dort im Bild zur Darstellung gelangt, wird in besonderen Gottesdiensten meditativ vertieft. Wo die Verbindung mit Initiativen wie dem „Fasten im Alltag“ oder den „Exerzitien im Alltag“, mit den Fastenaktionen der großen kirchlichen Hilfswerke (Misereor, Familienfasttag, Fastenopfer, Brot für die Welt) gelingt, bleibt diese neuartige Passionsfrömmigkeit nicht postmodern beliebige, heilsindividualistisch verengte Religiosität, sondern wird Anstoß zum solidarischen Handeln. Diese nicht einfach als offizielle Liturgie vorgegebene, sondern aus dem gläubigen Nachdenken von Menschen an der Basis der Gemeinden erwachsene Gebets- und Gottesdienstpraxis gleicht in vielem der traditionellen Volksfrömmigkeit, die sich über Jahrhunderte ebenfalls weithin der freien Initiative des Volkes Gottes verdankte. Ein Pfarrer gab in meiner Umfrage zu bedenken, dass solche innovativen Gebetsformen an Gehalt gewinnen, wenn sie theologisch begleitet und gemeinsam evaluiert werden, damit es in ihnen nicht zu einer Inflation der Worte, Symbole und Lieder oder zu einem leeren Aktionismus kommt.

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Zwischen Frühlingsfamilienfest und Passionserinnerung

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„Es ist für mich kein großes Problem, wenn es am Palmsonntag etwas lauter in der Kirche ist; auch der erste Palmsonntag war wohl kein schweigender Meditationszug.“ So schreibt mir der Pfarrer einer großen Innsbrucker Pfarrei, in der es an diesem Tag besonders lebendig zugeht. Für manche Priester und Gemeindemitglieder stellt es dagegen jedes Jahr eine Belastung dar, wenn es nicht gelingt, vor allem in der an die Palmprozession anschließende Eucharistiefeier eine Atmosphäre zu schaffen, in der auch die Leidensgeschichte des Herrn mit Aufmerksamkeit gehört werden kann.

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Wir sollten zunächst dankbar dafür sein, dass wir bei diesem Gottesdienst zur Eröffnung der Karwoche Menschen ansprechen können, die sonst kaum in eine Kirche kommen. Aus einer Wiener Pfarrei wird mir berichtet, dass man es dort inzwischen durchaus annehmen kann, dass viele Familien mit ihren Kindern mit Freude und Begeisterung nur an der Segnung der Palmzweige im Freien, an einer weiteren Station der Besinnung und an der fröhlichen Prozession quer durch den Stadtteil teilnehmen, aber nicht mehr an der anschließenden Eucharistiefeier in der Kirche. Diese Menschen haben auf ihre Weise den Palmsonntag gefeiert und fühlen sich ernst genommen, wenn sie nicht zur Messe in die Kirche gedrängt werden.

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Alle von mir befragten Seelsorgerinnen und Seelsorger stimmen in der Beobachtung überein, dass am Palmsonntag so viele Menschen kommen wie sonst zu keinem anderen Gottesdienst des Kirchenjahres. Vor allem sind es Familien mit Kindern, die sich offensichtlich von dieser Feier in besonderer Weise angesprochen fühlen. In den meisten Gemeinden ist man im Blick auf dieses Gottesdienstpublikum längst dazu übergegangen, die lange Passionsgeschichte durch einen gekürzten, leicht verständlichen Erzähltext zu ersetzen, der durch kurze passende Liedverse unterbrochen wird. Wenn die Aufmerksamkeit der Kinder auch durch entsprechende Zeichen und Symbole, die einige von ihnen selbst zeigen und vor den Altar tragen dürfen, geweckt wird und Kinder die Passion lesen, dann kann aus meiner Erfahrung auch in einer mit einer bunten jungen Gottesdienstgemeinde gefüllten Kirche eine Atmosphäre angespannter Stille entstehen, in der die Botschaft vom Leiden und Sterben Jesu die Herzen von Kindern und Erwachsenen erreichen kann.

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Am Beginn der Karwoche wird uns zur Feier des Palmsonntags sozusagen ein besonderes Publikum geschenkt. Wir haben es nicht in der Hand, dass an diesem Tag volksreligiöses Brauchtum, wie es in manchen Regionen vor allem auch in kunstvoll geschmückten Palmbuschen zum Ausdruck kommt, und Erwartungen an eine Art kirchliches „Frühlingsfamilienfest“ zu einem eigenartigen postmodern-volkskirchlichen Event verschmelzen, wo jeder und jede irgendwie auf seine Rechnung kommen will. Wir dürfen im Letzten davon ausgehen, dass all diese Menschen, die uns da im Gottesdienst des Palmsonntags begegnen, vielleicht doch eine, wenn auch verschüttete, Sehnsucht nach Heil und Erlösung im Herzen tragen, auf die wir ihnen eine authentisch christliche Antwort schuldig sind. Diese Antwort muss freilich in einer neuen Sprache und mit Zeichen erfolgen, die die alte Botschaft in einem neuen Licht erscheinen lassen und zumindest eine „Vorahnung von Ostern“ wecken.

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Das Triduum im Seelsorgeraum

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„Das Werk der Erlösung der Menschen […] hat Christus, der Herr, vor allem vollzogen durch das Pascha-Mysterium, in dem er durch seinen Tod unseren Tod überwunden und in der Auferstehung das Leben wiederhergestellt hat […] Darum sind die drei österlichen Tage vom Leiden, vom Tod und von der Auferstehung des Herrn Höhepunkt des ganzen Kirchenjahres.“ Was hier in der Einführung zum römischen Messbuch (n.18) als die zentrale Feier kirchlichen Lebens und als liturgischer Höhepunkt dargestellt wird, erweist sich für die pastoralen Praktiker vor Ort nicht nur oft als schwer realisierbares Ideal. Es wird zur Zumutung, wenn ein Priester in einem Seelsorgeraum oder Pfarrverband das österliche Triduum in zwei, drei oder mehreren Pfarreien in der bisher üblichen Form feiern soll. Was von den Gläubigen als liturgisches „Highlight“ erfahrbar werden soll, wird für den Priester und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht selten zur Höchstform von Stress und zum Streitfall unter den betroffenen Gemeinden.

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„An den Hochfesten des Kirchenjahres wird es eng – oder kreativ!“ Zu dieser Schlussfolgerung kommt eine Analyse der österreichischen Arbeitsstelle für Gemeindeentwicklung in Salzburg. Der Austausch von Erfahrungen in großen pastoralen Einheiten zeigte sehr deutlich, dass sich dort, wo Priester, PastoralassistentInnen bzw. -referentInnen, Pfarrgemeinderäte und Liturgiekreise gemeinsam ans Werk gehen, neue Möglichkeiten für eine würdige, lebensnahe Feier der Kar- und Ostertage eröffnen. Dazu braucht es neben einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem liturgischen Gehalt der einzelnen Elemente des Triduums vor allem das Bemühen um und den Mut zu neuen Formen gottesdienstlichen Feierns, die nicht nur vom Priester und von Hauptamtlichen übernommen, sondern etwa auch ehrenamtlichen Wortgottesdienstleiterinnen und -leitern zugetraut werden.

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Wo das geschieht und wo man vor allem auch darum bemüht ist, allen und gerade auch den kleineren Gemeinden gerecht zu werden, sind viele Frauen und Männer für eine engagierte Mitgestaltung der Gottesdienste zu gewinnen. Wenn es dabei gelingt, neben den klassischen liturgischen Elementen auch alte volkskirchliche Traditionen neu zu beleben, die den Menschen eines bestimmten Ortes oder einer Region seit Generationen heilig sind, dann kann eine pastorale Notsituation zum Anstoß für ein erneuertes Bewusstsein der Mitverantwortung von Gemeinden für die Gestaltung der Liturgie werden.

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So werden in manchen Pfarreien während des Triduums am Morgen die Tagzeiten gebetet oder so genannte „Trauermetten“ gefeiert, in denen man sich mit Psalmen, Liedern und Meditationen in den jeweiligen Tag einstimmt. Die früheren „Anbetungsstunden“ nach der Gründonnerstagliturgie, am Karfreitag und am Karsamstag, die besonders dort gehalten wurden, wo nach alter Tradition ein „Heiliges Grab“ aufgestellt war, sind vielerorts verschwunden, werden aber auch in manchen Gemeinden durch neue Formen des Wachens und Betens ersetzt. Was früher einmal wesentlicher Bestandteil des volkskirchlichen Lebens war, erfährt damit heute auf vielerlei Weise eine Neubelebung, die manchen Gläubigen einen Zugang zum Pascha-Mysterium eröffnet.

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Christoph Freilinger hat schon vor einigen Jahren in der Zeitschrift „Gottesdienst“ eine Reihe von praxisnahen Thesen zur „Liturgie im Seelsorgeraum zu Hochfesten des Kirchenjahres“[3] entwickelt, die sich als hilfreiche Diskussionsgrundlage für die Karwoche erweisen. Alle gottesdienstlichen Feiern in Gemeinden vor Ort, in denen kein Priester zur Verfügung steht, sollten demnach nicht primär und dominant vom Mangel her und als Ersatz qualifiziert und gestaltet werden, „sondern als Feiern, die dem Glauben der Kirche – festlich – Gestalt geben“. Es wird empfohlen, dass die Priester den Feiern des österlichen Triduums jeweils nur einmal vorstehen, „damit ungeistliche Hektik und vorschnelles Ausbrennen der Amtsträger“ verhindert werden kann. Stattdessen hält es Freilinger für sinnvoll und möglich, im Wechsel zwischen den betroffenen Gemeinden grundsätzlich an jedem der drei Tage Wort-Gottes-Feiern zu halten, die sich an einzelne Elemente der Vollform der entsprechenden Tagesliturgie anlehnen wie z.B. an die Licht-, Wort- und Tauffeier in der Osternachtliturgie.[4]

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Dass dies möglich und sinnvoll ist und auch tatsächlich schon vielerorts praktiziert wird, beweisen die Erfahrungen, die die Arbeitsstelle für Gemeindeentwicklung in Salzburg zusammengetragen und evaluiert hat. Wenn die Gemeinden selbst erfahren, dass die Karwochenliturgie in ihrem herben Ernst und in der Vielfalt ihrer Zeichenhandlungen auch in Wort-Gottes-Feiern zum Erlebnis werden kann, dann kommt es zu liturgischen Lernprozessen, die die Gemeinden am Leben erhalten – auch trotz und in einer so genannten pastoralen Notsituation. Was hier bei uns meist noch etwas zaghaft versucht wird, ist in vielen priesterlosen Gemeinden in den Kirchen des Südens längst Wirklichkeit. Denn dort werden die Kar- und Ostertage häufig in der Gestalt traditioneller Passionsfrömmigkeit oder als Wortgottesdienste mit Elementen aus der lokalen Kultur begangen.

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Ostern als Feier des Lebens

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Wenn der auferstandene Herr mit seinen Jüngerinnen und Jüngern Mahl feierte, so wollte er damit zweifellos ein Zeichen seiner neuen Gegenwart unter uns Menschen setzen. Um eine Erinnerung an diese Gemeinschaft, Leben und Glauben stiftende Praxis Jesu geht es letztlich auch im alten und neuen religiösen Brauchtum, das sich um die Segnung der Osterspeisen rankt, die in manchen Regionen Österreichs, wie zum Beispiel in der Steiermark und Kärnten, dezentral an Kapellen und Wegkreuzen gehalten wird und sich größter Beliebtheit erfreut.

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Wie und wo immer die Freude über die Auferstehung Jesu auch im gemeinsamen Essen und Trinken zum Ausdruck kommt, ob durch eine „Speisenweihe“, ob durch eine Agape und ein fröhliches Fest am Ende der Osternachtfeier oder durch ein gemeinsames Osterfrühstück: Der Glaube an die Auferstehung Jesu, der eine letzte und bleibende Antwort auf die Sehnsucht des Menschen nach Erlösung und Heil gibt – sogar über den Tod hinaus –, muss sich auch „verleiblichen“, damit er in Lebensmut und Lebensfreude umschlagen kann.

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Dass der Auferstandene mit den Seinen auf dem Weg ist wie mit den Jüngern von Emmaus, bringt man mancherorts dadurch zum Ausdruck, dass die Gemeinden eines Seelsorgeraums am Ostermontag zu einer Art Sternwanderung aufbrechen und sich dann irgendwo – im Freien oder in einer Kirche – zur Feier der Eucharistie versammeln, die wiederum in das gemeinsame Essen und Trinken mündet. Es geht in allem, was wir in der Karwoche und zu Ostern feiern um Leben und Sterben und darum, dass unsere Sehnsucht nach Heil und Erlösung darauf verwiesen ist, dass unser Erlöser Jesus Christus durch Leiden und Tod hindurch zum Leben auferstanden ist und uns Anteil an seinem Leben gibt. Das ist ein Grund zum Feiern!

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[1] W. Gräb, Sehnsucht und Sehnsüchte, in: G. Bitter u.a. (Hg), Neues Handbuch religionspädagogischer Grundbegriffe, München 2002, 144.

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[2] Vgl. O. Fuchs, Volksfrömmigkeit, ebd. 1281-1282.

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[3] Vgl. C. Freilinger, Damit die Gemeinden leben. Thesen zu „Liturgie im Seelsorgeraum an Hochfesten im Kirchenjahr, in: Gottesdienst 207, 125-126.

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[4] Vgl. ebd., 126.

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