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Niewiadomski Jozef: Begnadete Existenzen - über die Dankbarkeit am Ende des akademischen Jahres.
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Begnadete Existenzen - über die Dankbarkeit am Ende des akademischen Jahres.
(Eine Predigt zum Abschluß des akademischen Jahres 2004/2005 auf dem Hintergrund von 2 Kor 9,6-11.)

Autor:Niewiadomski Jozef
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:
Publiziert in:Jesuitenkirche am 15. Juni 2005
Datum:2005-06-21

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

1
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Bei Pater Joseph Neuner SJ, unserem Ehrendoktor, der heute nachmittag zu Besuch auf unserer Fakultät war, habe ich folgende Geschichte gelesen. Es ist wiederum einmal so weit gekommen, dass das Böse im ganzen Land überhand genommen hat. Die Dämonen gewannen immer mehr an Macht, der Einfluss der Götter ging zurück, eine Provinz nach der anderen wurde gottlos. Darüber waren die Götter sehr betrübt. In der Verzweiflung wandten sie sich an die mächtigen Dämonen des Landes. “Wir können doch kaum atmen, der Boden unter den Füßen wird uns entzogen. Wir verlangen nicht viel, nur das Mindeste, schon wegen dem Anstand”. So handelten sie sich einen Vertrag aus. Sie durften bis auf weiteres ein Stück Land behalten, eine geschützte Zone sozusagen. Ein winziges Stück allerdings, so groß, dass bloß der Leib eines kleinen Zwerges auf diesem Flecken Erde liegen konnte. Die klugen Götter legten den Zwerggott Vishnu auf den Landfleck, den Leib des Opfergottes. Das Opfer verwandelte das Land und der Vishnu, der ja alle Welt durchwaltet, vermochte das ganze Land für die betrübten Götter wieder zu gewinnen. Die Macht der Dämonen wurde gebrochen.

2
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Liebe Mitarbeiterinnen, Mitarbeiter, Kolleginnen und Kollegen, liebe Studierende, liebe Schwestern und Brüder! Es kann schon so sein, dass jemand von ähnlichem Kummer und ähnlicher Verzweiflung befallen wird, wie die Götter in dieser Geschichte. Die medial strukturierte Öffentlichkeit, der sich ja niemand ganz zu entziehen vermag, diese Öffentlichkeit ist geradezu schwanger mit der Überzeugung, dass die biblisch christliche Tradition am Ende sei, dass unser Gott immer schwächer wird. Richtet man seine Aufmerksamkeit auf statistische Daten, nimmt man bloß die evaluierbaren Parameter für die Gestaltung der Zukunft ernst, so wird man in die Verzweiflung getrieben und in die Schuldzuweisungsstrategie: Die Kirche hätte bloß kärglich gesät in den letzten Jahren! Wen wundert ‘s, dass sie auch jetzt kärglich erntet. Wir hätten nur kärglich gesät?

3
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Das Wort Gottes, dass uns heute durch die Worte der Lesung trifft, ist von einer anderen Logik geprägt und diese Logik ist heilsam. Gott selbst gibt uns den besten Samen für die Aussaat und er lässt auch die Aussat aufgehen. Er lässt sie aufgehen! Wir haben, sofern dies in unserer Macht liegt, den Samen, den wir empfangen haben auch reichlich ausgesät. Jeder von uns hat doch im Verlauf dieses Jahres das Beste zu geben versucht. Die Mitarbeiterinnen in den Sekretariaten und der Verwaltung genauso gut, wie die Kolleginnen und Kollegen in Lehre und Forschung. Die Studierenden, die neben ihrem Studium ein hohes Maß an Engagement für die Fakultät an den Tag legten. Wir alle haben reichlich ausgesät in einer Zeit, in der der Wind oft den Samen zerstreute, in der der Boden allzu steinig und für diesen Samen unempfänglich zu sein scheint. In einer Zeit, in der viele von uns das Gefühl haben, dass ihnen bloß Opfer abverlangt werden und sie den Boden unter den Füßen verlieren. Umso erstaunlicher ist es, dass es in diesem Umbruchsjahr so viel an Höhepunkten gab, an arbeitsintensiven Höhepunkten. Von der Eröffnung der Jesuitenkirche zu Beginn des Studienjahres über den überdimensionalen dies academicus bis hin zu der “Nacht der wachenden Herzen”. Vom Theologengschnas bis zum Arkadenhoffest heute, von der Geburtstagsfeier für P. Lies über die Feier zum Tod von johannes Paul II., über die zahlreichen Gastvorlesungen, Symposien - wie etwa das kleine Symposium zum 100. Todestag unseres Ehrendoktors Pater Denifle OP-, bis zum Abschluss des Lehrgangs: “Kommunikativer Theologie”. Von der Klausur zur Erarbeitung des Entwicklungsplanes bis hin zum Ehrendoktorat von Pater Sporschill SJ. Die Events verdecken die Alltagsroutine nicht, vielmehr bringen sie diese erst recht zum Leuchten. Wie viele persönliche Höhepunkte hat es in diesem Jahr gegeben: bei jeder Prüfung, jeder Diplomprüfung und jedem Rigorosum. Wie viele befreiende Seufzer nach Abschluss eines Artikels oder gar eines Buches, oder: nachdem die Formulare, von denen es so viele gegeben hat, ausgefüllt worden sind. Wir haben ein unglaublich intensives akademisches Jahr hinter uns, fast hinter uns. Ein Jahr, in dem ein Umbruch für viele von uns, gar ein Bruch, stattgefunden hat, in dem Tränen geflossen sind und auch Kommunikation unterbrochen wurde.

4
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Wir haben uns heute zur Eucharistiefeier versammelt, zur Danksagung und zur Vergegenwärtigung des sacrificiums, der Hingabe Christi, die alles, aber gar alles verwandeln kann. Der “Zwerg” in der indischen Geschichte sei uns so etwas wie ein vestigium, eine Spur zur Verortung jener Glaubenslogik, die uns trägt und prägt. Mag das Stück Land, das wir unter unseren Füßen noch spüren noch so klein sein, es ist groß genug für den kleinen “Zwerg”! Den kleinen “Zwerg” einer begnadeten Existenz, einer Existenz, die durch ihr Tun, so klein und unscheinbar auch das sein mag, was sie tut, die Welt verwandelt. Kreatives und destruktives haben wir einander in diesem Jahr angetan, wir haben aufgebaut, wir haben aber auch zerstört. Uns sind Aufbrüche widerfahren und uns wurden Türen zugeschlagen. Drehen wir uns nicht im Kreis um uns selbst. Wir haben immer noch das kleine Stück Land unter unseren Füßen, auf dem der Leib eines Zwerges Platz findet. Legen wir darauf den Leib Christ, die begnadete Existenz, die alles verwandelt. Öffnen wir die Augen für die Spuren all jener begnadeten Existenzen mitten unter uns und danken wir gemeinsam Gott füreinander für dieses Jahr, für unsere Gegenwart. Sie ist nicht gottlos. Sie ist Gottes voll. Vielleicht muss sie ein bisschen mehr verwandelt werden. Durch die zahlreichen kleinen Zwerge, von denen dieser Raum überfüllt ist. Die kleinen “Zwerge”, die jeweils links und rechts von mir sitzen. Wir alle sind ja begnadete Existenzen. Dafür danken wir Gott!

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