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Niewiadomski Jozef: Möchtegernschöpfer
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Möchtegernschöpfer
(Zu Peter Singer und seinem Kommentar: "der Gott des Leidens")

Autor:Niewiadomski Jozef
Veröffentlichung:
Kategoriekommentar
Abstrakt:
Publiziert in:Publiziert in: Die Presse, 25.5.2008
Datum:2008-05-26

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Der Eifer, mit dem Peter Singer in seinem Gastkommentar „Der Gott des Leidens?  (in: „Die Presse"  vom 19.Mai.2008)[1] den Schöpfergott abschaffen oder zumindest madig machen will, kann doch nicht aus Liebe zur Theorie und zum logischen Argument kommen. Der weltberühmte Ethiker ist sicher gut genug gebildet, um zu wissen, dass all seine Argumente altbacken sind. Seit Jahrhunderten werden sie von den Religionskritikern und Apologeten wiederholt, ohne neue Erkenntnisse zu generieren. Gott könne nicht zugleich allmächtig und gut sein, das Leiden in der Welt widerspreche dem Glauben. Da helfe weder der Glaube an die Vollendung im Himmel, noch die Annahme der Erbsünde und schon gar nicht der Hinweis auf den freien Willen. Das wiederholte „Strohdreschen" bringt kein einziges Körnchen Wahrheit zum Vorschein - höchstens boshaftere Formulierungen. Gott sei „ein Stümper oder böse". Solch ein Befund appelliert an jeden ethisch sensiblen Menschen, diesem Gott den Rücken zu kehren. Verglichen mit diesem göttlichen Monster seien die Massenmörder der Geschichte, sind Hitler und Stalin doch recht harmlos. Das sagt Singer zwar nicht wörtlich, mitdenken tut er es auf jeden Fall. Was will der prominente Ethiker mit seiner pointierten Polemik gegen den Schöpfer erreichen? Darüber schweigt er sich in seinem Kommentar leider aus. Vor Jahren  hat er es jedoch klar verkündet: Das Festhalten an der Gleichwertigkeit und Heiligkeit allen menschlichen Lebens, das Bild des Menschen als Ebenbild Gottes sei ein verhängnisvolles Erbe jüdisch-christlicher Schöpfungslehre. Dieses „religiöse Vorurteil" verhindere heutzutage eine vernünftige Ethikbegründung. Und wo drückt hier der Schuh? Die wissenschaftlich kontrollierte Verbannung der schwerstbehinderten Neugeborenen aus unserer Gesellschaft widerspreche einer vernunftgeleiteten Ethik keineswegs. Im Gegenteil, diese sei sogar geboten; weil moralisch richtig, sei sie doch eine Tat, deren Folgen für alle Betroffenen im Sinne ihres Wohlergehens optimal sind. Den Schwerstbehinderten wird ihre sichere Leidensexistenz, der Umgebung die Belastung erspart. Die dadurch freigelegten Lebensmöglichkeiten können dann sinnvoll an anderen Fronten der Leidensbekämpfung eingesetzt werden. Was hindert uns also an der Verwirklichung des Programms? Der Glaube an den Schöpfergott! In seinem Licht werden diese Neugeborenen als menschliche Personen betrachtet. Und das muss nicht so sein in einer Gesellschaft, die nicht mehr eindeutig religiös ist. Vom Ethos der Abschaffung des Leidens besessen, schlägt Singer die Beseitigung der Schwerstleidenden vor - aus humanitären Gründen. Damit seine Humanität aber nicht gleich in Bestialität umschlägt, gibt er natürlich Kriterien zur verantwortbaren Handhabung der Praxis an. Und er erntet weltweit Entrüstung - aber auch Zustimmung. Immer mehr Zeitgenossen glauben ja, die Argumentationsfiguren Singers seien plausibel. Können die Opfer solcher Logik in Zukunft noch auf einen Anwalt hoffen?

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Als die Mutter der sieben Söhne in der Zeit der Judenverfolgung im zweiten vorchristlichen Jahrhundert vor dem scheinbar allmächtigen Henker stand und der Ausrottung ihrer gesamten Familie entgegensah, konnte sie nur im Glauben an den einen Gott, der die ganze Welt aus dem Nichts schuf, nicht nur Trost sondern auch ihr Vertrauen in die gerechtigkeit finden. Gott, der alles aus dem Nichts erschuf, werde die Toten auferwecken und sich auf diese Weise als Anwalt der zugrunde gegangenen Opfer erweisen. Der Schöpfungsglaube der Märtyrer hadert nicht mit der Frage, warum der allmächtige Gott keine bessere Schöpfung zustande bringt. Er entmachtet  aber die menschlichen Möchtegernschöpfer! Gerade weil die Tyrannen glaubten, durch ihre Gewalttaten eine neue Welt erschaffen zu können. Diese Geschichte wird durch das biblische Makkabäerbuch überliefert. Die Bibel verortet also den Schöpfungsglauben nicht beim Schreibtisch und bei den Zweifeln eines Intellektuellen, sondern in der existentiellen Situation der Leidenden selbst. Diejenigen, die darin nur eine billige Selbsttäuschung sehen, müssten ihre Alternative offen legen. Diese könnte heißen: Das Leiden ist ein Zufall der Evolution, das Ergebnis der Systemzwänge und des Handelns von Menschen. Keine dieser Antworten vermag dem Leidenden wirklich zu helfen. Isoliert betrachtet verführen sie aber alle dazu, sich von Leidenden zu distanzieren. Im Extremfall gar den Leidenden zu beseitigen und ihm auf diese Weise „helfen" sein Leiden zu beenden. Die blinde Evolution kennt ja schließlich nur die Sieger.

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Wie sieht aber der Mehrwert der theologischen Betrachtung aus? Die Theologie der letzten Jahre hat die Gottesfrage und das Problem der evolutionären Entwicklung der Welt miteinander ausgesöhnt. Sie hat heute kein Problem, Gottesallmacht und die evolutionäre Entwicklung zusammen zu denken, genauso wie sie die Allmacht Gottes und die Freiheit des Menschen vermitteln kann. Die Allmacht eines personalen Wesens darf nicht mechanisch gedacht werden. Sie kann sich selber begrenzen. Weil sie Eigengetzlichkeiten und Freiheit achtet. Im Umgang der Menschen untereinander sehen wir solch eine Begrenzung als einen Akt der Verantwortung. Der Mehrwert der theologischen Betrachtung liegt also darin, dass der Grund für das ungeheure Ausmaß an Leiden „auf mehrere Schultern" verteilt wird. Gerade darin liegt auch der unverzichtbare Wert eine Erbsündenlehre. „Die Väter haben saure Trauen gegessen und den Söhnen sind die Zähne stumpf geworden" - überliefert schon die Bibel den alten Spruch. Wie treffend, müßten doch die von Klimakatastrophenangst und der Vision einer genetisch manipulierbaren Zukunft geplagten Zeitgenossen sagen. Nicht nur der Grund wird verteilt. Auch das Erleiden und Mitleiden. Deswegen ist Gott  Mensch geworden und hat unser Leid und den Tod selber erlebt. Dadurch wurde er zum Anwalt aller Leidenden. Er schützt sie vor all den Möchtegernschöpfern, die dieses Leiden gerne „aus humanitären Gründen" abschaffen würden: indem sie die Leidenden beseitigen.

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[1]Im Internet: http://diepresse.com/home/meinung/gastkommentar/384626/index.do

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