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Niewiadomski Jozef: Die modernde Moderne und das Geheimnis von Ostern
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Die modernde Moderne und das Geheimnis von Ostern
(Osterpredigt gehalten in der Jesuitenkirche am 12. April 2009)

Autor:Niewiadomski Jozef
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2009-05-19

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Natürlich wissen es die "allmächtigen" Meinungsmacher ganz genau: Ein schwerer Stein liegt auf dem Herzen unserer Kirche. Weil sie nicht modern werden will, wird sie modern. Wie ein lebendiger Leichnam, ausgeblutet und ohne Elan, schleppt sie sich von einem Skandal zum anderen, stolpert von einer Krise in die andere, und sie wird immer weniger und weniger. Deswegen gilt ihr auch die Drohbotschaft: "Fürchtet euch! Fürchtet euch vor der schonungslosen Logik der Berichterstattung! Fürchtet euch vor dem objektiven - vor dem zersetzenden - Urteil der Welt. Und achtet auf die im Guten Verhärteten, achtet auf jene, die dieses "Modern" konservieren wollen. Vor allem aber: Habt Angst vor der Zukunft!" - So rufen die medialen Päpstinnen und Päpste den kirchlichen Würdenträgern zu: "Gebt eure Überlebensstrategien bekannt, auf dass wir diese versiegeln." Mit dem Siegel der Meinungsmacher. Etwa so: "Für die Mehrheit von 48% der Österreicher ist Ostern bloß Brauchtum. Nur eine Minderheit von 43% verbindet Ostern noch mit Religion." - Dies melden unsere Medien pflichtbewusst zu Ostern und wälzen den verängstigten Kirchenmanagern noch einen Stein auf ihr Herz.

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Aber auch die Gesundheitspäpste der Gegenwart wissen es genau: Ein schwerer Stein liegt auf dem Herzen eines jeden Zeitgenossen. "Nicht gesund genug gelebt, nicht genug Geld investiert in die Nahrungsergänzungsmittel, zu wenig Stressabbauseminare besucht, zu wenig Wochenendtherapien. Und vor allem zu viel Stress!" Auch sie wissen ihre Drohbotschaft unter das Volk zu bringen. "Fürchte dich! Zu jeder Zeit, an jedem Ort kannst du zu einem Wrack werden: pflegebedürftig, dahinvegetierend. Mitten im Leben wirst du modern! Jahre, wenn nicht gar jahrzehntelang dahindämmern. Sichere dich also ab, setze dein Vertrauen auf uns! Wir nehmen dir den Stein, der auf deinem Herzen lastet, weg." Doch an die Stelle des einen Steins werden gleich sieben neue Steine gewälzt, in einer Kultur, die der Angst bedarf - als Lebenselixier. In einer Kultur, die das Leben mit dem Tod verwechselt, und die die Lebenslust gleichsetzt mit der Lust am Skandal, mit der Lust am Scheitern, ja mit der Lust am Untergang. Deswegen schallt uns unablässig die Drohbotschaft entgegen: "Habt Angst! Fürchtet euch vor dem Rinderwahn und der Vogelgrippe (wer weiß es heute noch - in der Zeit der Schweinegrippe - welcher Wahn das war?). Habt Angst um eure Arbeitsplätze! Habt Angst vor den Jugendlichen, den potentiellen Amokläufern! Habt Angst um die Mutter Erde! Fürchtet euch vor Erdbeben und vor der Klimakatastrophe!" Die Zahl der Steine, die auf mein Herz gewälzt werden, heißt doch schon längst "Legion". Wir leben in einer Kultur, die modern sein will und die gerade deswegen kontinuierlich modert, die sich dem Auflösungs- und Zerstörungsprozess hingibt: mit Wollust und Erschrecken zugleich.

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Und auch ich selber glaube es am allerbesten zu wissen, welche schweren Steine auf meinem Herzen lasten und mich zu Boden drücken. "Habt keine Angst!" - sagen mir zwar die Therapeuten und Psychologen. "Mach die Augen auf, schätze die Situation realistisch ein; bleibe auf dem Boden der Tatsachen stehen!" Und doch: Jede Selbstvergewisserung, dass ich keine Angst zu haben brauche, steigert bloß fortan meine Ängste und wälzt neue Steine auf mein Herz.

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Auch die Jünger spürten ihn in ihrer panischer Angst ... Sie spürten den Stein, der auf ihrem Herzen lag. Am Karfreitag fielen sie buchstäblich in ein "Nichts". Pech gehabt, auf die falsche Karte gesetzt! Wer hätte denken können, dass der Aufsteiger des Jahres zum Vorzeigeverbrecher wird, dass er schändlich stirbt? Und sie befanden sich womöglich im Schlepptau des falschen Messias! Aus Furcht vor ihren Mitbürgern riegelten sie die Tür ihres Verstecks ab, die Feiglinge und Versager. In der Dunkelheit sind sie geflohen, diese Verräter und Zweifler, die sich im Selbstmitleid suhlten, während er am Kreuz erstickte. Keiner wagte noch ans Morgen zu denken. Ja, es lag wirklich ein schwerer Stein auf ihrem Herzen.

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Genauso wie der Stein auf dem Herzen Marias lag, auf dem Herzen jener Frau, die viel geliebt, wenig moralisiert hatte und inzwischen auch wenig von der Zukunft erwartete. Die Enttäuschte, die maßlos Frustrierte hatte keine Überlebensstrategie. Jeglicher Glaube war weg! Nur noch Brauchtum blieb übrig: zum Grab gehen, noch einmal den Leichnam salben, sich an der Grabesplatte stützen, an jenem Stein, der auf dem Grab Christi lastete - dorthin gewälzt durch die "allmächtigen" Meinungsmacher, die in ihrer Angst Pilatus eingeflüstert haben: "Das ist das Ende der Geschichte. Er starb. Ende! Aus!"

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Der Stein, der am Grab lag, sagte ja nur eines: Modern soll der Leichnam, der dort bestattet wurde. Mit tödlicher Sicherheit, wissenschaftlich also prognostiziert lautete ja das fundierte Urteil: Dieser Mensch wird niemandem mehr vom Hocker reißen! Doch nun ist der Stein weg, weggewälzt! Und dies nur deswegen, weil Gottes Sohn dem Grab entstieg. Eine hirnrissige Geschichte für all diejenigen, die sich mit dem Stein vertraut gemacht haben. Ein Wahnsinn für alle, die lieber ihre Steine auf dem Herzen haben wollen, weil es sich mit ihnen so gut modern lässt: "A bissel Essen, ein Glaserl Wein und ein bisschen Sex: Was will man noch mehr vom Leben?" - meint der statistische Durchschnittsbürger. "Auferweckung" ist ja auf der Matrix statistischer Wahrscheinlichkeiten  nicht vorgesehen. Prognostizierbar ist das Modern: damals und heute. Höchstens noch ein Leichenraub, ein Skandälchen, gut für die Schlagzeile lokaler Boulevardblättern. Ein Skandal, den man schnell vergisst, genauso wie den Rinderwahn. Prognostizierbar ist und war auch die Grabpflege: Das Brauchtum lässt sich ja statistisch erfassen und auch wissenschaftlich erforschen.

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Nun ist aber das Grab leer. Völlig aufgelöst steht Maria vor dem Grab, muss sich noch rechtfertigen. Und dies wegen des Steins, der auf ihrem Herzen liegt. Sie muss eine Erklärung abgeben: "Warum weinst Du?" Sie wendet ihre Augen dem fremden Mann zu, hört ihren Namen und da - da fällt ihr der Stein vom Herzen! Und dies ohne ihr Zutun - auf sein Wort hin: "Maria!" Da gehen ihr die Augen auf. "Rabbuni! Meister! Jesus!" Und weil ihr der Stein vom Herzen gefallen ist, kann sie nun zu den anderen gehen. Zu jenen, die sich verbarrikadiert haben: verbarrikadiert hinter ihren Erklärungen, hinter den düsteren Prognosen, hinter den schwammigen Therapieaussichten. Sie kann zu ihnen gehen und ihnen dazu verhelfen, dass auch ihnen der Stein vom Herzen fällt.  Auf sein Wort hin: "Maria!", auf sein Wort hin öffnete sich ihr die Zukunft. Auf ihr Wort hin: "Ich habe den Herrn gesehen!", verloren auch die Jünger ihre Angst. Immer und immer wieder begegneten sie dem Auferweckten, der ihnen eigentlich nur eines sagte: "Habt keine Angst! Fürchtet Euch nicht!"

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Liebe Schwestern und Brüder, was nun folgt, war genauso nicht prognostizierbar und genauso hirnrissig wie die Auferweckung selber. Die Zweifler, Feiglinge, Verräter sind nicht mehr zu erkennen. Mit einem Mal werden sie zu Aposteln, zu Zeugen der Überzeugung, zu Zeugen der Wahrheit. Sie sind nicht Hüter eines vermoderten Knochengerippes, das gepflegt, gereinigt, konserviert werden muss, damit es sich mit der Zeit nicht auflöst. Nein! Eigentlich werden sie zu Zeugen einer einzigen Wahrheit: "Er lebt..., obwohl er gestorben ist. Und in seiner Auferweckung ist unser aller Auferweckung bereits mit ausgesagt." Diese - und einzig diese - Botschaft vermochte milliardenfach denselben Wandlungsprozess zu bewirken. Diese Botschaft riss nicht nur Einzelne vom Hocker. Ganze Kulturen verloren ihr Fundament und veränderten sich aufgrund dieser einen Wahrheit, dass der Tod nicht jene Allmacht hat, die er beansprucht. Sie öffneten sich nicht der Moderne. Nein! Sie fassten Fuß in der Wahrheit. Auf das Wort von der Auferweckung hin fiel und fällt nämlich den Menschen ein Stein vom Herzen, ein Stein, der sie  zu Boden drückte. Die Menschen bekommen Flügel und vermögen Mauern zu überspringen. Nichts, aber auch gar nichts steht dem Christen im Wege: nicht einmal der Tod.

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Doch das verstehen die "allmächtigen" Meinungsmacher nicht. Sie, die Modernen, verstehen nur etwas vom Prozess des Moderns, von den Vorgängen der Zersetzung und der Zerstörung. Sie verstehen nur etwas von jenen Prozessen, die sie mit Steinen versiegeln, damit auch niemand die dahinter dämmernde, sich selbst dekonstruierende Wahrheit in ihrer letzten Konsequenz erblickt.

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Liebe Schwestern und Brüder! Hören wir heute auf das, was uns der auferweckte Christus zu sagen hat. Er spricht mich beim Namen an, genauso wie damals am Ostermorgen in Jerusalem: "Józef! Niewi! Hab keine Angst. Schau! Der Stein ist dir schon längst vom Herzen gefallen. Deswegen kannst mit anderen Augen unsere moderne Kultur wahrnehmen und den Teufelskreis der sich aufschaukelnden Ängste durchbrechen. Du kannst zu einem Zeugen der Auferweckung werden: für diese modernde moderne Welt. Und vergiss nicht: Du bist nicht allein. Schau! Da gibt es auch den Peter, den Kirchenrektor und die Ministranten und ganze Scharen von Gläubigen, die an diesem schönen Ostersonntag nicht nur Brauchtumspflege betreiben. Dazu würden sie sich nicht in diese kalte Kirche setzen. Wie viel Glut müssen sie also im Herzen haben! Sie sind da, weil sie glauben, dass der Tod nicht das Letzte ist. Auch ihnen ist der Stein vom Herzen gefallen. Es sind mehr, als du glaubst. Es sind Milliarden von Zeitgenossen, die das glauben. Freilich zweifeln sie, und auch du zweifelst. Sie haben auch Angst. Das habe ich auch gehabt. Vergiss nicht den Ölberg. Vergiss vor allem aber nicht: Auch der Kirche fällt der Stein vom Herzen! Aber nur, wenn sie Ostern feiert und an die Auferweckung glaubt. Fürchte dich also nicht! Hab keine Angst! Und rufe den anderen diese Osterbotschaft zu: 'Schau! Dir ist schon der Stein vom Herzen gefallen. Du lebst! Du wirst leben! Durch den Tod hindurch!'".

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