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Panhofer <strong>johannes</strong>: Pastorale Ausbildung zwischen "Technik" und Mystagogie
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Pastorale Ausbildung zwischen "Technik" und Mystagogie
(Zur "Grund-Legung" eines Pastoraljahres)

Autor:Panhofer johannes
Veröffentlichung:
Kategorieartikel
Abstrakt:Angesichts der Herausforderungen einer modernen, multikulturellen Gesellschaft wurden die pastoralen MitarbeiterInnen unter dem Stichwort "Professionalisierung" in Gesprächsführung, Gruppenleitung, Jugendarbeit, Liturgieschulung, Zeitmanagement, Organisationsentwickung, u.v.a.m. "fit" gemacht. Das Zueinander von (wissenschaftlicher) Theologie, persönlichem Lebens- und Glaubensweg und dem praktischen Know-how aus den Feldern der Human- und Sozialwissenschaften blieb dabei weitgehend ungeklärt. Besteht die Identität des Seeslorgers aus einem Repertoire an pastoralen Rollensets und Einzelkompetenzen, die entsprechend der jeweiligen Situation "abgerufen" werden ? Der Seelsorger als Pastoraltechniker? Der Beitrag versucht die Perspektive auf eine mystagogische Haltung als einer pastoralen Grundkompetenz freizulegen.
Publiziert in:in: Franz Weber / Thomas Böhm / Anna Findl-Ludescher /Hubert Findl (Hg.), Im Glauben Mensch werden. Impulse für eine Pastoral, die zur Welt kommt (FS Hermann Stenger), Münster 2000, 271-283.
Datum:2001-11-29

Inhalt

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Als ich 1988 zum Abschluss meines Theologiestudiums nach Innsbruck kam, zog Hermann M. Stenger durch seine pastoralanthropologischen Vorlesungen meine Aufmerksamkeit auf sich. Ich begegnete hier einem Theologen, der in seiner Rede von Gott und Mensch behutsame, lebensnahe Sprache und theologische Reflexion auf ermutigende Art verband. Ich verdanke es zu einem guten Teil Hermann Stenger, dass sich mein „theologischer Weg" in Richtung „Pastoral" bzw. Pastoralpsychologie verändert hat. Ohne es zu ahnen, traf ich mit dem Thema meiner Diplomarbeit in Pastoraltheologie ein Anliegen, das für Hermann Stenger immer auch ein zentrales war, nämlich die Unterscheidung zwischen einem lebendigen christlichen Glauben und einer zur Ideologie erstarrten „Glaubens"-Haltung.

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Auch wenn ich nie direkter Mitarbeiter von Hermann Stenger war, so habe ich nun als Assistent am jetzigen Institut für Praktische Theologie doch mit einer wesentlichen „Frucht" seiner Professur in Innsbruck zu tun, nämlich dem so genannten „Pastoraljahr". Gemeinsam mit Klemens Schaupp, seinem Nachfolger am Institut für Pastoraltheologie, und dem damaligen Generalvikar der Diözese Innsbruck Klaus Egger hat Hermann Stenger 1988 dieses Jahr der Berufseinführung in die Gemeindepastoral ins Leben gerufen. Dieses leistet seitdem einen nicht mehr wegzudenkenden Dienst an der Ortskirche. Es gehört zu meinen Aufgaben, mit anderen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen auf dem Fundament, das Hermann Stenger mit anderen „Vätern" gelegt hat, im Kontext neuer Herausforderungen auf- und weiterzubauen. Diesem Anliegen ist der nun folgende Artikel gewidmet.

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0. Erfahrungen und Fragestellungen

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Seit nunmehr neun Jahren begleite ich das so genannte „Pastoraljahr" in Innsbruck. Es ist angesiedelt am Übergang vom Theologiestudium zur beruflichen, pastoralen Tätigkeit und dient der Einführung in die Gemeindepastoral für jene, die sich auf einen Dienst als Pastoralassistent oder Pastoralassistentin, Diakon oder Priester vorbereiten. Dieses Jahr besteht zum größeren Teil aus einem Einsatz in der Gemeindepastoral und zum zeitlich kleineren Teil aus den begleitenden Lehrveranstaltungen im Rahmen eines Universitätslehrganges. Darin werden personen-, gruppen- und themenorientierte Einheiten angeboten.

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Während ich in den ersten Jahren vorrangig für die Supervision pastoraler Praxis der Teilnehmer und Teilnehmerinnen zuständig war, bin ich in den letzten Jahren im Leitungsteam vorwiegend für konzeptionelle Fragen verantwortlich.

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Es braucht nicht länger begründet zu werden, dass die Erfahrungen in einem so komplexen „Gebilde" wie dem Pastoraljahr äußerst vielfältig sind und auf verschiedenen Ebenen liegen. Ich möchte aus dieser Fülle drei Erfahrungen bzw. Problemfelder herausgreifen, die - wie ich meine - an den Fundamenten der Pastoral in moderner Gesellschaft rühren und die Identität aller Frauen und Männer betreffen, die in der Seelsorge tätig sind.

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Zunächst ist es die Erfahrung der Pluralität, die in der Ausbildungsgruppe gegeben ist. Die „Vorgeschichten" der teilnehmenden Frauen und Männer werden immer unähnlicher, die Buntheit an unterschiedlichen Biographien nimmt zu: Ein spät berufener Spenglermeister Mitte vierzig mit gravierenden Wendungen in seinem Leben sitzt neben einem Priesteramtskandidaten Mitte zwanzig, der eine vergleichsweise „glatte" geistliche Laufbahn mitbringt. Selbstbewusste Frauen mit feministischem Blickwinkel begegnen hier Theologen aus anderen (pastoralen) Kulturkreisen, wie etwa aus der Ukraine oder Peru. Unterschiedliche Sprachen und Theologien werden sichtbar. Die je unvergleichbare, persönliche und kulturelle Geschichte jedes Einzelnen hat unterschiedliche spirituelle Wege ausgeprägt. So kann für den einen das persönliche und geistliche Leben bevorzugt durch liturgische und sakramentale Vollzüge gespeist werden, während eine andere vorwiegend eine beziehungs- und gemeinschaftsorientierte Spiritualität mitbringt.

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Schließlich werden mit Fortgang des Jahres mehr und mehr die Talente der einzelnen Teilnehmer und Teilnehmerinnen deutlicher: Während der eine sein tänzerisches oder musikalisches Talent zur Freude der Gruppe einbringt, vermag eine andere durch ein vermittelndes, treffendes Wort eine scheinbar ausweglos verfahrene Situation in der Gruppe aufzulösen. Ich sehe mit Freude, welche Kompetenz die Frauen und Männer aus den verschiedenen Bereichen mitbringen und damit die Ausbildungsgruppe bereichern. Die Reaktionen der Personen auf diese Vielfalt in der Gruppe sind durchaus unterschiedlich. Bei den meisten überwiegt Offenheit und Interesse füreinander, Anerkennung und Wertschätzung des persönlichen und geistlichen Weges des anderen. Vereinzelt stellt sich aber auch Hilflosigkeit im Umgang mit dem überraschenden Anderssein des anderen ein, die in einzelnen Situationen auch in aggressives oder abwertendes Verhalten umschlagen kann.

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Zum Abschluss eines Jahres hat ein Teilnehmer überrascht und betroffen diese Erfahrung so zusammengefasst: „Ich hätte nicht gedacht, dass wir in so verschiedenen ‚Welten' leben!" - Welches grundsätzliche Problem der Kirche wird hier sichtbar? Und vor allem: Wie ist dies theologisch zu deuten?

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Eine zweite Erfahrung bezieht sich auf das ungeklärte Zueinander von (wissenschaftlicher) Theologie, persönlichem Glaubensweg und dem Einsatz bzw. der Anwendung von Theorien und Praktiken aus dem Feld der Human- und Sozialwissenschaften. Dies betrifft die theoretische, vor allem aber die unmittelbar praktische Ebene des pastoralen Alltags. Die konkreten Anforderungen in der Pastoral verlangen freilich, dass man eine Gruppe zu moderieren und zu leiten vermag, ein Taufgespräch mit der Kirche fern stehenden Personen ebenso führen kann wie ein Projektgespräch in einem Team, persönliches Zeitmanagement ebenso beherrscht wie das Vorbereiten und Vorstehen eines (Wort-)Gottesdienstes. Diese Liste ließe sich noch lange fortsetzen. Ein Teilnehmer drückt diese Erfahrung folgendermaßen aus: „Wie bringe ich kommunikative, liturgische, empirische, moderierende, musikalische und nicht zuletzt theologische Kompetenz unter einen Hut?" Hinter der Frage nach dem Zueinander der Kompetenzen steht die Frage nach der inneren Verbundenheit all der verschiedenen Rollen, die man im pastoralen Gemeindealltag in wechselnder Reihenfolge einnimmt.

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Damit zielt diese Frage schließlich auf das Selbstverständnis und die Identität des Seelsorgers und der Seelsorgerin heute. Sind also Frauen und Männer in der Pastoral jeweils „Teilspezialisten" als Altenseelsorgerin und Eheberater, als Jugendleiterin und Gemeindemanager, als Bibelexpertin und Sozialarbeiter usw. geleitet von einer christlichen Weltanschauung? Angesichts der zunehmenden Professionalisierung und der Ausprägung ungeheurer Rollen-Sets stellt sich in letzter Konsequenz die Frage: „Wer bin ich eigentlich - in und für die Gemeinde?

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Solche Fragen treffen die Substanz des eigenen Tuns und Selbstverständnisses - sowohl der Seelsorger und Seelsorgerinnen als auch jener, die für deren Ausbildung Sorge tragen.

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Aus diesen eigenen Erfahrungen, aus den Feedbacks der Teilnehmenden des Pastoraljahres sowie den Erwartungen von Diözesanverantwortlichen spitzt

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sich die Frage hinsichtlich pastoraler Ausbildung zu: Worum geht's „eigentlich" im Pastoraljahr?

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Dieses Wörtchen „eigentlich" zielt hier nicht auf eine reduktionistische oder fundamentalistische Sichtweise bzw. Antwort. Es fragt vielmehr nach den Fundamenten, dem „Grund-legenden" in der Pastoral und daher auch nach dem, was in einer Ausbildung für zukünftige Seelsorger und Seelsorgerinnen unverzichtbar ist. Oft hat man angesichts der vielfältigen Anforderungen in der Seelsorge den Eindruck, dass man „vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sieht". Mein Anliegen in den nachfolgenden Überlegungen ist es, die „christlichen Wurzeln" hinter der Überfülle an „pastoralen Bäumen" wieder mehr zum Vorschein zu bringen.

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Ich möchte zunächst den Kontext heutiger Seelsorge und pastoraler Ausbildung skizzieren. Im Pastoraljahr spiegelt sich dieser gesellschaftliche und kirchliche Kontext wie in einem Brennpunkt wider (1). Die Anforderungen und Versuche pastoraler Ausbildung heute führen mich sodann zu einem mystagogischen Ansatz (2). Schließlich soll im dritten Teil ansatzhaft skizziert werden, was diese mystagogische Grundhaltung für die pastorale Ausbildung im Rahmen eines Pastoraljahres konkret bedeutet (3).

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1. Das Pastoraljahr als Spiegelbild von Gesellschaft und Kirche

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Der folgende Abschnitt vermag keine erschöpfende Analyse der gegenwärtigen gesellschaftlichen und kirchlichen Entwicklungen zu liefern. Vielmehr können hier nur Tendenzen skizziert werden. Für beides gibt es umfangreichere Darstellungen. (1) Ich möchte aufzeigen, dass die Ausbildungsgruppe im Pastoraljahr als Brennpunkt der gesellschaftlichen und kirchlichen Vorgänge gesehen werden kann und muss.

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1.1 Die pluralistische, rationale Gesellschaft

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Die gegenwärtige Gesellschaft ist von gewaltigen Umbrüchen gekennzeichnet. Diese lassen sich mit drei Schlagworten beschreiben: Individualisierung der Lebensführung, Verlust traditionaler Sicherheiten und funktionale statt traditionaler Differenzierungen der Gesellschaften.

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Die unverrückbaren und sozial vermittelten Plausibilitäten unserer Vorfahren haben sich aufgelöst und jeder ist heute dazu „berufen", selbst der „Schmied" seiner Weltanschauung zu sein. Die Enttraditionalisierung von Familie, Beruf und Lebenslauf schreitet voran. Die Freisetzung des Individuums und die Entzauberung der Welt sind jedoch ein zutiefst ambivalenter Prozess: Auf der einen Seite herrscht „Jubel" über den Freiheitsgewinn, auf der anderen Seite „Trauer" über den Sicherheitsverlust. Die sich ausprägenden Subkulturen unserer Gesellschaft stellen den Einzelnen täglich vor die Aufgabe, Wanderer zwischen verschiedenen Institutionen und damit Aufgaben und Rollen zu sein. Er wechselt von einer in die andere Welt, zwischen verschiedenen Subkulturen und den dazugehörenden Werthaltungen. Diese pluralistische Gesellschaftsstruktur verlangt von jedem, den Umstieg von einer „Welt" in die andere durch kontrollierte Verbindung zueinander und gleichzeitiges Abgrenzen bewältigen zu können. Das „Basteln" der eigenen Identität und das Managen der verschiedenen Rollen- und Kulturwechsel sind die persönlichen Herausforderungen unserer Zeit.

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1.2 Entkirchlichung und religionsproduktive Tendenzen

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Die ursprünglichen Großanbieter in Sachen Weltanschauung und religiöser Verankerung trifft dieser Auflösungsprozess sozial-moralischer Milieus besonders hart. Die haltgebende Funktion der Kirche schwindet, Glaubensmilieus zerfallen, die weltfremde Sprache wird nicht mehr verstanden. Glauben(-slehre) und Alltagsleben erscheinen einander fremd, die Kirchen leeren sich. „Immer mehr Individuen verlassen zur Zeit in Sachen Religion alle schlüsselfertigen Sinngebäude und basteln an eigenen, individuellen Wohnmobilen, deren Ausstattungsvarianten je nach Lebenswegstrecke gewählt werden." (2)

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Gleichzeitig kann man keineswegs - wie vor Jahren noch prognostiziert - ein Schwinden des Phänomens „Religion" feststellen. Im Gegenteil, die Gegenwart enthält erstaunlich viel religionsproduktive Tendenzen.(3) Diese Suche führt zu einer beinahe unüberschaubaren „religiösen Szene" außerhalb der Kirche und einer Hochkonjunktur des Begriffs der „Spiritualität".

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Es ist berechtigt, wenn viele (Christen) den neuen Bewusstseinspraktiken skeptisch gegenüberstehen. (4) Trotzdem lässt sich nicht von der Hand weisen, dass hinter diesem Drang nach Überschreitung der persönlichen und alltäglichen Grenzen und funktionalen Abläufe, nach der Überwindung der Banalität des Alltags und der Suche nach Orientierung, die Sehnsucht nach Ganzheit und Heilsein verborgen ist. Um die verborgenen Momente an echter Sehnsucht nach Gott herauszuspüren, bedarf es freilich „eines sehr präzisen Hinhörens und einer sorgfältigen ,Unterscheidung der Geister'" (5).

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1.3 Die Ausbildungsgruppe als Spiegelbild der modernen Gesellschaft und Brennpunkt kirchlicher Konfliktherde

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Die Pluralisierung der Lebensentwürfe und Weltdeutungen schafft auch in der Kirche und den Gemeinden eine Pluralität von Biographien, Meinungen und bunten Milieus.

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Die Ausbildungsgruppe spiegelt sowohl die Verhältnisse moderner Gesellschaft wider als auch die damit verbundenen, ungelösten kirchlichen Probleme. In der Gruppe begegnen und verknoten sich zunächst die Lebenslinien mehrerer Personen. Auf der Ebene der persönlichen Begegnung erlebe ich in den Ausbildungsgruppen eine große Bereitschaft und Offenheit füreinander. Ich sehe das gegeben, was Hermann Stenger als „Pluralitätstoleranz" bezeichnet, nämlich die Fähigkeit, „die Vielfalt in der Kirche nicht nur relativ angstfrei ertragen, sondern in ihr auch das Wirken des Geistes sehen zu können" (6). Diese (scheinbar) unbeschwerte Harmonie droht aber zu kippen, sobald rollenspezifische Momente und kirchlich-strukturelle Gegebenheiten mitspielen - und wann tut es dies in einer pastoralen Ausbildungsgruppe nicht! Wenn kirchliche Ungleichbehandlung von Priestern/Priesteramtskandidaten und (Laien-)Theologen und Theologinnen deutlich wird, wenn an Weihekandidaten nicht dieselben Eignungskriterien angelegt werden wie für nicht geweihte Hauptamtliche in der Seelsorge oder wenn die Diözesanleitung Betroffene im Unklaren darüber lässt, welchen Platz sie in der Seelsorge zugewiesen bekommen, so verstärkt dies die Spannungen zwischen Trägern verschiedener pastoraler Berufe. Manchmal genügt ein Wort, eine Bemerkung, um eine persönliche - aber strukturell verursachte - Verletzungsgeschichte wachzurufen.

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Zur strukturellen Ungleichbehandlung treten Rollenunsicherheiten sowohl von Klerikern als auch Laien hinzu. Die Verunsicherung bei den Priestern, in der heutigen Gesellschaft oft als „Fremdkörper" gesehen, wurde bereits vom Zweiten Vatikanischen Konzil artikuliert: „Von daher haben die Priester und bisweilen sogar die Gläubigen in der heutigen Welt das Empfinden, als gehörten sie nicht mehr zu ihr, [...] die scheinbare Vergeblichkeit ihres seelsorglichen Wirkens und die oft schmerzlich erfahrene Einsamkeit können sie zur Mutlosigkeit verleiten" (PO 22). Ständige Diakone sowie Laientheologen und -theologinnen sind dagegen überhaupt erst auf der Suche nach ihrer eigenen beruflichen Identität - meist in Abgrenzung zum und Behauptung gegenüber dem Priesterbild - verbunden mit der Angst vor einer drohenden Arbeitslosigkeit. Gleiche Qualifikation (Fähigkeitskompetenz) von Priestern und Theologen und Theologinnen bei gleichzeitig ungleichem theologischen, strukturellen und sozialen Status (Zuständigkeitskompetenz) tragen schon in sich den Kern zu konkurrierendem Verhalten. Dies alles trägt zu einer spannungsgeladenen Situation in der Ausbildungsgruppe bei, „denn die Statusähnlichkeit und die Statusverschiedenheit sind von vornherein konfliktsträchtige Faktoren" (7).

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All diese ungelösten strukturellen Fragen bilden sich im Gruppenprozess auf einer Symbolebene ab, wenn eine gemeinsame liturgische Form des gemeinsamen Feierns gesucht wird. Ein Ergebnis ist manchmal, dass die Kleriker aus der Gruppe „ihre Eucharistie" feiern und die nicht geweihten Frauen und Männer bewusst einen Wortgottesdienst gestalten. Die liturgische Form wird dann zum einigenden Symbol für die Identität der Subgruppe. Die genannten Rahmenbedingungen für eine dergestalt zusammengesetzte Ausbildungsgruppe schaffen nicht die besten Voraussetzungen für ein wirklich offenes und redemptives Milieu. Angesichts der vielfältigen Herausforderungen, die auf die Träger pastoraler Berufe in der kirchlichen Verkündigung in einer multikulturellen Gesellschaft und in einer Kirche mit Reformstau zukommen, ist zu fragen, ob die Ausbildungsgruppe nicht ein geradezu ideales Lernfeld für die erforderliche pastorale Kompetenz abgibt.

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2. Die Seelsorge der Zukunft: „Pastoraltechnik" oder Mystagogie?

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In diesem Abschnitt möchte ich auf das kirchliche Bemühen - zum Teil auch der Theologie - hinweisen, Glaube, Theologie und Lebenserfahrung stärker zu verknüpfen. Diese Versuche erbringen auf der praktischen und persönlichen Ebene unzweifelhaft wertvolle Hilfestellung. Die eingangs gestellte Frage nach der Identität bleibt oder wird dadurch sogar zugespitzt. Daher ist zu fragen, ob nicht der Weg der Mystagogie - zumindest auf der konzeptionellen Ebene, auf der persönlichen ist er je neu zu vollziehen - eine neue, theologisch verantwortbare Perspektive aufzeigt.

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2.1 Pastorale „Techniken" als Ersatz für fehlende Glaubenssubstanz?

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Jeder und jede, der bzw. die vom Theologiestudium direkt in die Gemeindepastoral einsteigt, macht die Erfahrung, dass die Praxis Fragen aufwirft, auf die die Theologie keine unmittelbare Antwort gibt. Bereits das II. Vatikanum hat die Einseitigkeit der wissenschaftlichen Theologie im Hinblick auf die Erfordernisse der Seelsorge erkannt und aufgerufen, die Kandidaten „im Gebrauch der pädagogischen, psychologischen und soziologischen Hilfsmittel [...] methodisch richtig zu unterrichten" (OT 20f). Im Aufgreifen dieser Methoden wurde also eine Hilfestellung für die Verkündigung in der modernen Gesellschaft gesehen. Viele theologische Fakultäten versuchten diesem Auftrag nachzukommen und ihn umzusetzen. Obwohl sich der universitäre Apparat als träge erwies (8) und die Auswirkungen auf eine Reform der theologischen Studien bisher gering waren, so sind immerhin berufseinführende Lehrgänge eingerichtet worden.

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Auch das Pastoraljahr, das von der Theologischen Fakultät und den Diözesen Innsbruck, Feldkirch und Bozen-Brixen gemeinsam eingerichtet wurde, dient diesem Zweck. Die Angebote reichen von Gesprächsführungskursen und Predigtübungen über Fortbildung in Jugend- und Sakramentenpastoral bis zur pastoralen Praxisreflexion und geistlichen Begleitung.

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Lehrgänge solcher Art nützen die Ergebnisse der humanwissenschaftlichen Forschung und verwenden entwickelte Methoden sowohl für die Einzelbegleitung als auch für die Gruppenarbeit. Beispielhaft sei hier nur auf die Rezeption der Techniken der Gesprächspsychotherapie (Carl Rogers, Andreas Tausch) und gruppendynamischer sowie TZI-Elemente (Ruth Cohn) in der praktischen Theologie verwiesen. Dahinter steht das „Bemühen, die Theologie bewusster und unmittelbarer mit der Lebenswirklichkeit und den Lebenserfahrungen zu verbinden"(9).

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Gegen diese Einbeziehung soziologischer und psychologischer Erkenntnisse und anwendbarer Methoden gab und gibt es freilich berechtigte, aber auch unberechtigte Vorbehalte. Berechtigt sind sie dort, wo der Mensch reduziert wird auf ein zu analysierendes Objekt, mit Beziehungsstörung behaftet und Übertragungsneigung ausgestattet, wo Gruppe nur noch unter den Aspekten von Prozess, Interaktion und ideologischer Subgruppenbildung gesehen wird. Ebenso berechtigt ist die Kritik, wenn - so Hermann Stenger und Paul Matussek - die Seelsorger und Seelsorgerinnen aus mangelnder Glaubenssubstanz in die Psychologie flüchten(10). In diesem Fall würde das Hantieren mit psychologischen und soziologischen Methoden zu einer Art Ersatz für den individuellen und gemeinsamen Glaubensvollzug.

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Manchmal trifft man aber auch auf unberechtigte Kritik. Diese ist gegeben, wenn sie einem Abwehrverhalten entspringt. In diesem Fall wurzelt sie im nicht bewussten und unbekannten Schatten jener Person selbst und dem Mangel an Veränderungsbereitschaft bzw. dem Festhalten an einem idealen Selbstbild. „So kann jemand die Psychologie deswegen bekämpfen, weil er sich dagegen wehrt, persönliche Probleme des Reifens, innerseelische und zwischenmenschliche Konflikte, die schon lange zur offenen Bearbeitung und Verarbeitung anstehen, deutlich

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wahrzunehmen."(11)

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Wie auch immer man die skizzierte Frage beantwortet (für Methoden der Gemeindeentwicklung u.ä. gelten dieselben Anfragen), die Frage nach der Identität des Seelsorgers und der Seelsorgerin wird auf dieser Ebene nicht beantwortet. Dazu kommt die Tatsache, dass die pastoralen Anforderungsprofile „in den Himmel wachsen" und - so mein Eindruck - sowohl teilnehmende Personen als auch Ausbildungsleitung - nicht zuletzt die Erwartungen an ein Pastoraljahr - überfordern. Karl Berkel hat Eignungsmerkmale und Anforderungsprofile an pastorale Berufe zusammengetragen und in einer Fußnote etwas festgehalten, was ich gerne in den Haupttext übernehmen möchte: „Die Quelle der Integration liegt in einer ganz persönlichen Spiritualität. Leben in und aus der Nachfolge Jesu erwächst aus einem immer tieferen Versenken in das, was den ganz einmaligen und unverwechselbaren Beitrag des Einzelnen in der Gemeinschaft der Gläubigen darstellt (‚Charisma'). Welche konkrete Form dieses geistliche Leben und Verhalten annimmt, kann zeit- und mentalitätsbedingt variieren. Entscheidend ist, dass der Einzelne erkennt, wo die Wurzel und wo das Ziel seines Lebens sind und dass er dieses Wissen immer bewusster in die eigene Persönlichkeit integriert."(12) - Ich ziehe es vor, meine folgenden Gedanken um den Begriff der „Mystagogie" zu gruppieren. Der Begriff der Spiritualität hat eine ungeheure Inflation erfahren und ist nicht davor gefeit, zu einem „geistigen Überbau" zu werden.

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2.2 Die Alternative: Der mystagogische Weg

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Verständnis und Verwendung des Begriffs der Mystagogie sind durchaus nicht einheitlich. Der Begriff der Mystagogie bezeichnet heute „vor allem die vertiefte katechetische Einführung erwachsener Neugetaufter, in einem weiteren Sinn die Hinführung zur Erfahrung des unbegreiflichen Geheimnisses Gottes überhaupt" (13). Wie der gesellschaftliche Kontext nahe legt (vgl. 1.2), werde ich mich im Folgenden auf die zweitgenannte, umfassendere Bedeutung des Begriffs beziehen, wie sie auch Karl Rahner verwendet. Er stellt als Konsequenz aus der gesellschaftlichen-kirchlichen Diagnose unmissverständlich fest: „Alle gesellschaftlichen Stützen des Religiösen sind in dieser säkularisierten und pluralistischen Gesellschaft immer mehr am Wegfallen, am Absterben. Wenn es trotzdem wirkliche, christliche Frömmigkeit geben soll, dann kann sie sich nicht lebendig und stark erhalten durch Hilfen von außen, auch nicht durch Hilfen kirchlicher Art, nicht einmal durch Hilfen - unmittelbar und für sich allein genommen - sakramentaler Art, sondern nur durch eine letzte unmittelbare Begegnung des Menschen mit Gott." (14)

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Der mystagogische Ansatz geht davon aus, dass der Mensch als Frage und Geheimnis über sich hinaus auf ein absolutes Geheimnis weist, das wir Gott nennen. Diese Grundgegebenheit ist für den einzelnen Menschen erfahrbar. Die Erfahrbarkeit Gottes bedarf nicht eines über der Erde schwebenden, exklusiven Ortes oder ausgewählter Zeiten. Sie liegt vielmehr in der konkreten Alltagserfahrung des einzelnen Menschen verborgen, weil der Mensch immer schon mit dem Grund des Seins, mit Gott, in „Berührung" lebt. Religiöse Erfahrung meint damit, dass im Alltäglichen, in einem bestimmten Wort, einer Begegnung, einem „Schicksalsschlag", einer Lebensaufgabe usw. ein „Dahinter" oder „Mehr" wahrgenommen werden kann. Dieses Mehr ist gekennzeichnet durch ein die Person in ihrer Mitte zutiefst berührendes, ja betreffendes Erleben und einen sich daraus ergebenden Verpflichtungscharakter, den der „Hörende" vernimmt. Das meint etwas qualitativ anderes als das Herbeiführen frommer Gefühle und Stimmungen.

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2.3 Die persönliche Berufung vertiefen, die Charismen entfalten

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Mit den folgenden kurzen biblischen Verweisen möchte ich darlegen, dass der mystagogische Ansatz nicht einfach ein neuerlicher pastoraler Trick ist, sondern in der biblischen Botschaft gründet: Gott spricht den konkreten Menschen an, ruft ihn und beschenkt ihn mit Gnadengaben (Charismen) zum Wohle der Gemeinschaft.

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Die Schöpfungs- und Heilsgeschichte beginnt mit einer Initiative Gottes: „Im Anfang schuf Gott ..." (Gen 1,1). Er tut es, indem er „das Wort ergreift": „Es werde Licht!" (Gen 1,3). Gottes Wort ist nicht ein kraftloses, sondern ein wirkmächtiges, Leben schaffendes Wort. Gott hat auf „viele Male und auf vielerlei Weise" zu den Menschen gesprochen (Hebr 1,1). Die Bibel bezeugt die Suche Gottes nach seinen Menschen in unzähligen Berufungsgeschichten: von Abraham, dem Stammvater des Glaubens, über die eindrückliche Berufung des jungen Samuel bis hin zu dem Ruf, den Jesus an seine Jünger richtete. Mag sich auch die Hörfähigkeit der Menschen heute verändert haben - auch die Grammatik, in der sich Gott ausdrückt , so können wir davon ausgehen, dass Gott zu den Menschen auch heute persönlich und vernehmbar spricht. „Die Berufung also ist das, was das Geheimnis des Menschen von seinem Urgrund her erleuchtet, und sie ist selbst ein Geheimnis, ein Geheimnis der Liebe und des absoluten Geschenk-Seins." (15)

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Die zweite mystagogische Dimension ist die der verliehenen Gnadengaben. Damit sind nicht einfach „außeralltägliche Qualitäten einer Persönlichkeit" (Max Weber) gemeint, sondern die Geistbegabtheit jedes Gliedes einer christlichen Gemeinde zum Nutzen aller und zum Aufbau der ganzen Gemeinde, des Leibes Christi. Die paulinische Charismenlehre wendet sich gegen eine elitäre Gruppe innerhalb der Gemeinde, die sich den anderen überlegen fühlte (z.B. die ekstatische Glossolalie). Eine christliche Gemeinschaft/Gemeinde im „paulinischen" Sinn wird also dergestalt beschaffen sein, dass sich die einzelnen Charismen undiskriminiert entfalten und in ihrem konstruktiven Zusammenwirken die Gemeinde aufbauen. Die Charismen als persönliche Geschenke Gottes, als „Individuation der göttlichen Gnade" (16) - und als Gaben an die Gemeinde , gewährleisten damit sowohl Vielfalt als auch Einheit.

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Paulus drückt das Zusammenwirken der Charismen in dem bekannten Bild vom Leib mit den vielen Gliedern aus: „Denn wie der Leib eine Einheit ist, doch viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obgleich es viele sind, einen einzigen Leib bilden: so ist es auch mit Christus" (1 Kor 12,12). - Dieses Bild scheint mir auf dem oben skizzierten kirchlichen Hintergrund sowohl für die Gestaltung des Gemeindelebens als auch für die pastorale Ausbildung von ungeheurer Aktualität und Bedeutsamkeit zu sein.

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3. Zur Mystagogie eines Pastoraljahres

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3.1 Die Entfaltung der mystagogischen Haltung als pastorale Grundkompetenz

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Die oben skizzierte Diagnose hat - soweit ich das abschätzen kann - noch nicht die nötige Konsequenz für pastorale Ausbildungen nach sich gezogen. Pastorale Ausbildungskurse und Berufseinführungsjahre konzipieren sich vorwiegend von den pastoralen Anforderungen her, die verständlicherweise und naturgemäß auf einer sehr pragmatischen Ebene liegen. Dies verstellt aber oft den Blick auf Ursprung und Fundament von Kirche und Gemeinde. Die Wiederentdeckung der Berufung

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und die Entfaltung der Charismen stellen mir unverzichtbare Grundlagen für eine pastorale Ausbildung dar. Ich möchte diese mystagogische Haltung als pastorale Grundkompetenz bezeichnen. Diese Grundkompetenz - so hier die These - ist konstitutiv für jemanden, der in der kirchlichen Verkündigung von heute steht, und nicht nur ein Luxus für einige „besonders fromme Christen", quasi deren persönliches, christliches Hobby.

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Die Theologie sieht ihre Aufgabe darin, die christliche Glaubenslehre für das Heute auszulegen und die kirchliche Praxis zu reflektieren; die Humanwissenschaften werden herangezogen, um den Glauben besser vermitteln bzw. erschließen zu können. Beim mystagogischen Weg gruppiert sich all dies um die grundlegende Erfahrung Gottes. Carlo Carozzo mahnt deshalb ein Umdenken in der religiösen Pädagogik ein: „Konkret bedeutet sie die Aufforderung, nicht mehr Lehrsätze, sondern die Erfahrung des Gottes Jesu in das Zentrum der religiösen Erziehung

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zu stellen. Nicht um einem Angriff zu begegnen oder sich zu wappnen, wohl aber, um dem ursprünglichen Kern des christlichen Glaubens, in dem Gott sich uns

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bekanntlich seit den Anfängen in der Kraft des Geistes mitteilt, auf positive Art treu zu sein." (17)

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3.2 Die Spuren Gottes im eigenen Leben entdecken

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Während man früher den Begriff der „Berufung" auf eine bestimmte Lebensform (Priester, Ordensfrau oder -mann) bezog, wird er heute weiter und ursprünglicher verstanden. „Die echte Berufungspastoral macht den Gläubigen wachsam und aufmerksam für die vielen Anrufe Gottes und macht ihn bereit, dessen Stimme zu vernehmen und Ihm zu antworten." (18) Das gilt es festzuhalten: Gott selbst ist es, der beruft, und nicht ein kirchlicher Funktionär oder Prediger. Von daher empfängt jede Frau und jeder Mann Würde und Einzigartigkeit. Dieser persönliche Ruf verlangt auch eine persönliche Antwort, eine Antwort, die niemand stellvertretend geben kann: kein noch so guter Pfarrer und kein Bischof.

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Für den einzelnen Teilnehmer, die Teilnehmerin im Pastoraljahr gilt es, die Quelle eigenen Seins und Tuns nicht zu vergessen. Es gilt das Feuer der Berufung, „die Gnadengabe Gottes" wieder zu „entfachen" (vgl. 2 Tim 1,6) und für den Ruf Gottes wieder aufs Neue hellhörig zu werden. Daher ist es wichtig, die Spuren Gottes im eigenen Leben wieder zu entdecken, sich aufs Neue bewusst zu machen, wann und auf welche Weise Gott im eigenen Leben gesprochen hat. „Die Deutung der Lebensgeschichte wird so zu einem höchst geistlichen und nicht nur psychologischen Tun, da sie dazu führt, im Leben die helle und geheimnisvolle Gegenwart Gottes und seines Wortes zu erkennen. Sie ermöglicht auch, innerhalb dieses Geheimnisses allmählich den Keim der Berufung wahrzunehmen, den der Vater selbst in die Furchen des Lebens eingesenkt hat."(19) Dieser Weg verlangt Offenheit gegenüber dem Anruf Gottes und „ein gutes Maß an Lernbereitschaft der Person und an innerer Freiheit, sich von einem älteren Bruder oder einer Schwester führen zu lassen; dies besonders in den entscheidenden Phasen der Verarbeitung und Aneignung der eigenen Vergangenheit, vor allem der problembeladenen, und die anschließende Freiheit, zu lernen und sich zu ändern" (20).

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3.3 Die Ausbildungsgruppe als Entfaltungsraum für Berufungen und Charismen

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Während das „Entfachen der persönlichen Berufung" für die Frauen und Männer des Pastoraljahres meist nichts Ungewöhnliches oder Neues darstellt, stößt der Versuch, den gemeinsamen Gruppenprozess als mystagogischen Prozess zu betrachten, auf erhebliche Schwierigkeiten. Ungeübtheit im Hören, „was der Geist dieser christlichen Gemeinschaft sagt" (s. 2.4), und die strukturell bedingten Bürden (1.3) der Ausbildungsgruppe lenken das Augenmerk etwa auf die Rollenkonflikte, anstatt als „Versammlung der Berufenen" das Gespür für den mystagogischen Prozess zu fördern. Übertragungsphänomene, Abwehrverhalten und ideologische Verhaltensweisen sind für einen gruppendynamisch Geschulten nicht zu übersehen. Dies zu erkennen, mag wichtig sein. Ebenso wichtig aber ist der mystagogische Prozess der Gruppe. Wie aber sollen Frauen und Männer für den Aufbau der Gemeinde vorbereitet werden, wenn sie selbst die „grund-legenden" mystagogischen Vorgänge in einer Gruppe mit Gläubigen nicht wahrnehmen und in Sprache kleiden können? Wo und wie wird die Berufung und das Charisma dieser Frau und jenes Mannes in und für die Gruppe sichtbar? Wo und wie kommt das Wirken des Geistes in all dem Suchen und Ringen, den Fragen und Ungelöstem sowohl der Einzelnen als auch der Gruppe „zur Sprache"? Die Ausbildungsgruppe wird somit zur Kirche im Kleinen, in der sich persönliche Berufung und gemeinsamer Glaubensweg der Gruppenteilnehmer und -teilnehmerinnen verknoten: „In ihrer Besonderheit ist jede Berufung gleichzeitig ‚notwendig' und ‚relativ'. ‚Notwendig', weil Christus lebt und sichtbar wird in seinem Leib, der die Kirche ist, und im Jünger, der ihr wesentlicher Teil ist; ‚relativ', weil keine Berufung das zeichenhafte Zeugnis des Geheimnisses Christi voll ausschöpfen kann, sondern lediglich einen Teil davon zum Ausdruck bringt. Nur die Gesamtheit der Gaben macht den Leib des Herrn sichtbar." (21)

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Damit wird eine Aufmerksamkeit füreinander gefördert, deren Grund in der Hellhörigkeit gegenüber den Gaben des Geistes liegt, egal ob dies die eigenen oder die des anderen sind: „Darum muss jede und jeder offen sein für alles, was Gott anbietet oder geben will, und sich danach ausstrecken (1 Kor 14,1.5.12f. 39). Als Teil-Gaben entfalten sie ihre volle Kraft erst in Kommunikation mit anderen Charismen und sind dadurch zugleich geschützt vor Fehlentwicklungen. [...] Ziel ist die erlöste Verschiedenheit im Leib Christi (1 Kor 12)." (22) Damit ist die Pluralität für die Kirche nicht einfach ein in Kauf zu nehmendes Übel, sondern eine mit den Augen des Glaubens erkannte Wirkung des einen Geistes, der die verschiedenen Berufungen wachsen lässt. Der separierende Individualismus wird überwunden, indem der persönliche Weg und die Entfaltung der Charismen an die Gemeinschaft gebunden werden. Der Aufbau der christlichen Gemeinschaft, die Verwirklichung der communio, wird zum zentralen Kriterium für die Echtheit eines Charismas als „die umfassendste pastorale Kategorie für alle Dienste und Ämter" (23).

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Daß der Gruppenprozess in dieser Weise gelingt, dass man ermutigend und aufbauend miteinander umgeht, liegt letztlich nicht nur in der Macht der Teilnehmenden. Das Gelingen dieser Gemeinschaft ist nicht machbar, sondern Geschenk. In diesem Sinn wird die Ausbildungsgruppe für die teilnehmenden Frauen und Männer eine Schule des heiligen Geistes, die sich sowohl als Einzelpersonen als auch als Gruppe auf einen mystagogischen Prozess einlassen, im Bewusstsein, „dass wir aufgesucht werden, von einem anderen als uns selbst" (Taizé).

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Anmerkungen:  

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 1. Beispielhaft seien erwähnt: Karl Gabriel, Christentum zwischen Tradition und Postmoderne (QD 141), Freiburg i. Br. 51996; Medard Kehl, Wohin geht die Kirche? Eine Zeitdiagnose, Freiburg i. Br. 31996; Rainer Bucher, Pluralität als epochale Herausforderung, in: Herbert Haslinger (Hg.), Handbuch Praktische Theologie I. Grundlegungen, Mainz 1999, 91101.

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2. R. Bucher, Pluralität (s. Anm. 1), 91101: 96.

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3. Vgl. Hans-Joachim Höhn, Gegen-Mythen. Religionsproduktive Tendenzen der Gegenwart (QD 154), Freiburg i. Br. 1994.

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4. Vgl. Kardinal Poupard in seinem Vortrag „Rückkehr zum Heidentum", zitiert bei Carlo Carozzo, Mystik und die Krise der religiösen Institutionen, in: Conc (D) 29 (1994) 309-315: 313.

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5. M. Kehl, Wohin geht die Kirche (s. Anm. 1), 54.

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6. Hermann Stenger (Hg.), Kompetenz und Identität. Ein pastoraltheologischer Entwurf, in: Ders. (Hg.) Eignung für die Berufe der Kirche. Klärung - Beratung - Begleitung, Freiburg i. Br. 1988, 31-133: 57.

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7. H. Stenger, Kompetenz (s. Anm. 6) 45.

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8. Hermann Stenger fasst das prägnant zusammen: „Die Notwendigkeit der Reform theologischer Studien wird heute ebenso anerkannt wie die Notwendigkeit der theologischen Bildung selbst. Dass die Reform dennoch nur schleppend vorankommt, hängt mit den schwerfälligen bürokratischen Strukturen unserer Bildungseinrichtungen zusammen, aber auch mit der begrenzten Umstellungsfähigkeit mancher Mitglieder der Lehrkörper.", in: Ebd., 53.

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9. Hermann Stenger, Die Integration humanwissenschaftlicher Erkenntnisse in der praktischen Theologie. Beiträge zur Problematik der Pastoralpsychologie (Vortrag gehalten am 19. März 1983 vor dem Theatinerkreis), hg. vom Theatinerkreis in Quickborn, 3.

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10. Ebd., 6.

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11. Ebd., 5.

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12. Vgl. Karl Berkel, Eignungsdiagnostik. Grundlagen beratender Begleitung, in: H. Stenger, Kompetenz (s. Anm. 6), 135194: 172.

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13. Balthasar Fischer, Art. Mystagogie, in: Christian Schütz (Hg.), Praktisches Lexikon der Spiritualität, Freiburg i. Br. 1988, 902903: 902.

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14. Paul Imhof / Hubert Biallowons (Hg.), Karl Rahner im Gespräch II: 1978-1982, München 1983, 34.

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15. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.), Neue Berufungen für ein neues Europa (Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 131), Bonn 1998, 32.

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16. Ebd.

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17. C. Carozzo, Mystik (s. Anm. 4), 314.

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18. Neue Berufungen (s. Anm. 15), 58.

82
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19. Ebd., 94f.

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20. Ebd., 106.

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21. Ebd., 43f.

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22. Norbert Baumert, Art. Charisma, in: 3LThK, 1016-1017: 1017.

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23. Ebd., 52.

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